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Heißer Süden – Der Galgenvogel und die Untervögelten

14 Feb

The King and Four Queens

Von Tonio Klein

Westernkomödie // Ein bisschen habe ich mit der Überschrift gerungen. Zu plump? Aber der Film lebt nun einmal von der folgenden Grundidee: Drei von vier Brüdern wurden nach einem Überfall bei einer Explosion bis zur Unkenntlichkeit der Leichen dahingerafft, einer konnte entkommen und weiß offenbar immer noch um das Versteck des geraubten Goldes. Gaunermutter Ma McDade (Jo Van Fleet – einen richtigen Rollenvornamen gibt’s nicht) lebt nun seit zwei Jahren mit vier schönen jungen Schwiegertöchtern auf einer Hühnerfarm. Und sie legt mit eiserner Hand und der Flinte Wert darauf, dass jede von ihnen noch ans Ehegelübde gebunden sein könnte und Männer nicht nur nicht an sie, sondern auch nicht an die Farm herankommen dürften. Auf dieses ausgehungerte Quartett trifft ausgerechnet Womanizer Clark Gable …

Noch wird der Mann niedergestreckt

… der als Gauner Dan Kehoe im Knast von dem Goldraub gehört hat und nun den Schatz zu ergattern gedenkt. Der Weg führt natürlich über unsere vier Schätzchen, denen es alles andere als unrecht ist, dass Ma ihn erst mal anschießt, sodass er auf der Farm versorgt werden muss.

Vorhang auf zum Balztanz

Man kann „Heißer Süden“ nicht übelnehmen, ein Stück weit Guilty Pleasure zu sein, weil er genau dies überhaupt nicht verbergen will. Clark Gable hat zwar mit Mitte 50 schon einen leichten Schmerbauch, aber sein unverschämtes Grinsen und sein genussvolles Flirten wie eh und je drauf, wobei im Deutschen natürlich die markant-süffisante Stimme Siegfried Schürenbergs nicht fehlen darf. Wie er es auskostet, jeder der Grazien Hoffnungen zu machen, erzählt der Film mit Humor und einem Sack voll für 1956 ganz schön doppeldeutiger Sprüche. Man kann das politisch unkorrekt finden oder mitgrinsen. Wegen der Selbstironie besser Letzteres. Und weil es in der Darstellung gelungen ist. Oder wie meine Frau beim gemeinsamen Sehen sagte: Parker ist am notgeilsten, und darum verbirgt sie es am besten. Eleanor Parker spielt Sabina, von Anfang an als Hauptfigur des Quartetts erkennbar, und hinter ihren sexuellen Nöten und dem Verbergen derselbigen steckt noch etwas mehr. Sie und Dan sind füreinander bestimmt, weil sie einander in ihrer Durchtriebenheit als Seelenverwandte erkennen und finden. Von daher haben sie über das Vordergründige der sexuellen Anziehung hinaus wirklich Charakter und können dies auch spielen. Dass der Film sein „Frechheit siegt“ nicht verurteilt, gereicht ihm zum Gewinn.

Sabina ist anders – ob sie deshalb auf dem Gruppenbild fehlt?

Die anderen Damen sind natürlich eher Typen als Menschen, aber dabei gelingt dem Film durchaus eine interessante Mischung. Jean Willes als Ruby (der Name ist auch bei der Kleiderfarbe Programm) ist die offensiv-aggressive Sexbombe und darin erfreulich ehrlich. Selbstbewusst im doppelten Sinne – sie weiß, will und verbirgt nicht, was sie ist. Natürlich ist Dans „Habenwollen“ einer Frau immer auch mit dem Wunsch nach Reichtum in Form des Goldschatzes verbunden, aber was Ruby betrifft, gibt’s insoweit durchaus Gleichberechtigung. Obwohl Dan fast alle vier einmal küsst, ist es Ruby, mit der er auch schläft – oder sie mit ihm; auch dies ist nicht einseitig. Anzumerken ist, dass das mit dem Schlafen Interpretationssache ist. Die übliche Hollywood-Abblende beim Kuss kommt so absurd schnell und früh, dass es bei der Lippenberührung schon nahezu zappenduster ist – anscheinend ein ironischer Fingerzeig.

