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What the Waters Left Behind – Auch Argentinien hat seine Backwoods

12 Dez

Los olvidados

Von Volker Schönenberger

Horror // Eine Springflut nach wochenlangen Regenfällen führte im November 1985 zum Untergang der argentinischen Kleinstadt Villa Epecuén – der Lago Epecuén ließ die Dämme brechen und ergoss seine stark salzhaltigen Wassermassen in den Ort, der aufgegeben werden musste. Nach einem knappen Vierteljahrhundert bewirkte eine Phase der Trockenheit das Zurückweichen des Wassers, was eine bizarre Ruinenlandschaft der salzverkrusteten Gebäude und Fahrzeuge enthüllte.

Geisterstadt: Villa Epecuén

Dieses reale Ereignis nahmen die argentinischen Brüder Luciano und Nicolas Onetti als Aufhänger von „What the Waters Left Behind“: Zu Beginn rennt eine Unbekannte in Unterwäsche im gleißenden Sonnenlicht panisch durch die Straßen von Villa Epecuén. Ihre Todesangst erweist sich als berechtigt, als sich ihr ein Maskierter mit Keule in den Weg stellt …

Von Villa Epecuén zur Berlinale?

Im Anschluss an diesen kurzen Prolog sehen wir einen VW Bulli, der in Richtung Villa Epecuén unterwegs ist. An Bord: eine Filmcrew, die einen Dokumentarfilm über den Ort drehen will – der soll doch tatsächlich ein Jahr später auf der Berlinale laufen, wie Regisseur Vasco (Damián Dreizik) irgendwann verlauten lässt. Mit Carla (Victoria Maurette) hat die kleine Gruppe sogar eine Überlebende der Katastrophe dabei.

Ein Filmteam trifft ein

Schon mit dem Tankstopp kurz vor Erreichen des Ziels macht „What the Waters Left Behind“ klar, wohin die Reise geht: ins argentinische Hinterland, wo Zustände herrschen, wie wir sie aus „Blutgericht in Texas“ (1974), „Hügel der blutigen Augen“ (1977) und ähnlich gelagerten Backwoods-Slasherfilmen kennen. Ein schmieriger Tankwart und sein noch schmierigerer Genosse geben den Neuankömmlingen einen kleinen Vorgeschmack darauf, was für Gestalten sie in Villa Epecuén erwarten. In einer erwartungsgemäß übel verschmutzten Toilette belegen einige Zeitungsausschnitte an der Wand, dass über die Jahre offenbar vermehrt Menschen in der Gegend verschwunden sind.

Speziell mag „Chernobyl Diaries“ (2012) als jüngster Ideengeber für „What the Waters Left Behind“ hergehalten haben, in welchem sich die Protagonisten in die Geisterstadt Pripyat bei Tschernobyl begeben und dort mit einer grauenhaften Bedrohung konfrontiert werden. Mit „Sonno Profondo“ (2013) und „Francesca“ (2015), bei denen allerdings nur Luciano Onetti auf dem Regiestuhl saß, wilderte das Brüderpaar in Giallo-Gefilden, nun folgt also ein Backwoods-Slasherfilm. Ein familiäres Festmahl bedient sich dann auch ganz unverfroren bei Tobe Hoopers texanischem Blutgericht. Wir können also davon ausgehen, dass die beiden Argentinier Horrorkenner sind, somit wissen sie auch: Auf Originalität darf verzichtet werden, der gemeine Horrorfan mag Bewährtes. Dazu gehört, dass außerehelicher Sex bestraft wird, wie die Filmcrew-Mitglieder Nacho (Victorio D’Alessandro) und Carla (Paula Brasca) auf schmerzhafte Weise erfahren müssen. Überhaupt sind die Figuren eher Schablonen üblicher Protagonisten und Bösewichter des Backwoods-Sujets, weder Opfer noch Täter gewinnen Profil, sie bleiben als Individuen uninteressant. Letztlich läuft die gesamte Handlung darauf hinaus, dass die Filmcrew abgemurkst wird. Ob ein Mitglied überlebt oder gar zurückschlägt und die Reihen der Meuchelmörder lichtet, mag manchen Filmguckern ein paar Spannungsmomente bringen, bei mir war das nicht der Fall.

