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Archiv für den Monat April 2016

Robert Siodmak (III): Der rote Korsar – Sein letzter Hollywood-Streich

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The Crimson Pirate

Von Ansgar Skulme

Abenteuer // Wir schreiben das ausklingende 18. Jahrhundert: Nach einem Überfall auf hoher See ist der spanische Baron Gruda (Leslie Bradley) durchaus beeindruckt von einem Piratenkapitän namens Vallo (Burt Lancaster). Er überredet den Freibeuter, der sich auch „Der rote Korsar“ nennt, ihm für eine stattliche Belohnung den Rebellenführer „El Libre“ auszuliefern. Vallo und seine Mannschaft lassen sich vom lockenden Reichtum blenden, doch als der Korsar und sein treuer Freund Ojo (Nick Cravat) mit El Libres Gefolge und dessen Tochter (Eva Bartok) bekannt werden und sich herausstellt, dass El Libre in Gefangenschaft lebt, während sein Volk unterdrückt wird, ändert Vallo seine Meinung: Nun schreibt er sich die Rettung des angeblichen Staatsfeindes auf die Piratenflaggen …

Robert Siodmaks letzter Hollywood-Film erweckt den Eindruck, dass der Regisseur die Nase von all seinen bitterernsten Film noirs und sonstigen US-Produktionen gehörig voll hatte und zum Abschluss ein wenig damit abrechnen wollte. Die wenigen Komödien in seiner US-Filmografie hatte er allesamt in seinen ersten beiden Jahren in Hollywood inszeniert. Vermutlich trug sich Siodmak bereits bei Produktionsstart von „Der rote Korsar“ mit dem Gedanken, Hollywood bald den Rücken zu kehren.

Hartnäckig hält sich die Legende, Siodmak habe das einstmals durchaus ernste Drehbuch des Piraten-Abenteuers in nur 48 Stunden zu einer Komödie umgeschrieben. Wobei prinzipiell erst einmal festzuhalten ist, dass der Film nur sehr bedingt als Komödie bezeichnet werden kann, da immer wieder ein ernster Unterton und auch tragische Szenen zur Geltung kommen. Nur weil sich der Kapitän und sein bester Freund sehr beschwingt geben, ist die Geschichte deswegen schließlich nicht gleich Comedy. Helden in Strumpfhosen sind sie zweifelsohne – buchstäblich, aber eben nicht unbedingt im Geiste von Mel Brooks. Der Film ist nicht mehr und nicht weniger Komödie als beispielsweise „In 80 Tagen um die Welt“ (1956), der auch mit einem amüsanten Heldengespann aufwartet, aber nichtsdestotrotz eine Abenteuergeschichte nach Jules Verne und kein Comedy-Streifen ist. Eine Inspiration für Siodmak dürfte „Sindbad, der Seefahrer“ (1947) gewesen sein. Darin adressierte Douglas Fairbanks Jr. das Publikum bereits in ähnlich direkter Art und Weise wie in „Der rote Korsar“ nun Burt Lancaster, der teils sogar in die Kamera spricht. Willkommen im Lande der Fantastereien und des Unglaublichen! Mit Vallo als Reiseführer für das Publikum. Schon frühzeitig rät er dazu, nicht alles zu glauben, was im Film erzählt werden wird. Kindlich verspielt, aber doch nicht allzu eskapistisch schlägt er sich in guten eineinhalb Stunden durch den kunterbunten Technicolor-Abenteuerfilmspielplatz.

Komm, mach mal ein paar Kunststücke!

Das extrovertierte Gehabe des roten Korsaren ist sicher nicht jedermanns Sache, zumal es ziemlich unnatürlich wirkt, dass Ojo und Vallo sich teilweise bewegen wie Akrobaten in der Manege und sich zwischen ihren Kunststückchen der Kamera präsentieren, als würden sie sich gleich verbeugen wollen, wobei sie um wirklich gar kein noch so aufgesetztes Zahnpasta-Grinsen verlegen sind. Betrachtet man dies allerdings vor dem Hintergrund, dass Lancaster und Cravat einander bereits aus dem Zirkus kannten, wo sie ab Anfang der 30er-Jahre unter dem Namen „Lang & Cravat“ gemeinsam aufgetreten waren, ist das durchaus eine nette Reverenz. Lancaster bekam in „Der rote Korsar“ erstmals wirklich die Chance, in einem Film sein Können aus seiner früheren Akrobaten-Karriere zu zeigen, die seiner erst 1946 in Siodmaks „Die Killer“ begonnenen Filmkarriere vorausgegangen war. Bald darauf folgte „Trapez“ (1956).

