Odd Man Out
Von Simon Kyprianou
Der Film, der mich wohl am meisten beeinflusst hat, war „Odd Man Out“ („Ausgestoßen“) von Carol Reed. […] Mein ganzes Leben lang versuche ich diesen Film zu drehen. Wenn Sie ihn sich ansehen, werden Sie vielleicht ein paar Sachen in meinen Filmen besser verstehen. Dass ich einfach nur versucht habe, jemanden zu imitieren. (lacht) Erfolglos (lacht nochmal). (Roman Polanski in der FAZ)
Krimidrama // Schaut man Carol Reeds „Ausgestoßen“ mit diesem Zitat im Hinterkopf, so wirkt er in der Tat wie eine Art Essenz aus Polanskis Filmen, ob „Ekel“, „Rosemaries Baby“, „Der Mieter“, „Frantic“ – eigentlich beinahe alle Filme in seiner Filmografie. Sie wirken stilistisch und inhaltlich wie virtuose Variationen von „Ausgestoßen“.
Flucht durch eine vom Krieg gezeichnete Stadt
Zwei Jahre vor „Der dritte Mann“ gedreht, nimmt sich Carol Reed im Grunde desselben Themas an, einer vom Krieg gezeichneten, kaputten Stadt. Vom genialen Kameramann Robert Krasker mit betäubender Intensität fotografiert, wird sie – wie auch in „Der dritte Mann“ – zum surrealen, abstrakten Chaos-Fiebertraum, in dem die Menschen verzweifelt ums Überleben kämpfen müssen.
Als der IRA-Kämpfer Johnny McQueen (James Mason) bei einem Banküberfall aus Versehen einen Mann erschießt, muss er sich schwerverletzt und von der Polizei gehetzt durch das nächtliche Belfast kämpfen, auf der Suche nach seiner großen Liebe Kathleen (Kathleen Ryan). Reed degradiert McQueens Flucht dabei fast zur Nebensache, sie ist lediglich der rote Faden, der die Handlung zusammenhält.
Abbild der Verzweiflung
McQueen ist durch seine Verletzung ohnehin kaum bei Bewusstsein, stolpert der Ohnmacht nah durch das Chaos der Stadt. Der Film spaltet sich in etliche Nebenhandlungen, führt ein Sammelsurium an wunderlichen Nebenfiguren ein und wird mit zunehmender Laufzeit immer surrealer und wirrer. Durch diese vielschichtig mosaikhafte Struktur gelingt es ihm ein vollständiges und tiefgreifendes Bild der Verzweiflung der Menschen zu zeichnen und den tragischen Wahnsinn ihrer Existenz zu begreifen. Das Ende ist dann eine bittere Vorankündigung und Variation der Abschlussszene von „Der dritte Mann“. Ein Meisterwerk, ganz ohne Zweifel.
Die „Film Noir Collection“ von Koch Media haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgelistet. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit James Mason sind unter Schauspieler aufgeführt.
Veröffentlichung: 3. Februar 2023 und 14. Oktober 2012 als DVD
Länge: 111 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Odd Man Out
GB 1947
Regie: Carol Reed
Drehbuch: F. L. Green, R. C. Sherriff
Besetzung: James Mason, Robert Newton, Cyril Cusack, William Hartnell, Robert Beatty, Dan O’Herlihy
Zusatzmaterial 2023: „Home James“ (1972), Doku über James Mason, Interview mit James Mason, Bildergalerie, Wendecover
Zusatzmaterial 2012: Booklet
Label 2023: Pidax Film
Vertrieb 2023: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2012: Koch Media
Copyright 2015 by Simon Kyprianou
Szenenfotos & Packshot: © 2015 Koch Media