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Archiv für den Monat Mai 2022

Zum 100. Geburtstag von Denholm Elliott: Der große Atlantik – Wahrhaftiges vom Krieg auf See

The Cruel Sea

Von Volker Schönenberger

Kriegsdrama // Dies ist eine Erzählung aus der Atlantikschlacht; die Geschichte eines Ozeans, zweier Schiffe und einer Handvoll Männer. Die Männer sind die Helden; die Heldinnen sind die Schiffe. Der einzige Schurke ist die See, die grausame See, die der Mensch noch grausamer gemacht hat. Diese Worte aus dem Off leiten „Der große Atlantik“ ein. Es spricht sie Lieutenant Commander George Ericson (Jack Hawkins), ein Reserveoffizier, der bei Kriegsbeginn 1939 von der Handelsmarine zur der Royal Navy des Vereinigten Königreichs zurückversetzt wird. Er erhält das Kommando über die Korvette HMS „Compass Rose“, die ausläuft, um Schiffskonvois durch den Atlantik zu geleiten. Seine Offiziere sind wenig erfahren, aber lernfähig, müssen trotz der einen oder anderen Animosität zusammenwachsen und tun das auch.

Lieutenant Commander Ericson (r.) befehligt …

Als die Deutschen durch die Erfolge ihrer Landstreitkräfte in der Lage sind, ihre U-Boote von französischen Atlantikhäfen operieren zu lassen, geraten die Geleitzüge unter verstärkte Attacken. Oft können Ericson und seine Männer nicht viel mehr tun, als überlebende Seeleute torpedierter Handelsschiffe aus dem Wasser zu ziehen. Der Krieg fordert seinen Tribut. Ehe es sich die Besatzung versieht, sind drei Jahre auf See ins Land gegangen.

… die Korvette „Compass Rose“

Ein wenig kann „Der große Atlantik“ als englisches Gegenstück zu Wolfgang Petersens knapp 30 Jahre später entstandenem „Das Boot“ (1981) gesehen werden, auch wenn der britische Beitrag über die Atlantikschlacht deutlich unspektakulärer daherkommt als das deutsche Antikriegs-Meisterstück. Einige Bilder wirken fast, als hätte seinerzeit ein Team aus Dokumentarfilmern eine Korvette begleitet, um das Geschehen einzufangen. Allzu viele Feindberührungen hat die „Compass Rose“ nicht, selbst dann nicht, wenn die Besatzung mitansehen muss, wie eines der Frachtschiffe, zu deren Schutz sie abbestellt ist, von einem Torpedo getroffen wird, sodass eine gewaltige Explosion die Nacht erhellt. Zwischen diesen tragischen Ereignissen gestaltet sich der Alltag auf See monoton. Diesen Gegensatz vermittelt „Der große Atlantik“ in unaufgeregter Weise. Ebenso wird deutlich, dass die Soldaten Menschen bleiben und die Menschlichkeit im Krieg dennoch auf der Strecke bleibt. Der Krieg ist hier kein Heldenspektakel, da „Der große Atlantik“ eine wohltuende Wahrhaftigkeit ausstrahlt.

Wo mag der Feind stecken?

„The Cruel Sea“, so der Originaltitel des Seekriegsdramas, basiert auf dem gleichnamigen Roman des britischen Schriftstellers Nicholas Monsarrat (1910–1979), der darin seine Erfahrungen in der Royal Navy während des Zweiten Weltkriegs verarbeitete. Das 1951 erstveröffentlichte Buch ist unter dem Titel „Grausamer Atlantik“ auch in deutscher Übersetzung erschienen.

Wasserbomben auf deutsche U-Boote

Gedreht wurde in der in Plymouth im Südwesten Englands gelegenen Marinebasis Devonport und in den traditionsreichen Ealing Studios in London. Regie führte der hierzulande nicht allzu bekannte Charles Frend, der seine Filmlaufbahn Anfang der 1930er-Jahre als Cutter begonnen hatte und diese Tätigkeit beispielsweise auch bei den frühen Hitchcock-Arbeiten „Sabotage“ (1936) und „Jung und unschuldig“ (1937) ausgeübt hatte. Frends Karriere lässt sich recht klar in drei Abschnitte einteilen: Cutter in den 30ern, Kinoregisseur in den 40ern und 50ern, Serienregisseur fürs britische Fernsehen im Folgejahrzehnt. „The Cruel Sea“ ist seine mit Abstand bekannteste Regiearbeit.

