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Monty Python’s Flying Circus – Die komplette Serie: And Now for Something Completely Different

Monty Python’s Flying Circus

Von Volker Schönenberger

Comedy-Serie // Kommen wir nun zu etwas völlig anderem. Zugegeben: And now for something completely different als Überschrift ist alles andere als originell. Aber es passt nun mal perfekt und drängt sich einfach auf.

Ein Schwimmer in zerfetzten Klamotten erreicht mit letzter Kraft den Strand, stammelt noch kurz It’s… Mit dieser kurzen Szene begann am 5. September 1969 auf dem britischen Fernsehsender BBC 1 die erste Episode der ersten Staffel von „Monty Python’s Flying Circus“. Niemand ahnte, dass die Comedy-Serie den britischen Humor gehörig umkrempeln würde. Schon diese erste Folge enthält die Ingredienzen des Absurden, die die Komikertruppe berühmt machen würde. Etwa den englischen Lehrer (Terry Jones), der einigen Erwachsenen einen Italienischkursus gibt und sich herausstellt, dass er ausschließlich italienische Schüler hat (der einzige Nichtitaliener entpuppt sich als Deutscher im falschen Seminarraum). Oder den Interviewer (John Cleese), der den berühmten Regisseur Sir Edward Ross (Graham Chapman) zu Gast hat, aber nicht über die Frage hinausgelangt, wie er ihn ansprechen soll und darf – von Edward über Ted und Eddie-Baby gelangt er zu Sweetie, Sugar Plum, Pussycat und Angel Drawers bis hin zu – Trommelwirbel – Frank! It’s a nice name. Oder den Sketch „The Funniest Joke in the World“ (deutscher Titel: „Der tödlichste Witz der Welt“) über den Witzeschreiber Ernest Scribbler (Michael Palin), der den titelgebenden Witz ersinnt und sich darüber buchstäblich totlacht, ein Schicksal, das in der Folge erst auch seine Gemahlin (Eric Idle) und in der Folge weitere bedauernswerte Opfer ereilt. Im Zweiten Weltkrieg setzt die britische Armee den Witz gegen die deutsche Wehrmacht ein.

Der deutsche Blick auf den britischen Humor

Ich höre schon auf. Humor aus Bildern und Bewegtbildern lässt sich schwer nacherzählen. Aber ich bin versucht, die Episoden eine nach der anderen wegzuschauen und einen Sketch nach dem anderen nachzuerzählen. Sie sind von brüllender Komik, knochentrocken vorgetragen, schwarzhumorig bis an die Grenzen des guten Geschmacks und darüber hinaus. Auch der Klerus bekommt sein Fett weg. Jedenfalls hat „Monty Python’s Flying Circus“ dem britischen Humor einen gewaltigen Schub gegeben und zweifellos auch das Bild geprägt, das wir Deutschen von englischen Späßen haben. Oft schauen wir mit unserem gern piefigen, dumpfen und spießigen Humor deswegen neidisch auf die Insel – und nicht zu Unrecht (aber Loriot und Helge Schneider haben sie nicht!).

Flachfiguren!

Graham Chapman (1941–1989), John Cleese (* 1939), Terry Gilliam (* 1940), Eric Idle (* 1943), Terry Jones (1942–2020) und Michael Palin (* 1943) – das sind die sechs Schöpfer der Show, verantwortlich fürs Ersinnen der Sketche und permanent als Darsteller aktiv. Cleese tritt in 39 der 45 Episoden in Erscheinung (er war nach der dritten Staffel ausgestiegen und fehlt daher in den sechs Folgen der kurzen vierten Staffel), der Amerikaner und einzige Nichtbrite Gilliam in 44, die anderen vier völlig ohne Unterbrechung. Einzige weitere Person mit einer ähnlich nennenswerten Zahl an Folgen ist die Schauspielerin Carol Cleveland mit 31 Auftritten. Die sechs Männer hatten offenbar auch große Freude daran, immer wieder in Frauenklamotten zu schlüpfen (ein Spaß, den vermutlich viele Kerle gern mal hätten, die sich das aber nicht eingestehen). „Pfeffersteuer“ („Pepperpots“) wurden diese Frauenfiguren genannt, weil John Cleese zufolge englische Mittelstands-Hausfrauen, denen sie nachempfunden waren, die Form von Pfefferstreuern hatten.

Terry Gilliams Flachfiguren

Unbedingt genannt werden müssen auch die wunderbaren Flachfiguren-Animationen zwischen den Sketchen, erschaffen von Ensemblemitglied Terry Gilliam. Sie sind farbenfroh (obgleich im Einzelfall auch mal schwarz-weiß) und verleihen dem absurden Humor der Serie eine geradezu surreale Atmosphäre. Schwarzer Humor kommt auch darin bestens zur Geltung.

