Caravans
Abenteuer // Zadestan – nie gehört? Kein Wunder, das Land im Mittleren Osten wurde eigens für den Film „Caravans“ erfunden. James A. Micheners 1963 veröffentlichte Romanvorlage spielt allerdings in Afghanistan, gedreht wurde im zweiten Halbjahr 1977 im Iran.
Das Geschehen nimmt 1948 seinen Lauf. Der US-Diplomat Mark Miller (Michael Sarrazin) erhält den Auftrag, die Tochter eines US-Senators zu suchen – Ellen Jasper (Jennifer O’Neill) war zehn Monate zuvor nach ihrer Hochzeit mit Colonel Nazrullah (Behrouz Vossoughi) verschwunden. Miller muss tief ins Hinterland von Zadestan vordringen und wird mit für ihn fremden Sitten und Gebräuchen konfrontiert. Nach einiger Zeit gelingt es ihm, Ellen bei einer Gruppe von Nomaden unter der Führung von Zulffiqar (Anthony Quinn) aufzuspüren.
Frauen im Orient
Bis Miller auf die Nomaden trifft, gibt sich die Story eher als gemächlicher Roadtrip und Culture Clash – ein Amerikaner in der Fremde eben. Und auch nachdem sich der Fremde ihnen angeschlossen hat, zieht das Tempo nur unwesentlich an. Da gilt es, sich an der orientalischen Farbenpracht mit dem oscarnominierten Kostümdesign, den Landschaftsbildern und der Skizzierung einer uns archaisch anmutenden Gesellschaft zu erfreuen. Über die Rolle der Frau sei da ein Auge zugedrückt, auch wenn es sich herausstellt, dass Ellen mit der Karawane zieht, weil sie sich nach Freiheit sehnt. Eine kleine Ungereimtheit.
Ob all diese Orient-Folklore authentisch ist, sei dahingestellt – es ist eben der Orient, wie Hollywood ihn Ende der 1970er präsentieren wollte. Da Zadestan nicht existiert, tut Akkuratesse bei der Abbildung von dessen Gesellschaft auch nicht Not (eine billige Ausrede, ich weiß). Erwähnt sei zum Ausgleich der wunderbare Score, vom Komponisten Mike Batt mit dem London Symphonic Orchestra eingespielt. Der dazugehörige Filmsong „Caravan Song“ in der Interpretation von Barbara Dickson fällt dabei klangtechnisch etwas aus dem Rahmen, das sei verziehen.
Die Kritiker waren nicht begeistert
In Nebenrollen fallen Christopher Lee und Joseph Cotten mit ihren Kurzauftritten nicht allzu sehr auf. Der fast schon erschütternde Showdown mag nicht recht zum zuvor Gesehenen passen und beschließt das Werk recht ziellos. „Der Herr der Karawane“ ist kein großes Wüsten-Epos, sondern trotz der imposanten Bilder fast schon ein kleiner Film, der Menschen und ihre Beziehungen porträtiert und sich für die Entfaltung seiner visuellen Kraft Zeit nimmt, was etwas zu Lasten der Story geht. Aber es ist ja noch kein „Lawrence von Arabien“ vom Himmel gefallen, auch wenn die Verrisse der zeitgenössischen Filmkritik an der Regiearbeit von James Fargo („Spiel der Geier“) mir etwas zu harsch erscheinen.
Kommt noch eine Blu-ray?
Pidax Film hat „Der Herr der Karawane“ als DVD veröffentlicht. Die Technicolor-Farben kommen gut zur Geltung, das Bild hätte sicher auch eine Blu-ray vertragen, worauf das Label aber verzichtet hat. Gelegentlich hat Pidax in der jüngsten Vergangenheit der DVD mit etwas Abstand eine Blu-ray folgen lassen, ob das in diesem Fall auch geplant ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Außer einer Bildergalerie und dem Trailer gibt es kein nennenswertes Zusatzmaterial, auf Untertitel hat man bedauerlicherweise gleich ganz verzichtet.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Jennifer O‘Neill haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Joseph Cotten, Christopher Lee und Anthony Quinn unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 8. April 2022 als DVD
Länge: 120 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Caravans
IRAN/USA 1978
Regie: James Fargo
Drehbuch: Nancy Voyles Crawford, Thomas A. McMahon, Lorraine Williams, nach einem Roman von James A. Michener
Besetzung: Anthony Quinn, Michael Sarrazin, Christopher Lee, Jennifer O’Neill, Joseph Cotten, Behrouz Vossoughi, Barry Sullivan, Jeremy Kemp, Duncan Quinn, Behrouz Gramian, Mohamed Ali Keshavarz
Zusatzmaterial: Originaltrailer, Bildergalerie, Trailershow, Wendecover
Label: Pidax Film
Vertrieb: Al!ve AG
Copyright 2022 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & unterer Packshot: © 2022 Pidax Film