Les derniers jours du monde
SF-Endzeitdrama // Robinson (Mathieu Amalric) erwacht in Biarritz im Äußersten Südwesten Frankreichs an der Atlantikküste. Er schnallt sich eine Prothese um seinen rechten Armstumpf und verlässt das Gebäude (es ist das Haus seiner verstorbenen Eltern, wie wir bald darauf erfahren). Eine Katastrophe hat die Menschheit heimgesucht, wie aus bruchstückhaften Informationen deutlich wird. Bei der Buchhändlerin Ombeline (Catherine Frot) kauft Robinson ein Rezeptbüchlein, das viel Raum für Notizen bietet, den er nutzt, um seine Erinnerungen niederzuschreiben. Papier ist rar geworden.
Ein Jahr zuvor verbringt Robinson mit seiner Ehefrau Chloé (Karin Viard) und der gemeinsamen Tochter Mélanie (Manon Beaudoin) den Sommer in Biarritz. Er trifft auf Laetitia (Omahyra Mota), mit der er von jetzt auf gleich eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Sie fordert ihn auf, sie Lae zu nennen. Für sie verlässt er seine Familie.
Romanverfilmung zweier Brüder
Die Brüder Arnaud und Jean-Marie Larrieu („21 Nächte mit Pattie“) haben mit „Les derniers jours du monde“ einen sonderbaren Genre-Hybrid inszeniert – nach ihrem eigenen Drehbuch, mit dem sie den gleichnamigen Roman von Dominique Noguez adaptierten. Anfangs wechselt die Handlung recht häufig zwischen der Gegenwart und der ein Jahr zurückliegenden Vergangenheit, was etwas Aufmerksamkeit abverlangt, auch wenn Robinsons rechte Hand und ihr Fehlen in der Hinsicht Orientierung bieten.
Robinson ist viel unterwegs, was dem Drama Züge eines Roadmovies verleiht. Er nimmt Lae nach Taiwan mit, wo er sie verliert und zurücklässt. Später verschlägt es ihn in den endzeitlichen Wirren nach Pamplona, wo er zufällig auf Ombeline trifft (nicht die einzige wenig glaubwürdige Begegnung). Die beiden erleben den Stierlauf der Sanfermines der Stadt und ziehen eine Weile gemeinsam weiter. Ein weiterer Rückblick zeigt Robinson und Lae in Kanada.
Viren, Terror, Atombomben
Die die Menschheit bedrohende Katastrophe und der Science-Fiction-Aspekt bilden einen flirrenden Hintergrund der Handlung. Bisweilen fällt Asche vom Himmel, das Grundwasser ist verseucht, Viren fordern zahllose Todesopfer, Terroranschläge geschehen, und in Moskau detoniert eine Atombombe. Dies erfahren wir en passant, ohne dass es spektakuläre Bilder von den Ereignissen zu sehen gibt. Der Fokus der Story bleibt letztlich stets bei Robinson und dem Beziehungsgeflecht, in das er sich begibt. Hier liegt leider auch der größte Schwachpunkt: Was Robinson an Laetitia und sie an ihm findet, erfahren wir nicht. Sie ist zwar reizvoll und sinnlich, aber die Anziehungskraft bleibt behauptet. Das ist zu wenig, denn sie treibt ihn immerhin voran. Das erschwert es, auf Robinsons Weg mit ihm mitzufiebern, zumal vage bleibt, weshalb er wohin fährt oder geht.
Sex im Zeichen der Apokalypse
Zumindest in Spanien und Frankreich ergeben sich die Menschen keineswegs in Panik der Apokalypse. Für einen Drink, ein gutes Essen und sogar einen Opernbesuch findet sich immer noch Zeit. Dekadent? Vielleicht. Auch sinnliches Begehren und Sex finden ihren Raum. Es sind attraktive Menschen, die Kameramann Thierry Arbogast („Léon – Der Profi“, „Das fünfte Element“) in betörenden Bildern einfängt. So entsteht ein unwirklicher Sog, der das Manko von Robinsons beliebig wirkenden Beziehungen locker wettmacht. Einiges bleibt rätselhaft, aber das erhöht den Reiz des Gesehenen.
Weltpremiere 2009 in Locarno
Das außergewöhnliche SF-Endzeitdrama wurde nach der Weltpremiere 2009 beim Locarno Film Festival im selben Jahr auch bei den Filmfestivals von Toronto, Sitges und Stockholm gezeigt, bekam in Deutschland aber offenbar keinen regulären Kinostart spendiert. Der deutsch-französische Kultursender Arte hat „Die letzten Tage der Menschheit“ im Sommer 2021 ausgestrahlt, motiviert vermutlich nicht zuletzt von der Corona-Pandemie. Eine deutsche Heimkino-Auswertung auf Blu-ray und DVD steht noch aus.
Veröffentlichung (Frankreich): 1. Januar 2012 und 25. Mai 2010 als DVD
Länge: 130 Min.
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Französisch
Untertitel: keine Angabe
Originaltitel: Les derniers jours du monde
Internationaler Titel: Happy End
F/SP 2009
Regie: Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu
Drehbuch: Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu, nach dem Roman von Dominique Noguez
Besetzung: Mathieu Amalric, Catherine Frot, Karin Viard, Sergi López, Clotilde Hesme, Omahyra Mota, Sabine Azéma, Pierre Pellet, Manon Beaudoin, Serge Bozon, Jacques Nolot, Baya Belal, Carl von Malaisé, Frédéric Vallet, Christophe Paou
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: Wild Side Video
Copyright 2021 by Volker Schönenberger
Packshot: © Wild Side Video