Gestatten: Wolfgang Amadeus Mozart

Im deutschen Fernsehen wurden „Monty Python’s Flying Circus“-Episoden erstmals 1971 ausgestrahlt. Die vollständige Serie zeigte der NDR ab 1991. Deutsch synchronisiert wurde sie allerdings erst 1998 vom Privatsender Sat.1. Nun hat capelight pictures alle 45 Folgen in eine formschöne Box mit sieben Blu-rays beziehungsweise elf DVDs gepackt. Vier ansprechend layoutete Digipacks im Schuber befinden sich ihrerseits in einem großen Schuber.

Adäquate Bild- und Tonqualität

Bild und Ton der Serie sind in England ansprechend restauriert worden, wobei zu beachten ist, dass wir es mit einer Fernsehserie zu tun haben. Das bringt ein paar Einschränkungen mit sich, etwa schwarze Balken links und rechts. Sollte uns das nicht zu denken geben? Ich meine: Nein! Bei einer englischen Fernsehserie der späten 60er und frühen 70er ist keine brillante technische Qualität zu erwarten, und in diesen Grenzen können wir sehr zufrieden sein. Da ich in puncto Bild- und Tonqualität nicht der größte Experte bin, verweise ich auf die nicht nur diesbezüglich sehr kompetenten Ausführungen von Timo Wolters auf seinem Portal Blu-ray-Rezensionen.net. Gutgetan hat die Restaurierung definitiv auch Terry Gilliams Animationssequenzen.

Pfefferstreuer unter sich

Die deutsche Synchronisation ist seinerzeit durchaus sorgfältig produziert worden, aber britischen Humor genießt man vorzugsweise im Originalton. Dafür braucht’s bisweilen auch bei soliden Englischkenntnissen ein wenig Unterstützung in Form von Untertiteln, und die liefert die capelight-pictures-Veröffentlichung erfreulicherweise sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache (ich bevorzuge englische, weil sie mich weniger ablenken). Einige in Deutschland bislang nicht gezeigte Szenen oder Erweiterungen vervollständigen die Folgen, sie kommen allerdings unsynchronisiert daher. So oder so ein Pluspunkt gegenüber den unvollständigen deutschen Veröffentlichungen der Serie 2007 und 2009.

Üppige Boni

Im Bonusmaterial finden sich sehr amüsante Outtakes mit verpatzten Szenen vom Dreh, die bislang zumindest in Deutschland noch nicht zu sehen gewesen sind, dazu erweiterte Szenen und ein paar zusätzliche Gimmicks. In einem fünfminütigen, bereits bei YouTube platzierten Video sehen wir Terry Gilliams Reaktion, als er erstmals restaurierte Szenen der Serie zu sehen bekommt. Auch außerhalb der 45 Episoden gibt es somit viel zu entdecken.

Vorsicht vor der spanischen Inquisition!

Soll ich auch etwas meckern? Na gut, aber nur aus Chronisten- beziehungsweise Rezensentenpflicht, denn diese schöne Box hat kein Gemecker verdient. Gefreut hätte ich mich über die beiden deutschen Folgen „Monty Python’s Fliegender Zirkus“, 1972 produziert unter anderem von Alfred Biolek, der sich auch vor der Kamera die Ehre gibt. Vielleicht konnte capelight sie schlicht nicht lizenzieren. Oder das Label hat sie als Easter Eggs auf einer der Discs verborgen, und ich habe sie nicht entdeckt (keiner Scherz, das glaube ich nicht). Über ein Booklet hätte ich mich gefreut, aber das ist nun Jammern auf ganz hohem Niveau.

Im Gedenken an Graham Chapman und Terry Jones

Abschließend könnte man noch ausschweifend darüber berichten, was nach Monty Python kam, etwa über die Kinofilme wie „Die Ritter der Kokosnuss“ (1975) und „Das Leben des Brian“ (1979), die das Team verantwortete, die wunderbare Komödie „Ein Fisch namens Wanda“ (1988) mit John Cleese, Michael Palin, Jamie Lee Curtis und Kevin Kline sowie die famose Regisseurs-Filmografie von Terry Gilliam („Jabberwocky“, „Time Bandits“, „Brazil“, „König der Fischer“, „12 Monkeys“, „The Man Who Killed Don Quixote“ und und und …). Zwischen 1974 und 2014 entstanden obendrein fünf Bühnenshows der Truppe. Aber all das genauer zu beleuchten, würde den Rahmen dieses Textes sprengen, daher möchte ich mit dem Hinweis auf einen der letzten Auftritte von Graham Chapman schließen: Im Video des Songs „Can I Play with Madness?“ (1988) von Iron Maiden spielt er einen Lehrer. Chapman starb 1989, sein Monty-Python-Kollege Terry Jones folgte ihm 2020. Die beiden mögen in Frieden ruhen. Two down, four to go.