Die eigentliche Stärke des Films ist allerdings sein relativ anarchischer Subtext. Das beginnt schon beim Titel, der eine Anspielung auf die damals topaktuelle Hetze gegen alle „Roten“ bzw. Kommunisten und Sozialisten in den USA war. Man wollte dagegen protestieren und provozieren, jedoch winkte die Zensur den Film mit diesem Titel trotzdem durch. Das Gefolge von McCarthy hatte offenbar noch nicht einmal verstanden, wie es hier aufs Korn genommen wurde. Von seiner hemmungslosen Seite zeigt sich der Film auch, wenn mehrere Protagonisten plötzlich zur Tarnung in Frauenkleidung und geschminkt vor das Publikum treten. Egal ob hinsichtlich der akrobatischen Stunts, der politischen Provokation oder aber hinsichtlich des Humors: Der Film scheut sich nicht vor waghalsigen, brachialen Aktionen. Diesen Piraten ist nichts heilig und genau das macht sie sympathisch. Für die damalige Zeit ein wirklich forscher Film.

Lancaster am Limit

Siodmak und Lancaster tobten sich mit dieser Geschichte nicht nur stilsicher hinter und vor der Kamera aus, sondern auch am Budget. Die ursprünglich veranschlagten 1,1 Millionen Dollar reichten nicht, knapp drei Viertel dieses Betrages kamen oben drauf. Als Lancaster wenig später bei dem ebenfalls für Warner Brothers entstandenen Südsee-Film „Weißer Herrscher über Tonga“ (1954) erneut das Budget sprengte, verordnete das Studio ihm und seinem Produzenten Harold Hecht eine Kostenbremse. In der Folge wären die Budgets für Lancaster-Filme bei Warner noch niedriger veranschlagt worden, woraufhin er gemeinsam mit Hecht einen besseren Vertrag mit United Artists aushandelte und Warner den Rücken kehrte. Nichtsdestotrotz spielte „Der rote Korsar“ allein an den US-Kinokassen 2,5 Millionen Dollar ein, war somit kommerziell ein Erfolg.

Im Gegensatz zu den beiden vorausgegangenen Zusammenarbeiten von Siodmak und Lancaster dauerte es bei diesem Film zudem nur zwei Monate und nicht mehrere Jahre, bis er nach Deutschland kam. In der Bundesrepublik startete das Abenteuer am 1. Weihnachtsfeiertag 1952. Und auch im dritten Anlauf erhielt Lancaster eine weitere deutsche Stimme. Diesmal hört man Horst Niendorf, der Lancaster zum ersten Mal sprach, aber sein über den längsten Zeitraum immer wieder eingesetzter Synchronsprecher bleiben sollte. Obwohl Niendorf jünger war als Klaus Schwarzkopf („Gewagtes Alibi“), der für Lancaster eindeutig zu jung klang, und knapp 13 Jahre jünger als Burt Lancaster selbst, passte er überraschenderweise recht gut. Curt Ackermann („Die Killer“) war 21 Jahre älter als Horst Niendorf, trotzdem waren gerade diese beiden Sprecher die wohl am besten funktionierenden, die Lancaster in den ersten zwei Jahrzehnten seiner von Anfang an sehr erfolgreichen Filmkarriere hatte. Immer wieder erstaunlich, welche Geschichten die Synchronisation so alles schreibt.

