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Archiv für den Monat Juni 2016

The Assassin – Berauschender Bilderreigen

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Nie yin niang

Kinostart: 30. Juni 2016

Von Matthias Holm

Historiendrama // Werden die Filmverleiher während eines großen Fußballturniers etwa mutiger, was ihre Releases anbelangt? Nachdem bereits der Anime „Miss Hokusai“ eine Kinoauswertung bekam, gelangt mit „The Assassin“ ein weiterer sehr spezieller Film in unsere Lichtspielhäuser. Dabei hat das Drama von Regisseur Hou Hsiao-Hsien bereits einige Vorschusslorbeeren bekommen.

Auszeichnung in Cannes

In diversen Ländern für verschiedene Filmpreise nominiert, ist die aussagekräftigste Leistung wohl der Gewinn des Regiepreises in Cannes 2015 – dort lief „The Assassin“ auch im Wettbewerb um die Goldene Palme, die aber an „Dämonen und Wunder – Dheepan“ ging. Dabei hat „The Assassin“ all diese Lobpreisungen durchaus verdient – auch wenn der Film kein breites Publikum ansprechen wird.

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Die Mörderin

Im China des neunten Jahrhunderts wird Nie Yin-Niang (Shu Qi) in ein Kloster geschickt, um sie von politischen Ränkespielen fernzuhalten. Im Exil wird Nie allerdings zur eiskalten Killerin („Assassin“) ausgebildet. 13 Jahre später kehrt sie in ihre Heimat zurück: Sie hat den Auftrag bekommen, den Gouverneur Tian Jian (Chang Chen) zu töten. Allerdings haben die beiden eine bewegte gemeinsame Vergangenheit – Nie sollte Tian einst heiraten.

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Das Opfer

Diese Zusammenfassung lässt sich nach Sichtung des Films nur schwer selbst erschließen. Im Drehbuch gibt es nur wenige Dialoge, Regisseur Hsiao-Hsien erzählt die Geschichte in erster Linie über Bilder. Da muss es dem Zuschauer schon genügen, wenn die Protagonisten Blicke austauschen, mehr Exposition wird selten geboten. Das ist eine interessante Art, eine Geschichte zu erzählen, auf Dauer für den in solchen Werken ungeübten Kinogänger aber enorm anstrengend.

Schöner kann Kino kaum sein

Zum Glück kann sich Hsiao-Hsien auf seinen Kameramann Ping Bin Lee verlassen. Selbst mit diversen Preisen ausgezeichnet, darunter bei der diesjährigen Berlinale mit einem Silbernen Bären für seine Kameraarbeit von „Chang jiang tu“, zaubert Lee ein wahrlich sinnliches Bilderfest auf die Leinwand. Jede Einstellung wirkt mit aller Vorsicht konstruiert, nur, um ein perfektes Bild zu schießen. Dabei nimmt die Kamera eine passive Rolle ein, der Zuschauer wird mit seiner Rolle als Zeuge des Geschehens konfrontiert. So ist es egal, wenn das Bild zum Beispiel von einem wehenden Vorhang gestört wird oder aber gerade neben dem gezeigten Bildausschnitt eigentlich etwas Interessantes vorgeht – man sieht in bisweilen Gemälde-artigen Einstellungen nur das, was gezeigt wird, nicht das, was man lieber sehen möchte. Selbst gekämpft wird nur selten, dafür lieben Regisseur und Kameramann statische Bilder offenbar zu sehr.

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Widerstrebende Gefühle

Zusammen mit einem zauberhaften Score sind die Kamera und die Regie die Punkte, die „The Assassin“ zu einem wahren Erlebnis machen, welches aber während seiner 105 Minuten auch anstrengend und herausfordernd sein kann. Umso schöner, dass solche berauschenden, schönen Filme in die Kinos kommen – und sei es nur während der Fußball-EM.

Länge: 105 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Nie yin niang
TWN/CHN/HK/F 2015
Regie: Hou Hsiao-Hsien
Drehbuch: Hou Hsiao-Hsien, Chu Tien-Wen, Hsien Hai-Meng, Zhong Acheng, nach einer Kurzgeschichte von Xing Pei
Besetzung: Shu Qi, Chang Chen, Zhou Yun, Tsumabuki Satoshi, Juan Ching-Tian, Hsien Hsin-Ying, Sheu Fang-Yi
Verleih: Delphi Filmverleih GmbH

Copyright 2016 by Matthias Holm

Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2016 Delphi Filmverleih GmbH

 
2 Kommentare

Verfasst von - 2016/06/30 in Film, Kino, Rezensionen

 