Sogar die Supermen staunen vor den Fähigkeiten des Bicycle Repair Mans

Alle Episoden im Überblick:

1. Staffel 1969

01/01. Whither Canada? (Quo vadis, Kanada?)
02/02. Sex and Violence (Sex und Gewalt)
03/03. How to Recognise Different Types of Trees from Quite a Long Way Away (Wie man verschiedene Baumarten von ziemlich weit weg erkennt)
04/04. Owl-Stretching Time (Wie man Eulen streckt)
05/05. Man’s Crisis of Identity in the Latter Half of the 20th Century (Die Identitätskrise der Menschen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts)
06/06. It’s the Arts (or: The BBC Entry for the Zinc Stoat of Budapest) (Es ist Kultur)
07/07. You’re No Fun Anymore (Du verdirbst mir den ganzen Spaß!)
08/08. Full Frontal Nudity (Vollkommen hüllenlos)
09/09. The Ant, An Introduction (Ameisen: Eine Anleitung)
10/10. Untitled (Folge 10)
11/11. The Royal Philharmonic Orchestra Goes to the Bathroom (Das Royal Philharmonic Orchestra geht aufs Klo)
12/12. The Naked Ant (Spektrum)
13/13. Intermission (Kurze Unterbrechung)

2. Staffel 1970

01/14. Face the Press (or: Dinsdale!) (Im Angesicht der Presse)
02/15. The Spanish Inquisition (Spanische Inquisition)
03/16. Déjà Vu (or: Show 5) (Heiß)
04/17. The Buzz Aldrin Show (Die Buzz-Aldrin-Show)
05/18. Live from the Grill-O-Mat (Live aus der Grill-O-Mat-Snackbar)
06/19. It’s a Living (or: School Prizes) (Ein Job wie jeder andere)
07/20. The Attila the Hun Show (Die Attila-der-Hunne-Show)
08/21. Archaeology Today (Programmvorschau)
09/22. How to Recognise Different Parts of the Body (Wie man diverse Körperteile richtig identifiziert)
10/23. Scott of the Antarctic (Bonjour)
11/24. How Not to Be Seen (Chinesisch für Werbekaufmänner)
12/25. Spam (Der schwarze Adler)
13/26. Royal Episode Thirteen (Die königliche Folge)

3. Staffel 1972

01/27. Whicker’s World (or: Njorl’s Saga) (Die Interviewer-Insel)
02/28. Mr. and Mrs. Brian Norris’ Ford Popular (Der Kon Tiki)
03/29. The Money Programme (Folge 29)
04/30. Blood, Devastation, Death, War and Horror (Folge 30)
05/31. The All-England Summarize Proust Competition (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit)
06/32. The War Against Pornography (Der Kampf gegen die Pornografie)
07/33. Salad Days (Lemon Curry)
08/34. The Cycling Tour (Die Fahrradtour)
09/35. The Nude Organist (or: The Nude Man) (Nackte Tatsachen)
10/36. E. Henry Thripshaw’s Disease (Der Ritt zum Podensee)
11/37. Dennis Moore (Dennis Moore)
12/38. A Book at Bedtime (Das Buch zum Einschlafen)
13/39. Grandstand (or: The British Showbiz Awards) (Grandstand)

4. Staffel 1974

01/40. The Golden Age of Ballooning (Das Goldene Zeitalter der Ballonfahrt)
02/41. Michael Ellis (Michael Ellis)
03/42. The Light Entertainment War (Krieg der leichten Unterhaltung)
04/43. Hamlet (Hamlet)
05/44. Mr. Neutron (Mr. Neutron)
06/45. Party Political Broadcast (Parteipolitisches)

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Terry Gilliam haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Is’ aber albern!

Veröffentlichung: 26. März 2021 als Blu-ray-Box (7 Blu-rays) und DVD-Box (11 DVDs), 12. November 2009 als 17-DVD 40th Anniversary Boxset (mit den Filmen „Monty Python’s wunderbare Welt der Schwerkraft“, „Die Ritter der Kokosnuss“, „Das Leben des Brian“ und „Der Sinn des Lebens“), 20. März 2007 als 7-DVD Edition Digipack Complete Series 1–4

Länge: 22 Std. & 13 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Monty Python’s Flying Circus
GB 1969–1974
Regie: Ian MacNaughton (44 Episoden, 1969–1974), John Howard Davies (4 Episoden, 1969)
Drehbuch: Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin (jeweils 45 Episoden, 1969–1974), Neil Innes (2 Episoden, 1974), Douglas Adams (1 Episode, 1974)
Besetzung: Graham Chapman, John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin, Carol Cleveland
Zusatzmaterial: bisher ungesehene Outtakes, erweiterte Szenen und Sketche, auf ihre ursprüngliche Länge gebrachte und restaurierte Sketche, seltene Promo-Filme
Label 2021: capelight pictures
Vertrieb 2021: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2009 & 2007: Sony Pictures Entertainment

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot mit Inhalt: © 2021 capelight pictures

 
 

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