No Time to Die
Kinostart: 30. September 2021
Agenten-Abenteuer // Zum Kinostart von „James Bond 007 – Spectre“ hatte ich 2015 geschrieben: „Da ist er nun also, der voraussichtlich letzte Bond-Film mit Daniel Craig. Warum es meiner Meinung nach sogar mit Sicherheit sein letzter sein wird, sollte am Ende dieses Textes klar geworden sein.“
Tja, ich habe mich geirrt, auch wenn es beinahe sechs Jahre gedauert hat, bis sich mein Irrtum im Kino offenbarte. Trotzdem freue ich mich, denn „Keine Zeit zu sterben“ ist zum Glück rundum gelungen und reiht sich nahtlos in die beinahe makellose Reihe (mit Ausnahme des blutleeren zweiten Teils „Ein Quantum Trost“) mit Daniel Craig als Doppelnull-Agent ein. Doch wie kam es 2015 zu meiner kühnen Behauptung und warum ist die erfolgte Widerlegung in meinen Augen so gelungen? Die Antwort liegt tatsächlich in der Hauptfigur selbst begründet und eben nicht in der narrativen und strukturellen Form der bisherigen Quadrologie. Denn wo die ersten vier Filme mit Daniel Craig einen Genre-immanten Bogen spannen konnten zwischen einer klassischen bis hin zu einer postmodernen (und damit abschließenden) Erzählweise, fokussiert sich „Keine Zeit zu sterben“ auf die Entwicklung des Helden selbst. Seine Befreiung aus dem repetitiven Narrativ des unbesiegbaren Helden, der sich Film für Film den wechselnden Bösewichten stellt und dabei ein Bond-Girl nach dem anderen vernascht, ohne nachhaltig Glück, Zufriedenheit und vor allem Erlösung zu finden, ist zentrales Element des letzten Teils der damit zur Pentalogie erweiterten Reihe.
Der Ruhestand ist nicht von Dauer
Um seine innere Entwicklung zu einem würdigen Abschluss zu bringen, muss Bond (Daniel Craig) erst einmal aus dem Ruhestand zurückkehren. Nach den Ereignissen in „Spectre“ hat Bond den Dienst quittiert und eine Beziehung mit der Französin Madeleine Swann (Léa Seydoux) begonnen. Mit dem legendären silbernen Aston Martin DB5 (dem berühmtesten Bond-Auto, das seinen ersten Auftritt 1964 in „Goldfinger“ hatte) reisen die beiden durch Italien. Die Liebe ist groß und unter den Klängen des Bond-Klassikers „ We Have All the Time in the World “ blicken die beiden Liebenden einer rosigen Zukunft entgegen.
Doch für das perfekte Glück müssen sie sich einander öffnen und ihre tiefsten Geheimnisse offenbaren. Bond leidet immer noch unter dem Verlust seiner großen Liebe Vesper Lynd (siehe „Casino Royale“) und Madeleines Vergangenheit birgt eine Verbindung sowohl zur verbrecherischen Geheimorganisation Spectre als auch zu dem mysteriösen Lyutsifer Safin (Rami Malek), der vorerst nur als Erzfeind von Spectre in Erscheinung tritt. Als Bond sich allein zum Grab von Vesper begibt, um Abschied zu nehmen und ins Reine zu kommen, tappt er in eine Falle von Spectre-Anführer Ernst Stavro Blofeld (Christoph Waltz), seiner beim MI-5 inhaftierten Nemesis. Bond und Madeleine entkommen nur knapp dem Tod, doch Bond fühlt sich verraten und verlässt Madeleine.
Fünf Jahre später kreuzen sich allerdings die Wege des Ex-Agenten und der Schönheit erneut und eine klassische Bond-Story beginnt. Bei dieser geht es natürlich um nichts weniger als um die Rettung der Welt. Sowohl der MI-5 mit seinem Leiter M (Ralph Fiennes), Blofeld mit Spectre, Lyutsifer Safin als auch die CIA unter Felix Leiter (Jeffrey Wright) jagen einer Superwaffe namens „Herkules“ nach und halten Bond und seine Nachfolgerin beim MI-5 (Lashana Lynch) ordentlich auf Trab. Mit von der Partie ist auch der Wissenschaftler Valdo Obruchev (David Dencik), der mit seiner Amoralität und seinem Doppelspiel wie ein postmodernes Zitat des Programmierers Boris Grishenko (Alan Cumming) aus „GoldenEye“ wirkt.

Doch der Geheimdienst Ihrer Majestät in Gestalt von M (l.) beordert den Helden wieder in den aktiven Dienst
Doch der neue Bond ist kein Vertreter der Postmoderne, sondern vielmehr klassische Tragödie, bei der die Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen und den äußeren Widersachern in eine Katharsis mündet, die schließlich dem Helden die Hoffnung auf Reinigung und Erlösung bringt.
Zitate von Aston Martin bis hin zu aller Zeit der Welt
Die Zitierfreude allerdings, die man bereits beim Vorgänger erleben durfte und die ein Charakteristika seiner Postmodernität ist, tritt auch bei „James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben“ zu Tage. Neben dem erwähnten Bond-Song und mehreren Aston-Martin-Modellen erleben wir beispielsweise mit Lyutsifer Safin einen Protagonisten, der wie eine Mischung aus Dr. No und Zao (Rick Yune aus „Stirb an einem anderen Tag“) wirkt und auch das Finale des Films in einer alten Militäranlage auf einer verlassenen Insel im Pazifik lässt die Erinnerung an „James Bond jagt Dr. No“ aufleben, das erste Bond-Abenteuer aus dem Jahr 1962. Es schließt sich also in vielerlei Hinsicht der narrative Kreis der langlebigen Erfolgsreihe.
Apropos Bond-Song: Der Einsatz der Melodie von „We Have All the Time in the World“ ist das vielleicht stärkste Zitat aus dem Bond-Kosmos. Geschrieben von John Barry und Hal David und gesungen von Louis Armstrong kam er in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ als Liebeslied zu Ruhm und Ehren. Es ist nicht nur der einzige Film der Reihe mit George Lazenby als 007, sondern auch derjenige, bei dem James Bond heiratet, nur um am Ende durch ein Attentat Blofelds sogleich zum Witwer zu werden. Damit gibt der Song das eigentliche Thema des nun aber wirklich letzten Bonds mit Daniel Craig in der Hauptrolle unüberhörbar vor: die Liebe!
Nun aber genug verraten, den „James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben“ sollte auf jeden Fall mit einer gewissen Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Handlung genossen werden, sonst droht der The-Sixth-Sense-Effekt und das wäre wirklich bedauerlich.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Ana de Armas, Naomie Harris und Léa Seydoux haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Daniel Craig, Ralph Fiennes, Rory Kinnear, Rami Malek, Christoph Waltz und Ben Whishaw unter Schauspieler.
Länge: 163 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: No Time To Die
GB/USA 2021
Regie: Cary Joji Fukunaga
Drehbuch: Neal Purvis, Robert Wade, Cary Joji Fukunaga, Phoebe Waller-Bridge
Besetzung: Daniel Craig, Ana de Armas, Christoph Waltz, Rami Malek, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Ben Whishaw, Naomie Harris, Lashana Lynch, Jeffrey Wright, Billy Magnussen, Rory Kinnear
Verleih: Universal Pictures International Germany
Copyright 2021 by Florian Schneider
Filmplakat & Trailer: © 2021 Universal Studios. All rights reserved.
Szenenfotos: © 2021 DanjaQ, LLC and MGM. All rights reserved. Foto-Credit: Nicola Dove