Ku bei
Kinostart: 3. Februar 2022
Horror-Action // Durch den kurzen Vorspann wabern Viren in diversen typischen Formen – wer da nicht an Corona denkt. Im Anschluss sehen wir Jim (Berant Zhu) und Kat (Regina Lei) in Taiwan aus ihrem Schlaf erwachen. Kat freut sich auf den gemeinsamen Urlaubstrip in der kommenden Woche, bis ihr Jim offenbart, dass daraus nichts wird, da er arbeiten muss. Während sie frustriert im Badezimmer verschwindet, schaut er sich ein Video an, in welchem ein Wissenschaftler davor warnt, das bislang nur harmlose Grippesymptome verursachende Alvin-Virus könne zu etwas weit Gefährlicherem mutieren. Und so geschieht es dann auch …
Mit Slogans wie „Heftigster Zombiefilm aller Zeiten“ und „Schon jetzt der brutalste Kinofilm 2022“ schürten die Medien im Vorfeld des deutschen Kinostarts die Erwartungshaltung zum taiwanesischen Schocker „The Sadness“. Das Werk gelangte in dem kleinen chinesischen Inselstaat bereits im Januar 2021 in die Lichtspielhäuser und war im Spätsommer und Herbst auf diversen internationalen Genrefilmfestivals zu sehen, darunter dem Fantastic Fest im texanischen Austin, dem FrightFest in London, dem Festival des fantastischen Films im katalanischen Sitges und dem deutschen Fantasy Filmfest – ein horroraffines Publikum ist somit bereits im Bilde. Derlei Superlativ-Ankündigungen sind zwar stets mit Vorsicht zu genießen, aber es lässt sich mit Fug und Recht konstatieren: Gorehounds müssten begeistert sein.
„The Sadness“ geht über einiges hinaus, was wir im Zombiefilm- und Infiziertengenre gewohnt sind. Das liegt am Verhalten der Untoten: Zwar sind sie gewohnt blutrünstig und beißen gern zu, in ihrem Wüten legen sie aber eine Schippe drauf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie – anders, als wir es von Zombies gewohnt sind – zu gezielten, gar strategischen Aktionen fähig sind und bisweilen sogar im Teamwork agieren. Sie können Schusswaffen abfeuern, Äxte schwingen, mit Messern zustechen und Gartenscheren zuschnappen lassen. Der Fantasie sind in der Hinsicht kaum Grenzen gesetzt.
Da bei den Infizierten obendrein ein ausgeprägter Sexualtrieb als Symptom auftritt und es zu Vergewaltigungen kommt, fühlte ich mich bei der Sichtung des Films frappierend an die ab 2008 veröffentlichte Comicreihe „Crossed“ von Garth Ennis erinnert. Diese kann durchaus als tabubrechend bezeichnet werden, ganz so weit geht „The Sadness“ bei seinen expliziten Szenen nicht. Der kanadische Drehbuchautor und Regisseur Rob Jabbaz hat im Interview auch zugegeben, bei seinem Langfilm-Regiedebüt davon inspiriert worden zu sein. Beruhigt sei immerhin, wer ungern Szenen sexualisierter Gewalt anschaut: Diese beschränkt sich weitgehend auf Dialoge und bleibt visuell weitgehend angedeutet – kein Vergleich mit den drastischen Vergewaltigungsmotiven von „Crossed“. Aber es bleibt festzuhalten: Die Untoten von „The Sadness“ werden nicht nur vom Instinkt des Blutdurstes und der Gier nach Menschenfleisch vorangetrieben, ihnen wohnt auch Bösartigkeit inne, sie erfreuen sich an Leid und Schmerz ihrer Opfer.
In puncto Splatter geht es drastisch zu, die blutigen Schauwerte sind enorm. Heraushängende Eingeweide, Blutfontänen, abgehackte Gliedmaßen und sonstwie verstümmelte Leiber gibt es zuhauf zu betrachten. Sogar einen platzenden Kopf à la David Cronenbergs „Scanners – Ihre Gedanken können töten“ (1981) können wir bestaunen. Das ist zwar weder innovativ noch tabubrechend, aber die Abteilungen für Make-up und visuelle Effekte haben mit Liebe zum Detail gearbeitet.
