Zeros and Ones
Thriller // Eine zweieinhalbminütige Einführung von Hauptdarsteller Ethan Hawke leitet „Zeros and Ones“ ein. In Abel Ferraras filmischem Kommentar zur Corona-Pandemie spielt er den US-Soldaten JJ, der während einer globalen Pandemie in Rom stationiert ist. Seine Weltpremiere feierte der dystopische Thriller im August 2021 beim Internationalen Filmfestival im schweizerischen Locarno, wo Ferrara mit dem Regiepreis prämiert wurde.
In Rom droht ein Bombenanschlag auf den Vatikan (womöglich islamistisch motiviert, was aber nicht deutlich ausgesprochen wird). JJ hat den Auftrag, die Drahtzieher zu ermitteln und den Terrorakt zu verhindern. Gleichzeitig sucht er seinen Zwillingsbruder Justin (ebenfalls Ethan Hawke), der vor einiger Zeit verschwunden ist. Tatsächlich befindet sich Justin in den USA in Haft, weil er mehr weiß, als gut für ihn ist.
Im menschenleeren Rom
Abel Ferrara drehte „Zeros and Ones“ im Herbst 2020 in seiner Wahlheimat Rom, die er stimmungsvoll in Szene setzte. Die Handkamera folgt JJ auf seiner Suche durch die nur von Soldaten und ein paar zwielichtigen Typen bevölkerten Straßen und Gassen der italienischen Hauptstadt. Während des Lockdowns gedrehte Drohnenaufnahmen verstärken das menschenleere Bild der Metropole. JJ befindet sich nicht in Quarantäne, und doch ist er isoliert. Allein in der Ewigen Stadt, emotional abgekoppelt von allen anderen, oft sogar in Dunkelheit gehüllt. Dass sein Zwillingsbruder weit weg von ihm inhaftiert ist, passt ins Bild.
Als Corona-Kommentar wirkt das recht deutlich, nicht gerade subtil, erst recht in Verbindung mit Bildern am Ende, wenn das Alltagsleben in die Stadt zurückkehrt. Etwas schwieriger gestaltet sich die Interpretation der Story um den Terroranschlag, bei dem auch Russen mitmischen. Da erleichtert es, dass auch Hauptdarsteller Ethan Hawke seine Verständnisprobleme mit dem Skript hatte, wie er in einer erneuten Videobotschaft nach Ende des Films bekennt. Abschließend äußert er, um uns vollends zu verwirren: This is part of the movie, by the way. And now it’s over. – Das ist übrigens Teil des Films. Mir gefällt er. Und jetzt ist er vorbei. Das Mir gefällt er hat die deutsche Synchronisation dazugedichtet.
Weshalb Nullen und Einsen?
Rätselhaft auch der Titel: Bezieht sich „Zeros and Ones“ auf die Dualität des Lebens, verkörpert beispielsweise durch die Zwillingsbrüder JJ und Justin? Oder simpel auf die Digitalkameratechnik, mit der der Film entstand? Kurze Einsprengsel zu Fake News bringen auch keine Klarheit, ebenso Anspielungen auf den Katholizismus. Immerhin soll der Petersdom in die Luft fliegen!
Neue Fans für Abel Ferrara?
Abel Ferrara („Siberia“, „King of New York“) ist immer einen Blick wert, auch zwei. Ein außergewöhnlicher Filmemacher, selbst wenn man ihn nicht immer versteht. Seine Fans werden das Werk goutieren. „Zeros and Ones“ wird Ferrara aber vermutlich keine Heerscharen neuer Anhänger bescheren, und wer trotz Corona nicht genug von Pandemiefilmen bekommen kann, blickt am Ende vielleicht etwas enttäuscht drein. Insofern kann ich keine eindeutige Empfehlung aussprechen. So oder so hat der Film es verdient, sich selbst ein Bild zu machen.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Abel Ferrara haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Ethan Hawke unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 5. Mai 2022 als Blu-ray und DVD
Länge: 86 Min. (Blu-ray), 83 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Zeros and Ones
D/USA/GB/IT 2021
Regie: Abel Ferrara
Drehbuch: Abel Ferrara
Besetzung: Ethan Hawke, Phil Neilson, Valerio Mastandrea, Valeria Correale, Dounia Sichov, Babak Karimi, Korlan Madi, Stephen Gurewitz, Mahmut Sifa Erkaya, Carla Cassola, Anna Ferrara, Cristina Chiriac
Zusatzmaterial: Trailer, Wendecover
Label/Vertrieb: EuroVideo Medien GmbH
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & unterer Packshot: © 2022 EuroVideo Medien GmbH
Felix
2022/11/26 at 09:42
Abel Ferrara finde ich sehr spannend;)
Alles Gute
Felix
Thomas Hortian
2022/06/10 at 23:11
Hier stimmen wir ungefähr überein:
„Abschließend lässt sich konstatieren, dass Zeros and Ones alles andere als Entertainment ist, dabei aber nicht gänzlich uninteressant. Wem schon der Vorgänger Siberia zu kryptisch war, sollte sich wohl gar nicht erst an diesem Film versuchen. Sowieso dürfte das Publikum hierfür wieder einmal überschaubar bleiben, selbst eingefleischte Ferrara-Fans könnte die genauso nüchterne wie inhaltsentleerte Erzählung mit ihrer Verweigerung eines ausformulierten Narrativs eher abschrecken.“ (auf Filmtoast gibt es die volle Rezension zum Vergleich)