Eine fossile Disc, die auf Ablösung wartet

Die deutsche DVD-Veröffentlichung des Films ist ein Relikt der fragwürdigen, kurzzeitigen Episode, als Warner einige Klassiker mit dem Vermerk „nicht digital remastered“ in Form eines Aufklebers auf dem Cover veröffentlichte. Auf diesen Discs fehlte teils sogar der Originalton, der in diesem Fall immerhin enthalten ist. Bild und Ton sind trotz allem durchaus in Ordnung, dafür allerdings gibt es noch nicht einmal eine Kapitelauswahl im Menü. Die findet sich nur bei dem Re-Release im Rahmen der „Jungen Cinemathek“ der Süddeutschen Zeitung, wo der Film im November 2006 als Nr. 9 erschien. Kurzum: „Der rote Korsar“ hat eine erneute Veröffentlichung dringend nötig, hat jedoch dem Großteil der Filme, die Robert Siodmak in Hollywood drehte, zumindest voraus, dass er in Deutschland überhaupt bereits einmal auf DVD herausgebracht worden ist. Fast zwei Drittel der über 20 US-Filme von Siodmak gibt es hierzulande bis heute nicht für das Heimkino, obwohl die meisten seiner Hollywood-Produktionen auf Deutsch existieren. Im Gedenken an einen der wichtigsten deutschen Regisseure der ersten Tonfilmjahrzehnte eine leider sehr spärliche Ausbeute.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Robert Siodmak haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Burt Lancaster und Christopher Lee in unserer Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 14. August 2020 als DVD, 9. November 2006 als DVD (SZ Junge Cinemathek), 23. Juni 2006 als DVD

Länge: 100 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Originaltitel: The Crimson Pirate
USA 1952
Regie: Robert Siodmak
Drehbuch: Roland Kibbee
Besetzung: Burt Lancaster, Nick Cravat, Eva Bartok, Torin Thatcher, James Hayter, Leslie Bradley, Noel Purcell, Christopher Lee, Frederick Leister
Zusatzmaterial: keins
Label 2020: Pidax Film
Vertrieb 2020: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2006: Süddeutsche Zeitung bzw. Warner Home Video

Copyright 2016 by Ansgar Skulme

 

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Carol – Die Dame im Pelz

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Carol

Von Andreas Eckenfels

Liebesdrama // Durch Kriminalromane wie „Der Fremde im Zug“, „Der talentierte Mr. Ripley“ und „Die zwei Gesichter des Januars“ erlangte Patricia Highsmith Weltruhm. Doch zu einem ihrer Werke bekannte sich die Bestseller-Autorin erst knapp 40 Jahre nach dessen Erstveröffentlichung – und das obwohl er seit 1952 mehrere Millionen Mal verkauft wurde. Aufgrund des für die damalige Zeit delikaten Inhalts hatten sich Highsmith und der US-Verlag Coward-McCann entschieden, „Salz und sein Preis“ unter einem Pseudonym herauszugeben.

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Carol und Therese lernen einander in einem Kaufhaus kennen

Erst 1990 zur Veröffentlichung einer neu überarbeiteten Fassung mit dem Titel „Carol“ erklärte die Autorin, dass sie sich hinter dem Namen Claire Morgan verbirgt. Der Liebesroman trägt autobiografische Züge. Highsmith selbst arbeitete als Verkäuferin im Kaufhaus Bloomingdale’s in New York, wo eine „Dame im Pelz“ sie zu der Geschichte inspirierte. Außerdem pflegte die Autorin 1949 eine kurze Liebesbeziehung zu Kathryn Cohen, der Ehefrau eines englischen Verlegers, mit der sie ein paar Monate in Italien verbrachte.

Verbotene Liebe

New York, 1952: Die mondäne Carol (Cate Blanchett) befindet sich in einem Scheidungskrieg mit ihrem Mann Harge (Kyle Chandler) und kämpft um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Rindy. Die junge Verkäuferin Therese (Rooney Mara) weiß noch nicht, ob sie den Heiratsantrag ihres Freundes Richard (Jake Lacy) annehmen soll. Sie träumt vielmehr von einer Karriere als Fotografin. Während Carols Weihnachtseinkäufen lernen die beiden unterschiedlichen Frauen einander kennen. Ein vergessener Handschuh führt zu einer weiteren Begegnung. Trotz des großen Altersunterschieds entsteht eine emotionale Bindung zwischen Carol und Therese. Gemeinsam unternehmen sie eine Reise, um dem Alltag zu entfliehen. Doch Harge versucht alles, um seine Frau zurückzubekommen …