Das führte zu Problemen mit der FSK: Zweimal verweigerte das zuständige Gremium der ungeschnittenen Fassung von „The Sadness“ die Freigabe fürs Kino, erst in der zweiten Berufungsverhandlung gelang es dem Verleih capelight pictures, die Freigabe ab 18 Jahren zu erreichen. Selten in Zeiten von Corona: Der Verleih hat den Kinostart vom 3. März auf den 10. Februar und dann noch einmal auf den 3. Februar vorverlegt. Vielleicht hat capelight bemerkt, dass viele den Film herbeisehnen. Für die geplante Heimkino-Veröffentlichung im April 2022 hat die FSK erneut eine Freigabe abgelehnt, nun wählt capelight den Weg über ein SPIO-Gutachten, wohlwissend, dass die Zielgruppe der Gorehounds keine Beschaffungsprobleme haben wird (Vermutung: Es wird das SPIO/JK-Siegel für keine schwere Jugendgefährdung werden). Angekündigt sind ein Mediabook und ein Steelbook, beide Editionen werden den Film jeweils auf UHD und Blu-ray enthalten.
Die Handlung folgt üblichen Pfaden einer Zombieseuche. Dem rasenden Wüten der Infizierten folgend, weist auch die Handlung hohes Tempo auf, nur ab und zu können sowohl Filmpublikum als auch Jim und Kat einmal durchschnaufen. Die beiden dienen als einzige Hauptfiguren, das Gros der Menschen, auf die die beiden treffen, wird entweder niedergemetzelt oder zombifiziert. Über das junge Paar erfahren wir nicht viel mehr, als ich oben skizziert habe. Die zwei sind aber sympathisch genug, um als Identifikationsfiguren gut zu funktionieren. Getrennt voneinander versuchen sie, den Wahnsinn zu überstehen.
Über Infektionswege und Fragen der Immunität schert sich „The Sadness“ wenig. Offen bleibt, ob sich die Opfer über Aerosole oder Tröpfcheninfektion anstecken und ob Menschen vereinzelt von vornherein immun sind. Jedenfalls verbreitet sich das Virus rasend schnell und die Krankheit bricht meist zügig aus. Erst gegen Ende spricht ein Virologe, auf den Kat trifft, kurz über derlei Aspekte.
„The Sadness“ erfindet das Rad des Zombiefilms nicht neu, treibt es aber durch eine gewaltige Blutlache weiter voran und gewinnt dem Genre dank der innovativen Charakterisierung der Infizierten einige neue Facetten ab. Sicher brutaler als vieles, was wir in der Hinsicht kennen, auch wenn sich Superlative wie „brutalster“ und „heftigster“ erwartungsgemäß als übertrieben entpuppen. Aber ich müsste mich schon sehr irren, wenn „The Sadness“ kein Fanliebling wird.
Veröffentlichung: 15. April 2022 als 2-Disc Limited Edition Mediabook (UHD Blu-ray & Blu-ray) und 2-Disc Limited Edition Steelbook (UHD Blu-ray & Blu-ray)
Länge: 100 Min.
Altersfreigabe Kino: FSK 18
Altersfreigabe Heimkino: ohne FSK-Freigabe
Sprachen: Deutsch, Mandarin
Untertitel: Deutsch, Mandarin, Englisch
Originaltitel: Ku bei
TAIW 2021
Regie: Rob Jabbaz
Drehbuch: Rob Jabbaz
Besetzung: Regina Lei, Berant Zhu, Tzu-Chiang Wang, Ying-Ru Chen, Wei-Hua Lan, Emerson Tsai, Ralf Chiu
Zusatzmaterial: Hinter-den-Kulissen-Featurettes: („Horny Zombies“, „Die Sets“, „Make-up & Spezialeffekte“, „Der Geschäftsmann“), Interview mit Rob Jabbaz, Kinotrailer, nur Mediabook: 24-seitiges Booklet
Verleih/Label: capelight pictures
Vertrieb: Al!ve AG
Offizielle Seite des Films
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Filmplakat, Packshots & Szenenfotos: © 2022 capelight pictures