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Ich seh, ich seh – Wo ist die Mama?

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Ich seh, ich seh

Gastrezension von Andreas Eckenfels

Horrordrama // Horrorfilme aus Österreich? Ja, da gibt es einige. Ganz vorne dabei ist natürlich Michael Hanekes intensiver „Funny Games“, man denke an die „In 3 Tagen bist du tot“-Reihe oder zuletzt dem originellen „Blutgletscher“. Auch von Horrorkomödien verstehen die Alpenländler etwas. Gastautorin Anja war von „Therapie für einen Vampir“ gerade sehr angetan.

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Die bandagierte Mutter von Lukas und Elias braucht nach ihrer OP viel Ruhe

Die Regisseure Veronika Franz und Severin Fiala konnten für „Ich seh, ich seh“ bei einigen internationalen Festivals Preise abräumen, darunter 2014 in Sitges. Für ihr Spielfilmdebüt wurden die beiden von dem österreichischen Skandalregisseur Ulrich Seidl unterstützt. Franz, die mit Seidl liiert ist, hatte bereits an seiner „Paradies“-Trilogie als Drehbuchautorin mitgearbeitet.

Nicht die Mama

In einer wunderschönen Naturidylle im Voralberg toben die Zwillingsbrüder Lukas (Lukas Schwarz) und Elias (Elias Schwarz) fröhlich umher. Sie raufen, erkunden Höhlen, besitzen eine stattliche Schabensammlung und liefern sich Rülpswettbewerbe. Ganz wie echte Jungs eben. Doch als ihre alleinerziehene Mutter (Susanne Wuest) in die abgeschiedene Villa zurückkehrt, ist nichts mehr so wie früher. Ihre Mutter hat sich einer kosmetischen Gesichtsoperation unterzogen. Sie trägt einen Verband über dem gesamten Kopf. Nur Ausschnitte für Augen und Mund bleiben ihr. Ihr Gesicht ist stark geschwollen. Blutige Narben zeichnen sich ab. Sie sieht aus, als würde sie eine Maske tragen – oder wie Frankensteins Monster.

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Die Zwillinge erkennen ihre Mutter kaum wieder

Die Mutter hat im gesamten Haus die Jalousien heruntergelassen. Das Tageslicht kommt nur spärlich durch einige Schlitze herein. Lukas und Elias erkennen ihre sonst so liebevolle Mutter kaum wieder. Nicht nur äußerlich. Sie brauche absolute Ruhe, habe der Arzt gesagt. Um dies zu gewährleisten hat sie eine Reihe neuer Regeln aufgestellt. Halten sich die Jungs nicht daran, werden sie heftig gemaßregelt. Doch lange lassen sich das die Zwillinge nicht gefallen. Auch nachdem ihrer Mutter der Verband entfernt wurde, bezweifeln sie, dass diese Frau ihre Mutter ist. Sie sind davon überzeugt, dass eine Fremde ihre Rolle eingenommen hat.

Viele Mysterien

Der Zuschauer bleibt lange Zeit im Unklaren, warum sich die Mutter einer Gesichts-OP unterzogen hat. War es aufgrund eines Unfalls? Oder eine Schönheitsoperation? Immerhin ist sie, so erfährt man beiläufig, eine TV-Moderatorin. Doch die Antwort auf diese und weitere Fragen sind nicht von großer Bedeutung. Einige Mysterien bleiben auch nach dem Ende erhalten.

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Panische Angst vor der eigenen Mutter

Die subtile Stimmung im Haus, die Einsamkeit rundherum, die ständige Bedrohung der Kinder durch ihre Mutter, all das sorgt in Verbindung mit den exquisiten Bildkompositionen für unheilvolle Spannung. Wenn es keinen Schutz von ihrer Mutter gibt, wer kann den geplagten Zwillingen dann noch helfen? Die Antwort gibt „Ich seh, ich seh“ im letzten Akt, bei der sich die Täter-Opfer-Beziehung geschickt umdreht. Gegenseitig aufgestachelt, helfen sich Lukas und Elias schließlich selbst. Es gelingt den beiden, die aus ihrer Sicht fremde Frau ans Bett zu fesseln.

Beeindruckendes Spiel der Zwillinge

Die finale Auflösung mag enttäuschen. Dennoch ist Franz und Fiala mit „Ich seh, ich seh“ ein atmosphärisch dichter, fast intimer kleiner Horrorfilm gelungen, der auf mehreren Ebenen bestens funktioniert. So werden Fragen über Identität, Verlustängste und Urvertrauen gestellt. Im Laufe des Films findet zudem ein geschickter Perspektivwechsel statt, bei dem sich die Erzählung vom unterschwelligen Psychothriller zu einem makabren Horrorfilm mit einigen ordentlichen Härten wandelt. Besonders die Schwarz-Zwillinge spielen in ihrem Filmdebüt erschreckend gut. Zudem ist „Ich seh, ich seh“ wohl der einzige Film, in dem zwei Stuntschaben in den End-Credits aufgeführt sind – sie tragen die Namen Mathilder und Nermal.

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Lukas und Elias schlagen zurück

Veröffentlichung: 22. Oktober 2015 als Blu-ray und DVD

Länge: 99 Min. (Blu-ray), 95 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Audiodeskreption
Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch
Originaltitel: Ich seh, ich seh
Internationaler Titel: Goodnight Mommy
A 2014
Regie: Veronika Franz, Severin Fiala
Drehbuch: Veronika Franz, Severin Fiala
Besetzung: Susanne Wuest, Lukas Schwarz, Elias Schwarz, Hans Escher, Elfriede Schatz, Karl Purker
Zusatzmaterial: Original Kinotrailer, Interview, Making-of, Deleted Scenes, Castings, Wendecover
Vertrieb: Koch Media

Copyright 2015 by Andreas Eckenfels

Fotos, Packshots & Trailer: © 2015 Koch Media

 
 

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