All the Money in the World
Kinostart: 15. Februar 2018
Von Matthias Holm
Thrillerdrama // Es gab im Vorfeld eine Menge Lärm um den auf einer wahren Begebenheit basierenden „Alles Geld der Welt“, dem neuen Film von Ridley Scott. Zunächst gab es die Umbesetzung einer zentralen Figur – der Film war schon mit Kevin Spacey als Jean Paul Getty abgedreht, es existierte bereits ein Trailer mit ihm in der Rolle. Nach den Enthüllungen während der „#MeToo“-Kampagne wurde Spacey aus dem Film geschmissen, seine Szenen wurden mit Christopher Plummer nachgedreht. Damit nicht genug, kurz darauf ging ein Aufschrei durchs Internet: Michelle Williams habe für eben jene Nachdrehs deutlich weniger Geld bekommen als ihr Kollege Mark Wahlberg.
Irreführender, deutscher Trailer
Wenn ein Film also schon im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit bekommt, warum sollte man das nicht nutzen? So prangt im deutschen Trailer zwischenzeitlich der Schriftzug „Der Skandalfilm“ – im englischen Pendant fehlt dieser Hinweis. Natürlich bleibt der Ausdruck eine hohle Phrase, der Film an sich ist weder provokant oder anderweitig skandalträchtig. Generell ist der Trailer eher irreführend, denn „Alles Geld der Welt“ ist kein schnell geschnittener, rasanter Thriller, sondern vielmehr eine Studie darüber, wie sehr Vermögen korrumpieren kann.
1973 wird der 16-jährige John Paul Getty III (Charlie Plummer) in Rom entführt. Das ist kein Zufall, Paul ist der Enkel des Öl-Magnaten J. Paul Getty (Christopher Plummer). Die Täter fordern 17 Millionen Dollar Lösegeld. Während Pauls Mutter Gail (Michelle Williams) verzweifelt versucht, ihren Sohn wiederzubekommen und sich dabei mit Gettys Sicherheitschef Fletcher Chace (Mark Wahlberg) verbündet, denkt der reichste Mann der Welt nicht daran, das Geld zu bezahlen.
Warum die Figur des J. Paul Getty nicht von vornherein mit Plummer besetzt wurde, ist ein Rätsel. Spacey verschwand für die Rolle unter einer dicken Schicht Make-up, um ihn älter aussehen zu lassen – das hat Plummer nicht nötig, immerhin hat der Mann bereits 88 Jahre auf dem Buckel. Er trägt die Rolle des nach Geld süchtigen Mannes mit absoluter Würde, seine Präsenz nimmt die ganze Leinwand ein, allerdings hat seine Oscar-Nominierung durch die Vorgeschichte einen bitteren Beigeschmack.
Schauspielduell zwischen Williams und Plummer
Doch die anderen Darsteller lassen sich nicht an die Wand spielen, gerade Michelle Williams ist als Identifikationsfigur für die Zuschauer eine Wucht. So sind die spannendsten Szenen im Film genau die, in der ihre Gail auf den ehemaligen Schwiegervater trifft, die Spannung ist dann förmlich mit den Händen zu greifen – vor allem, da in diesen Diskussionen auch immer wieder ein zentraler Aspekt angesprochen wird: Getty ist der reichste Mensch der Welt und dennoch versucht er, aus jeder Situation Profit zu schlagen – sogar aus der Entführung seines Enkels. Gerade in späteren Szenen scheint sein Geiz kein Ende zu nehmen und der Zuschauer verliert komplett das Verständnis für die Handlungen dieses Mannes. Auch Mark Wahlberg, die dritte zentrale Figur, gibt einen überzeugenden Agenten ab, als Bindeglied zwischen Getty und Gail funktioniert er perfekt.
Leider fällt der Rest des Films dagegen ab. Die Geschichte, wie sich der junge Paul mit einem seiner Entführer (Romain Duris) anfreundet, wirkt arg konstruiert, auch etwaige Familien-Streitigkeiten nehmen mehr Platz ein, als es dem Film gut tut – die satte Lauflänge von 132 Minuten merkt man deutlich. Dafür sieht „Alles Geld der Welt“, wie man das bei Scott erwartet, fantastisch aus. Ob es nun die kalten, kahlen Räume von Getty Oil sind oder das heiße Italien, die Bilder von Kameramann Dariusz Wolski fangen die Stimmung perfekt ein. Das kann man vom Score leider nicht sagen – Daniel Pembertons Musik bleibt während er gesamten Zeit erstaunlich belanglos.
„Alles Geld der Welt“ ist in seinen besten Momenten ein spannendes Drama über Gier und Macht. Doch leider schleicht sich auch immer wieder Leerlauf ein, sodass ein durchaus gutes, aber unrundes Filmerlebnis entsteht. Der angekündigte Skandalfilm ist es bei Weitem nicht.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Ridley Scott sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Christopher Plummer und Mark Wahlberg in der Rubrik Schauspieler.
Länge: 132 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: All the Money in the World
USA 2017
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: David Scarpa, nach einer Vorlage von John Pearson
Besetzung: Michelle Williams, Christopher Plummer, Mark Wahlberg, Charlie Plummer, Romain Duris, Timothy Hutton, Marco Leonardi, Giuseppe Bonifati
Verleih: Tobis Film GmbH
Copyright 2018 by Matthias Holm
Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2018 Tobis Film GmbH