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Dämonen und Wunder – Dheepan: Flucht in ein besseres Leben

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Dheepan

Von Andreas Eckenfels

Drama // Die Flüchtlingskrise bewegt derzeit die ganze Welt. Längst haben sich auch zahlreiche Filmemacher dem hochaktuellen Thema angenommen. Auf den internationalen Filmfestivals sorgen die realen Geschichten menschlicher Schicksale für Aufsehen und ernten dort reihenweise Preise. Auf der Berlinale 2016 wurde die starke Dokumentation „Seefeuer“ mit dem Goldenen Bären prämiert. Darin schildert Regisseur Gianfranco Rosi das Leben der Bewohner der italienischen Insel Lampedusa, auf der täglich Hunderte von Flüchtlingen stranden. Auf den Filmfestspielen von Cannes gewann 2015 zudem Jacques Audiards Drama „Dämonen und Wunder – Dheepan“ die Goldene Palme. Der Regisseur erzählt die Geschichte von drei Flüchtlingen aus Sri Lanka, die in Frankreich ein neues Leben beginnen wollen.

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Dheepan will in Frankreich ein neues Leben beginnen

„Jetzt seid ihr diese Familie“: Der ehemalige Tamil-Tigers-Soldat Dheepan (Jesuthasan Antonythasan), die junge Frau Yalini (Kalieaswari Srinivasan) und das Waisenmädchen Illayaal (Claudine Vinasithamby) kennen einander nicht. Nur der blutige Bürgerkrieg in Sri Lanka hat sie zusammengeführt. Um nach ihrer Flucht bessere Chancen beim Asylantrag in Frankreich zu haben, geben sie sich mit gefälschten Pässen als Familie aus. Der Plan geht auf: Das Trio kommt in einer Sozialbausiedlung in den Pariser Banlieues unter. Dheepan bekommt einen Job als Hausmeister, Yalini betreut den dementen Vater eines Drogendealers (Vincent Rottiers), Illayaal besucht die Schule. Doch das neue Leben hat seine Tücken. Nicht nur die Sprache und die kulturellen Unterschiede bereiten den Neuankömmlingen Probleme. Auch die Gewalt, vor der sie eigentlich geflohen sind, ist hier allgegenwärtig.

In der Sache vereint

Wie schon Simon in seiner Rezension zu Jacques Audiards („Der Geschmack von Rost und Knochen“, „Ein Prophet“) Frühwerk „Tödliche Bekenntnisse“ richtig bemerkt, zieht sich das Thema Zweckbeziehungen und Ersatzfamilien wie ein roter Faden durch das Werk des französischen Filmemachers. Das tamilische Flüchtlings-Trio ist einander fremd, nur in der Sache vereint. Der traumatisierte Dheepan kämpft mit seinen inneren Dämonen. Wie in seiner Zeit als Soldat verhält er sich ebenso unterwürfig gegenüber den Anforderungen des Gastlandes. Yalini fühlt sich in Frankreich nicht wohl, anfangs schottet sie sich von ihren französischen Mitmenschen komplett ab. Am liebsten würde sie ihrer Cousine nach England weiterreisen. Illayaal hat nie die Liebe und Geborgenheit einer Familie genossen und sucht diese erfolglos bei ihren Ersatzeltern.

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Yalini hält es in Frankreich nicht aus

Audiard beschreibt die existenziellen Nöte seiner drei Protagonisten recht distanziert im halbdokumentarischen Stil. Dafür findet er kraftvolle Bilder. Sie haben kaum Habseligkeiten, schlafen auf dem Boden. Nur sehr langsam wächst diese Zweckgemeinschaft zu einer Familie zusammen. Dheepan rät seiner Pflegetochter dazu, ihr Essen mit dem Löffel statt wie in der Heimat mit den Händen zu sich zu nehmen. Sonst würde sie es nie lernen. Illayaal bringt ihm im Gegenzug die französische Sprache bei. Auch Dheepan und Yalini kommen einander langsam näher.

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Illayaal bringt Dheepan die französische Sprache bei

Doch mit laufender Handlung verliert Audiard seinen Kommentar zur Flüchtlingskrise etwas aus den Augen. „Dämonen und Wunder – Dheepan“ wandelt sich zum Sozialdrama, bei dem die katastrophalen Zustände in den französischen Vorstädten zu stark in den Vordergrund gerückt werden. Einerseits ist dies als Kritik auf die Integrationspolitik Frankreichs zu verstehen. Die sowieso schon traumatisierten Asylbewerber werden auch noch in die sozialen Brennpunkte abgeschoben. Andererseits wirkt der heftige Gewaltausbruch am Ende selbstzweckhaft und aufgesetzt. Dabei schoss mir schon der reißerische Titel „Hausmeister aus der Hölle“ durch den Kopf.