(L-R) JAKE LACY and ROONEY MARA star in CAROL

Richard macht Therese einen Heiratsantrag …

Sechs Nomierungen für den Oscar, fünf Nominierungen bei den Golden Globes. Ohne Frage hätte „Carol“ jede einzelne Auszeichnung verdient gehabt. Dass Todd Haynes‘ Romanadaption dennoch keine einzige Trophäe mit nach Hause nehmen durfte, lag wohl an der starken Konkurrenz im Kinojahr 2015. Kameramann Edward Lachmann drehte im Super-16-Format, welches dem Film einen wunderschönen, körnigen Look verleiht. Die hervorragende Ausstattung und der Soundtrack versetzen uns in die USA der 50er-Jahre.

Zwei starke Frauen

Aber erst das Zusammenspiel von Cate Blanchett, die nach „I’m Not There“ erneut mit Regisseur Haynes zusammenarbeitete, und Rooney Mara machen „Carol“ zum Erlebnis. Mit kleinen, überaus gefühlvollen Gesten und ohne das Wort Liebe in den Mund zu nehmen, entsteht eine sehnsuchtsvolle Verbindung zwischen den beiden grundverschiedenen Frauen. Mara kann sich dabei mühelos gegen die große Blanchett behaupten und wurde für ihre Leistung in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet.

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… aber sie lässt sich Zeit mit einer Antwort und träumt von einer Karriere als Fotografin

Dabei ist besonders die Wandlung der beiden Frauenfiguren interessant: Während die erfahrene Carol zunächst in der Beziehung über die junge Therese dominiert, wirkt sie zunehmend zerbrechlicher, je mehr sie unter Druck gerät, ihre Tochter zu verlieren. Therese reift dagegen vom scheuen Reh zur selbstbewussten Frau, die nicht gleich vor Glück auf die Knie fällt, wenn ihr ein Heiratsantrag gemacht wird, sondern ihre Zukunft selbst in die Hand nimmt. Haynes zeigt uns die 50er-Jahre zwar noch als große Moralanstalt, die solch eine verbotene Liebe nicht duldet. Dennoch wird klar, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse langsam im Wandel begriffen sind.

Ein moderner Klassiker

Zwar konnte „Carol“ keinen Oscar oder Golden Globe gewinnen, dennoch wurde dem meisterhaft inszenierten Liebesdrama eine andere große Ehrung zuteil: Bei einer Umfrage des British Film Institutes unter Filmexperten wurde „Carol“ noch vor Klassikern wie „Brokeback Mountain“, „Weekend“ und „Happy Together“ zum besten LGBT-Film aller Zeiten gewählt. Somit kann man Haynes‘ noch recht jungen Film schon jetzt als einen modernen Klassiker bezeichnen, den man nicht nur aufgrund seiner zwei starken Hauptdarstellerinnen gesehen haben sollte.

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Carol wird von ihrem Noch-Ehemann zunehmend unter Druck gesetzt

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Cate Blanchett und Rooney Mara sind in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgeführt, Filme mit Kyle Chandler unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 22. April 2016 als Blu-ray und DVD

Länge: 118 Min. (Blu-ray), 114 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Carol
USA 2015
Regie: Todd Haynes
Drehbuch: Phyllis Nagy, nach dem Roman „Salz und sein Preis“ von Patricia Highsmith
Besetzung: Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Sarah Paulson, John Magaro, Jake Lacy
Zusatzmaterial: Interviews mit Cast & Crew, Behind the Scenes, Kinotrailer
Vertrieb: DCM Film Distribution GmbH / Universum Film

Copyright 2016 by Andreas Eckenfels

Fotos © Wilson Webb / DCM, Packshot & Trailer: © 2016 DCM Film Distribution GmbH / Universum Film

 

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The Trust – Big Trouble in Sin City: Wenn Cops zu Ganoven werden

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The Trust

Für diesen Gastbeitrag bedanken wir uns bei Marco Mewes, der mit seiner Ehefrau Bianca den „etwas anderen Filmblog“ Duoscope betreibt.

