Tuntematon sotilas
Von Volker Schönenberger
Kriegsdrama // „Tuntematon sotilas“ steht im Finnischen für „Unbekannter Soldat“ – eben „Unknown Soldier“. So lautet der Titel des bedeutendsten Romans von Väinö Linna, 1954 in Finnland veröffentlicht, ein Jahr später unter dem Titel „Kreuze in Karelien“ in Deutschland. Die erste Verfilmung des Romans datiert ebenfalls von 1955, Regie führte Edvin Laine. Bis heute der erfolgreichste finnische Film, wird „Tuntematon sotilas“ jährlich am finnischen Unabhängigkeitstag 6. Dezember vom dortigen Staatsfernsehen gesendet. Eine weitere Verfilmung unter demselben Titel entstand 1985, Regie führte Rauni Mollberg.
Dritte Verfilmung des Romans von Väinö Linna
Kein leichtes Unterfangen also für Aku Louhimies („Eisiges Land“), sich an eine dritte Kino-Umsetzung der Romanvorlage zu wagen. Heraus kam mit „Unknown Soldier – Kampf ums Vaterland“ immerhin der bis dato erfolgreichste finnische Film dieses – zugegeben noch jungen – Jahrhunderts. Die Handlung folgt einer finnischen Maschinengewehreinheit, die ab Juni 1941 an der karelischen Front durch sumpfiges Gelände auf russisches Gebiet vorrückt und schnell Petrosawodsk erreicht, die Hauptstadt der Karelo-Finnischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Anfangs ist der finnischen Armee das Kriegsglück hold.
Einige der Soldaten lernen wir besser kennen, darunter den Unteroffizier Rokka (Eero Aho), einen Veteranen des Winterkriegs, der sich nicht ins Bockshorn jagen lässt und vorgesetzten Offizieren gern mal Widerworte entgegensetzt. Im Fronturlaub bei Ehefrau Lyyti (Paula Vesala) und Kindern packt er auf der heimatlichen Farm sogleich wieder mit an, doch schon bald muss er zurück an den Kriegsschauplatz und das Tötungshandwerk fortsetzen. Dort weicht sein Nachbar und Kumpel Susi (Arttu Kapulainen) nicht von seiner Seite. Lammio (Samuel Vauramo) führt seine Einheit in die Schlacht und wird nach den ersten Kämpfen sogleich befördert.
Die Schauspielkunst überzeugt, die Darstellung des Kriegsgetümmels erscheint authentisch. Hier treten keine Helden in Erscheinung, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die das Grauen einfach nur überleben wollen – was allzu vielen von ihnen nicht gelingen wird. Obwohl politische Details im Hintergrund bleiben, macht Aku Louhimies doch deutlich, dass Finnland in dem Konflikt der Aggressor war. Wir verfolgen also die Teilnehmer eines Angriffskriegs, allein das bedingt schon, dass es kein Heldenepos sein kann – und das ist „Unknown Soldier – Kampf ums Vaterland“ auch nicht geworden. Die professionelle Inszenierung glänzt nicht unbedingt durch Originalität, derlei Schlachtenszenen kennen wir zur Genüge, aber das Gezeigte auf internationalem Niveau genügt doch den Ansprüchen an ein hochwertiges Kriegsdrama.
Erst Winterkrieg, dann Fortsetzungskrieg
Zur kriegshistorischen Einordnung: Der Winterkrieg zwischen Finnland und der Sowjetunion war im März 1940 mit dem Frieden von Moskau zu Ende gegangen, bei dem Finnland große Landgebiete an die UdSSR abtreten musste, aber unabhängig blieb. Als die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 mit dem Unternehmen Barbarossa die Sowjetunion überfiel, sah Finnland seine Chance gekommen, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern. Drei Tage später folgte mit der finnischen Kriegserklärung der Beginn des sogenannten Fortsetzungskriegs. Väinö Linnas Romanvorlage basiert auf diesem militärischen Konflikt, der sich zum dreijährigen Stellungskrieg auswuchs, an dessen Ende nach einer sowjetischen Gegenoffensive im September 1944 der Waffenstillstand von Moskau stand. In der Folge verlor Finnland weitere Territorien, blieb aber immerhin unbesetzt. Obendrein musste sich das Land nun bereit erklären, gegen die deutsche Wehrmacht ins Feld zu ziehen. Es kommt eben selten etwas Gutes dabei heraus, wenn man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will.
