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Archiv für den Monat Mai 2019

Ma – Kein Alkohol ist keine Lösung

Ma

Kinostart: 30. Mai 2019

Von Philipp Ludwig

Horrorthriller // Teenager Maggie (Diana Silvers) ist genervt. Nachdem die Ehe ihrer Eltern in die Brüche ging, zieht es ihre Mutter Erica (Juliette Lewis) von San Diego zurück in ihr Heimatkaff in Ohio – und Maggie muss mit, ob es ihr passt oder nicht. Einer Kleinstadt, in der so gar nichts Aufregendes passiert, wie ihr ihre neu gewonnenen Freundinnen und Freunde an der Highschool unverblümt mitteilen. Mit der Clique um Hayley (McKaley Miller) und dem potenziellen Love-Interest in spe, Andy (Corey Fogelmanis) geht Maggie daher der anscheinend einzig sinnvollen örtlichen Freizeitbeschäftigung nach – einem ordentlichen Besäufnis im zum Party-Zimmer umgestalteten Van oder in einer abgelegenen Bauruine. Frei nach Karl Dalls Gassenhauer und Sonderzug-Evergreen: „Heute schütten wir uns zu, denn wir haben ja allen Grund dazu.

An ihrer neuen Schule schließt Maggie (r.) schnell Freundschaften

An den harten Stoff zu kommen, stellt die jugendlichen Freunde allerdings immer wieder vor große Herausforderungen. Da kommt die liebevoll anmutende Sue Ann (Octavia Spencer, „Hidden Figures“) genau richtig. Die Tierarzthelferin führt gerade einen ihrer in diesem Fall nicht mehr ganz vierbeinigen Patienten Gassi, als sie von Maggie nach Unterstützung beim Alkoholkauf gebeten wird. Lehnt sie zunächst noch entrüstet ab, kommt sie dann doch den umfangreichen Wünschen der Teenies nach und kauft ihnen eine stattliche Spirituosen-Sammlung, die sich sehen lässt. Nicht lange dauert es danach, bis aus diesen wiederholten Gefälligkeitskäufen das Angebot entsteht, den Van und die örtlich bekannte Bauruine als Party-Location gegen Sue Anns geräumigen Keller in ihrem abgelegenen Haus zu tauschen. Einzige Regeln der Gastgeberin: kein Fluchen, der Fahrer bleibt nüchtern und der Rest des Hauses ist absolute Tabuzone. Nach einigen gestalterischen Anpassungen entwickelt sich der Keller innerhalb kürzester Zeit zum heißesten Party-Spot für die örtlichen Teenagermassen, die Sue Ann allesamt nur liebevoll „Ma“ nennen. Doch ist es für Maggie und ihre neuen Freunde tatsächlich ratsam, diese scheinbar so liebenswürdige wie einsame Dame in ihr Leben zu lassen? Schließlich hat diese aus eigener Schulzeit noch eine alte Rechnung mit deren Eltern offen. Und eins ist klar: So schnell wieder los wird man die beeindruckend feierfreudige Sue Ann nicht mehr.

Ein Projekt unter Freunden

Regisseur Tate Taylor und Hauptdarstellerin Octavia Spencer sind seit ihren gemeinsamen WG-Zeiten vor 25 Jahren nahezu unzertrennliche Freunde und haben bereits bei dem hochgelobten „The Help“ (2011) in dieser Konstellation zusammengearbeitet. Als Taylor über die Story-Idee zu „Ma“ von Scotty Landes (Autor bei Comedy Centrals „Workaholics“) stolperte, wusste er sofort, dass er diese zu einem Film mit seiner Freundin als Idealbesetzung in der Hauptrolle umsetzen will. Und gerade Spencer ist es dann auch zu verdanken, dass sich diese filmische Umsetzung zumindest noch gerade so einigermaßen sehen lässt.

Liebenswürdig bietet Sue Ann den trinkwütigen Teenagern ihre Hilfe an

Denn wie die populäre US-Amerikanerin (die für ihre Leistung in „The Help“ immerhin mit dem Oscar für die beste Nebenrolle ausgezeichnet wurde) die Hauptfigur Sue Ann, respektive „Ma“, darstellt, ist eine wahre Freude. Zunächst noch als knuffige und absolut liebenswerte nette Tante angelegt, merken wir schnell, dass an dieser Fassade nur wenig Wahres ist und unter der Maske Abgründe schlummern. Unterstützt durch Rückblenden wird deutlich, dass Sue Ann in ihrer eigenen Schulzeit einiges durchmachen musste und die Eltern unserer jugendlichen Protagonisten daran nicht ganz unschuldig waren. Die schauspielerische Klasse von Spencer und ihre große darstellerische Bandbreite sind wirklich beeindruckend – zudem kann sie entgegen ihres etablierten Rollenprofils hier als Darstellerin auch einmal ihre dunkelsten und mörderischsten Seiten präsentieren. Spencer selbst wollte unbedingt an dem Projekt ihres Freundes mitwirken. Nicht auszudenken, was aus „Ma“ ohne ihr Mitwirken geworden wäre.