Inferno im Atlantik

Als Sub-Lieutenant John Morell an Bord der „Compass Rose“ ist Denholm Elliott zu sehen, hierzulande vor allem als Museumskurator und Freund von Indiana Jones in „Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) und „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) in Erinnerung. Der am 31. Mai 1922 in London Geborene begann mit 17 Jahren ein Schauspielstudium an der renommierten Royal Academy of Dramatic Art, das er nach einem Jahr allerdings aufgab, weil er und die Lehranstalt offenbar keine Freunde werden würden. 1940 ging er zur Royal Air Force und wurde als Bordschütze und Funker eingesetzt, bis sein Flugzeug zwei Jahre später über Deutschland abgeschossen wurde. In einem Kriegsgefangenenlager in Schlesien nahm er an Theateraufführungen teil. Nach dem Krieg von Laurence Olivier entdeckt, entwickelte sich Elliott zum gefeierten Bühnenschauspieler und Charakterdarsteller.

Obgleich früh auch für Fernsehen und Kino aktiv, kam der Leinwandruhm erst mit besagtem Part in „Jäger des verlorenen Schatzes“, der ihm den Weg zu weiteren markanten Nebenrollen ebnete. So war er als Butler in John Landis’ „Die Glücksritter“ (1983) zu sehen, und seine Nebenrolle als Mr. Emerson in James Ivorys „Zimmer mit Aussicht“ brachte ihm 1987 seine einzige Nominierung für einen Oscar ein (der allerdings an Michael Caine in „Hannah und ihre Schwestern“ ging). Immerhin gewann Elliott viermal den Britischen Filmpreis BAFTA, bemerkenswert für einen Schauspieler, der nicht zu den auffälligsten seiner Zunft gehörte. Gleichwohl war er jederzeit in der Lage, in Szenen mit namhaften Kolleginnen und Kollegen zu bestehen oder diesen gar die Show zu stehlen. Und das so sehr, dass Gabriel Byrne nach den Dreharbeiten zum Thriller „Button – Im Sumpf der Atommafia“ („Defence of the Realm“, 1985) konstatierte: Ich habe das alte Klischee modifiziert: Arbeite niemals mit Kindern, Tieren oder Denholm Elliott (nachzulesen in einem Nachruf auf Elliott). Denholm Elliott starb am 6. Oktober 1992 im Alter von 70 Jahren auf Ibiza an den Folgen einer AIDS-Erkrankung. Am 31. Mai 2022 wäre er 100 Jahre alt geworden.

„Der große Atlantik“ kam 1953 in britische, US-amerikanische und kontinentaleuropäische Kinos und erwies sich speziell im angelsächsischen Sprachraum als Erfolg (über die bundesdeutschen Zuschauerzahlen ist mir nichts bekannt). In Deutschland ist das Kriegsdrama 2010 unter dem Titel „Todesduell im Atlantik“ und 2019 unter dem Titel „Duell im Atlantik“ auf DVD erschienen, wobei letztgenannte Veröffentlichung nicht mit dem gleichnamigen 1957er-Kriegsdrama mit Robert Mitchum und Curd Jürgens verwechselt werden sollte. Eine Blu-ray wurde bislang nur im Vereinigten Königreich veröffentlicht. Beide deutsche DVDs sind im Handel vergriffen, das fesselnde Werk hätte eine Neuauflage verdient.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Denholm Elliott haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 7. Februar 2019 als DVD unter dem Titel „Duell im Atlantik“, 30. Juli 2010 als DVD unter dem Titel „Todesduell im Atlantik“

Länge: 117 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: The Cruel Sea
Alternativtitel: Duell im Atlantik
GB 1953
Regie: Charles Frend
Drehbuch: Eric Ambler, nach dem Roman „The Cruel Sea“ („Grausamer Atlantik“) von Nicholas Monsarrat
Besetzung: Jack Hawkins, Donald Sinden, John Stratton, Denholm Elliott, John Warner, Stanley Baker, Bruce Seton, Liam Redmond, Virginia McKenna, Moira Lister, June Thorburn, Megs Jenkins, Meredith Edwards, Glyn Houston, Alec McCowen, Leo Phillips, Dafydd Havard, Alan Webb
Zusatzmaterial: keins
Label/Vertrieb „Duell im Atlantik“: Polar Film + Medien GmbH
Label/Vertrieb „Todesduell im Atlantik“: Voulez Vous Film (Intergroove)

