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The Salvation – Spur der Vergeltung: Vergebliches Warten auf Erlösung

08 Okt

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The Salvation

Kinostart: 9. Oktober 2014

Von Solveig Westphalen

Western // Die den titelgebenden Rachefeldzug ins Rollen bringenden Vorgänge sind schnell erzählt: Die Brüder Jon (Mads Mikkelsen) und Peter (Mikael Persbrandt) kämpfen als dänische Soldaten gegen die Preussen. Nach der Niederlage 1864 wandern sie nach Amerika aus. 1871 haben Jon und Peter eine kleine Farm aufgebaut und Jons Frau und sein Sohn überqueren den Atlantik. Direkt nach ihrer Ankunft werden sie von zwei Banditen getötet. Auf Gerechtigkeit braucht Jon im Wilden Westen nicht zu hoffen – er erledigt die Schuldigen selbst.

Alle Amtsträger im Nest Black Creek stehen unter der Knute des verbrecherischen Delarue (charmant-diabolisch: Jeffrey Dean Morgan, „Watchmen – Die Wächter“). Der erpresst die Honoratioren, Jon auszuliefern, denn einer der getöteten Outlaws war sein Bruder. So stehen Jon und Peter nicht nur gegen die Banditenbande, sondern auch gegen die Einwohner der Stadt …

Wortkarg und farbintensiv

„The Salvation – Spur der Vergeltung“ ist wunderbar wortkarg. Madelaine (Eva Green), die Frau von Delarues getötetem Bruder, ist nach Verstümmelung durch Indianer gar ganz stumm. Statt in leeren Genre-Phrasen schwelgt der Film in verschwenderischen Farben. Die Farbintensität der Bilder schmerzt beinahe in den Augen. Das satte Rot der Kleidung, das unwirkliche Blau der Prärienacht, die warmen Braun- und Gelbtöne der sonnendurchfluteten Landschaften: „Eine Geschichte über Rache und Überleben in einer mythischen Landschaft“ wollte Regisseur Kristian Levring erschaffen – und das hat er getan. Gedreht wurde in Südafrika, vielleicht der Grund für dieses unwirkliche Licht.

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Peter (l.) und Jon (r.) warten auf Jons Familie

Ein Fest für die Augen sind ohnehin Mads Mikkelsen („James Bond 007 – Casino Royale“, „Michael Kohlhaas“) und der hierzulande aus den „Kommissar Beck“-TV-Krimis bekannte Mikael Persbrandt, die auch ohne lange Staubmäntel verdammt gut anzuschauen sind. Großartig: ihre Präsenz vor der Kamera, ihr minimalistisches Mienenspiel in kargen dänischen Dialogen, die unmittelbar die Fremdheit der Brüder in dem wilden Land spüren lassen. Auch Jeffrey Dean Morgan als charismatischer Bösewicht macht seine Sache sehr gut. Das Abschlachten der Indianer für die US-Armee habe ihn erst zum Monster gemacht, sinniert der geschäftstüchtige Bestatter und Bürgermeister Keane (Jonathan Pryce, „Brazil“) gegenüber Jon. Ein kleiner Seitenhieb des Regisseurs, der nicht mit Gesellschaftskritik spart.

Im rechtsfreien Raum ausgelieferte Siedler

Auf Erlösung durch einen Helden warten die verängstigten Einwohner des Kaffs vergebens. Seine Macht grausam ausspielend, verlangt Delarue zwei Bürger der Stadt als „Sühne-Opfer“, um den Tod seines Bruders und des zweiten Bandenmitglieds auszugleichen. Die verstörende Szene, in der die Bewohner eine alte Frau und einen beinamputierten Mann aus ihrer Mitte als „Opfer“ bestimmen und dem Schlächter vorführen, wirkt weit über den Film hinaus. Auch die Anfangssequenz des Films, in der Jons Familie in einer Postkutsche drangsaliert wird, erweckt das intensiv-beklemmende Gefühl eines völlig rechtsfreien, mörderischen Raums – ein harscher Blick auf die Unfähigkeit der frühen Siedler, Zivilgesellschaften zu errichten, die dem Einzelnen wenigstens das nackte Leben garantieren.