Doch ist ihre Gastgeberin wirklich so nett, wie sie vorgibt? Maggie (l.) kommen erste Zweifel

Trotz einer netten Grundidee und einem recht vielversprechendem Beginn gelingt es dem renommierten Regisseur Taylor leider nicht, mit „Ma“ einen überzeugenden Film zu liefern. Die durch umfangreiche Werbemaßnahmen erzeugte Erwartungshaltung kann er, mit Ausnahme der Besetzung von Spencer, somit leider zu keiner Zeit gerecht werden. Stattdessen bietet die One-Woman-Show ihr größtes Unterhaltungspotenzial neben seiner irren Hauptfigur höchstens noch in den ausgiebig dargestellten Saufgelagen und Party-Sessions in Sue Anns Keller, die im Grunde wie eine nicht enden wollende 80er-Jahre-Party anmuten. Auch ist der Alkohol- und Drogenkonsum der Teenies hierbei schon beachtlich und vielleicht erklärt sich dadurch auch ihr oft idiotisches und unlogisches Verhalten, wer weiß? Denn mit der Logik nimmt es Taylor in seinem Psycho-Horrorthriller nun gewiss nicht allzu genau, wie auch Scotty Landes im Drehbuch. Dabei wurde mit dem Produktionsstudio Blumhouse Productions von Jason Blum ein Partner an die Hand genommen, die mit dem Überraschungserfolg „Get Out“ (2017) bereits gezeigt haben, zu was sie filmisch in diesem Genre fähig sind. Warum also kann „Ma“ nicht an diesen Hit anknüpfen?

Faule Drehbuchautoren?

Bereits in meiner kürzlich erschienenen Rezension zum inhaltlich recht ähnlich angelegten Thriller „Greta“ hatte ich angemerkt, dass im Sinne der „Suspension of Disbelief“ Logikschwächen und Plotholes nicht zwingend ein Ausschlusskriterium für das Gelingen eines filmischen Werkes darstellen müssen. Kritisch wird es jedoch, wenn diese ein Ausmaß annehmen, das eine Toleranz ihnen gegenüber schwermacht. Bei „Ma“ ist dies leider, zumindest bei mir, ausgiebig der Fall gewesen. Ob platte, stereotype Figuren am laufenden Band, mitunter sinnlose Schockmomente oder ein halbherziger, ziemlich aus der Luft gegriffener und überzogener Rachefeldzug der Protagonistin Sue Ann – bei „Ma“ gibt es ob des Dargebotenen viel zu oft Grund zu gelangweiltem Kopfschütteln. So haben wir es mit einer erstaunlich langen Expositionsphase als Einführung in die Geschichte zu tun, die nur halbherzig durch wahllos eingestreute Spannungs- und Schockmomente den Thriller-Charakter des Films erhalten soll. Nur, um dann zum Ende hin urplötzlich in den Wut-Modus von Sue Ann zu wechseln, wonach dann alles erstaunlich schnell vonstattengeht und ehe man sich’s versieht auch schon der Abspann über die Leinwand läuft. Die unglaubwürdigen Handlungsweisen der meisten Figuren sowie die mitunter hanebüchenen Plot-Twists erwecken den Eindruck, als seien die Drehbuchverantwortlichen ein wenig faul gewesen und hätten keine anderen Möglichkeiten gefunden, sich aus ihren vielen Story-Sackgassen auf andere Weise befreien zu können.

Ein paar Worte zum Trailer

Es ist natürlich immer schwierig, die Schwächen im Skript zu thematisieren, ohne Gefahr zu laufen, dem Spoiler-Teufel anheimzufallen. Wer sich nur ungern schon im Vorhinein vom Inhalt des Films „Ma“ zu viel verraten lassen will, sollte dringend Abstand vom Trailer halten – zeigt dieser doch nahezu den gesamten Plot sowie beinahe sämtliche interessanten Schock- und Gewaltelemente. Wer beim Kinobesuch erwartet, dass dies nur die Appetizer waren und es im Film mehr in diese Richtung geben wird, dürfte bitter enttäuscht werden. So misslingt es Taylors neuestem Werk nicht nur aufgrund uninspirierter, starrer Treue gegenüber den Genre-Konventionen, für Überraschungen zu sorgen – den Betrachtern des Trailers wird er erst recht nichts Unerwartetes oder gar Schockierendes zu bieten haben. Was zur Folge hat, dass „Ma“ als Horrorthriller natürlich noch weniger funktioniert, stellen diese Elemente doch Kernelemente des Genres dar. Leider erahnt man so aber bei einer stattlichen Zahl an Szenen bereits im Vorfeld meilenweit, was als Nächstes passieren wird. Den Sinn hinter derartigen Trailern werde ich zumindest nicht mehr verstehen.