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Packshot „Duell im Atlantik“: © 2019 Polar Film + Medien GmbH,
Packshot „Duell im Atlantik“: © 2010 Voulez Vous Film (Intergroove), Plakatmotive: Fair Use

 

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Zelle R17 – Nobody Ever Really Escapes

Brute Force

Von Tonio Klein

Gefängnisdrama // Jules Dassin, der ab 1941 Filme drehte und mit Sachen wie dem etwas zu glamourös geratenen MGM-Widerstandsfilm „Reunion in France“ (1942) noch nicht so ganz glücklich war, begann vielleicht mit diesem Film seine eigentliche Karriere. Von 1947 bis 1950 drehte er vier Film noirs im weitesten Sinne, die kompromisslose Härte mit einem neuen Realismus verbanden. Im ersten von ihnen, eben „Zelle R17“, verband er dies mit dem Gefängnisdrama. Das war eigentlich ein Genre, das in den 1930er-Jahren in den USA populärer war, und schon damals suggerierte Hollywood den Zuschauern nicht, dass es dort beiderseits mustergültig zuginge. „Hölle hinter Gittern“ (1930) brachte die Knast-Klaustrophobie im frühen Tonfilm auch akustisch zum Ausdruck; „20.000 Jahre in Sing-Sing“ (1932) lieferte schon noir-artige Gitterschatten. Und „Ich bin ein entflohener Kettensträfling“ alias „Jagd auf James A.“ (1932) ist vielleicht der härteste von ihnen, der über die Bedingungen der Zwangsarbeit in einigen Bundesstaaten eine rege Diskussion und zaghafte Reförmchen auslöste.

Noch härter, noch fatalistischer als die Gefängnisfilme der 1930er

„Zelle R17“ ist einer der seinerzeit wohl brutalsten Hollywoodfilme, dabei gleichzeitig ein echter und teils auch stilisierter Film noir. Und das bedeutet nicht nur stimmungsvolle, schattenhafte Ausleuchtungen, peitschenden Regen und ellenlange Fluchtperspektiven, sondern oft auch eine Geschichte des Scheiterns. Hier nicht nur des Gestraucheltseins. Die Insassen sind Gescheiterte, die Aufsichtsführenden sind es auch. Aber nicht jeder weiß es. Auch beim Ausbruchsplan ist von vornherein klar, dass er scheitern wird. Vielleicht wissen dies einige der Beteiligten. Belügen sich aber selbst. Das kann verraten werden, denn dem Film geht es erkennbar nicht darum, dass der Zuschauer mitfiebert, ob es gelingt, sondern höchstens, wie es nicht gelingt. Während in Dassins „Rififi“ (1955) der Einbruch superpräzise und ausgeklügelt ist, ist hier der Ausbruch eine unter zahlreichen Unwägbarkeiten und ohne ausreichende Vorbereitungszeit unternommene Angelegenheit. Vor allem, was auch angesprochen, aber bewusst ungelöst übergangen wird: Was macht man, falls es klappt?

Don’t ask for the moon – we have the bars

Die Welt draußen, durch kurze Rückblenden über das Vorleben vierer Zellengenossen präsentiert, ist diejenige der Insassen nicht mehr. Diese Rückblenden, die „Zelle R17“ auch Gelegenheit geben, einmal die Weiblichkeit zu präsentieren, finden manche vielleicht aus der Zeit gefallen, und auch Regisseur Dassin hatte sie ursprünglich gegen Produzent Mark Hellinger abgelehnt. Mindestens eine von ihnen unterstreicht aber die Sinnlosigkeit der Sache: Hauptfigur Joe Collins (Burt Lancaster) hat die noch recht junge Ruth (Ann Blyth) vom Fleck weg geheiratet, ohne dass beide viel voneinander wissen. Sie benötigt eine Krebs-OP, möchte diese aber nur vornehmen lassen, wenn Joe dabei ist, der ihr aber gar nicht erzählt hat, warum er sich lange nicht mehr hat blicken lassen. Davon wissen wir schon eine Menge ohne Rückblende, aber mit ihr wird die so rührend-naive Unschuld wie wirklich große Liebe, aber eben auch Vergeblichkeit stärker fühlbar. Ruth, die zudem im Rollstuhl sitzt (was erst die Rückblende zeigt – die Behinderte bekommt wirklich Liebe statt Mitleid), würde eine Beichte Joes vielleicht sogar verstehen, ist sie doch ebenso eine Gefangene. Aber wie es weitergehen soll mit einem, der doch untertauchen muss, lässt sich wirklich nicht vorstellen.