Reise in die dunkle Vergangenheit

Für Hauptdarsteller Jesuthasan Antonythasan war der Film eine Reise zurück in seine dunkle Vergangenheit. Wie er als Gast auf dem Hamburger Filmfest im Herbst 2015 berichtete, wurde er mit 16 Jahren von den Liberation Tigers of Tamil Eelam eingezogen, für die er als Kindersoldat bis zu seinem 19. Lebensjahr kämpfte. Danach floh er von Sri Lanka für vier Jahre nach Thailand. 1993 emigriert er nach Frankreich, wo er Asyl als politisch Verfolgter erhält. Mit Gelegenheitsjobs als Koch, als Hotelpage im Disneyland Paris und auch – wie Dheepan – als Hausmeister schlägt er sich durch.

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Auch in den Pariser Banlieues regiert die Gewalt

Antonythasan ist inzwischen erfolgreich als Autor tätig. Seine Theaterstücke, Essays und Literaturkritiken werden in diversen Zeitungen veröffentlicht. Sein Buch „Gorilla“ ist 2008 auch auf Englisch erschienen – darin berichtet er von seiner Zeit als Kindersoldat. Seine Darstellung und jene der ebenfalls noch wenig erfahrenen Schauspieler Kalieaswari Srinivasa und Claudine Vinasithamby gemeinsam mit der tamilischen Sprache tragen viel zur Authentizität von „Dämonen und Wunder – Dheepan“ bei. Der deutsche Titel geht übrigens auf Jaques Préverts Gedicht „Treibsand“ aus seinem Werk „Paroles“ zurück, welches im Film eine tragende Rolle spielt.

Veröffentlichung: 24. Juni 2016 als Blu-ray und DVD

Länge: 115 Min. (Blu-ray), 110 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch-Französisch, Tamil-Französisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Dheepan
F 2015
Regie: Jacques Audiard
Drehbuch: Jacques Audiard, Thomas Bidegain, Noé Debré
Besetzung: Jesuthasan Antonythasan, Kalieaswari Srinivasan, Claudine Vinasithamby, Vincent Rottiers, Faouzi Bensaïdi, Marc Zinga
Zusatzmaterial: Unveröffentlichte Szenen, Entstehung des Artworks, Trailer, Trailershow
Vertrieb: Weltkino Filmverleih GmbH / Universum Film

Copyright 2016 by Andreas Eckenfels

Fotos, Packshot & Trailer: © 2016 Weltkino Filmverleih GmbH / Universum Film

 
 

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High-Rise – Im Luxus-Hochhaus in die Barbarei

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High-Rise

Kinostart: 30. Juni 2016

Von Volker Schönenberger

SF-Drama // Dr. Robert Laing (Tom Hiddleston) haust in seiner heruntergekommenen und vermüllten Wohnung wie ein Messie, seine Nachbarn im Hochhaus scheinen ähnlich drauf zu sein. Den Schäferhund, der seine Gesellschaft gesucht hat, tötet und schlachtet er, um ihn in Teilen am Spieß zu grillen.

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Dr. Robert Laing zieht ins …

Soweit der Prolog von „High-Rise“, der sich im Übrigen am Einstieg des zugrunde liegenden Romans von J. G. Ballard orientiert. Die Handlung springt drei Monate zurück. Laing bezieht 1975 sein neues Appartement in dem luxuriösen, vom exzentrischen Architekten Anthony Royal (Jeremy Irons) errichteten Hochhaus. Der lebt mit seiner Frau Ann (Keeley Hawes) ganz oben im größten Penthouse des 40-stöckigen Gebäudes; die Dachterrasse hat er zum Park ausgebaut, in dem Ann mit ihrem Pferd (!) ausreiten kann.

Gesellschaftlicher Aufstieg – im Hochhaus nicht einfach

Das Gebäude bietet alle denkbaren Annehmlichkeiten, vom Supermarkt bis zu Swimming-Pool und Fitnessstudio. Theoretisch müssten seine Bewohner es gar nicht mehr verlassen, was einige auch so zu handhaben scheinen. Bald kristallisiert sich bei all dem Wohlstand eine strenge dreistufige Hierachie heraus: Wer oben lebt, gehört zur Oberschicht, der gesellschaftliche Aufstieg dorthin ist schwierig bis unmöglich. Das missfällt beispielsweise dem Dokumentarfilmer Richard Wilder (Luke Evans), der es mit seiner schwangeren Frau Helen (Elisabeth Moss) nur in den zweiten Stock geschafft hat. Nach und nach blättert bei vielen Bewohnern der Zivilisationslack ab. Die Außenwelt scheint fern, in der Abgeschlossenheit des Hochhauses gewinnen Barbarei und vertiertes Gebaren die Oberhand.