Einmal Bully, immer Bully? Welche Rolle spielte Ben (r.) in Sue Anns Vergangenheit?

Ist Octavia Spencer als Sue Ann zwar der größte Pluspunkt, den „Ma“ zu bieten hat, so ist diese starke Fokussierung auf die Hauptfigur auch gleichzeitig eine der weiteren großen Schwächen des Films. Die übrigen Figuren bleiben dagegen leider meist blass und klischeebeladen. Viele scheinen auch nur als Baustein im Genrebaukasten oder zum Voranbringen der Story zu fungieren, anders ist ihre Existenz sowie ihr mitunter seltsam anmutendes Verhalten nicht zu erklären. Demzufolge nutzt auch der restliche Cast nur wenige Gelegenheiten, aus den schwachen Rollen groß etwas herauszuholen. Gerade die eher unbekannten jungen Gesichter hinterlassen kaum besonderen Eindruck – am ehesten noch Diana Riggs („Glass“). Diese profitiert als rehäugige Maggie vor allem davon, dass wenigstens ihrer Figur dann doch etwas mehr emotionale Tiefe gegeben wurde. Den restlichen Mitgliedern ihrer Clique ist trotz aufkommender Bedenken gegenüber Ma dagegen stets nur der nächste Suff von Bedeutung – koste es was es wolle. Auch die älteren und etablierten Gesichter sind kaum imstande, mehr aus ihren Rollen herauszuholen, als ihnen diese dünnen Vorlagen bieten; 90er-Jahre-Kultfilm-Ikone Juliette Lewis („From Dusk Til Dawn“, „Natural Born Killers“) spielt Maggies Mutter Erica als toughe Version einer Single-Mom mit Hang zur Hysterie und „Hobbit“-Haudrauf Luke Evans gibt mit Ben – Vater von Maggies Freund Andy – einen Macho zum Besten, der seit Teenie-Tagen nichts von seiner Arschlochattitüde eingebüßt hat. Allison Janney („I, Tonya“) knüpft als zynische und notorisch-griesgrämige Tierärztin nicht nur an ihre Oscar-prämierte Rolle als Tonya Hardings Rabenmutter an, sie darf sich ebenso wiederholt herrlich amüsant über Sue Anns mangelnden Arbeitseifer echauffieren – „Ma“ wirkt somit durch sie sogar ein klein wenig selbstreferenziell, spiegelten doch diese Charaktereigenschaften ihrer Rolle meine Laune mit zunehmendem Verlauf der Sichtung des Films ziemlich treffend wider.

Finger weg von „Ma“

Zum Abschluss lohnt sich der Vergleich mit dem oben bereits erwähnten, erst kürzlich im Kino erschienenen Thriller „Greta“. Teilt dieser mit „Ma“ nicht nur einen Plot um junge Menschen, die sich mit scheinbar netten und einsamen alten Menschen einlassen und diese dann nicht mehr loswerden – beide Filme vereint auch ihre ärgsten Schwächen: Obwohl von renommierten Filmemachern kreiert, bieten sie durch ihr starres Festhalten an etablierten Erzählweisen des Thriller-Genres nur wenig Überraschungspotenzial und sind nicht in der Lage, diesem neue Elemente beizusteuern. Gepaart mit der fehlenden narrativen Tiefe, blassen Figuren wie auch zahlreichen Logikschwächen dürften derartige Werke nur wenig Potenzial bieten, Besucher hinter dem Ofen hervorzulocken. Filmschaffende sollten sich dringend einmal hinterfragen, ob Filme wie „Greta“ oder „Ma“ tatsächlich die Zukunft sein sollen oder ob sie damit nicht noch mehr Zuschauerinnen und Zuschauer an häufig deutlich ansprechendere Serienproduktionen verlieren werden. Zwischen ewig gleichen Erzählmustern und dem x-ten Superheldenspektakel sollte der Kinofilm auch weiterhin versuchen, kreativ und mutig zu sein. „Ma“ ist leider weder das eine noch das andere. Kommt mein obiger Rat für die jugendlichen Helden im Film bereits zu spät, so kann ich zumindest euch Leserinnen und Leser dieser Rezension dazu anhalten, im Kino einen Bogen um diesen ziemlich lahmen Horrorthriller zu machen und euch stattdessen lieber in netter Gesellschaft ein nettes Tröpfchen zu gönnen. Aber wer weiß – vielleicht steigt mit zunehmendem Alkoholpegel auch das Unterhaltungspotenzial von „Ma“?! Zum Wohl!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Allison Janney, Juliette Lewis und Octavia Spencer sind in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgeführt, Filme mit Luke Evans unter Schauspieler.

