The People under the Stairs
Horror // Die Familie von Ghettokid Poindexter (Brandon Quintin Adams) steckt in der Klemme: Weil sie die Miete der Bruchbude in den Slums von Los Angeles nicht zahlen konnte, droht die Zwangsräumung. Leroy (Ving Rhames, „Dawn of the Dead“), seines Zeichens Zuhälter von Poindexters Schwester, überredet den Jungen, ihm bei einem Einbruch behilflich zu sein. Zielobjekt: das Haus der Eheleute Robeson (Wendy Robie, Everett McGill), skrupellose Vermieter, die rein zufällig auch Eigentümer des Hauses sind, in welchem Poindexter lebt. Ins Gebäude hineinzukommen, gestaltet sich für Poindexter, Leroy und dessen Kumpan Spenser (Jeremy Roberts) recht einfach. Als schwieriger erweist sich das Herauskommen. Der bissige Hund ist da noch das geringste Übel …
Einbrecher, die im Objekt der Begierde ein paar böse Überraschungen erleben – kurzzeitig kam mir bei der Sichtung der intensive 2016er-Schocker „Don’t Breathe“ von Fede Alvarez in den Sinn, und der Regisseur von „Evil Dead“ mag sich bei seinem Home-Invasion-Horrorfilm auch von Wes Cravens Klassiker inspiriert haben lassen. „Das Haus der Vergessenen“ präsentiert sich aber deutlich verspielter und irrwitziger. Besonders die Darsteller der Robesons haben sichtlich Freude an ihren Rollen als komplett durchgeknallte Bewohner, die ein paar düstere Geheimnisse hüten. Wendy Robie und Everett McGill („Heartbreak Ridge“, „Werwolf von Tarker Mills“) waren bereits in David Lynchs Serie „Twin Peaks“ als Ehepaar zu sehen. Hauptdarsteller Brandon Quintin Adams verkörperte 1988 den jungen Michael Jackson in „Moonwalker“.
Bizarres Märchen
Der Originaltitel „The People under the Stairs“ deutet es bereits an: Im Keller des Hauses vegetieren einige Gestalten vor sich hin. Was es mit ihnen auf sich hat, will ich hier nicht verraten – der eine oder andere Leser mag den Film noch nicht gesehen haben. Lasst euch überraschen! Das Szenario hat an sich auch viel Tragik, Regisseur Wes Craven („The Last House on the Left“, 1972) interessierte sich aber mehr dafür, eine Achterbahnfahrt des Grauens zu erschaffen, die er mit komödiantischen Elementen bis hin zum Slapstick würzte. Wenn Everett McGill im schwarzen Ganzkörperkostüm inklusive Gesichtsmaske durchs Haus tobt, fühle ich mich unweigerlich an „Bring out the Gimp.“ im allerdings drei Jahre jüngeren „Pulp Fiction“ erinnert. „Das Haus der Vergessenen“ mag im Schatten von Wes Cravens bekannteren Filmen wie „Nightmare – Mörderische Träume“ (1984) stehen, bei „Scream – Schrei!“ (1996) überzeugen die parodistischen Ansätze mehr, und der Zombiefilm „Die Schlange im Regenbogen“ (1988) ist eins meiner persönlichen Craven-Highlights. Es spricht aber fürs Œuvre des 2015 im Alter von 76 Jahren verstorbenen Regisseurs, dass auch unterhalb der genannten Filme Raum für eine tolle Horrorkomödie blieb, die bei allem Spaß auch sehr unheimlich geraten ist – „The People under the Stairs“ eben. Der sozialkritische Kommentar des Films fällt da etwas unter den Tisch, verleiht Cravens Regiearbeit aber in Verbindung mit dem Finale einen märchenhaften Charakter.