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… von Stararchitekt Anthony Royal errichtete Hochhaus

Mit dem Horrorthriller „Kill List“ und der Thriller-Groteske „Sightseers – Killers on Tour!“ machte Regisseur Ben Wheatley 2011 und 2012 nachhaltig auf sich aufmerksam. Das Historiendrama „A Field in England“ erregte ein Jahr später nicht ganz so viel Interesse, doch nun hat Wheatley mit „High-Rise“ Gelegenheit, sich nachhaltig für große Produktionen ins Gespräch zu bringen – das nicht zuletzt dank der erlesenen Besetzung: Mit dem als kommender Bond-Darsteller im Gespräch befindlichen Tom „Loki“ Hiddleston („Only Lovers Left Alive“, „Crimson Peak“) und Luke Evans („Dracula Untold“, „Fast & Furious 6“) hat er zwei attraktive und aufstrebende Schauspieler im Cast, die das Zeug haben, in den Superstar-Olymp aufzusteigen. Oscar-Preisträger Jeremy Irons („Die Affäre der Sunny von B.“) adelt sowieso jede Besetzungsliste, hinzu kommt Sienna Miller („Foxcatcher“, „The Girl“) als alleinerziehende Mutter Charlotte Melville.

Anarchie!

Kurz schoss mir bei der Sichtung von „High-Rise“ die französische Groteske „Themroc“ durch den Kopf, die ich einige Zeit zuvor geschaut hatte. Die dort gelebte und zur Schau gestellte Anarchie ist jedoch mehr Aufbegehren gegen die Ödnis des gesellschaftlichen Alltags. In „High-Rise“ gleiten die Bewohner unbewusst oder zumindest ohne Ziel in anarchistische Zustände ab. Sie vertieren, weil es ihnen an Kontakt zur Außenwelt mangelt. Auch Parallelen zum formidablen Endzeit-Drama „Snowpiercer“ sind zu bemerken – dort erstreckt sich die gesellschaftliche Hierarchie von der Spitze eines überdimensionalen Eisenbahn-Zuges nach hinten, während es in „High-Rise“ von oben nach unten geht. Der Architekt Anthony Royal wollte ein Refugium erschaffen, in dem es allen Bewohnern besser geht, quasi ein Biotop als Nische in der Großstadt. Doch Royals soziales Experiment ist zum Scheitern verurteilt.

Regisseur Ben Wheatley inszeniert das in erlesener Bildsprache, die die Dekadenz im Hochhaus und auch den Rückfall in die Steinzeit angemessen visualisiert. Die Filmmusik von Clint Mansell („Requiem for a Dream“) mit ihren mal elektronischen, mal klassischen Klängen untermalt das trefflich. Schön auch das zweimal zu hörende „SOS“, einmal von Portishead (im Original von Abba). Das ist Hochglanzkino, etwas – aber nicht viel – glatter als die literarische Vorlage. Sex und Gewalt werden nicht im Übermaß plakativ ausgewalzt, sondern punktuell eingesetzt. „High-Rise“ wurde bereits bei den Fantasy Filmfest Nights im April 2016 gezeigt, hat sich den regulären Kinostart aber redlich verdient – es ist kein Blockbuster, aber eine intelligente dystopische Vision.

In Deutschland unterschätzter Autor: J. G. Ballard

Zum Roman und zum Autor: „High Rise“ des britischen Schriftstellers James Graham Ballard (1930–2009) ist im Original 1975 veröffentlicht worden und in Deutschland erstmals 1982 unter dem Titel „Der Block“ als Heyne-Taschenbuch in der Reihe „Science-Fiction“ erschienen, zehn Jahre später unter dem Titel „Hochhaus“ in der Phantastischen Bibliothek von Suhrkamp. Beide Veröffentlichungen sind vergriffen, anlässlich des Kinostarts erscheint der Roman unter dem Filmtitel „High-Rise“ nun aber endlich erneut.

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Apart: die neue Nachbarin Charlotte Melville

Generell wird J. G. Ballard in Deutschland leider etwas stiefmütterlich behandelt. Einige seiner Romane und Erzählungen sind seinerzeit in der mittlerweile leider eingestellten „Phantastischen Bibliothek“ von Suhrkamp erschienen. Für den Verleger Joachim Körber gehört der Autor nicht nur zu den wichtigsten Science-Fiction-Autoren, sondern zu den wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts überhaupt, da sein Werk weit über die Science-Fiction hinausgehe. Körber hat in seinem Kleinverlag „Edition Phantasia“ einige Ballard-Werke herausgegeben, zum Teil in limitierten Liebhaberausgaben.