„You can dance, if you want to.“ Sue Ann zeigt den Kids von heute, wie man richtig feiert

Länge: 99 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: Ma
USA 2019
Regie: Tate Taylor
Drehbuch: Scotty Landes
Darsteller: Octavia Spencer, Diana Silvers, Juliette Lewis, Luke Evans, McKaley Miller, Missi Pyle, Corey Fogelmanis, Gianni Paolo, Dante Brown, Allison Janney
Verleih: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2019 by Philipp Ludwig

Filmplakat & Trailer: © 2019 Universal Pictures Germany GmbH,
Szenenfotos: © 2019 Universal Pictures Germany GmbH. All rights reserved.

 

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Godzilla II – King of the Monsters: Ist er das wirklich?

Godzilla – King of the Monsters

Kinostart: 30. Mai 2019

Von Volker Schönenberger

Fantasy-Action // Erinnert ihr euch an die Szene am Ende der Credits von „Kong – Skull Island“ (2017)? Die Höhlenmalereien der Monster Godzilla, King Ghidorah, Mothra und Rodan weckten bei vielen Kaijū-Fans höchste Erwartungen an den nächsten Abstecher ins MonsterVerse. Das Film-Universum der US-Produktionsfirmen Warner Bros. und Legendary Pictures in Verbindung mit den japanischen Tōhō-Studios, den Schöpfern von Godzilla & Co., hatte 2014 mit „Godzilla“ einen fulminanten Start hingelegt. Löst der dritte Teil die Hoffnungen der Fans ein?

Dr. Emma Russell will das „Orca“ einsetzen …

Die Fanbedienung ist jedenfalls gegeben, die vier genannten Riesenkreaturen treten eindrucksvoll in Erscheinung – und bei ihnen bleibt es nicht, so viel sei verraten. Dieselbe Monster-Quartett-Konstellation hat es bereits 1964 im japanischen „Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah“ gegeben, aber natürlich stellt „Godzilla II – King of the Monsters“ kein Remake dar. Die Handlung setzt fünf Jahre nach den Ereignissen von „Godzilla“ (2014) ein. Die kryptozoologische Agentur Monarch hat die Kontrolle über diverse an verschiedenen weltweit verteilten Standorten aufgefundene Monster übernommen, muss sich aber heftigen Debatten stellen – die Angst vor den Titanen genannten riesigen Kreaturen und ihrer Zerstörungsgewalt ist so groß, dass viele sie trotz Godzillas damaliger Rettungstat lieber allesamt getötet sehen wollen. Übernimmt das Militär die Aufgabe? Bevor diese Frage geklärt werden kann, tritt Colonel Alan Jonah (Charles Dance, Tywin Lannister aus „Game of Thrones“) auf den Plan, Anführer einer Gruppe von Öko-Terroristen, der seine ganz eigenen Pläne mit den Titanen hat. Dafür benötigt er das „Orca“, ein von den Ex-Eheleuten Dr. Emma und Dr. Mark Russell (Vera Farmiga, Kyle Chandler) entwickeltes Gerät, das mittels bioakustischer Sonar-Technologie Kommunikation mit den Giganten ermöglicht, sogar ihre Kontrolle. Jonah dringt mit seinem Trupp in einen Monarch-Stützpunkt ein und bringt das „Orca“, Dr. Emma Russell und die halbwüchsige Madison Russell (Millie Bobby Brown, „Stranger Things“) in seine Gewalt – die Tochter der Russells dient ihm anscheinend als Geisel und Faustpfand. Die übrigen Monarch-Mitarbeiter vor Ort werden allesamt erschossen. Bald darauf trifft Godzilla erstmals auf das mächtige dreiköpfige Wesen King Ghidorah.