Das Küken bleibt draußen!

Ergänzt werden die Schwestern durch Birdie (Barbara Nichols), der klassische und gelungene Comic Relief, vor allem im Deutschen mit Edith Hanckes herrlicher Quäkstimme. Sie brezelt sich am offensivsten für Dan auf und hat nur Flirten und mehr im Kopp, dass es eine Freude ist. Vor allem bei gewissen angedeuteten Anzüglichkeiten, wenn Dan nackt im Teich badet und kaum noch herauskommen kann, ohne in ihre Arme oder Beine zu tappen. Übrigens eine Szene, die ansonsten meist mit umgekehrten Geschlechterrollen zu sehen ist. Sara Shane als vierte Schwester Oralie bleibt ein wenig im Hintergrund, darf aber auch einmal in Dans Armen landen.

Auch Oralie kann nicht widerstehen

Alle vier sind nicht nur so ausgefeilt und farbenfroh kostümiert, dass Susanne Marschall ein ganzes Kapitel ihrer Habilitationsschrift „Farbe im Kino“ (2005) analytisch füllen könnte (nicht von den Schwarzweiß-Fotos hier täuschen lassen – es ist ein Farbfilm). Sie und Dan führen ihren Balztanz zudem mit Spielfreude aus, wobei der Film so geschickt wie fröhlich Musik und Tanz einbindet. Ob eine ähnliche kurze Szene aus William Wylers „Lockende Versuchung“ Pate gestanden hat, in der Gary Cooper und Anthony Perkins auf einer Farm von den drei Töchtern einer ebenfalls resoluten Frau (Marjorie Main) unter anderem auch musikalisch bezirzt werden? Es ist mir leider nicht bekannt, zumal beide Filme 1956 in die Kinos gekommen sind.

Dan und Birdie am Hormonium

„Heißer Süden“ macht Spaß, hat neben Flirtwitzen einen Mehrwert, ist ehrlich sowie wunderschön gestaltet und gespielt. Was es nicht gibt: Tote und wirkliche Gefahren. So sind Sheriff Tom Larrabee (Roy Roberts) und seine Posse kaum als Bedrohung wahrzunehmen. Eine Pistole dient höchstens dazu, ein Loch in eine Münze zu schießen (Reichtum, Imponiergehabe, Phallus und …). Ma schießt mit ihrem Gewehr Dan nur an und dem Sheriff den Hut vom Kopf. Dieser lässt sich zudem bei einer Belagerung recht leicht durch einen Handel hereinlegen. Dan ist nämlich nicht der Gewalttäter, sondern der Gentleman-Ganove, dem ein trickreicher Deal immer lieber ist als ein offener Kampf. Dies führt der Film konsequent durch und zu Ende, zeigt Dan am Rande auch als mit Spielkarten gut Umgehenden – so wie der Originaltitel „The King and Four Queens“ ebenfalls auf das (Karten-)Spielerische des Hauptfigurenverhaltens hinweist.

Reicht das alles für einen Film?

Man kann also viel Gutes feststellen, aber ob „Heißer Süden“ auch allen gefällt? Vermutlich ist dies erwartungs- und stimmungsabhängig. Bei meiner Erstsichtung im Jahr 2010 war ich hellauf begeistert, 2023 bin ich immer noch angetan, aber sehe ein wenig (!) Wasser im Wein. Auf Dauer wirkt das vierfache absichtsvolle Einschmeicheln trotz einer Laufzeit von nur 84 Minuten geringfügig ermüdend. Zudem ist zwar Jo Van Fleet als Ma wundervoll, aber vielleicht hätte sich doch eine andere Darstellerin oder zumindest eine bessere maskenbildnerische Leistung empfohlen. Die glatte Haut lässt erkennen, dass sie (* 1915) für ihren Part zu jung ist. Dass es den 1901 geborenen und auch keinen Deut jünger aussehenden Gable zu den Töchtern statt zur Mutter zieht, ist dann halt doch bei allen zugedrückten und vor Lachen nicht trockenen Augen die filmzeittypische Kröte, die es zu schlucken gilt.

