Slave Girls from Beyond Infinity
SF-Abenteuer // Ich weiß, dass du es nicht schaffst!, sagt Tisa (Cindy Beal) zu ihrer Zellengenossin Daria (Elizabeth Kaitan). Die zerrt gerade mit voller Kraft an ihrer Kette, die sie an den kalten Boden des Hochsicherheitsgefängnisses fesselt, in dem beide eingesperrt sind. Doch Überraschung: Offenbar sind in der fernen Zukunft die Metalle nicht mehr so widerstandsfähig, wie wir sie heutzutage kennen – oder Daria verfügt über übermenschliche Kräfte (was sich aber im Verlauf der Handlung nicht weiter bestätigt). Der jungen Frau gelingt es problemlos, sich zu befreien, was Tisa etwas sarkastisch mit Ein Glück, dass du das nicht gewusst hast! kommentiert.
Die Besatzung des riesigen Raumschiffes, in dem die beiden leicht bekleideten Protagonistinnen als Sklavinnen gehalten werden, wurde wohl stark rationalisiert. Anders ist es nicht zu erklären, dass sich ihnen lediglich zwei tumbe Wachmänner (Mike Cooper, Gregory Lee Cooper) auf ihrer Flucht in den Weg stellen. Beide sind fix überwältigt. Der Ausbruch ins All mit einem gestohlenen Raumgleiter gelingt, doch kurz darauf legen Daria und Tisa eine Bruchlandung auf einem Dschungelplaneten hin, von dem ihre Maschine auf mysteriöse Weise angezogen wurde.
Glück im Unglück: Die beiden erreichen den Palast von Zed (Don Scribner), der dort mit zwei Robotern lebt und den Frauen Unterschlupf gewährt. Daria und Tisa sind nicht die einzigen Gäste. Die Geschwister Rik (Carl Horner) und Shala (Brinke Stevens) sind ebenfalls auf dem Planeten gestrandet. Beim Abendessen philosophiert Zed über seine große Leidenschaft: die Jagd! Rik erklärt Daria in einer ruhigen Minute, dass in dem Anwesen merkwürdige Dinge vor sich gehen. Eigentlich seien sie zu viert gewesen – doch in den letzten Nächten seien bereits die anderen zwei Mitglieder ihrer Gruppe auf rätselhafte Weise verschwunden.
Während Daria, Tisa und Rik ihre Flucht planen, macht der Gastgeber ihre Befürchtungen offiziell. Zed hat Shala in seine Gewalt gebracht und Rik als frische Beute für sein Hobby auserkoren. Nur wenn er die Jagd überlebt, darf er mit seiner Schwester den Planeten verlassen. Doch im Dschungel bleibt der skrupellose Jäger Zed mit seinen Robotern nicht die einzige Gefahr, die auf Rik lauert. Wird Daria und Tisa das gleiche Schicksal ereilen?
„Graf Zaroff“ lässt grüßen
Eine Menschenjagd im Dschungel? Das kommt uns doch bekannt vor! Natürlich bedient sich die Handlung von „Jäger der verschollenen Galaxie“ offen am Horrorklassiker „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ (1932) von Ernest B. Schoedsack sowie dessen zugrundeliegender Kurzgeschichte „Das grausame Spiel“ (1924) von Richard Connell (1893–1949). Doch kein Problem, das haben eine Vielzahl von hochwertigeren Produktionen ebenfalls getan, darunter etwa „Harte Ziele“ (1993) mit Jean-Claude Van Damme, „Tötet ihn!“ (1994) – besser bekannt unter dem Originaltitel „Surviving the Game“ mit Rutger Hauer und Ice-T – und der ebenfalls günstig inszenierte „The Most Dangerous Game“ (2017), der offen seine Vorlage benennt.
Für Billigfilmschmieden wie Full Moon ist es üblich, bekannte Plots zu übernehmen und etwas davon nach den eigenen Bedürfnissen und aktuellen Zeitgeist-Strömungen anzupassen. Da ist das Drehbuch schnell und kostengünstig geschrieben. Besonders die Produktionsfirma The Asylum ist dafür bekannt, in regelmäßigen Abständen sogenannte Mockbuster runterzukurbeln, um sich im Schatten eines Hollywood-Blockbusters ein kleines Stück vom Erfolgskuchen abzuschneiden, wenn die Leute einfach einen ähnlichen Film wie „Jurassic World“ sehen wollen und dann zu „Triassic World“ greifen. Ärgerlich wird es dann, wenn der Zuschauer oder die Zuschauerin wegen des ähnlich aussehenden Dino-Covers und des mit Absicht gleich klingenden Titels den Blockbuster erwartet und dann erst nach dem Einlegen der Scheibe bemerkt, dass es sich nur um einen Trash-Klon handelt.