Krimidrama // Jim Stone und David Waters sind winzige Lichter bei der Polizei von Las Vegas, und arbeiten in der hiesigen Aservatenkammer. Dabei stößt Stone (Nicolas Cage) auf einen sensationellen Hinweis, den außer ihm niemand bemerkt zu haben scheint. Er holt seinen Freund Waters (Elijah Wood) an Bord. Gemeinsam enttarnen sie einen unscheinbaren Kühlraum, in dem sich ein bis zur Decke mit Reichtümern gefüllter Tresor befindet. Die beiden chronisch klammen Staatsdiener beschließen, den Coup ihres Lebens zu starten, doch die Nacht, die ihr Leben verändern soll, birgt ein Problem: Wem kann man in diesem Spiel wirklich trauen?

Cages Vegas

Nicolas Cage und Las Vegas – da sind zwei, die voneinander nicht lassen können. Und tatsächlich liefert Cage im Schatten der glitzernden Wüstenoase einige seiner besseren Leistungen ab: „Wild at Heart“ ist ohnehin einer seiner besten Filme, für „Leaving Las Vegas“ erhält er gar einen Oscar. Und Simon Wests Actionkracher „Con Air“ gilt als einer der besseren 90er-Flicks im Fahrwasser von Michael Bay – und endet spektakulär auf dem Vegas Strip.

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Ungleiches Duo: Die Cops David (l.) und Jim wechseln auf die andere Seite des Gesetzes

In „The Trust – Big Trouble in Sin City“ liefert Cage nach längerer Trash-Strecke wieder eine sehenswerte Performance ab, was wohl auch daran liegt, dass seine Figur interessant geschrieben ist. Cage spielt den bauernschlauen, immer etwas undurchsichtigen Cop mit Hang zu schlechten Scherzen und Wortspielen jedenfalls äußerst unterhaltsam. In Zeiten, in denen der noch immer von hohen Schulden geplagte Cage jede Rolle annehmen muss, die man ihm anbietet, erweist sich „The Trust“ in jedem Fall als gehobenes Werk seiner Sammlung.

Der immerjunge Wood

Als Cages buchstäblicher „Partner in Crime“ erweist sich Elijah Wood, dem sein Fluch, selbst mit Mitte dreißig noch auszusehen wie ein flaumbehafteter Teenager, deutlich zu schaffen macht – denn auch wenn er immer öfter Serienmörder und andere Psychos spielt, nimmt man ihm solche Rollen nur mit viel Mühe ab. Wood war auch nicht erste Wahl, sondern springt hier für Jack Hurst ein, der die Rolle ursprünglich spielen soll, aber aussteigt, als er in Konflikt mit seinem Dreh zu „Ben Hur“ kommt. Alles in allem ist Wood allerdings ein durchaus würdiger Ersatzmann und sein etwas tüdeliger, nicht weniger bauernschlauer Cop ein kongeniales moralisches Gegengewicht zu Cages Strippenzieher.

Spannend ist, wie sich die Perspektive während des Films schleichend wandelt: Ist zu Anfang Cage die Hauptfigur, die das Geschehen antreibt, wird die Last des Films in dessen 92 Minuten mehr und mehr auf Woods Schultern geladen, bis es schließlich zur völligen Umkehrung der Verhältnisse kommt.

Auch kurz im Bild

Der Film wirbt zudem damit, dass Jerry Lewis und Sky Ferreira mitspielen, was man als Werbemaßnahme goutieren kann. Altmeister Lewis, mittlerweile 90 Jahre alt, kam auf drängenden Wunsch seines engen Freundes Cage in den Film, ist insgesamt aber nicht mal eine Minute zu sehen. Das schwedische Sängerinnen-Schauspiel-Modell Sky Ferreira, zuletzt in Eli Roths „The Green Inferno“ zu sehen, spielt zwar etwas länger mit, hat aber nur knapp drei Dialogzeilen und gerät somit eher zum Plot Device als zur wirklichen Figur. Dafür darf sie hier einmal mit ihren natürlichen, dunklen Haaren auflaufen.

Ein gemischtes Debüt

„The Trust“ ist das Spielfilmdebüt der Brüder Alex und Benjamin Brewer, und bedauerlicherweise merkt man das dem Film hier und da an, auch wenn die beiden sich als äußerst talentiert erweisen. Ihr Film ist durchgehend kurzweilig, unterhaltsam und packend und bietet an etlichen Stellen unerwartete Wendungen oder clevere Schachzüge, die einen, im Verbund mit den zahlreichen Gags, durchgehend bei Laune halten. Dennoch konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass deutlich mehr drin gewesen wäre.

