Top Gun – Maverick
Kinostart: 26. Mai 2022
Militär-Action // Weil er unter den Augen von Rear Admiral Chester „Hammer“ Cain (Ed Harris) einen ungenehmigten Mach-10-Testflug mit einem Hyperschallgeschwindigkeits-Flugzeug unternimmt, der nicht gerade plangemäß endet, wird Kampfpilot Captain Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) von der US Navy mal wieder strafversetzt. Er kehrt an seine alte Wirkungsstätte zurück: das United States Navy Strike Fighter Tactics Instructor Program (vormals United States Navy Fighter Weapons School), genannt „Top Gun“, die Flugschule für Jagdpiloten der Marine der Vereinigten Staaten.
Sein neuer Vorgesetzter Vizeadmiral Beau „Cyclone“ Simpson (Jon Hamm) erläutert Maverick eine geplante Mission auf Feindesland (im Film nicht genannt, man kann den Iran vermuten). Mavericks Hoffnung, die Führung dieses heiklen und enorm gefährlichen Einsatzes übertragen zu bekommen, erfüllt sich nicht: Er soll vielmehr elf „Top Gun“-Absolventen und eine -Absolventin auf die Mission vorbereiten. Dafür bleiben ihm lediglich ein paar Wochen.
Ohne Kelly McGillis, aber mit Val Kilmer
Fanservice en masse! Wer „Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel“ von 1986 in Ehren hält, müsste von der 36 Jahre später weltweit in die Kinos kommenden Fortsetzung „Top Gun – Maverick“ hellauf begeistert sein. Diverse Einstellungen und Szenen variieren Motive des Vorgängers. Statt Beachvolleyball gibt es American Football am Strand, und wir bekommen Maverick auf dem Motorrad mit Penny Benjamin (Jennifer Connelly) auf dem Sozius zu sehen wie einst mit Charlotte „Charlie“ Blackwood (Kelly McGillis). Apropos: McGillis taucht im Sequel nicht auf, was daran liegen mag, dass sich die Gute in respektabler Manier dem Hollywood-Diktat ewiger Jugend verweigert und mittlerweile so aussieht, wie man als 1957 geborene Frau heutzutage nun mal aussieht, wenn man nicht mit Botox und Schönheitsoperationen nachhilft. Ihr zufolge wurde sie gar nicht erst gefragt, ob sie am Sequel mitwirken wolle. Die Liebesbeziehung zwischen Charlie und Maverick wird folgerichtig nicht mehr thematisiert, nichts hält eben für die Ewigkeit. Dafür hat, was lange in der Schwebe war, Val Kilmer einen kurzen Auftritt als Admiral Tom „Iceman“ Kazansky, Mavericks früherer Rivale und späterer Freund, der im Gegensatz zu Maverick die Karriereleiter erklommen und es bis zum Oberbefehlshaber der US-Pazifikflotte gebracht hat. Val Kilmer hat seit seiner Kehlkopfkrebserkrankung Probleme mit der Stimme, was „Top Gun – Maverick“ auch aufgreift.
Die Handlung folgt üblichen generischen Pfaden, die auch schon der Vorgänger beschritt. Die elf„Top Gun“-Absolventen plus mit Lieutenant Natasha „Phoenix“ Trace (Monica Barbaro) eine Absolventin sind alle heiß darauf, zu den „finalen“ sechs zu gehören, die im Anschluss ans Training für den Einsatz ausgewählt werden. Mit Lieutenant Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller) und Lieutenant Jake „Hangman“ Seresin (Glen Powell) balgen sich zwei Platzhirsche um den begehrten Posten des Einsatzführers. Reichlich Testosteron wird sowieso verströmt. Und mit Rooster hat Maverick noch ein Bindeglied aus der Vergangenheit im Team, was sich als nicht unproblematisch erweist.
Große Schauspielkunst erfordert das Geschehen nicht, deshalb reicht es völlig aus, dass alle Darstellerinnen und Darsteller ihre Sache passabel machen. Ed Harris taucht leider nur zu Beginn auf und spielt nach Mavericks Versetzung zur „Top Gun“ keinerlei Rolle mehr, von ihm hätte ich gern mehr gesehen. Oscar- und Golden-Globe-Preisträgerin Jennifer Connelly („A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn“) ist wie immer zauberhaft, in ihrer Rolle als Barkeeperin und Mavericks Love Interest aber chronisch unterfordert.
