John Wick – Chapter 2
Von Andreas Eckenfels
Actionthriller // „Hast du ,John Wick‘ gesehen?” So schallte es Anfang 2015 aus allen Ecken. Selbst dem Genre ansonsten eher weniger zugeneigte Filmfreunde zeigten sich von dem brutalen, aber auch coolen Rachethriller begeistert. Ein Garant für den Erfolg war Keanu Reeves, der mit der ikonischen Titelrolle ein lang herbeigesehntes Comeback feiern konnte. Nachdem „John Wick“ quasi über Nacht zum Kultfilm avancierte, war schnell klar, dass die Geschichte des stoischen und stets adrett gekleideten Auftragkillers noch lange nicht zu Ende erzählt ist.
Neuer Hund, neues Haus, alte Probleme
Die Fortsetzung setzt kurz nach dem Ende des ersten Teils ein: John Wick holt sich seinen heiß geliebten Ford Mustang zurück, dessen Diebstahl die vorigen Ereignisse erst in Gang setzte. Das Gefährt ist noch im Besitz von Abram (Peter Stormare), dem Bruder von Viggo Tarasov, der der Oberbösewicht im Vorgänger war und von dem leider gerade überraschend verstorbenen Michael Nyqvist dargestellt wurde. Abram weiß, dass es kein gutes Ende nehmen wird, wenn man sich Wick zum Feind gemacht hat. Mit seinen Worten trägt er selbst zur Legendenbildung des Killers bei und sorgt bei seinen Untergebenen für schlotternde Knie. Er soll recht behalten. 15 Filmminuten und etliche Leichen später hat Wick seinen Ford Mustang wieder. Da er den Wagen ebenfalls als Waffe einsetzen musste, ist dieser zwar fast schrottreif. Doch Aurelio (John Leguizamo), einer seiner wenigen Freunde, wird ihn in seiner Werkstatt schon wieder flottkriegen.
Zeit für eine Atempause bleibt dem Killer allerdings nicht. Der erhoffte Ruhestand mit seinem neuen Hund im frisch erworbenen neuen Eigenheim währt nicht lange. Denn Santino D’Antonio (Riccardo Scamarcio) steht plötzlich an seiner Türschwelle und erinnert Wick an einen alten Blutschwur, den er noch nicht abgegolten hat. Der Gangsterboss will seine Schwester Gianna (Claudia Gerini) umbringen lassen, damit er selbst an die Spitze eines international agierenden Verbrechersyndikats gelangt. Der Kodex der geheimen Killervereinigung macht es Wick unmöglich, den Auftrag abzulehnen. Also reist er nach Rom, um seinen vermeintlich letzten Mord zu begehen …
Regeln und Rituale
Auch wenn die 119 Leichen aus dem Erstling nicht ganz erreicht werden, liegt der Body Count im zweiten Kapitel mit 116 Opfern nur unwesentlich darunter. Es bleibt aber nicht der einzige Punkt, bei dem die Fortsetzung dem Vorgänger stets ein klein wenig unterlegen ist. Nicht nur aufgrund der beinharten Feuergefechte zog „John Wick“ in seinen Bann. Vielmehr waren es die frischen Ideen rund um die Regeln und Rituale, die innerhalb der Killervereinigung gelten. Das Hotel „The Continental“, in welchem sich die Profimörder einquartieren können; Golddukaten, die als Zahlungsmittel fungieren – solche Einfälle faszinierten. Zwar erfahren wir in der Fortsetzung etwas mehr von dieser geheimen Parallelwelt, in der die Worte Blut und Ehre eine enorme Bedeutung besitzen, dennoch geht der Überraschungseffekt etwas verloren. Nach dem oben beschriebenen fulminanten Auftakt von „John Wick – Kapitel 2“ muss man sich erstmal auf etwas Leerlauf einstellen.
