Dungeons & Dragons – Honor Among Thieves
Kinostart: 30. März 2023
Fantasy-Abenteuer // Pen-&-Paper-Rollenspiele sind bis heute an mir vorbeigegangen, somit auch „Dungeons & Dragons“, dem Vernehmen nach das erste seiner Art. 1974 in den USA veröffentlicht, gelangte es 1983 erstmals nach Deutschland. Im Lauf der Zeit entstanden zahlreiche Spielwelten, die zum Teil nicht mehr vom aktuellen Hersteller Wizards of the Coast entwickelt und vertrieben werden (Wizards of the Coast hatte den ursprünglichen Hersteller und Vertreiber Tactical Studies Rules 1997 übernommen).
Das Spiel hat etliche Videospielumsetzungen hervorgebracht, dazu die Zeichentrickserie „Dungeons and Dragons – Im Land der fantastischen Drachen“, die es von 1983 bis 1985 auf drei Staffeln brachte. Die erste offizielle Kinoadaption „Dungeons & Dragons“ kam ab Dezember 2000 weltweit in die Kinos, deutsche Premiere war im April 2001. Regie führte Courtney Solomon („Getaway“, 2013), in den Hauptrollen sind Justin Whalin, Jeremy Irons und Thora Birch zu sehen. Mit „Dungeons & Dragons – Die Macht der Elemente“ (2005) entstand eine Direct-to-Video-Fortsetzung, 2012 folgte „Dungeons & Dragons 3 – Das Buch der dunklen Schatten“ fürs Fernsehen. Bei beiden Sequels saß Gerry Lively auf dem Regiestuhl. Erwähnenswert ist noch die 1982er-Romanverfilmung „Labyrinth der Monster“. In dem Abenteuerdrama bildet sich ein vom jungen Tom Hanks verkörperter Collegestudent ein, Held eines Fantasy-Rollenspiels zu sein, das er zuvor mit ein paar Freunden gespielt hat, nachdem die Clique es als Live-Action-Rollenspiel in eine Höhle verlegt hat. Das Spiel im Film nennt sich „Mazes and Monsters“ (so auch der Originaltitel des Films) und ist klar erkennbar inspiriert von „Dungeons & Dragons“.
Reboot aus den Forgotten Realms
Da die Erfolgskurve der Filmtrilogie deutlich nach unten wies und Teil 3 auch schon einige Jahre auf dem Buckel hat, bot sich ein sogenanntes Reboot an, also eine Neuinterpretation der Rollenspiel-Vorlage, welche die Existenz der Vorgängerfilme komplett außen vor lässt. Die Handlung von „Dungeons & Dragons – Ehre unter Dieben“ spielt sich in den sogenannten Vergessenen Reichen (Forgotten Realms) ab, einer der beliebtesten und langlebigsten Spielwelten des Rollenspiels mit einem mittelalterlichen Setting und vielen klassischen Fantasyfiguren.
Im Zentrum des Geschehens stehen der verkrachte Lautenspieler und Tagedieb Edgin Darvis (Chris Pine) und die Barbarin Holga Kilgore (Michelle Rodriguez). Den beiden ist gerade die Flucht aus einem finsteren Knast gelungen (sinnloserweise, denn sie sollten begnadigt werden). Sie suchen ihren alten Weggefährten Forge Fitzwilliam (Hugh Grant) auf, der bei ihrem letzten gemeinsamen Raubzug knapp entkommen war – Edgin und Holga waren geschnappt worden. Während die beiden zwei Jahre lang im Gefängnis vor sich hin dämmerten, hatte Forge Edgins minderjährige Tochter Kira (Chloe Coleman) unter seine Fittiche genommen und sich mithilfe der mysteriösen Sofina (Daisy Head) zum Lord von Neverwinter aufgeschwungen. Und er entpuppt sich als falscher Fuffziger, ordnet die Hinrichtung seiner alten Kumpane an.
Mit Ach und Krach gelingt Edgin und Holga die Flucht – ohne Kira, die sich von ihrem Vater entfremdet hat und Forge vertraut. Nun gilt es, gegen den ruchlosen Verräter anzutreten und Edgins Tochter Forges Klauen zu entreißen. Ein Team muss her! Es findet sich mit der Druidin Doric (Sophia Lillis), die das Talent einer Gestaltwandlerin mitbringt, und dem jungen Zauberer Simon (Justice Smith), dessen magische Fähigkeiten allerdings zu wünschen übrig lassen. Aber egal: Möge die Quest beginnen!