… und gerät in die Fänge von Öko-Terrorist Alan Jonah

Wie in „Godzilla“ sehen wir die Monstren vornehmlich bei Schmuddelwetter und des Abends oder Nachts über die Erde stapfen oder fliegen. Ein paar mehr klare Ansichten bei Tageslicht und Sonnenschein hätte ich mir gewünscht, das dürfte heutzutage an sich kein Problem sein. Angesichts der technischen Perfektion zahlreicher Hollywood-Blockbuster aus diversen Franchises stellt sich bei mir mittlerweile kaum noch ein Wow-Effekt ein, an den Tricks und der CGI von „Godzilla II – King of the Monsters“ gibt es erwartungsgemäß nichts auszusetzen. Wenn ein Monster gegen das andere kämpft und dabei Städte zu Trümmerhaufen werden, können wir das durchaus beeindruckend nennen. Die Szenerien geraten auch übersichtlich genug, sodass die Zuschauerinnen und Zuschauer stets im Bilde sind, welche Kreatur gerade die Oberhand hat.

Nicht kleckern, sondern klotzen

Story und Drehbuch tun das, was in „Nicht kleckern, sondern klotzen“-Filmen von ihnen verlangt wird: Sie treiben das Geschehen von einer bombastischen Actionszene zur nächsten. Zwischendurch menschelt es stark, erst recht, wenn Verluste zu beklagen sind. Aus „Godzilla“ treffen wir wieder auf den Wissenschaftler Dr. Ichiro Serizawa (Ken Watanabe) und seine Assistentin Vivienne Graham (Sally Hawkins). David Strathairn tritt erneut als Admiral William Stenz in Erscheinung. Neu dabei sind Aisha Hinds als kampfstarke Colonel Diane Foster, die ein militärisches Einsatzkommando von Monarch leitet, das die Wissenschaftler beschützen soll. Auch die weitere Besetzung besteht aus zum Teil namhaften Darstellerinnen und Darstellern, dementsprechend bekommen wir überzeugende Schauspielkunst geboten, die aber zwangsläufig nicht unbedingt im Fokus steht.

Gebannte Erwartung: Wird Godzilla angreifen?

Etwas geärgert habe ich mich über die von Vera Farmiga verkörperte Wissenschaftlerin Emma Russell: Obwohl sie als empathische und warmherzige, wenn auch schwer traumatisierte Frau charakterisiert wird, trifft sie Entscheidungen, die fatale Konsequenzen haben, was ihr stets bewusst ist. Um Spoiler zu vermeiden, erläutere ich das nicht weiter, nur so viel: Diese Entscheidungen treiben die Handlung maßgeblich voran und lösen Ereignisse von großer Tragweite aus. Das hätte man meiner Ansicht nach besser aufziehen können als anhand einer zwiespältig skizzierten Protagonistin. Etwas plump gerät auch die Botschaft vom durch Menschenhand gestörten Gleichgewicht der Natur.

Oder will er nur spielen?

Reden wir über Logik und Löcher – nein, lassen wir das. Wir wissen doch alle, dass diese Art Film gewisse diesbezügliche Defizite mit sich bringt. Das kann man bedauerlich finden und solche Produktionen deshalb meiden oder als gegeben hinnehmen und tolerieren. Sucht euch am besten selbst aus, welche Haltung euch besser gefällt! Die FSK-12-Freigabe geht natürlich völlig in Ordnung. Gestorben wird zwar in Massen, das aber unblutig und in der Regel nicht auf der Leinwand. Filme wie dieser sollen und müssen aufgrund ihrer immensen Kosten eben auch jugendliches Publikum ins Kino bringen, tatsächlich werden diese Produktionen ja sogar ganz besonders für junge Leute als Zielgruppe gedreht. Logisch, dass man sich das Geschäft nicht mit zu viel Gewalt und damit hoher Altersfreigabe verderben will.

King Ghidorah jedenfalls ist garstig

Dritter Film des MonsterVerse, dritter Regisseur: Mit Michael Dougherty übernahm ein recht unbeschriebenes Blatt die Aufgabe, in seiner Regisseurs-Filmografie stehen als Kinofilme lediglich „Trick ’r Treat – Die Nacht der Schrecken“ (2007) und „Krampus“ (2015) zu Buche. Allerdings hatten Gareth Edwards („Godzilla“) und Jordan Vogt-Roberts („Kong – Skull Island“) zuvor auch nicht gerade zahlreiche Referenzen zu bieten. Dougherty schrieb gemeinsam mit Zach Shields auch das Drehbuch zu „Godzilla II – King of the Monsters“. Die Insel Skull Island wird übrigens mehrfach kurz genannt, was die Brücke zu „Kong – Skull Island“ schlägt. Wer 2014 von Gareth Edwards’ Reboot „Godzilla“ angetan war und sich auch für „Kong – Skull Island“ erwärmen konnte, wird dem dritten Teil des MonsterVerse zweifellos ebenfalls viel abgewinnen können, am Ende womöglich sogar begeistert sein.