Athlet, Segelohr, Brillenschlange – egal, Hauptsache kein Verräter

Dabei erliegt der Film nicht der Versuchung, die Gefangenen zu Helden emporzuheben. Abgesehen von einem sanftmütigen Mann, der absurd hart für einen Griff in die Firmenkasse, um seiner Frau „was bieten zu können“, bestraft wird, sind das Verbrecher, Punkt. Anders als etwa im späteren „Flucht von Alcatraz“ (1979) werden die verschiedenen Taten nicht genannt, die Rückblenden geben nur Andeutungen, wenn überhaupt. Entscheidend ist, dass es natürlich eine eigene Soziologie der Knastgesellschaft gibt und wie gut die Männer in diese integriert sind. Man lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen, hält zusammen, und vor allem ist man mit Verrätern nicht zimperlich. Dies bekommen zwei Männer auf so drastisch gezeigte wie tödliche Weise zu spüren, einer schon relativ früh – dann ist klar, dass die Protagonisten um Joe nicht zur rückhaltlosen Identifikation taugen. An dieser Stelle ist der Film auch härter und fatalistischer als die Vorgänger, zwei Beispiele: In „Ich bin ein entflohener Kettensträfling“ wird die von Paul Muni gespielte Hauptfigur unschuldig verknackt. In „20.000 Jahre in Sing-Sing“ hat der Protagonist (Spencer Tracy) zwar etwas auf dem Kerbholz, wird sich aber des Vertrauens eines reformaffinen Gefängnisdirektors würdig erweisen und sogar nach dem Freigang zurückkehren – damals ungeheuerlich, so etwas zu gestatten. In beiden Fällen liegt die Lösung auf dem Tisch: Probleme wären zu verkleinern, wenn Polizei und Gerichtsbarkeit beim Einbuchten genauer hinschauten oder wenn verantwortungsvolle Anstaltsleiter denjenigen eine Chance gäben, die es verdienten. Lösungen in „Zelle R17“? Keine!

Besoffen von Macht

Hume Cronyn ist Aufseher Captain Munsey, formell der zweite Mann hinter dem schwächlichen Gefängnisdirektor (Roman Bohnen). Zunächst können wir nicht vollständig sicher sein, ob Munsey einer von der ganz harten Sorte ist, da Cronyn ihn mit durchaus nuanciertem Charisma spielt, statt beispielsweise nur den Brüllaffen wie ein typischer Drill Instructor zu geben. Aber schnell erweist er sich als gleichermaßen gewiefter wie brutaler Sadist, dem Manipulation und psychische Folter der physischen in nichts nachstehen. Während später der von Lee van Cleef gespielte Sentenza in „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) den Gefangenenchor anschwellen lässt, um die Folterung zu übertönen, dreht Munsey ein Motiv aus Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ (immerhin mal nicht der „Walkürenritt“) lauter. Das eine wie das andere atmet die Atmosphäre von NS-Verbrechen, speziell im KZ, wobei der etwas klischeehafte Wagner-Trick gar nicht nötig gewesen wäre. Munseys Vorliebe fürs Uniformierte mit einer recht breitkrempigen Mütze, vor allem aber sein gelegentlich aus leichter Froschperspektive gefilmtes Posieren, spricht ebenfalls diese Sprache, ohne dass die Kostümabteilung die schwarzen, knielangen SS-Mäntel imitieren muss.

Auf der Handlungsebene gelingt dem Gefängnisdrama gegen Ende das hochspannende Zusammenführen zweier paralleler Entwicklungen. Während der Ausbruchsversuch kurz bevorsteht (der nicht etwa heimlich, sondern mittels offenen Kampfes geschehen soll), sind Munseys Intrigen soweit gediehen, dass ein Vorgesetzter dem Direktor den Rücktritt abnötigen kann und die Einsetzung Munseys anordnet – was auch gleich per Mikro auf dem prall gefüllten Gefängnishof bekanntgegeben werden muss. Der Protest der Gefangenen verbindet sich mit der Gewalt der Ausbrecher …