Quartett auf Heldenreise
In der Tat, „Dungeons & Dragons“ präsentiert uns ganz klassisch eine Heldenreise, in welcher ein Protagonist allerlei Widrigkeiten überwinden, finstere Gegner bezwingen und Gefahren überstehen muss, um am Ende auch charakterlich geläutert vielleicht das große Ziel zu erreichen. Chris Pine („Star Trek“-Reihe) verkörpert diesen Helden mit lockerer Zunge und ebensolchem Gemüt, den seine Leichtfertigkeit immer wieder in Bedrängnis und Erklärungsnot bringt (bisweilen fällt das etwas zu dick aufgetragen aus). Daraus muss ihn oft genug Holga raushauen. Michelle Rodriguez („Fast & Furious“-Reihe) ist Actionstar genug, um das zu tun, was sie für diesen Part tun muss. Den beiden arrivierten Stars stehen mit Sophia Lillis („Es“, „Es – Kapitel 2“) und Justice Smith („Jurassic World – Ein neues Zeitalter“) zwei sympathische Jungstars zur Seite. Smiths linkischem Magier Simon kommt dabei auch einige Bedeutung zu, denn wer vemutet, dass er seine nicht ganz ausgereiften Kräfte noch brauchen wird, liegt natürlich richtig. Simon geht eben auch auf Heldenreise. Das gilt nur bedingt für die beiden Damen, denn sie reisen zwar mit, sind aber doch weiter als ihre männlichen Begleiter und bedürfen somit keiner Läuterung.
Mit Hugh Grant („Tatsächlich … Liebe“) als Gegenspieler konnte ich mich hingegen überhaupt nicht anfreunden. Vielleicht tue ich ihm unrecht, weil ich ihn immer noch mehr mit seinen Rollen als so verhuschter wie liebenswerter Brite in Filmen wie „Notting Hill“ und „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ verbinde, aus denen er mittlerweile herausgewachsen ist. Aber mit seiner leutseligen Art kam er mir wie eine kolossale Fehlbesetzung vor, sodass ich den von ihm verkörperten Forge nicht recht ernst nehmen konnte. Glücklicherweise gleicht das Daisy Head („Wrong Turn – The Foundation“) aus, hinter deren Sofina viel mehr steckt (was von Anfang an zu erahnen ist). Erwähnt sei noch der Paladin Xenk (Regé-Jean Page, „Mortal Engines – Krieg der Städte“), der dem Quartett auf seinem Weg eine Weile hilfreich zur Seite steht.
Das Regisseursduo Jonathan Goldstein und John Francis Daley („Game Night“, 2018) würzt das Abenteuer dieses ungleichen Quartetts mit reichlich Humor, der bisweilen unfreiwillig komisch gerät, oft aber auch wirklich witzig ausfällt. Man achte auf die Erweckung der Toten auf dem Schlachtfeld und die fünf Fragen, die man ihnen stellen darf, bevor sie endgültig in den Tod zurücksinken. Eine wunderbare Szene.
Island, Nordirland und der Green Screen
Bleiben die Schauwerte, und von denen hat „Dungeons & Dragons – Ehre unter Dieben“ einige zu bieten. Das düstere Gefängnis, aus dem Edgin und Horga zu Beginn ausbrechen, gibt die Kulissenlage vor, so geht es weiter, durch malerische Landschaften, unwirtliche Gegenden und fantasievolle Ortschaften. Gedreht wurde übrigens von April bis August 2021 in Nordirland und Island, logischerweise oft vor Green Screen. An den titelgebenden Drachen mangelt es etwas, aber man kann nicht alles haben. Kommt vielleicht noch, sofern dem Film Erfolg beschieden ist. Eine aus vorerst acht Episoden bestehende Fernsehserie als Spin-off ist bereits bestätigt, auch eine Kinofortsetzung dürfte wahrscheinlich sein, wenn die Kinokassen in diesem Jahr klingeln.
„Dungeons & Dragons – Ehre unter Dieben“ erfindet das Blockbuster-Rad nicht neu, setzt aber die Versatzstücke des Mainstreamkinos gekonnt ein. Ein paar Anleihen beim Marvel Cinematic Universe und anderen Großprojekten sind zu bemerken. Wer sich an ein wenig Reißbrett nicht stört, kommt in den Genuss eines knallbunten und jederzeit unterhaltsamen Fantasy-Abenteuers, das mit seiner Altersfreigabe ab zwölf Jahren in puncto Gewalt und Sex nicht mit „Game of Thrones“ mithalten kann, das aber auch gar nicht will. Nichts gegen Familien-Fantasy!
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Daisy Head, Sophia Lillis und Michelle Rodriguez haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Hugh Grant, Chris Pine und Justice Smith unter Schauspieler.
Länge: 134 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: Dungeons & Dragons – Honor Among Thieves
USA/KAN 2023
Regie: Jonathan Goldstein, John Francis Daley
Drehbuch: Jonathan Goldstein, John Francis Daley, Michael Gilio
Besetzung: Chris Pine, Michelle Rodriguez, Regé-Jean Page, Justice Smith, Sophia Lillis, Chloe Coleman, Daisy Head, Hugh Grant, Kyle Hixon, Spencer Wilding, Will Irvine, Nicholas Blane, Bryan Larkin, Sarah Amankwah, Colin Carnegie, Tom Morello
Verleih: Paramount Pictures Germany
Copyright 2023 by Volker Schönenberger
Filmplakat, Szenenfotos & Trailer: © 2023 Paramount Pictures Germany