Wie beim finnischen Kriegs-Epos „Winterkrieg“ (1989) existiert auch von „Unknown Soldier – Kampf ums Vaterland“ eine Langfassung – sie ist 179 Minuten lang und kam in die finnischen Kinos, während die nun in Deutschland veröffentlichte Version lediglich 133 Minuten umfasst. Obendrein soll das Kriegsdrama angeblich als fünfteilige Miniserie ins finnische Fernsehen kommen. Wenn die zusätzlichen Sequenzen nicht nur aus Schlachtenszenen bestehen, mag das sogar sinnvoll sein und dem Geschehen und den Figuren zusätzliche Tiefe geben. „Unknown Soldier – Kampf ums Vaterland“ ist mit seinem Fokus auf den nordeuropäischen Kriegsschauplatz ein sehenswerter Beitrag zum Zweiter-Weltkriegs-Kino. Mit etwas Sitzfleisch sei er als zweiter Film eines Double Features mit oben erwähntem Epos „Winterkrieg“ empfohlen. Welche Kriegsfilme aus Skandinavien und Finnland, die wir noch nicht in unserer Rubrik Krieg/Militär aufgeführt haben, könnt Ihr empfehlen?
Veröffentlichung: 26. Oktober 2018 als Blu-ray und DVD
Länge: 134 Min. (Blu-ray), 128 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Finnisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Tuntematon sotilas
FIN 2017
Regie: Aku Louhimies
Drehbuch: Aku Louhimies, Jari Olavi Rantala, nach einem Roman von Väinö Linna
Besetzung: Eero Aho, Johannes Holopainen, Jussi Vatanen, Aku Hirviniemi, Hannes Suominen, Arttu Kapulainen, Paula Vesala, Samuel Vauramo, Joonas Saartamo, Juho Milonoff, Andrei Alen, Matti Ristinen, Diana Pozharskaya, Max Ovaska, Kimi Vilkkula, Severi Saarinen, Eino Heiskanen, Jarkko Lahti, Akseli Kouki, Marketta Tikkanen, Eemeli Louhimies, Elias Gould, Annika Stenvall
Zusatzmaterial: Visuelle Effekte, nicht verwendete Szenen, Musikaufnahmen, 2 Originaltrailer, 2 deutsche Trailer, Trailershow, Wendecover
Label/Vertrieb: Ascot Elite Home Entertainment
Copyright 2018 by Volker Schönenberger
Szenenfotos: © 2017 Elokuvaosakeyhtioe Suomi
Samara
2018/12/04 at 08:12
Hallo,
hiermit kenne ich mich leider nicht so gut aus, vor allem in der finnischen Produktion von Filmen. Dennoch wäre es recht interessant in diese Filmrichtung mal hinein zu schnuppern…
Andreas H.
2018/12/01 at 15:45
Max Manus
Frank Hillemann
2018/12/01 at 12:55
Der einzige, den ich kenne ist “ Unter dem Sand „, aber der ist ja schon besprochen worden.
Lacy Leech
2018/11/30 at 21:51
Operation Polarfuchs
Dirk B.
2018/11/30 at 20:59
Kann ich leider nichts zu sagen, muss meinen Horizont mit diesem Film beginnen zu erweitern…
Rico Lemberger
2018/11/30 at 19:40
Es ist zwar keine reine skandinavische Produktion, evtl. zählt er aber dennoch: Into the White.
Christoph Leo
2018/11/30 at 17:37
Operation Polarfuchs von 2011 aus Schweden
Liebe Grüße.
V. Beautifulmountain
2018/11/30 at 18:00
Der steht sogar schon seit längerer Zeit auf dem Ungesehen-Regal. Muss ihn endlich mal schauen.
Michael Behr
2018/11/30 at 11:08
Zwar kein Film, aber ich halte die Miniserie „Saboteure im Eis“ für empfehlenswert.
Jens
2018/11/30 at 09:56
Leider nicht mein Fachgebiet, Finnisch/Skandinavisches Kino hatte ich bis vor kurzem leider nicht so im Blick 😦
Edgar Müller
2018/11/30 at 08:54
Bisher kenne ich noch keine Kriegsfilme
Filmschrott
2018/11/30 at 08:38
„Stalingrad“ fehlt da eindeutig noch. Wenn man die erste, eher schlecht gespielte halbe Stunde überstanden hat, ist der richtig stark.
Und „A Bridge too far“ ist auch einen Blick wert.
Frank Warnking
2018/11/30 at 07:57
da wüsste ich jetzt keinen 😦
Mike Hennig
2018/11/11 at 19:48
Da seien die beiden Filme Schlacht um Finnland und Beyond the Frontline – Kampf um Karelien genannt, die beide zwar nicht ganz die Klasse von Winterkrieg aufweisen, aber durchaus ordentlich inszeniert sind.