Doch keine Sorge, sie ist nicht von langer Dauer. Nachdem unser neuer Lieblingskiller sein Zielobjekt in Rom ausgeschaltet hat, ist es mit der Ruhe vorbei. Da Wick seine Schwester getötet hat, setzt ausgerechnet D’Antonio ein Kopfgeld von sieben Millionen Dollar auf ihn aus. Bei solch einer Summe sagt keiner seiner professionell ausgebildeten Kollegen „Nein“. Wick ist nirgends mehr sicher, jede Sekunde muss er mit dem nächsten Angriff rechnen. In Zwischenschnitten und Parallelmontagen stellen sich Wick pausenlos Gegner in den Weg. Von den kompromisslosen Schusswechseln, die aus kürzester Distanz mit voller Härte geführt werden und die mit perfekt choreografierten „Gun Fu“-Kampfszenen gewürzt sind, bis hin zum finalen Endkampf in einem Museum mit Spiegelkabinett werden die Erwartungen an ein stylisches Actionfest erfüllt.
Stahelski vereint die „Matrix“-Stars
Allerdings: Obwohl all diese Szenen auf einem hohen Niveau liegen und in schnellem Tempo vorgetragen werden, fehlt es ein wenig an Abwechslung. Selten legt Wick mal seine Waffe beiseite und nutzt beispielsweise einen Bleistift als Tötungsinstrument. Ein wenig mehr Auto-Action wie im ersten Teil hätte ich mir ebenfalls gewünscht. Auch interessante Figuren wie die stumme Killerin Ares (Ruby Rose) kommen angesichts der Fülle an gesichtslosen Gegnern leider viel zu kurz. Von den zahlreichen Fights bleibt nur der lange Zweikampf mit seinem hartnäckigsten Widersacher Cassian (Common) im Gedächtnis, der zunächst in Rom, später in den Straßen von New York ausgetragen wird und im Waggon einer U-Bahn stichhaltig endet.
Immerhin ließ es sich Chad Stahelski nicht nehmen und organisierte eine kleine „Matrix“-Reunion. Der Regisseur selbst fungierte in der bahnbrechenden Science-Fiction-Trilogie als Stunt-Double von Keanu „Neo“ Reeves. Im zweiten „John Wick“ ist nun auch Lawrence „Morpheus“ Fishburne in der Rolle von Bowery King mit von der Partie, der dem verfolgten Auftragskiller aus der Patsche hilft.
Vielleicht liegt es daran, dass es sich bei „John Wick – Kapitel 2“ um einen Mittelteil handelt, dass es an den ganz großen Höhepunkten mangelt, weil sich die Macher diese für den bereits bestätigen dritten und vermutlich finalen Teil aufheben wollen. Nach der Filmtrilogie könnte die „John Wick“-Welt noch weiterleben: Derzeit wird über eine TV-Serie nachgedacht, in der die Ereignisse rund um die weltweite „The Continental“-Hotelkette als Dreh- und Angelpunkt dienen.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Chad Stahelski haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Bridget Moynahan unter Schauspielerinnen, Filme mit Laurence Fishburne, Ian McShane, Franco Nero, Lance Reddick, Keanu Reeves und Peter Stormare in der Rubrik Schauspieler.
Veröffentlichung: 27. Juni 2017 als 4k-UHD, Blu-ray, Blu-ray im limitierten Steelbook und DVD
Länge: 123 Min. (Blu-ray), 118 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
Originaltitel: John Wick – Chapter 2
USA/HK/IT/KAN 2017
Regie: Chad Stahelski
Drehbuch: Derek Kolstad
Besetzung: Keanu Reeves, Riccardo Scamarcio, Ian McShane, Ruby Rose, Common, Lance Reddick, Laurence Fishburne, Claudia Gerini, John Leguizamo, Peter Stormare, Franco Nero, Bridget Moynahan
Zusatzmaterial: Audiokommentar von Keanu Reeves und Chad Stahelski, entfallene Szenen, RetroWick: Der unerwartete Erfolg von John Wick, John Wick im Training, Wick-vizzed, Die Verbrecherwelt des John Wick, Freunde und Vertraute: Kenaus und Chads Zusammenarbeit, Car Fu zum Mitfahren, Kameratest: Entwicklung einer Kampfszene, Wicks „Werkzeugkiste“, Mitgezählt, Wicks Hund, deutsche Kinotrailer, Original Kinotrailer
Vertrieb: Concorde Home Entertainment
Copyright 2017 by Andreas Eckenfels
Fotos & Packshots: © 2017 Concorde Home Entertainment