Ganz schön kleiner Mann, aber mit Uniform und Macht: Captain Munsey

… und zuvor schon hatten Zwiegespräche Munseys mit dem humanen älteren Gefängnisarzt Dr. Walters (Art Smith) verdeutlicht, worum es Ersterem geht: Er will Direktor werden anstelle des Direktors. Walters, der wegen seines Alkoholkonsums keine andere Anstellung in seinem Beruf mehr finden würde und ebenso ein Gefangener ist wie die Insassen, gibt den Hobbyphilosophen. Er sei, so sagt er zu Munsey, ein gewöhnlicher Mann, denn ein solcher würde sich wenigstens nur an Alkohol berauschen statt wie Munsey an Macht und der titelgebenden rohen Gewalt (brute force). Nicht nur diese vielleicht minimal zu explizite Stelle verdeutlicht eindringlich: Munsey ist nicht einfach nur ein Typ, den es zufällig an den „richtigen“ Posten gespült hat. Sein mehrfach wiederholtes „Ich mache hier nur meine Arbeit“ ist Täuschung, vielleicht sogar gegenüber sich selbst. Er ist das Schwein. Aber die Kritik des Filmes ist zum Glück umfassender und systemisch, denn es gibt verdammt viele, die das Schwein gewähren beziehungsweise erst haben groß werden lassen.

Wer hat hier die Schlüsselgewalt?

Am Ende gibt’s Blut, Schweiß und jede Menge Feuer, auch Mündungsfeuer. Was danach noch kommt, hätte gewaltig danebengehen können: Der Doc wendet sich, metaphorisch hinter kontrastreichen Gittern zu sehen, direkt an den Zuschauer, und sein „Nobody ever really escapes“ werden die letzten Worte des Filmes. Das geht schon deutlich über einen Zeigefinger à la „Seid brav und kommt gar nicht erst rein“ hinaus: Viele, auch unter den Nicht-Insassen, sind gefangen. Ohne Ausweg.

Die Uhr läuft ab

„Zelle R17“ gelingt die Kombination aus eiskalt präziser und empathischer Inszenierung. Allein die Bedeutung von Uhren: Sie sind omnipräsent, optisch wie inhaltlich. Was sich bei Dassins späterem Einbruchsfilm „Rififi“ noch stärker aufdrängt, dient hier nicht nur der Planung und Durchführung des Ausbruchs, sondern auch anderen Aktionen wie der Ermordung eines Verräters und Alibiverschaffung Collins’, der als Mann im Hintergrund zeitgleich beim Doc ist. Schon diese frühe Kaltschnäuzigkeit trägt dazu bei, keine Identifikationsfigur anzubieten. Zudem sind die immer wieder prominent ins Bild gerückten Uhren halt ein Sinnbild für die Isolation im Knast, in dem naturgemäß Uhrzeiten statt Dinge wie der Stand der Sonne den Tag strukturieren. Davon abgesehen findet die Kamera von William H. Daniels (Oscar für die Kamera von Dassins „Stadt ohne Maske“, 1948) adäquate Bilder für alles Mögliche: die endlos langen Gänge und Mauern, das Tor mit herunterzulassender Brücke als Weg in die Freiheit, das Wasser, das dabei zu überwinden ist, das aber oft auch schon als peitschender Regen omnipräsent und also unüberwindlich scheint. Ein Hof, trotz seiner Weite mit Menschen bis zum Bersten gefüllt. Ein Wachtturm als das Oben, das es zu erobern gilt. Das Unten als Arbeit in einem Schacht voller Schweiß, Dreck, Schlamm und Enge, das gleichwohl angeblich den Weg zum Oben, zum Ausbruch weist. Bilder, ganz verschieden, und doch aus einem Guss. Teile einer schwarzen Welt in etwas, das sich als veritabler Film noir erweist. Trotz des dafür scheinbar ungewöhnlichen Sujets, welches aber genau genommen zu den oft wenig aussichtsreichen Welten des Noir perfekt passt. Jedenfalls wenn man es so gut und hart präsentiert wie hier.