Alter Sack, aber noch mit Cojones

Regisseur Raoul Walsh und Darsteller Clark Gable schufen jeweils in ihrer späten Schaffensphase drei gemeinsame Werke. In „Drei Rivalen“ (1955) und „Weint um die Verdammten“ (1957) geht es ernster zu, in Letzterem geradezu melodramatisch. Joe-Hembus in „Das Western-Lexikon“ (Erstausgabe 1976): „Wie in den beiden anderen Clark-Gable-Western von Raoul Walsh … geht es hier um die Frage, welche Rolle der Besitz von Frauen bei dem Streben nach anderem Besitz spielt, aber in diesem unterhaltsamen Pascha-Western wird das schwere Problem in ironischem Komödienton aufgelöst.“ Das muss gar kein Nachteil sein, und so ganz kann der Pascha ja auch nicht alle Schwestern kleinkriegen.

Ebenbürtig statt ihm verfallen: Sabina

Aber so ganz kommt das Mittelstück „Heißer Süden“ doch nicht an die beiden anderen Werke heran, und nicht an etwas so Großartiges wie Walshs Meisterstück „Verfolgt“ (1947). Dort werden die Geschlechterverhältnisse schon zu Beginn umgekehrt, wenn wir bei einem Reiter aus Entfernung sofort denken, dass es sich um einen Mann handele, weil dies eben der „Normalfall“ ist – und wir anschließend Teresa Wright erkennen. Dort gibt es ein sagenhaft ausgefeiltes Inszenierungsgeschick; dies auszuführen gehörte aber in eine Rezension von „Verfolgt“. „Heißer Süden“ ist mehr als nur ganz nett, aber eben auch nicht ganz auf gleicher Höhe.

Blu-ray mit kleinen Schönheitsfehlern

Der blaue Himmel! Und die Damenkleider(farben) erst mal! Natürlich ist dieser Film rückschauend für die Blu-ray gemacht (dass so etwas im Gegenzug leider nicht mehr im Kino läuft, wäre einen eigenen Essay wert), und so sieht er auch aus. Gestochen scharf und von farbsatter Pracht – außer bei den Credits, den Szenenübergängen und einigen sehr kurzen Szenen. Die Extras sind leider spärlich: Der Kinotrailer und die Bildergalerie sind Standard, die Trailershow ist reine Werbung. Die Zeiten, in denen umfassende Extras jenseits teurer Mediabooks verfügbar waren, sind anscheinend endgültig vorbei. Und die Inhaltsangabe ist nicht nur von Wikipedia abgeschrieben, sondern zudem schlecht: Nein, nicht alle vier Frauen fallen auf Dan herein. Und mit dem „wilden Finale“ verspricht der Text mehr Action, als der Film hält. Letzteres muss ja kein Nachteil sein. Aber falsche Erwartungen schürt man einfach nicht.

Überall schimmert noch das Spielerische durch

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Raoul Walsh haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Eleanor Parker unter Schauspielerinnen, Filme mit Clark Gable in der Rubrik Schauspieler. Welche hier noch nicht rezensierten Regiearbeiten Walshs haben es verdient, von uns in Augenschein genommen zu werden?

Veröffentlichung: 26. Januar 2023 als Blu-ray und DVD, 12. Mai 2011 als DVD

Länge: 84 Min. (Blu-ray), 81 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: The King and Four Queens
USA 1956
Regie: Raoul Walsh
Drehbuch: Richard Alan Simmons, Margaret Fitts, nach einem Roman von Margaret Fitts
Besetzung: Clark Gable, Eleanor Parker, Jean Willes, Barbara Nichols, Sara Shane, Roy Roberts, Arthur Shields, Jay C. Flippen, Jo Van Fleet, Florenz Ames, Chuck Roberson
Zusatzmaterial: US-Kinotrailer, nur 2023: Bildergalerie, Wendecover
Label 2023: explosive media
Vertrieb 2023: Plaion Pictures
Label/Vertrieb 2011: EuroVideo Medien GmbH

Copyright 2023 by Tonio Klein

Gruppierter Packshot: © 2023 explosive media, Szenenfotos & DVD-Packshot: © 2011 EuroVideo Medien GmbH

 
 

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15 Antworten zu “Heißer Süden – Der Galgenvogel und die Untervögelten

  1. Thomas Oeller

    2023/04/01 at 22:54

    „Des Königs Admiral“ wurde ja schon mehrfach genannt, dann stimme ich noch für „Die Nackten und die Toten“

     
  2. Katja

    2023/03/28 at 16:11

    Hallo und vielen Dank für den interessanten Beitrag und das tolle Gewinnspiel!

