The Crimson Pirate
Von Ansgar Skulme
Abenteuer // Wir schreiben das ausklingende 18. Jahrhundert: Nach einem Überfall auf hoher See ist der spanische Baron Gruda (Leslie Bradley) durchaus beeindruckt von einem Piratenkapitän namens Vallo (Burt Lancaster). Er überredet den Freibeuter, der sich auch „Der rote Korsar“ nennt, ihm für eine stattliche Belohnung den Rebellenführer „El Libre“ auszuliefern. Vallo und seine Mannschaft lassen sich vom lockenden Reichtum blenden, doch als der Korsar und sein treuer Freund Ojo (Nick Cravat) mit El Libres Gefolge und dessen Tochter (Eva Bartok) bekannt werden und sich herausstellt, dass El Libre in Gefangenschaft lebt, während sein Volk unterdrückt wird, ändert Vallo seine Meinung: Nun schreibt er sich die Rettung des angeblichen Staatsfeindes auf die Piratenflaggen …
Robert Siodmaks letzter Hollywood-Film erweckt den Eindruck, dass der Regisseur die Nase von all seinen bitterernsten Film noirs und sonstigen US-Produktionen gehörig voll hatte und zum Abschluss ein wenig damit abrechnen wollte. Die wenigen Komödien in seiner US-Filmografie hatte er allesamt in seinen ersten beiden Jahren in Hollywood inszeniert. Vermutlich trug sich Siodmak bereits bei Produktionsstart von „Der rote Korsar“ mit dem Gedanken, Hollywood bald den Rücken zu kehren.
Hartnäckig hält sich die Legende, Siodmak habe das einstmals durchaus ernste Drehbuch des Piraten-Abenteuers in nur 48 Stunden zu einer Komödie umgeschrieben. Wobei prinzipiell erst einmal festzuhalten ist, dass der Film nur sehr bedingt als Komödie bezeichnet werden kann, da immer wieder ein ernster Unterton und auch tragische Szenen zur Geltung kommen. Nur weil sich der Kapitän und sein bester Freund sehr beschwingt geben, ist die Geschichte deswegen schließlich nicht gleich Comedy. Helden in Strumpfhosen sind sie zweifelsohne – buchstäblich, aber eben nicht unbedingt im Geiste von Mel Brooks. Der Film ist nicht mehr und nicht weniger Komödie als beispielsweise „In 80 Tagen um die Welt“ (1956), der auch mit einem amüsanten Heldengespann aufwartet, aber nichtsdestotrotz eine Abenteuergeschichte nach Jules Verne und kein Comedy-Streifen ist. Eine Inspiration für Siodmak dürfte „Sindbad, der Seefahrer“ (1947) gewesen sein. Darin adressierte Douglas Fairbanks Jr. das Publikum bereits in ähnlich direkter Art und Weise wie in „Der rote Korsar“ nun Burt Lancaster, der teils sogar in die Kamera spricht. Willkommen im Lande der Fantastereien und des Unglaublichen! Mit Vallo als Reiseführer für das Publikum. Schon frühzeitig rät er dazu, nicht alles zu glauben, was im Film erzählt werden wird. Kindlich verspielt, aber doch nicht allzu eskapistisch schlägt er sich in guten eineinhalb Stunden durch den kunterbunten Technicolor-Abenteuerfilmspielplatz.
Komm, mach mal ein paar Kunststücke!
Das extrovertierte Gehabe des roten Korsaren ist sicher nicht jedermanns Sache, zumal es ziemlich unnatürlich wirkt, dass Ojo und Vallo sich teilweise bewegen wie Akrobaten in der Manege und sich zwischen ihren Kunststückchen der Kamera präsentieren, als würden sie sich gleich verbeugen wollen, wobei sie um wirklich gar kein noch so aufgesetztes Zahnpasta-Grinsen verlegen sind. Betrachtet man dies allerdings vor dem Hintergrund, dass Lancaster und Cravat einander bereits aus dem Zirkus kannten, wo sie ab Anfang der 30er-Jahre unter dem Namen „Lang & Cravat“ gemeinsam aufgetreten waren, ist das durchaus eine nette Reverenz. Lancaster bekam in „Der rote Korsar“ erstmals wirklich die Chance, in einem Film sein Können aus seiner früheren Akrobaten-Karriere zu zeigen, die seiner erst 1946 in Siodmaks „Die Killer“ begonnenen Filmkarriere vorausgegangen war. Bald darauf folgte „Trapez“ (1956).
Die eigentliche Stärke des Films ist allerdings sein relativ anarchischer Subtext. Das beginnt schon beim Titel, der eine Anspielung auf die damals topaktuelle Hetze gegen alle „Roten“ bzw. Kommunisten und Sozialisten in den USA war. Man wollte dagegen protestieren und provozieren, jedoch winkte die Zensur den Film mit diesem Titel trotzdem durch. Das Gefolge von McCarthy hatte offenbar noch nicht einmal verstanden, wie es hier aufs Korn genommen wurde. Von seiner hemmungslosen Seite zeigt sich der Film auch, wenn mehrere Protagonisten plötzlich zur Tarnung in Frauenkleidung und geschminkt vor das Publikum treten. Egal ob hinsichtlich der akrobatischen Stunts, der politischen Provokation oder aber hinsichtlich des Humors: Der Film scheut sich nicht vor waghalsigen, brachialen Aktionen. Diesen Piraten ist nichts heilig und genau das macht sie sympathisch. Für die damalige Zeit ein wirklich forscher Film.