Bald kommt „Godzilla vs. Kong“

Wie das mit gigantomanischen Franchises wie diesem so ist: Kaum kommt der eine Film ins Kino, lechzen alle bereits nach dem nächsten. „Godzilla vs. Kong“ ist abgedreht und befindet sich in der Postproduktionsphase, und erneut hat sich ein neues Gesicht auf den Regiestuhl gesetzt: Adam Wingard, bekannt für „You’re Next“ (2011), „The Guest“ (2014) und „Blair Witch“ (2016). Der Titel deutet an, dass es zum gewaltigen Aufeinandertreffen der beiden Monster aus den zwei Vorgängern kommt – darauf hoffen sowieso viele.

Dr. Serizawa (r.) und seine Assistentin Vivienne Graham wollen den Tod der Titanen verhindern

Ich bin kein Kinogänger, der zum Filmenende gern den gesamten Abspann bis zur letzten Zeile aussitzt, auch wenn die Credits seit Jahren oft in recht hoher Geschwindigkeit abgespielt werden – ohnehin viel zu hoch, um alles zu lesen, hehe. Um meine Leserinnen und Leser ins Bild zu setzen, habe ich das diesmal aber auf mich genommen, und siehe da: Tatsächlich folgt – leider ganz am Ende – eine Szene, die einen Ausblick bietet auf – worauf eigentlich? Mit „Godzilla vs. Kong“ hat das Gezeigte jedenfalls nichts zu tun, sofern dessen Titel den Fokus der Handlung korrekt abbildet. Lugt da am Ende etwa schon Teil 5 des MonsterVerse hervor? Wir werden sehen …

Auch Rodan mischt mit

Abschließend ein Lektüretipp: Für die aktuelle Ausgabe von „Deadline – Das Filmmagazin“ hat „Die Nacht der lebenden Texte“- Autor Leonhard Elias Lemke sowohl die Titelgeschichte über „Godzilla II – King of the Monsters“ verfasst als auch ein Interview mit Regisseur Michael Dougherty geführt. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Vera Farmiga und Sally Hawkins sind in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgeführt, Filme mit Kyle Chandler, Charles Dance, David Strathairn und Ken Watanabe unter Schauspieler.

Es kommt zum Clash of the Titans

Länge: 132 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Godzilla – King of the Monsters
USA/JPN 2019
Regie: Michael Dougherty
Drehbuch: Michael Dougherty, Zach Shields
Besetzung: Kyle Chandler, Vera Farmiga, Millie Bobby Brown, Ken Watanabe, Ziyi Zhang, Bradley Whitford, Sally Hawkins, Charles Dance, Thomas Middleditch, Aisha Hinds, O’Shea Jackson Jr., David Strathairn
Verleih: Warner Bros. Pictures Germany

Copyright 2019 by Volker Schönenberger

Filmplakat, Szenenfotos & Trailer: © 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. and Legendary Pictures Productions, LLC

 
Ein Kommentar

Verfasst von - 2019/05/29 in Film, Kino, Rezensionen

 

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Mothra bedroht die Welt – Erster Flügelschlag der lieblichen Riesenmotte

Mosura

Von Volker Schönenberger

SF-Abenteuer // Darauf haben die Kaijū-Fans hierzulande lange gewartet: Endlich kann im Rahmen der „Kaiju Classics“ von Anolis Entertainment auch der erste Auftritt der Riesenmotte Mothra in bestmöglicher Qualität auf hiesigen Bildschirmen genossen werden. Von „Mothra bedroht die Welt“ (1961) bis zu ihrem bislang letzten Auftritt in „Godzilla – Final Wars“ (2004) flatterte die beliebte Kreatur insgesamt 13 Mal in den Kaijūs durch die Lüfte. Im japanischen Original heißt sie Mosura.

Wie niedlich: die winzigen Zwillingsfeen

Ein Taifun bringt einen japanischen Frachter in schwere See und in ein Gebiet für nukleare Tests. Als das Schiff auf ein Riff läuft, befiehlt der Kapitän: „Alle Mann von Bord!“ Der Frachter bricht auseinander und sinkt. Ein Suchhubschrauber entdeckt auf einer Insel vier Überlebende des Schiffbruchs – sie werden gerettet. Wider Erwarten erweisen sich die Männer als nicht verstrahlt. Sie berichten, ihnen sei von Eingeborenen ein Getränk verabreicht worden, das sie vor den Folgen nuklearer Strahlung bewahrt habe. Dabei gelten die Inseln in dem Atomtest-Gebiet als unbewohnt!