Solange die Kopie Spaß macht, ist nichts gegen so eine offensichtliche Bezugnahme einzuwenden. Normalerweise weiß man ja, worauf man sich einlässt, wenn man eine Full-Moon-Produktion ansieht. Hier liegt der Unterhaltungsfaktor zumindest meist um einiges höher als bei den Machwerken von The Asylum. So auch bei „Jäger der verschollenen Galaxie“.
Laser-Armbrust gegen Mega-Wumme
Die Jagd bietet ein einfaches Spannungsmittel und die Rollen von Gut und Böse sind klar verteilt: Wenn ein schwer bewaffneter und arroganter Goliath ein paar arme Davids auf der Flucht ums Überleben kämpfen lässt, sind auch die Sympathien des Publikums schnell geklärt. So drücken wir auch Rik, Daria und Tessa kräftig die Daumen, dass sie nach dem Aufeinandertreffen mit Fiesling Zed nicht in den ewigen Jagdgründen landen.
Die panisch rennenden Gejagten haben fairerweise immerhin ebenfalls eine Waffe erhalten, dazu einen zeitlichen Vorsprung für ihre Flucht. Die Schnittwechsel zwischen ihnen und dem kühl umherstreifenden Jäger funktionieren gut und verleihen der Handlung etwas Tempo. Natürlich kennt Zed sein Dschungelrevier bestens und hat dieses auch mit einigen tödlichen Fallen gespickt. Ansonsten sorgt besonders seine Laser-Armbrust neben einigen gefährlichen Kreaturen für einen Schuss Originalität im bekannten Szenario. Obendrein tut sich ein Tempel als Zufluchtsort auf, der für die Frauen einige Überraschungen zu bieten hat – und in dem auch endlich die auf dem Plakat sichtbare lange Mega-Wumme gefunden wird, die später zum Einsatz kommen darf.
Halbnackte Damen mit technischem Know-how
Ein gutes Gefühl, wieder einen Knüppel in der Hand zu haben, sagt Daria zu Tessa, als sie auf der Flucht im Raumgleiter den Steuerknüppel bedient. Derartige verbale Doppeldeutigkeiten kommen zwar nicht allzu häufig in „Slave Girls from Beyond Infinity“ (so der herrliche Originaltitel) vor, zeugen aber davon, dass außer den Science-Fiction-Motiven auch eine ordentliche Prise Erotik die altbewährte „Graf Zaroff“-Geschichte aufpeppen soll.
Die attraktiven Hauptdarstellerinnen Elizabeth Kaitan und Cindy Beal rennen fast den gesamten Film lediglich im knappen Höschen herum, ab und zu werden ihre Brüste mit einem ebenso knappen Bikini-Oberteil verhüllt. Zudem schiebt auch Daria mit Rik ein kurzes Nümmerchen, bevor die Jagd beginnt. Stressabbau sozusagen. Ja, auch die nackten Tatsachen gehören nun mal zum festen Repertoire einer Full-Moon-Produktion dazu. Aber die Damen wurden nicht nur wegen ihres Aussehens verpflichtet. Sie bringen ihre Dialoge auch durchaus amüsant rüber, etwa wenn Daria und Tisa mit voller Ernsthaftigkeit über die ausgefeilte Technik des Mega-Gleiters mit Atomantrieb sprechen. Dieser lasse sich nur mit einem Spezialhandschuh bedienen, wie sie wissen – zum Glück hat der eigentliche Eigentümer der Maschine diesen nicht sonderlich gut im Cockpit versteckt. Die ehemaligen Sklavinnen haben wirklich Ahnung von wissenschaftlichen Details, so wird es auf jeden Fall mit einem Augenzwinkern suggeriert.
Kaitans Aufstieg und Dixons Fall
Nicht selbstverständlich, denn genau mit diesen Technik-Zeilen soll die ursprüngliche Daria-Darstellerin, der Pornostar Jusine „Ginger Lynn Allen“ Matheson, ihre Probleme gehabt haben – weshalb sie bald gefeuert wurde. Somit stieg Elizabeth Kaitan zur Hauptdarstellerin auf, die eigentlich die Rolle der Tisa hätte übernehmen sollen. Die Ungarin war ab Mitte der 1980er-Jahre in einigen kleinen Horrorstreifen zu sehen, darunter „Stille Nacht, Horror Nacht Teil 2“ (1987), „Necromancer – Das Tor zur Hölle“ (1988) und „Freitag, der 13. Teil 7 – Jason im Blutrausch“ (1988). Ihre denkwürdigsten Szenen aus diversen ihrer Filme sind im Bonus-Feature „Tribute to Elizabeth Kaitan“ zusammengefasst.
