African Kung-Fu Nazis
Von Volker Schönenberger
Actionkomödie // Vor uns liegt Deutschland. In uns marschiert Ghana. Diese markigen Worte von Adolf Hitler (Sebastian Stein) im Prolog von „African Kung-Fu Nazis“ weisen den Weg: Dass der Führer und Reichskanzler gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Selbstmord begangen hat und der japanische Premierminister Tōjō Hideki (Yoshito Akimoto) 1948 zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, ist nur die Version, die uns in den Geschichtsbüchern weisgemacht wird. Tatsächlich sind die beiden Kriegsverbrecher in einem U-Boot nach Ghana geflohen, wo sie sich bis zum heutigen Tage aufhalten. Auch Hitlers treuer Gefährte Horse-Man Göring (Marsuel Hoppe) ist mit von der Partie. Dank intensiven Karatetrainings und der guten arischen Gene konnten die Altnazis ihren Alterungsprozess aufhalten, was auch für Ehren-Arier Tōjō gilt. Im Exil formen die Größenwahnsinnigen die neue Achse Deutschland-Japan-Ghana und stellen eine neue Armee auf: die Ghan-Arier. Dieses Mal ohne Italien. Dazu muss wohl nichts weiter gesagt werden.
Ein Pärchen wie Hans und Klärchen: Horst und seine Eva
Mit Beginn der Haupthandlung lernen wir Horst (Elisha Okyere) kennen, einen gut gelaunten Ghanaer, der sich in einer liebevollen Beziehung mit seiner Freundin Eva (Nkechi Chinedu) befindet. Horst trainiert in der Kung-Fu-Schule seines Meisters Schlangenschlauch (Andrew Ntul Mensah). Die ist Hitler ein Dorn im Auge, weshalb er sie überfallen lässt. Derweil verschleppt Tōjō Hideki Horsts Liebste. Bei einem von Hitler veranstalteten Martial-Arts-Turnier will Horst antreten und Eva retten. Vorher muss er aber seine Kampfkunst-Fertigkeiten vervollkommnen.
Handelt es sich etwa um einen Trashfilm?
Beim Titel „African Kung-Fu Nazis“ kann einen ein wenig der Verdacht beschleichen, es mit einem Trashfilm zu tun zu haben. Dieser Verdacht bestätigt sich nach geraumer Zeit – genauer: unmittelbar zu Beginn. Das Bild erinnert an Daily Soaps, die Story ist so hanebüchen wie der Titel und die Dialoge sind arg gewöhnungsbedürftig, weil sich diverse der Figuren in verschiedenen deutschen Dialekten artikulieren. Hier erklingt ein breites Bayerisch, dort wird geschwäbelt, und auch ein kerniges norddeutsches Mien Jung bekommen wir zu hören. Trash-Fans sind einiges gewohnt und hart im Nehmen, aber diese Dialoge sind schon angetan, einem die Schuhe auszuziehen. Budder bei die Fische! Damit muss man umgehen können, es erinnert an vergleichbare Synchronisationen einiger Martial-Arts-Klamaukfilme aus Hongkong und China in den 1970ern und mag auch eine bewusste Reminiszenz sein.
Die Kung-Fu-Schule von Schlangenschlauch …
Am professionellsten wirken die Martial-Arts-Einlagen, die tatsächlich vergleichsweise ansehnlich geraten sind. Hier stört lediglich das billige CGI-Blut. Selbst die aus „Karate Kid“ bekannte „Kranich“-Stellung kommt kurz zur Geltung. Tōjō Hideki wiederum hat eine Superkraft entwickelt – wenn seine Faust gülden zu leuchten beginnt, hat sie offenbar besondere Schlagkraft.
Von Oberbayern über Tokio nach Ghana
Im Booklet des Mediabooks wird der aus Oberbayern stammende Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Stein zitiert: Irgendein besoffener Idiot aus einem Dorf in Bayern hat irgendwann einmal einen Film in Ghana zusammen mit seinem japanischen Kumpel gedreht, mit dem Titel „African Kung-Fu Nazis“. Wenn das möglich ist, ist alles möglich. Stein, der jahrelang in Tokio gelebt hat, drehte tatsächlich in Ghana und rekrutierte weitgehend örtliches Personal für Cast und Crew. Die Regie teilte er sich mit dem Ghanaer Samuel K. „Ninja“ Nkansah, auch die Produktion übernahm mit Akante Daniel ein Ortsansässiger. Insofern ein löbliches Projekt, bei dem nicht nur auf billige lokale Infrastruktur gesetzt wurde, sondern der westliche Filmemacher seine örtlichen Mitstreiter offenbar auf Augenhöhe respektierte. Das macht das Ganze sehr sympathisch und lässt sogar über das dreiste Product Placement eines ghanaischen Kräuterlikörs schmunzeln.