Expedition ins Atomtestgebiet

Die Atomtests hatte seinerzeit der Staat Roliscia (andere Schreibweise: Rolisica) vorgenommen. Nun bricht eine Expedition auf, die Roliscia und Japan gemeinsam zusammengestellt haben und die vom Roliscianer Clark Nelson (Jerry Itô) geleitet wird. Aus Japan dabei sind auch der Wissenschaftler Dr. Shin’ichi Chûjô (Hiroshi Koizumi) und der Journalist Senichiro „Sen-chan“ Fukuda (Furankî Sakai), genannt Bulldogge. Als Chûjô in die Fänge einer Schlingpflanze gerät, retten ihn zwei winzige Feen (die eineiigen Zwillinge Yumi und Emi Itô). Nelson entführt die beiden kaum 20 Zentimeter großen Mädchen, um sie als Attraktionen einem großen Publikum vorzuführen. Das ruft Mothra auf den Plan, die als riesige Raupe aus einem Ei schlüpft und sich von der Insel aus schwimmend auf den Weg macht, die zwei Feen zu retten, zu denen Mothra offenbar telepathischen Kontakt hält. Dabei lässt sich die Kreatur auch nicht von Luftangriffen aufhalten – und verpuppt sich bald, um als Riesenmotte wieder auf der Bildfläche zu erscheinen.

Roliscia – nie gehört? Das mag daran liegen, dass das Land gar nicht existiert. Im Godzilla-Universum tauchen immer mal wieder fiktive Schauplätze auf. In diesem Fall dient das Land kaum verhohlen als Platzhalter für die USA und die Sowjetunion gleichermaßen, was nach Hiroshima und Nagasaki nicht von ungefähr kommt – viele der Kaijūs thematisieren auf mehr oder weniger subtile Weise das atomare Trauma Japans aufgrund der Atombombenabwürfe zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

Engagiert: Reporter Fukuda, genannt Bulldogge

Während Godzilla in den Filmen der Tōhō-Studios in der Regel mittels Suitmation von einem Schauspieler im Gummikostüm dargestellt wurde, ließ sich das mit der Riesenraupe und -motte nur schwierig bewerkstelligen – für ihr Debüt in „Mothra bedroht die Welt“ allerdings schon, wobei die Tricktechniker für manche Szenen mit der Motte und insbesondere bei ihren Auftritten in späteren Filmen auf Puppentrick-Animation zurückgriffen, bei der das Viech beim Fliegen an Fäden aufgehängt wurde. In Verbindung mit den bekannten Miniaturkulissen der Kaijūs ergibt das eine herrlich naiv visualisierte Geschichte, in der Mothra keineswegs bösartig ist, sondern lediglich seine Schützlinge retten will – und das auf familientaugliche Weise, auch wenn Fiesling Nelson überaus skrupellos gezeichnet wird und zu keinem Zeitpunkt vor Mord zurückschreckt.

Auftritt der Peanuts

Ab und zu überschreitet „Mothra bedroht die Welt“ die Grenze zur Albernheit, etwa beim Bühnendebüt der Zwillingsfeen inklusive Gesangseinlage – eins der Lieder ist es dann auch, das aus der Ferne Mothra aus dem Ei schlüpfen lässt. Die beiden Darstellerinnen der Feen bildeten übrigens das in Japan recht populäre Gesangsduo The Peanuts, das auch in deutschen Fernsehshows zu sehen war und in den 1960er-Jahren sogar Singles in deutscher Sprache veröffentlichte. Für manche Schmunzler sorgt auch Reporter Fukuda, der etwas tollpatschig und neben der Spur wirkt, sich aber als schlagkräftig erweist und bald von einer Comic-Relief-Nebenfigur zum Protagonisten aufsteigt, der die Handlung vorantreibt.

Voll in Aktion inklusive Zerstörungswerk bekommen wir Mothra als fertige Motte erst recht spät zu sehen – das Schlagen ihrer Flügel verursacht zerstörerische Druckwellen. Bis dahin hält aber die Story mit dem Schurken Nelson und seinen wohlgesinnten Widersachern die Spannung hoch und das Publikum bei der Stange. Mit Columbia Pictures war ein finanzstarkes US-Studio als Geldgeber mit von der Partie, es setzte durch, dass eine bereits gedrehte Schlusssequenz von einem deutlich spektakuläreren Finale ersetzt wurde. Ob das Kaijū-Regie-Legende Ishirô Honda missfallen hat, ist nicht überliefert, mir zumindest nicht bekannt. Ich tendiere in diesem Fall zu „je größer, desto besser“. „Mothra bedroht die Welt“ gönnt sich ein paar deutliche Anleihen beim Hollywood-Klassiker „King Kong und die weiße Frau“ (1933), die dem Film gut zu Gesicht stehen. Das SF-Abenteuer etablierte mit der putzigen Riesenmotte auf höchst amüsante Weise eine Kreatur, die sich schnell im Kaijū-Universum etablierte und unter den Fans nach wie vor großer Beliebtheit erfreut.