Dafür ist die Flugtrainings- und Luftkampf-Action angetan, schweißnasse Hände zu produzieren. Tom Cruise, der sich als Produzent neben Jerry Bruckheimer, Christopher McQuarrie und David Ellison einreihte, legte Wert darauf, dass die Flugszenen nicht am Computer entstanden, sondern mit echten Kampfflugzeugen umgesetzt wurden. Daher absolvierten alle Pilotendarsteller plus Pilotendarstellerin vor den Dreharbeiten ein ausgedehntes Training, damit sie sich an die von der g-Kraft verursachten Belastungen gewöhnen.
Als überaus hilfreich erwiesen sich einmal mehr die guten Beziehungen Hollywoods zu den US-Streitkräften. Gedreht wurde unter anderem auf diversen Navy-Stützpunkten in Kalifornien sowie auf den Flugzeugträgern „USS Abraham Lincoln“ und „USS Theodore Roosevelt“. Die Produktion durfte Kampfflugzeuge des Typs Boeing F/A-18 Super Hornet einsetzen, die von Navy-Piloten geflogen wurden. In und auf den Jets wurden Kameras installiert. Lediglich Szenen mit der Grumman F-14 Tomcat entstanden am Computer, weil die USA Navy das letzte dieser Flugzeuge 2006 außer Dienst gestellt hatte.
Rekrutierungsvideo für die US Navy
Das Ergebnis kann sich sehen lassen, hat aber einen Preis: weitgehende Kontrolle und Einflussnahme sowohl durch das US-Verteidigungsministerium als auch durch die Navy beim Drehbuch und den Aufnahmen gleichermaßen. Schon „Top Gun“ ging 1986 gut und gern als Rekrutierungsvideo für die US Navy durch, das kann für „Top Gun – Maverick“ ebenso konstatiert werden. Wer das Werk dafür ablehnt, tut dies aus gutem Grund. Ebenso kann man den Film als „Air Force Porn“ kritisieren, denn nichts anderes ist er. Dass die Rechtmäßigkeit des geplanten und im mordsspannenden Showdown ausgiebig gezeigten Einsatzes auf Feindesgebiet zu keinem Zeitpunkt hinterfragt wird, passt da gut ins Bild.
Das sollte man auch kritisch sehen, will man sich differenziert mit „Top Gun – Maverick“ auseinandersetzen. Es muss aber niemanden daran hindern, an dem Film großen Spaß zu haben. Der Score verströmt nicht zuletzt dank Harold Faltermeyer schöne Retro-Atmosphäre, die Klänge von Hans Zimmer passen natürlich ebenso wie die Faust aufs Auge zum Gezeigten. Bombast und Pathos kommen nicht zu kurz. Gespickt wird das Ganze mit einigen Songs, von denen für mich der Klassiker „Won’t Get Fooled Again“ von The Who in einer Lufttrainingsszene den nachhaltigsten Eindruck hinterlässt. Erwähnt sei auch „Hold My Hand“ von Lady Gaga als würdiger Nachfolger von „Take My Breath Away“ von Berlin.
Ursprünglich war „Top Gun“-Regisseur Tony Scott auch für den Regiestuhl des Sequels vorgesehen. Sein Tod im Jahr 2012 machte dies unmöglich und verzögerte das Projekt. Ihm ist „Top Gun – Maverick“ dann auch gewidmet. Die Regie übernahm letztlich Joseph Kosinski („Tron – Legacy“, 2010), der mit Tom Cruise bereits den Science-Fiction-Film „Oblivion“ (2013) und mit Miles Teller das Actiondrama „No Way Out – Gegen die Flammen“ (2017) gedreht hatte.
Es gibt gute Gründe, sowohl „Top Gun“ als auch dessen Nachfolger mit Missachtung zu strafen. Ebenso gute Gründe gibt es aber, sich im Kinosessel einfach zurückzulehnen und sich an dem vollständig mit IMAX-Digitalkameras gedrehten Spektakel zu erfreuen.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Jennifer Connelly haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Tom Cruise, Ed Harris und Miles Teller unter Schauspieler.
Länge: 131 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Top Gun – Maverick
CHN/USA 2022
Regie: Joseph Kosinski
Drehbuch: Ehren Kruger, Eric Warren Singer, Christopher McQuarrie
Besetzung: Tom Cruise, Jennifer Connelly, Miles Teller, Monica Barbaro, Lewis Pullman, Val Kilmer, Glen Powell, Jon Hamm, Jay Ellis, Danny Ramirez, Greg Tarzn Davis, Chelsea Harris, Bashir Salahuddin, Charles Parnell, Jean Louisa Kelly
Verleih: Paramount Pictures Germany
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Filmplakat, Szenenfotos & Trailer: © 2022 Paramount Pictures Germany