Lektüretipp: Ballards Urbane Trilogie

Körber empfiehlt auf meine Frage nachdrücklich die Lektüre von Ballards „Urbaner Trilogie“, bestehend aus „Crash“ (erschienen in der Edition Phantasia und trotz Limitierung auf 1.000 Exemplare nach wie vor lieferbar), „High Rise“ und „Concrete Island“, das bei uns unter dem Titel „Betoninsel“ auch als Heyne- und Suhrkamp-Taschenbuch erschienen ist – beide Veröffentlichungen sind vergriffen. Alle drei Romane sind 2004 auch in gebundener Form in einem Band erschienen – auch die Ausgabe ist nicht mehr lieferbar.

„High Rise“ und „Concrete Island“ sind Körber zufolge in gewisser Hinsicht Abwandlungen von William Goldings „Herr der Fliegen“ weil sie zeigen, wie schnell Menschen in die Barbarei zurücksinken, wenn sie von der Zivilisation abgeschnitten werden. Als zusätzliche Empfehlung nennt der Verleger das sehr experimentelle „The Atrocity Exhibition“, das die gesamte Psychopathologie des 20. Jahrhunderts auf den Punkt bringe. Es ist in Deutschland unter dem Titel „Liebe & Napalm: Export USA“ erschienen und – was sonst? – vergriffen. Immerhin ist in Österreich eine Ausgabe unter dem Titel „Liebe & Napalm – The Atrocity Exhibition“ lieferbar.

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Richard Wilder will aufsteigen …

Steven Spielberg verfilmte 1987 Ballards autobiografisch gefärbten Roman „Das Reich der Sonne“ mit dem jungen Christian Bale in der Hauptrolle. 1996 adaptierte David Cronenberg mit „Crash“ ebenfalls einen Ballard-Roman. „The Atrocity Exhibition“ ist 2000 als einzige Arbeit eines Regisseurs namens Jonathan Weiss mit kaum bekannten Darstellern verfilmt worden.

 

„Der Untergang ist verlockend und sinnlich“

In seiner Rezension von „Crash“ bei „Die Nacht der lebenden Texte“ schreibt Simon Kyprianou: Der Untergang ist verlockend und sinnlich. Genau das ist es, was Science-Fiction-Fans Ballard nach Einschätzung von Joachim Körber anfangs immer vorgeworfen haben – bei ihnen sei der Autor in den 1960er- und 1970er-Jahren auf teils vehemente Ablehnung gestoßen. Seine Helden würden nicht wacker gegen die Katastrophen angehen, die in seinen ersten vier Romanen „Der Sturm aus dem Nichts“ („The Wind from Nowhere“), „Paradiese der Sonne“ (auch „Karneval der Alligatoren“, Originaltitel: „The Drowned World“), „Welt in Flammen“ (auch „Die Dürre“, Originaltitel: „The Burning World / The Drought“) und „Kristallwelt“ („The Crystal World“) in Form der vier alchemistischen Elemente Luft, Wasser, Feuer und Erde über die Welt kommen; statt das Unheil wacker zu bekämpfen, würden sie sich regelrecht im Untergang suhlen.

Bleibt zu hoffen, dass dieser wunderbare Schriftsteller mit der gelungenen und zum Nachdenken anregenden Verfilmung „High-Rise“ in Deutschland endlich breite Aufmerksamkeit erlangt.

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… verfällt aber doch nur der Dekadenz

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Sienna Miller haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Luke Evans, Tom Hiddleston, Jeremy Irons und James Purefoy unter Schauspieler. Ein lesenswerter Text über „High-Rise“ findet sich auch bei den Kollegen von Evil Ed.

Länge: 119 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: High-Rise
GB/BEL 2015
Regie: Ben Wheatley
Drehbuch: Amy Jump, nach einem Roman von J. G. Ballard
Besetzung: Tom Hiddleston, Jeremy Irons, Sienna Miller, Luke Evans, Elisabeth Moss, James Purefoy, Keeley Hawes, Peter Ferdinando, Sienna Guillory, Tony Way
Verleih: DCM Film Distribution GmbH

Copyright 2016 by Volker Schönenberger

Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2016 DCM Film Distribution GmbH

 
Ein Kommentar

Verfasst von - 2016/06/28 in Film, Kino, Rezensionen

 

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