Alter, aber guter DVD-Wein in neuen Schläuchen

Die DVD von Pidax bietet eine gute Bild- und Tonqualität und endlich auch einmal optionale deutsche Untertitel. Der Eigenwert gegenüber der DVD von Concorde besteht indes nur darin, dass Letztere längst vergriffen ist und zu Mondpreisen gehandelt wird. In der Qualität überzeugen sie beide.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Jules Dassin haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Charles Bickford und Burt Lancaster unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 29. April 2022 und 18. Juni 2013 als DVD

Länge: 94 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Brute Force
USA 1947
Regie: Jules Dassin
Drehbuch: Richard Brooks, nach einer Geschichte von Robert Patterson
Besetzung: Burt Lancaster, Hume Cronyn, Charles Bickford, Art Smith, Roman Bohnen, Yvonne De Carlo, Ann Blyth, Ella Raines, Anita Colby, Sam Levene, Jeff Corey, John Hoyt, Jack Overman
Zusatzmaterial 2022: deutscher Trailer, Originaltrailer, Bildergalerie, Werbematerial (PDF), Nachdruck der „Illustrierten Film-Bühne“
Zusatzmaterial 2013: Trailershow
Label 2022: Pidax Film
Vertrieb 2022: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2013: Concorde Home Video

Copyright 2022 by Tonio Klein

Szenenfotos & oberer Packshot: © 2022 Pidax Film,
unterer Packshot: © 2013 Concorde Home Video

 
 

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Gewinnspiel: 3 x The North Sea auf Blu-ray

Verlosung

In einem Ölbohrfeld in der Nordsee kommt es zu einem gigantischen Unglücksfall. Koch Films hat den norwegischen Katastrophenthriller „The North Sea“ (2021) als Blu-ray und DVD veröffentlicht und uns drei Blu-rays zum Verlosen zur Verfügung gestellt. Dafür herzlichen Dank, auch im Namen der kommenden Gewinnerinnen und Gewinner.

Teilnahmebedingungen

Da „Die Nacht der lebenden Texte“ nach wie vor keinen Cent Ertrag abwirft (die unten ab und zu eingeblendete Werbung schaltet WordPress): Wer möchte, darf mir im Gewinnfalle gern anbieten, das Porto in Höhe von 1,60 Euro zu übernehmen – oder höher beim Wunsch nach versichertem Versand. Dies ist aber völlig freiwillig und keine Teilnahmevoraussetzung. Nicht freiwillig, sondern verbindlich hingegen: Zwecks Teilnahme am Gewinnspiel begebt Ihr euch zu meiner Rezension des Films und beantwortet dort (also nicht hier unter dem Gewinnspiel) bis Sonntag, 5. Juni 2022, 22 Uhr, im Kommentarfeld die Frage im letzten Absatz des Textes.

Seid Ihr zur Beantwortung nicht in der Lage, so schreibt das einfach hin. Alle veröffentlichten Antworten landen im Lostopf. Nicht verzweifeln, wenn Ihr euren Kommentar nicht sogleich erblickt – aus Sicherheitsgründen schalten wir ihn erst frei. Das ist aber Formsache.

Folgt „Die Nacht der lebenden Texte“!

Wollt Ihr kein Gewinnspiel und keine Rezension verpassen? Folgt „Die Nacht der lebenden Texte“! Entweder dem Blog direkt (in der rechten Menüleiste E-Mail-Adresse eintragen und „Folgen“ anklicken) oder unserer Facebook-Seite.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen

Teilnahmeberechtigt sind alle, die eine Versandanschrift innerhalb Deutschlands haben oder bereit sind, die Differenz zum Inlandsporto zu übernehmen. Für Transportverlust übernehme ich keine Haftung (verschicke aber sicher verpackt und korrekt frankiert). Gewinnerinnen oder Gewinner, die sich drei Tage nach meiner zweiten Benachrichtigung nicht gemeldet haben, verlieren den Anspruch auf die Blu-ray. In dem Fall lose ich unter den leer ausgegangenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen neuen Namen aus.

Nur eine Teilnahme pro Haushalt. Ich behalte mir vor, Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht für den Lostopf zuzulassen oder ihnen im Gewinnfall nachträglich den Preis abzuerkennen, sofern mir Mehrfachteilnahmen unter Alias-Namen unterkommen. Autorinnen und Autoren von „Die Nacht der lebenden Texte“ sowie deren und meine Familienmitglieder dürfen leider nicht mitmachen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner/innen werde ich im Lauf von drei Wochen nach Ende der Frist bekanntgeben, indem ich diesen Text um einen Absatz ergänze, und sie auch per E-Mail benachrichtigen.

Die drei Blu-rays gehen an

– Eva,
– Christoph Leo,
– Wilfried.

Herzlichen Glückwunsch! Ihr werdet benachrichtigt.

Die Rezension von „The North Sea“ findet Ihr auch hier.

Copyright 2022 by Volker Schönenberger

 

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