Die „Kaiju Classics“ in HD

Mit „Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer“ (1966), „Frankensteins Höllenbrut“ (1972) und „Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster“ (1975) hatte Anolis im Dezember 2018 erstmals Kaijūs in HD veröffentlicht. Da alle drei Filme Jahre zuvor in den Metalpaks (oder Futurepaks) der „Kaiju Classics“ als DVD erschienen waren, packte das Label die Blu-rays in herkömmliche Amaray-Cases. „Mothra bedroht die Welt“ kommt nun im typischen silberfarbenen Futurepak der Reihe daher und enthält sowohl Blu-ray als auch DVD. So loben wir uns das. Die Bildqualität hält das hohe Niveau, das wir von Anolis gewohnt sind, was natürlich viele der Tricks und visuellen Effekte noch deutlicher entlarvt, etwa Matte-Painting-Hintergründe und Miniaturen. Aber da die Kaijūs ihren Reiz nie aus hyperrealistischen Bildern zogen, lässt sich das gut verschmerzen. Der Film findet sich sowohl in der japanischen als auch in der knapp zwölf Minuten kürzeren US- beziehungsweise deutschen Fassung auf den Discs.

Raupe Mothra walzt alles nieder

Das Booklet erhält einen gewohnt fachkundigen Text von Ingo Strecker, der wie üblich gemeinsam mit Jörg Buttgereit und Bodo Traber auch einen der Audiokommentare eingesprochen hat. Löblich, wenn sich Label wie Anolis auch in puncto Booklets so viel Mühe geben wie in diesem Fall. Letztlich kann man über diese „Mothra bedroht die Welt“-Edition dasselbe schreiben wie über die vorherigen „Kaiju Classics“: Sie lassen keine Wünsche offen. Da ich mit meiner Rezension vergleichsweise spät dran bin, steht zu befürchten, dass sich die im Handel befindliche Auflage von 1.500 Exemplaren bereits dem Ausverkauf zuneigt, also spute sich, wer noch eins der Futurepaks ergattern will, zumal wir es mit einem Höhepunkt der Kaijūs zu tun haben. Mit dem drei Jahre später entstandenen „Godzilla und die Urweltraupen“ hat Anolis bereits den nächsten, 17. Teil der Reihe angekündigt – Mothras zweiter Auftritt zeigt das erste Aufeinandertreffen der Riesenmotte mit Godzilla.

Die Anolis-Entertainment-Reihe „Kaiju Classics“ haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgeführt. Lesenswerte Texte zu „Mothra bedroht die Welt“ finden sich auch im „Filmforum Bremen“ und bei den Kollegen von „Evil Ed“.

Aus dem Kokon entspringt die Riesenmotte

Veröffentlichung: 12. April 2019 als 2-Disc-Edition im auf 1.500 Exemplare limitierten Futurepak als Nr. 16 der Reihe „Kaiju Classics“ (Blu-ray & DVD)

Länge japanische Kinofassung: 101 Min. (Blu-ray), 97 Min. (DVD)
Länge deutsche Kinofassung: 90 Min. (Blu-ray), 87 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Japanisch (jap. Fassung), Englisch (dt. Fassung)
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Mosura
JAP 1961
Regie: Ishirô Honda
Drehbuch: Shin’ichi Sekizawa, nach einem Roman von Shin’ichirô Nakamura, Takehiko Fukunaga und Yoshie Hotta
Besetzung: Furankî Sakai, Hiroshi Koizumi, Kyôko Kagawa, Jerry Itô, Yumi Itô, Emi Itô, Ken Uehara, Akihiko Hirata, Seizaburô Kawazu
Zusatzmaterial japanische Kinofassung: Audiokommentar von Jörg Buttgereit, Bodo Traber und Ingo Strecker (jap. Fassung), Audiokommentar von Florian Bahr (jap. Fassung), Audiokommentar von Steve Ryfle und Ed Godziszewski (dt. Fassung), japanische Super-8-Fassung, US-Trailer, japanischer Trailer, Bildergalerie, 20-seitiges Booklet mit einem Text von Ingo Strecker
Label/Vertrieb: Anolis Entertainment GmbH

Copyright 2019 by Volker Schönenberger
Szenenfotos: © 2019 Anolis Entertainment GmbH

 

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