Eine in einem Zeitungsartikel von 1978 geschilderte Begebenheit inspirierte Wes Craven zu seinem Drehbuch – ein Ehepaar hatte seine Kinder deren gesamtes Leben in seinem Haus verschlossen gehalten. Da ihm jedoch kein geeignetes Finale einfiel, blieb das Projekt eine ganze Weile liegen, bis Craven eigenen Angaben zufolge die gesamte Story dazu während seines Aufenthalts bei der Berlinale 1990 träumte und nach dem Aufwachen niederschrieb. Seltsam? Aber so steht es geschrieben …
Vom Index zu FSK 16
Einstmals wie so viele vermeintlich berüchtigte Horrorstreifen von der Bundesprüfstelle indiziert, steht „Das Haus der Vergessenen“ seit Januar 2018 nicht mehr auf dem Index, im Frühling des Jahres ergab die Vorlage der ungeschnittenen Fassung bei der FSK eine Altersfreigabe ab 16 Jahren, die auch angemessen erscheint. Ein paar satte Splattersequenzen und die krude-bösartige Atmosphäre im Haus der Robesons sind für Zwölfjährige sicher zu viel des Guten, 16-Jährigen kann man das aber schon zumuten.
Die ungekürzte Verleih-DVD von Universal stand seit 2006 auf dem Index. Seit 2014 konnten Filmfans „Das Haus der Vergessenen“ bereits in Österreich auf Blu-ray erwerben, ein Jahr später erschien dort sogar ein Mediabook. Nun legt Koch Films auch in Deutschland mit einem Mediabook nach, das den Film in sehr guter Qualität auf Blu-ray und DVD enthält, eine weitere DVD liefert reichlich Bonusmaterial – Auflistung siehe unten. Bei den Maßen der Edition bleibt sich Koch treu: Das Mediabook ist etwas dicker, dafür etwas kürzer als die Mediabooks vieler anderer Publisher. Mir gefällt diese individuelle Note ausgesprochen gut, bei vielen Mediabook-Sammlern eckt Koch damit aber an, macht sich geradezu unbeliebt. Das Anspruchsdenken mancher Sammler kennt eben wenige Grenzen, „Fan“ kommt nun mal von „fanatisch“.
Arrow Video oder Koch Films
Wer auch herkömmlicher Filmverpackung etwas abgewinnen und auf eine deutsche Tonspur verzichten kann, darf bei Arrow Video im Vereinigten Königreich zuschlagen – dieses feine Label empfehle ich immer wieder gern. Mit dem Mediabook hat Koch Films aber eine Edition vorgelegt, die jede gut sortierte Horrorsammlung schmücken dürfte. Zwar lagen mir zum Rezensieren lediglich die nackten Discs vor, das Endprodukt habe ich noch nicht zu sehen bekommen. Angesichts der jüngsten Mediabooks des Publishers spreche ich aber guten Gewissens eine Empfehlung aus.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Wes Craven haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Everett McGill und Ving Rhames unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 6. Dezember 2018 als Mediabook (Blu-ray & 2 DVDs)
Länge: 102 Min. (Blu-ray), 98 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: The People under the Stairs
USA 1991
Regie: Wes Craven
Drehbuch: Wes Craven
Besetzung: Brandon Quintin Adams, Everett McGill, Wendy Robie, A. J. Langer, Ving Rhames, Sean Whalen, Bill Cobbs, Kelly Jo Minter, Jeremy Roberts, Conni Marie Brazelton, Josh Coxx, Hohn Hostetter, John Mahon
Zusatzmaterial: Audiokommentar mit Wes Craven, Audiokommentar mit Brandon Adams, A. J. Langer, Sean Whalen und Yan Birch, „House Mother“ (Interview mit Wendy Robie), „What Lies Beneath“ (Interviews mit Special Make-up Effects Artists Greg Nicotero, Howard Berger und Robert Kurtzman), „House of Horrors“ (Interview mit Kameramann Sandi Sissel), „Setting the Score“ (Interview mit Komponist Don Peake), Making-of, Bildergalerie, Trailer
Label/Vertrieb: Koch Films
Copyright 2018 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & Packshot Mediabook: © 2018 Koch Films