FSK-18-Freigabe für die Uncut-Fassung

Besser gut geklaut als schlecht erdacht. Was den Onettis an Innovationskraft fehlt, gleichen sie wenigstens teilweise mit Liebe zum blutigen Detail aus. Auf Unterstützung durch den Computer verzichteten die Filmemacher, ihre praktischen Effekte können sich sehen lassen, auch wenn der Splatter stets nur kurz zum Einsatz kommt. So gab’s für die FSK immerhin keinen Anlass zu meckern, Folge: die 18er-Freigabe der ungeschnittenen Fassung. Auch das Setting darf als atmosphärischer Pluspunkt gewertet werden – die Außenaufnahmen entstanden an Originalschauplätzen in Villa Epecuén und wissen zu gefallen.

Opfer

„What the Waters Left Behind“ lief im Oktober 2017 erst beim katalanischen Sitges Film Festival, dann in Berlin beim Obscura Film Festival, es folgten weitere Festival-Präsentationen in Europa und Lateinamerika. Mit dem Nachfolger „Abrakadabra“ haben sich die Onetti-Brüder wieder dem Giallo zugewandt. Die Kunst des Zitierens und Kopierens beherrschen die beiden. Bleibt ihnen zu wünschen, dass sie eine eigene Handschrift und originelle Storys entwickeln, dann klappt’s auch nachhaltig mit der internationalen Karriere. Welche Backwoods-Horrorfilme aus exotischen Filmländern könnt Ihr empfehlen?

Noch ein Opfer

Veröffentlichung: 16. November 2018 als Blu-ray und DVD

Länge: 93 Min. (Blu-ray), 89 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Spanisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Los olvidados
ARG/NZ 2017
Regie: Luciano Onetti, Nicolás Onetti
Drehbuch: Luciano Onetti, Nicolás Onetti, Carlos Goitia
Besetzung: German Baudino, Paula Brasca, Mirta Busnelli, Agustín Pardella, Victorio D’Alessandro, Damián Dreizik, Chucho Fernandez, Tamara Garzón, Pablo Guisa Koestinger, Evan Leed, Victoria Maurette, Paula Sartor
Zusatzmaterial: Q&A mit Agustín Pardella auf dem Obscura Festival, Interview mit Agustín Pardella, Trailershow, Wendecover
Label: Busch Media Group
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2018 by Volker Schönenberger
Szenenfotos: © 2018 Busch Media Group

 
 

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23 Antworten zu “What the Waters Left Behind – Auch Argentinien hat seine Backwoods

  1. Frank Idstein

    2019/02/22 at 19:47

    Weil er selten genannt wird, mir aber damals sehr gut gefallen hat: „Backwoods – die Jagd beginnt“, spielt in Spanien, wurde aber u.a. auch noch in GB und Fronkreich produziert. Ok, nicht ganz so exotisch, aber wenigstens keiner der üblichen Verdächtigen 😉

     
  2. Frank Hillemann

    2019/02/21 at 15:19

    Aus exotischen Ländern habe ich leider keinen auf der Pfanne.

     
    • V. Beautifulmountain

      2019/02/21 at 15:21

      Da bist du nicht der einzige im Lostopf. Erneut eine offenbar schwierige Frage bzw. das Backwoods-Sujet scheint sehr uramerikanisch zu sein.

       
  3. Dominic Götz

    2019/02/20 at 22:21

    Zwar nicht direkt aus einem exotischen Land aber „Eden Lake“ ist sehr zu empfehlen!

     
  4. Katharina Stranz

    2019/02/18 at 07:47

    Auf Anhieb fällt mir nur welche von den USA ein, aber hab dann mal mein DVD-Regal durchgeschaut und hab trotzdem 4 Filme gefunden die nicht aus den USA kommen.
    1. Manhunt – Backwoods Massacre aus Norwegen
    2. NH 10 – Blutiger Highway – Indien
    3. Idylle – Hier hört dich niemand schreien – Slowenien
    4. Calvaire – Tortur des Wahnsinns – Belgien
    Aber ob ich die jetzt empfehlen würde ich denke eher nicht, sonst wären sie mir besser im Gedächnis geblieben 🙂

     
  5. darthoedel

    2019/02/17 at 21:25

    Trauma aus Chile.

     
  6. Adrian Lübke

    2019/02/17 at 17:07

    „What the Waters Left Behind“ aus Argentinien und „Lake Bodom“ aus Finnland fallen mir da ein.