… wird von Hitlers Schergen überfallen
Der Regisseur hat sich selbst die Rolle Adolf Hitlers gegeben. Verständlich, wer würde das nicht tun? Die Geschichte folgt keinerlei Logik. Was der GröFaZ mit dem Martial-Arts-Wettstreit bezweckt, bleibt ebenso im Dunkeln wie die Tatsache, dass sich die verschleppte Freundin von Horst unvermittelt als Eva Braungebrannt (sic!) an Hitlers Seite wiederfindet. Okay, geschenkt, sie steht unter dem bösen Einfluss von Hitlers Blutfahne, die schon zahlreichen Ghanaern weißgetünchte Gesichter verpasst und sie zu willigen Soldaten der Ghan-Arier-Armee gemacht hat. Diese weißen Fratzen stellen eine schöne Umkehrung des Blackfacing dar, einer üblen rassistischen Maskerade im 18. und 19. Jahrhundert, bei der sich weiße Theaterdarsteller in den USA die Gesichter dunkel schminkten, um Schwarze darzustellen. Da verzeiht man auch den einen oder anderen missratenen Gag, etwa wenn Tōjō Hideki Eva und eine Begleiterin in einen dunklen Gang zerrt und ihnen dort sein überraschend stattliches Gemächt präsentiert; dabei haben Asiaten doch angeblich einen so kleinen Penis, dass man ihn gar nicht spüre, weshalb eine Vergewaltigung auch nicht so schlimm sei. Recht nachlässig inszeniert wurde leider Horsts Trainingsphase im Dschungel. Wenn man schon eine solche Hommage an Filme wie „Karate Kid“ einbaut, sollte das etwas liebevoller geschehen.
Hollywood oder Ghana?
Obwohl kein ausgewiesener Trash-Fan, habe ich im Lauf der Zeit doch viele Streifen aus diesem Filmsektor geschaut. Dennoch kam mir „African Kung-Fu Nazis“ im Vergleich zu anderen recht fremdartig und eigenständig vor, Hinweis darauf, dass Stein bewusst die Eigentümlichkeiten des ghanaischen Filmemachens zugelassen hat. Insofern kann ich das Werk trotz diverser Mängel allen an Trash interessierten Filmguckern sehr ans Herz legen. Klar, hier muss man weit über den Tellerrand hinwegschauen, und wer ansonsten hauptsächlich Hollywood-Blockbuster schaut, wird sich verstört abwenden. Aber das tun Otto-Normalverbraucher-Filmgucker ja auch bei herkömmlichen Trashfilmen. „African Kung-Fu Nazis“ ist alles andere als herkömmlich. Und mal unter uns: Wenn Nazis durch den Kakao gezogen werden, hat das Bonuspunkte verdient, nicht wahr?
Adolf Hitler hat zum großen Turnier gerufen – gekämpft wird bis zum Tod
Bemerkenswert, dass ein solches Werk sogar ein Mediabook verpasst bekommt, da beweist die Busch Media Group Mut. Aber es lohnt sich! Auf der Bonus-Blu-ray befindet sich die spielfilmlange Doku „African Kung-Fu Nazis – The Doc“, die einen hochinteressanten Einblick in die mehrjährige Entstehung des Films bietet. Unbedingt anschauen! Das rechtfertigt den gegenüber der herkömmlichen Verpackung höheren Preis des Mediabooks allemal! Es sieht obendrein schmuck aus und enthält ein Booklet mit einem Text von Nando Rohner, einem bewährten Autor und Filmkenner, der Wissenswertes über die Kombination Martial Arts und Humor im Kino beisteuert und auch über die Produktion des Films in Ghana schreibt. „African Kung-Fu Nazis“ – ein Film, den man erst mal drehen muss, weshalb er es auch verdient hat, geschaut zu werden. Welche Filme könnt Ihr empfehlen, in denen man Adolf Hitler komödiantisch beizukommen versuchte?
An der Seite des Führers: Eva Braungebrannt
Veröffentlichung: 6. November 2020 als 2-Disc Limited Collector’s Edition (Blu-ray & DVD) und DVD
Länge: 84 Min. (Blu-ray), 80 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Japanisch
Originaltitel: African Kung-Fu Nazis
JAP/GHA/D 2020
Regie: Samuel K. „Ninja“ Nkansah, Sebastian Stein
Drehbuch: Sebastian Stein
Besetzung: Sebastian Stein, Yoshito Akimoto, Nkechi Chinedu, Marsuel Hoppe, Elisha Okyere
Zusatzmaterial: Grußbotschaften von Cast & Crew, Blooper, Trailer, Trailershow, nur Mediabook: „African Kung-Fu Nazis – The Doc“ (102 Min., Englisch mit deutschen Untertiteln), entfernte Szenen, 16-seitiges Booklet
Label: Busch Media Group
Vertrieb: Al!ve AG
Copyright 2020 by Volker Schönenberger
Szenenfotos: © 2020 Busch Media Group
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