    Ich kann auf jeden Fall folgende Filme empfehlen:

    – Der große Treck
    – Entscheidung in der Sierra
    – Des Königs Admiral
    – Mit der Waffe in der Hand

    Viele Grüße
    Katja

     
  3. Dirk Busch

    2023/03/27 at 22:48

    Ich werfe dann auch mal Des Königs Admiral in den Ring & vertraue darauf,das meine Vorkommentatoren richtig liegen…hüstel…räusper.

     
  4. Sascha

    2023/03/27 at 18:09

    Die wilden Zwanziger und Maschinenpistolen wäre sicherlich interessant.

     
  5. Michael Behr

    2023/03/27 at 16:27

    Tja, „leider“ kenne ich auch nur den allgemein (und völlig zurecht) hochgelobten „Des Königs Admiral“. Ist der bei Pidax schon wieder OOP? Auf der Seite wird er jedenfalls nicht gelistet und bei Amazon nur gebraucht. Schade, ist an mir vorbei gegangen.

     
    • Volker Schönenberger

      2023/03/27 at 16:53

      Dann habe ich ja Glück gehabt, das Rezensionsexemplar schon vor einiger Zeit angefragt und erhalten zu haben. Bin mit dem Text arg in Verzug, aber er geht in Kürze online.

       
  6. Christoph Marek

    2023/03/26 at 09:40

    DES KÖNIGS ADMIRAL! Habe ich als Kind immer bei meinem Opa auf Video2000 geschaut!

     
  7. Frank Warnking

    2023/03/26 at 09:35

    Des Königs Admiral

     
  8. Andreas H.

    2023/03/25 at 15:41

    „Des Königs Admiral“, „Weint um die Verdammten“ und „Die Nackten und die Toten“ würde ich da nennen.

     
  9. Björn Kramer

    2023/03/24 at 14:11

    High Sierra , Sturmfahrt nach Alaska, die wilden zwanziger!

     
  10. Markus Tump

    2023/03/24 at 11:51

    „Drei Rivalen“ ist ein echter Hit von Walsh!

     
  11. Christoph Leo

    2023/03/24 at 11:32

    Ich denke u.a. Blutiger Schnee, Der Held von Burma und Der Dieb von Bagdad. Kennen tue ich keinen davon, aber sie klingen interessant. Generell kenn ich auch Heißer Süden noch nicht, würde dies aber auch gerne ändern.

     
  12. Christoph Wolf

    2023/03/24 at 07:51

    Auf jeden Fall fehlen folgende Filme, die alle großartig sind:
    Die wilden Zwanziger (The Roaring Twenties, 1939)
    Sein letztes Kommando (They Died with Their Boots On, 1941)
    Verfolgt (Pursued, 1947)
    Sprung in den Tod (White Heat, 1949)
    Des Königs Admiral (Captain Horatio Hornblower, 1951)

    Besonders die beiden Gangsterfilme mit Cagney sind zurecht Klassiker, während Hornblower einer der Filme ist, die mich seit Kindheitstagen begleiten. El Supremo, was für ein Schurke!

     
    • Volker Schönenberger

      2023/03/24 at 08:20

      Hornblower mit seinem herrlichen El Supremo begleitet mich ebenfalls seit Kindheitstagen. Kürzlich von Pidax als Blu-ray und DVD veröffentlicht. Meine Rezension ist bereits fertig und geht voraussichtlich in der ersten Aprilhälfte online.

       
      • Christoph Wolf

        2023/03/24 at 11:45

        Darauf freue ich mich sehr!

         

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