Mit Brinke Stevens als Shala ist zudem eine echte B-Movie-Veteranin mit an Bord. Von „The Slumber Party Massacre“ (1982) über „Beast You!“ („Sorority Babes in the Slimeball Bowl-O-Rama“, 1988) und „Nightmare Sisters“ (1988) bis hin zu „Trophy Heads“ (2014) ist das ehemalige Playboy- sowie Penthouse-Model und studierte Meeresbiologin bis heute als von Fans gefeierte Scream Queen aktiv.
Im Booklettext des Mediabooks von Wicked Vision fasst Christoph N. Kellerbach mal wieder unterhaltsam alles Wissenswerte zur mit zahlreichen Problemen behafteten Produktion zusammen. Darunter auch, dass Regisseur Ken Dixon seine Karriere mit „Die Sex-Abenteuer des Robinson Crusoe“ (1976) begann, hier aber auch das gleiche Problem hatte, wie später mit seinem zweiten Spielfilm „Jäger der verschollenen Galaxie“: Da Dixon mit der knappen Drehzeit nicht zu Rande kam, mussten andere Regisseure seine Arbeit zu einem Ende bringen und Szenen nachgedreht werden, damit auch Charles Band zufrieden war. Somit ist es nicht verwunderlich, dass es für Ken Dixon die letzte Regiearbeit blieb.
Doppelte Würdigung
Dennoch bleibt „Slave Girls from Beyond Inifinity“ eine der besseren Full-Moon-Produktionen, die man auch mehrmals mit Vergnügen anschauen kann. Die Veröffentlichung als siebter Beitrag der wertigen „Full Moon Collection“ im Mediabook ist hochverdient (wir nummerieren sie übrigens als Teil 12 der „Full Moon“-Reihe von „Die Nacht der lebenden Texte“, weil wir die „Full Moon Collection“ und die „Full Moon Classic Selection“ von Wicked Vision zusammenfassen). Neben den bereits genannten Vorzügen gibt es auch sehenswerte Kulissen, verrückte Requisiten und für das Budget halbwegs gelungene Spezialeffekte. In einer Szene würdigt Ken Dixon sogar liebevoll „King Kong und die weiße Frau“ (1933) auf eine besondere Weise: Wie im Abenteuerklassiker von Ernest B. Schoedsack gibt es einen Baumstamm, auf dem Daria und Tisa sitzen, darunter ebenso – als Matte Painting – eine Schlucht mit Wasserfall. Gleichzeitig ist es auch eine Hommage an „Graf Zaroff – Genie des Bösen“, den Schoedsack bekannterweise in einigen Urwald-Sets von „King Kong“ drehte.
Eine besondere Würdigung wurde auch „Jäger der verschollenen Galaxie“ zuteil: Das Science-Fiction-Abenteuer wurde in der „SchleFaZ“-Reihe von Oliver Kalkofe und Peter Rütten auf Tele 5 gezeigt. Klasse, dass es diese Folge auch ins Bonusmaterial der Wicked-Vision-Veröffentlichung geschafft hat.
Die Filme der „Full Moon Classic Selection“ und der „Full Moon Collection“ der Wicked Vision Distribution GmbH haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgelistet.
Veröffentlichung: 28. April 2023 auf Blu-ray als 2-Disc-Mediabook-Edition (Blu-ray & DVD, drei Covervarianten à 222, 333 und 444 Exemplare), 21. Oktober und 21. Mai 2010 jeweils als DVD innerhalb der „Science Fiction Classic Box Vol. 3“ (zusammen mit „Panik über Tokio“, „Der Mandroid“ und „Kampf um Oblivion“)
Länge: 75 Min. (Blu-ray), 74 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Slave Girls from Beyond Infinity
USA 1987
Regie: Ken Dixon
Drehbuch: Ken Dixon, nach einer Geschichte von Richard Connell
Besetzung: Elizabeth Kaitan (als Elizabeth Cayton), Cindy Beal, Don Scribner, Kirk Graves, Brinke Stevens, Carl Horner, Randolph Roehbling, Mike Cooper, Gregory Lee Cooper (als Greg Cooper)
Zusatzmaterial 2023: SchleFaZ-Fassung (121:56 Min.), Tribute to Elizabeth Kaitan (6:22 Min.), Originaltrailer (2:18 Min.), Originaltrailer Re-Cut (2:18 Min.), Trailer Full Moon Version (1:17 Min.), 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach
Label/Vertrieb 2023: Wicked Vision Distribution GmbH / Full Moon Germany
Label/Vertrieb 2010: VoulezVouz Film / Intergroove
Copyright 2023 by Andreas Eckenfels
Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2023 Wicked Vision Distribution GmbH