Lancaster am Limit
Siodmak und Lancaster tobten sich mit dieser Geschichte nicht nur stilsicher hinter und vor der Kamera aus, sondern auch am Budget. Die ursprünglich veranschlagten 1,1 Millionen Dollar reichten nicht, knapp drei Viertel dieses Betrages kamen oben drauf. Als Lancaster wenig später bei dem ebenfalls für Warner Brothers entstandenen Südsee-Film „Weißer Herrscher über Tonga“ (1954) erneut das Budget sprengte, verordnete das Studio ihm und seinem Produzenten Harold Hecht eine Kostenbremse. In der Folge wären die Budgets für Lancaster-Filme bei Warner noch niedriger veranschlagt worden, woraufhin er gemeinsam mit Hecht einen besseren Vertrag mit United Artists aushandelte und Warner den Rücken kehrte. Nichtsdestotrotz spielte „Der rote Korsar“ allein an den US-Kinokassen 2,5 Millionen Dollar ein, war somit kommerziell ein Erfolg.
Im Gegensatz zu den beiden vorausgegangenen Zusammenarbeiten von Siodmak und Lancaster dauerte es bei diesem Film zudem nur zwei Monate und nicht mehrere Jahre, bis er nach Deutschland kam. In der Bundesrepublik startete das Abenteuer am 1. Weihnachtsfeiertag 1952. Und auch im dritten Anlauf erhielt Lancaster eine weitere deutsche Stimme. Diesmal hört man Horst Niendorf, der Lancaster zum ersten Mal sprach, aber sein über den längsten Zeitraum immer wieder eingesetzter Synchronsprecher bleiben sollte. Obwohl Niendorf jünger war als Klaus Schwarzkopf („Gewagtes Alibi“), der für Lancaster eindeutig zu jung klang, und knapp 13 Jahre jünger als Burt Lancaster selbst, passte er überraschenderweise recht gut. Curt Ackermann („Die Killer“) war 21 Jahre älter als Horst Niendorf, trotzdem waren gerade diese beiden Sprecher die wohl am besten funktionierenden, die Lancaster in den ersten zwei Jahrzehnten seiner von Anfang an sehr erfolgreichen Filmkarriere hatte. Immer wieder erstaunlich, welche Geschichten die Synchronisation so alles schreibt.
Eine fossile Disc, die auf Ablösung wartet
Die deutsche DVD-Veröffentlichung des Films ist ein Relikt der fragwürdigen, kurzzeitigen Episode, als Warner einige Klassiker mit dem Vermerk „nicht digital remastered“ in Form eines Aufklebers auf dem Cover veröffentlichte. Auf diesen Discs fehlte teils sogar der Originalton, der in diesem Fall immerhin enthalten ist. Bild und Ton sind trotz allem durchaus in Ordnung, dafür allerdings gibt es noch nicht einmal eine Kapitelauswahl im Menü. Die findet sich nur bei dem Re-Release im Rahmen der „Jungen Cinemathek“ der Süddeutschen Zeitung, wo der Film im November 2006 als Nr. 9 erschien. Kurzum: „Der rote Korsar“ hat eine erneute Veröffentlichung dringend nötig, hat jedoch dem Großteil der Filme, die Robert Siodmak in Hollywood drehte, zumindest voraus, dass er in Deutschland überhaupt bereits einmal auf DVD herausgebracht worden ist. Fast zwei Drittel der über 20 US-Filme von Siodmak gibt es hierzulande bis heute nicht für das Heimkino, obwohl die meisten seiner Hollywood-Produktionen auf Deutsch existieren. Im Gedenken an einen der wichtigsten deutschen Regisseure der ersten Tonfilmjahrzehnte eine leider sehr spärliche Ausbeute.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Robert Siodmak haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Burt Lancaster und Christopher Lee in unserer Rubrik Schauspieler.
Veröffentlichung: 14. August 2020 als DVD, 9. November 2006 als DVD (SZ Junge Cinemathek), 23. Juni 2006 als DVD
Länge: 100 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Originaltitel: The Crimson Pirate
USA 1952
Regie: Robert Siodmak
Drehbuch: Roland Kibbee
Besetzung: Burt Lancaster, Nick Cravat, Eva Bartok, Torin Thatcher, James Hayter, Leslie Bradley, Noel Purcell, Christopher Lee, Frederick Leister
Zusatzmaterial: keins
Label 2020: Pidax Film
Vertrieb 2020: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2006: Süddeutsche Zeitung bzw. Warner Home Video
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