     
  7. Christoph Leo

    2019/02/16 at 16:10

    Wolf Creek würde mir bzgl. der Frage einfallen

     
  8. Lexi

    2019/02/16 at 11:19

    Mir fällt da spontan keiner ein ehrlich gesagt, ist doch ziemlich USA lastig das Genre. Mein lieblings Backwoods Horror ist natürlich die wrong turn Reihe. Die Hinterwäldler schlechthin

     
  9. Samara

    2019/02/16 at 09:00

    Auch ich muss hier leider passen. Typische gute US Filme würden mir sofort einfallen, aber auf eure Frage weiß ich leider keine Antwort. Ich bin gespannt ob der ein oder andere eine gute Film Empfehlung in diese Richtung weiß.

     
  10. Rico Lemberger

    2019/02/16 at 08:10

    Ich habe da auch keine spontane Eingebung. Evtl. passt ja THE SQUAD aus Kolumbien. Ich fand den zumindest nicht schlecht.

     
  11. Lilly

    2019/02/15 at 13:45

    Bedevilled ist wahrscheinlich kein Backwood..
    Oder?
    Aber Korea, Hinterwäldler, Gewalt usw.

     
  12. Michael Behr

    2019/02/15 at 12:56

    Da muss ich spontan leider ebenfalls passen. Empfehlenswerte „echte Exoten“ fallen mir gerade keine ein. Da gibt es ja schon eine gewisse US-Dominanz.

     
  13. Thomas Hortian

    2019/02/15 at 11:42

    Allgemein schwer, wenn es nicht aus USA, Kanada, Australien, Frankreich oder England kommen soll. Um zwei Ecken fällt mir da „Sie kommen und werden euch fressen“ aus dem Frühwerk von HK-Legende Tsui Hark ein, wo die Machthaber eines abgelegenen Dorfes vorbeistreunende Wanderer und Händler zu Frischfutter für die hungernde Einwohnerschaft verarbeiten. Im gewissen Sinne zählt ja auch „Hostel“ dazu, aber das ist zum einen ja US-Filme, und zum anderen ist Osteuropa für uns Deutsche bestimmt wenig exotisch.
    Ich hab mir jetzt den Kopf zermartert, in der Hoffnung, dass mir doch noch der ein oder andere Vertreter aus Asien entfleucht, oder wenigstens aus Südeuropa, aber das wird gerade nichts…

     
  14. Philipp Mourner

    2019/02/15 at 11:09

    Aus einem exotischen Land und auch noch empfehlenswert…da muss ich leider passen 😦

     
  15. Oliver Maey

    2019/02/15 at 10:35

    1. Was sind exotische Länder? 🤔😃
    2. Nennen, Ja..
    3. Empfehlen, Nein.. 😄

     
  16. Jens Albers

    2019/02/15 at 10:29

    Puh, exotisch… Da fällt mir so keiner ein. Die Klassiker braucht man ja denke ich nicht erwähnen und der einzige neuere, der mir gut gefallen hatte war „All the boys love Mandy Lane“. Der hat allerdings nix mit exotisch zu tun…

     
  17. Melanie Wehrmann

    2019/02/15 at 10:06

    Backwoods-Horrorfilme aus exotischen Filmländern…
    Gute Frage… Was zählt ihr da unter exotisch 😄.
    Gute Backwood Filme würden mir zwar einige einfallen, aber das sind typische aus den USA.
    Wenn ich die mal außer Acht lasse, fällt mir da Eden Lake ein (GB).
    Hat mich richtig wütend gemacht der Film.
    Dann natürlich Frontiers (Frankreich/Schweiz). Sehr , sehr geil 👌.

     
  18. Jens

    2019/02/15 at 10:06

    Also als exotischer fällt mir nur NH 10 – Blutiger Highway ein… Ob es eine Empfehlung ist, hängt ja immer vom Geschmack ab 🙂

     
  19. Dirk Busch

    2019/02/15 at 09:54

    Puh,nicht so einfach.Wenn Norwegen als exotisch durchgeht,würde ich sagen…Manhunt Backwood Massacre.:-)

     
  20. Frank Warnking

    2019/02/15 at 09:40

    da kann ich keine nennen 😦

     

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