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Jim hat ein Problem

Zum einen macht der Film den Eindruck, als könne er sich nicht recht entscheiden, was er sein will. Wirkt der Anfang noch komödienhaft, wechselt die Geschichte in der zweiten Hälfte zu einer deutlich grimmigeren Gangstertragödie. Leider funktioniert das mit den etablierten Figuren nur bedingt. Das macht auch eine Einstufung des Films schwierig. Teilweise ein Heist-Movie, teilweise Komödie, teilweise eine durchaus ernste Gangsterballade, diese Mischung macht aus dem Werk im Endeffekt vermutlich vor allem ein Drama.

Zum anderen wirkt der Film häufig, als hätte man noch mehr erzählen wollen. Einige Enden bleiben einfach offen, einige Motivationen ungeklärt und – besonders tragisch in einem bestimmten Fall – manche Konflikte schlicht unaufgelöst; oder zumindest wird einem nur das Ergebnis präsentiert, was irgendwie enttäuschend war. In der Hinsicht drehen die Brewer-Brüder leider ein wenig ungelenk an der Spannungsschraube, und diese deutlich spürbare Uneinheitlichkeit der Geschichte sowie die oft mangelnde Umsetzung mögen der Grund sein, dass der Film nur auf DVD, Blu-ray und als Video on Demand herauskommt.

Überdurchschnittliche Video-Ware

Auf diesem Markt allerdings kann „The Trust“ klar überzeugen und hebt sich von vielen Kollegen ab, nicht nur durch den Cast, sondern eben auch durch eine durchaus spannende Geschichte, gute Gags, ein spielfreudiges Duo und die erwähnten Wendungen. Langweilig wird der Film nie.

In seinen besten Momenten wirkt „The Trust“ wie ein filmisches Potpourri des Spannungskinos der Neunziger und frühen Zweitausender: eine Prämisse, die grob an „Money Train“ erinnert, ein guter Schuss „The Heist“ oder „The Score“, dazu eine ordentliche Prise von Tarantinos „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“ und dem frühen Tarantino-Imitationskino wie etwa „Killing Zoe“. Insofern ist der vielleicht größte Vorwurf, den man „The Trust“ machen kann, dass er gut zwanzig Jahre zu spät kommt, um wirklich umzuhauen; man kann ihn aber auch als kurzweilige Hommage betrachten.

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Der Tresor ist nur mit Teamgeist zu öffnen – und Vertrauen. Doch was wartet auf der anderen Seite der Tür?

Als interessanter Fun Fact erweist sich, dass das „LVPD“, das Las Vegas Police Department, für das Stone und Waters arbeiten, gar nicht existiert. In Las Vegas arbeitet die „Metro“, das Las Vegas Metropolitan Police Department.

Genrefans von Heist-Filmen und Gangsterballaden werden mit „The Trust“ in jedem Fall knapp über Durchschnitt bedient, Cage-Fans können einer weiteren schillernden, mit Macken behafteten Figur des Stars zuschauen. Alle anderen sollten sich vor dem Anschauen bewusst machen, dass hier ein solider Film, aber kein Meisterwerk wartet, und sich notfalls mit einem halben Kasten Bier und ein paar Freunden versammeln, dann kann man wenig falsch machen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Nicolas Cage sind in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 29. April 2016 als Blu-ray und DVD

Länge: 92 Min. (Blu-ray), 87 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Trust
USA 2016
Regie: Alex Brewer, Benjamin Brewer
Drehbuch: Benjamin Brewer, Adam Hirsch
Besetzung: Nicolas Cage, Elijah Wood, Jerry Lewis, Sky Ferreira, Eric Heister, Alexandria Lee, Ethan Suplee
Zusatzmaterial: Originaltrailer, deutscher Trailer, Making-of, Trailershow, Wendecover, nur Blu-ray: Interviews, B-Roll, Zeitrafferaufnahmen vom Set
Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment

Copyright 2016 by Marco Mewes
Fotos & Packshot: © 2016 Ascot Elite Home Entertainment

 

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