RoboCop
SF-Action // Es wurde aber auch Zeit! Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat zum Jahresende 2013 endlich Paul Verhoevens ebenso beinharten wie bissigen SF-Actionklassiker „RoboCop“ vom Index gestrichen. Eine Neuprüfung durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft ergab erwartungsgemäß die Einstufung „Keine Jugendfreigabe“ – auch für den Director’s Cut. So nutzt Twentieth Century Fox Home Entertainment die Gunst der Stunde, die Blu-ray mit Verhoevens brutaler Regiefassung rechtzeitig vor dem Februar-Kinostart des Remakes in die Regale zu stellen und dem Film auch in Deutschland eine adäquate Veröffentlichung zu gönnen. Ein guter Grund, den DVD-Player einzumotten und sich ein Blu-ray-Abspielgerät zuzulegen – auf DVD erscheint „RoboCop“ erst gar nicht.
Tod eines menschlichen Versuchsobjekts
Vielleicht ruft endlich jemand einen Arzt! Köstlich – gerade hat der neuartige Polizei-Android ED-209 bei einer Management-Präsentation des OCP-Konzerns den Oberkörper eines menschlichen Versuchskaninchens voll Blei gepumpt, der unglückliche Angestellte liegt tot und zerfetzt auf dem Tisch – und ein Kollege glaubt ernsthaft, ein Arzt könne helfen. Diese Szene ist in all ihrer Brutalität ein Paradebeispiel für die satirische Absicht, die Verhoeven mit seiner überzeichneten Dystopie eines kriminellen Detroit verfolgte. In der Kinofassung stark gekürzt, wurde die Szene erst im Director’s Cut in ihrer ganzen gewalttätigen Pracht gezeigt.
Die gnadenlose Hinrichtung von Murphy
Auch die Hinrichtung von Police Officer Alex J. Murphy (Peter Weller) war seinerzeit fürs Kino ebenso übel verstümmelt worden wie der Körper des bedauernswerten Polizisten in der Szene. Erst der Director’s Cut bringt die zynische Gnadenlosigkeit der Verbrecher um ihren Boss Clarence J. Boddicker (Kurtwood Smith) voll zur Geltung – und damit die Kehrseite der Medaille, dass eine Großstadt einem mächtigen gewinnorientierten Konzern die Polizeiarbeit übertragen will.
Mit dieser auch nach heutigen Maßstäben außerordentlich drastischen Gewaltdarstellung wollte Verhoeven den Zuschauern obendrein die Identifikation mit dem erst kurz zuvor in die Handlung eingeführten Murphy erleichtern. In der im Bonusmaterial enthaltenen Doku „Fleisch und Stahl: Die Entstehung von RoboCop“ gibt Verhoeven Auskunft über weitere Aspekte, auch christliche Symbolik, die er mit der Figur des ermordeten und von den Toten auferstandenen Polizisten abgebildet hat.
Berechtigter Klassikerstatus für „RoboCop“
„RoboCop“ ist ganz sicher nichts für Minderjährige, aber ein großartiger Film, der in all seiner Überzogenheit völlig zu Recht Klassikerstatus genießt. Der OCP-Konzern baut den in Stücke geschossenen Murphy zum Superpolizisten um, doch der letzte Rest von Murphys Bewusstsein lässt sich nicht ausradieren. Die ausufernden Schießereien platzieren „RoboCop“ in der Reihe der 80er-Actionfilme ganz weit vorn, die Darstellung der skrupellosen OCP-Manager passt auch in die heutige Zeit; und dass die Titelfigur uns nicht als seelenloser Roboter kaltlässt, dafür sorgen die kurzen Sequenzen mit Murphys Polizeipartnerin Anne Lewis (Nancy Allen). Umso schöner, dass die Bundesprüfstelle nun offenbar den Gehalt hinter der Gewalt erkannt hat.
Kaufempfehlung für die neue Blu-ray?
Wer als deutscher Filmsammler seine Augen auch auf den internationalen Markt richtet, hat womöglich schon die englische Blu-ray im Regal stehen (für den Verfasser dieser Zeilen gilt das jedenfalls). Lohnt sich der Kauf der deutschen Blu-ray, sofern man schon die alte englische hat? Der alte HD-Transfer hatte Kritik verursacht. Es ist allerdings ein mit 80er-Technik gedrehter 80er-Film – eine gewisse Körnigkeit ist auch in der neuen Abtastung zu bemerken. Die Farben sind ein wenig kräftiger, Details kommen ein wenig besser zur Geltung – das sind Feinheiten.
Dies ist zweifellos die beste verfügbare Fassung des Films. Grund genug, die alte englische Blu-ray zu ersetzen? Wer „RoboCop“ zu seinen Action-Favoriten zählt, mag das bejahen, zumal die englische Disc keine deutsche Tonspur enthält. Apropos: Ob die deutsche Synchronisation und englische Originalfassung höchsten Surround-Ansprüchen genügen, darüber kann ich derzeit mangels geeigneter technischer Heimkino-Ausstattung leider keine Auskunft geben – die Tonhöhe der deutschen Synchronisation hatte bei früheren Veröffentlichungen Anlass zur Kritik gegeben. Steelbook-Fans müssen allerdings einmal mehr nach Großbritannien ausweichen und damit auf die deutsche Synchronisation verzichten.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Paul Verhoeven haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Peter Weller und Ray Wise unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 31. Januar 2014 als Blu-ray
Länge: 103 Min.
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Französisch, Spanisch, Italienisch, Holländisch, Portugiesisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Finnisch u. a.
Originaltitel: RoboCop
USA 1987
Regie: Paul Verhoeven
Drehbuch: Edward Neumeier, Michael Miner
Besetzung: Peter Weller, Nancy Allen, Ronny Cox, Kurtwood Smith, Miguel Ferrer, Ray Wise
Zusatzmaterial: Diskussion mit den Machern vom Film, Fleisch und Stahl: Die Entstehung von RoboCop, Featurette: Die Dreharbeiten (1987), Featurette: Making-of (1987), Storyboards mit Kommentar von Animator Phil Tippett, entfallene Szenen, Die Schurken des alten Detroits, Spezialeffekte damals und heute, RoboCop: Die Entstehung einer Legende, Paul Verhoevens Cameo-Auftritt, Audiokommentar von Regisseur Paul Verhoeven, Autor Ed Neumeier und geschäftsführendem Produzenten Jon Davison, Original Kinotrailer, TV-Spot, Wendecover
Vertrieb: Twentieth Century Fox Home Entertainment
Copyright 2014 by Volker Schönenberger
Fotos & Packshots: © 2014 Twentieth Century Fox Home Entertainment