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Delarue (r.) lebt seine Rache aus

So überrascht es nicht, dass sich nach dem finalen Shootout kein befriedigendes „Der Rache ist Genüge getan“-Gefühl einstellt. Der Priester, der gleichzeitig Sheriff ist (welch Kombination), bittet Gott darum, sich Jons Seele anzunehmen. Er täte besser daran, die göttliche Nachsicht für sich und seine feigen Mitbürger zu erbitten. Fast gerecht mutet es da an, dass schon bald der nächste Schurke vor der Tür stehen wird, um die Stadt erneut zu unterjochen. Schließlich hat Delarue die Schreckensherrschaft im Auftrag eines Konsortiums errichtet, das auf große Ölvorkommen unter dem Siedlerland spekuliert.

Im Spannungsfeld aus John Ford und europäischem Kino

Regisseur Kristian Levring („The King Is Alive“) gehört zu den Dogma-95-Gründern, die um die Jahrtausendwende das Kino neu erfinden wollten: weg von Spezialeffekten, Historienschinken und beliebigen Storys. Trotzdem nennt er als Vorbilder John Ford, Sergio Leone und Akira Kurosawa. Und so ist ein formal klassisch-archaischer Western entstanden, dessen europäische Wurzeln aber in den erzählerischen Details sichtbar werden. Genau dieses Spannungsfeld hat den Regisseur angetrieben, wie er im Presseheft zum Film verrät: „Die Geschichte des Wilden Westens ist auch unsere Geschichte. Die Geschichte von Menschen, (…) die ihre Wurzeln abgeschnitten haben, um die Geburt einer Nation mitzuerleben. Sich vorzustellen, wie man in dieser neuen Welt ums Überleben kämpfen musste, bringt einen schwer ins Grübeln. Wie baut man eine Existenz auf in einer Welt ohne Recht und Ordnung? Welche Mechanismen werden ausgelöst, wenn man von nirgendwo Hilfe erwarten kann?“

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Bürgermeister Keane (l.) und Dorfpriester Mallick (r.) haben Jon ausgeliefert

Angenehm unzeitgemäß ist der Umgang des Films mit expliziter Gewalt. Sicher, es fließt Blut – Menschen werden erschossen. Doch die Brutalität des Geschehens entsteht größtenteils im Kopf des Zuschauers, ohne Blutorgien á la „Django Unchained“ – vielleicht ein spätes Dogma-Erbe von Regisseur Levring und Drehbuchautor Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel“), der ebenfalls der Dogma-95-Gruppe angehört. Eines ihrer Dogmen lautet „keine Waffengewalt und Morde“. Allerdings haben Dogma-Regisseure von Beginn an selbstironisch ihre eigenen Regeln gebrochen. Zum Glück, denn sonst hätten wir Zuschauer auf „The Salvation“ ganz verzichten müssen. Schließlich bricht der Film fast jede Dogma-Regel.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Eva Green haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Mads Mikkelsen, Jeffrey Dean Morgan und Jonathan Pryce haben wir in unserer Rubrik Schauspieler.

Länge: 89 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: The Salvation
DK/GB/RSA 2014
Regie: Kristian Levring
Drehbuch: Anders Thomas Jensen, Kristian Levring
Besetzung: Mads Mikkelsen, Jeffrey Dean Morgan, Mikael Persbrandt, Eva Green, Eric Cantona, Douglas Henshall, Jonathan Pryce
Verleih: Concorde Film

Copyright 2014 by Solveig Westphalen
Filmplakat & Fotos: © 2014 Concorde Film

 
Ein Kommentar

Verfasst von - 2014/10/08 in Film, Kino, Rezensionen

 

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Eine Antwort zu “The Salvation – Spur der Vergeltung: Vergebliches Warten auf Erlösung

  1. joerggottschling

    2014/10/09 at 15:13

    Klingt ja na einem richtigen Geheimtipp, der bisher fast gänzlich unter dem Radar verschwindet. 😉

     

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