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Zum 100. Geburtstag von Blake Edwards / Blake Edwards (VI): Sunset – Dämmerung in Hollywood: Ein vollkommener Film? Ja – mehr oder weniger

26 Jul

Sunset

Von Tonio Klein

Drama // Vielleicht hätte Blake Edwards der Witz gefallen, in dem der Novize gefragt wird, warum er katholischer Priester werden möchte. „Och, wissen Sie, mein Großvater war Priester, mein Vater war Priester …“ Ähnlich leidenschaftslos wurde Edwards, am 26. Juli 1922 als William Blake Crump in Tulsa (Oklahoma) geboren … nein, nicht Regisseur, nicht Drehbuchautor, sondern zunächst Filmschauspieler. Es bot sich an, weil Blakes Stiefvater Jack McEdward der Sohn eines Stummfilmregisseurs war, von dem sich dann auch der Nachname Edwards ableitet: J. Gordon Edwards. Dieser war zwar schon 1925 verstorben, aber auch Jack McEdward bekam ab den 1930er-Jahren als Regieassistent einen Fuß in die Hollywood-Tür, sodass Blake halt im Filmmilieu aufwuchs und es dort als Schauspieler versuchte, weil es eben möglich war. Ein künstlerischer Drang war da zunächst überhaupt nicht, es ging um reinen Broterwerb.

Edwards buk kleine Brötchen. Ab 1942 trat er in oft ungenannten Winzrollen auf; dies aber immerhin manchmal in großen Werken großer Meister. Wer weiß zum Beispiel heute noch, dass der Mann in William Wylers zu Recht hochgelobtem und Oscar-überschütteten Kriegsheimkehrerdrama „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946) der Soldat ist, der in der dritten und vierten Minute am rechten Bildrand die Heimflüge für die Kameraden koordiniert? Seinen einzigen gewichtigen Part hatte er im interessanten B-Grusler „Strangler of the Swamp“ (1946), ein Remake des deutschen Ausnahmefilmes „Fährmann Maria“ (1936). Regie führte beide Male Frank Wisbar, und trotz erkennbar geringen Budgets konnte er auch in der späteren US-Version die eigenwillige, somnambule Todesromantik zum Ausdruck bringen, die das Original – zumal in der NS-Zeit – so einzigartig gemacht hatte.

Darsteller – Autor – Regisseur

Edwards war selbst nicht von seinen darstellerischen Leistungen überzeugt und mutmaßte, die Regisseure hätten gespürt, dass er lieber selbst gestalten statt gestaltet werden wollte. Das konnte er dann auch – über den Umweg des Schreibens. 1993 erhielt er den Preston Sturges Award, was ihn mit Stolz erfüllte, weil dieser Lebenswerk-Preis nicht jährlich vergeben wird und weil man sich für die Verleihung nur qualifiziert, wenn man gleichermaßen als Autor wie als Regisseur in Erscheinung getreten ist. Dies traf für den Namensgeber Preston Sturges sowie den vormaligen Preisträger Billy Wilder zu, und ja, mit diesen beiden in eine Reihe gestellt zu werden, das ist schon eine Auszeichnung! Und es passt, wobei alle drei das Etikett „Komödienregisseur“ nur unzureichend beschreibt. Edwards jedenfalls trat als Drehbuchautor erstmals (zusammen mit John C. Champion) bei einem Western in Erscheinung, in dem er auch (im Vorspann an fünfter Stelle) mitspielte: „Der Rächer von Texas“ (1948). Es folgten Arbeiten für Radio, Fernsehen und schließlich Kino, wobei der Regisseur Richard Quine sein Mentor wurde. Drehbuch gemeinsam, Regie Quine – so entstand ab 1952 eine Reihe von B-Komödien, aber auch der Film noir „Auf gefährlicher Straße“ (1954), jeweils mit Mickey Rooney. Die Komödien waren gelegentlich gleichzeitig Musicals, wie auch Edwards’ erste Kinoregie „Bring Your Smile Along“ (1955), in der er sich den Drehbuchcredit noch mit Quine teilte.

Aufstieg – Abstieg – Comeback

Bis einschließlich 1964 ging es nicht nur, aber auch mit Komödien steil bergauf, ab 1965 waren seine Filme aber an der Kasse nur akzeptabel oder gar eine Katastrophe. Unter unglücklichen Umständen floppte sein Big-Budget-Musical „Darling Lili“ (1970), und nach zwei vom Studio verstümmelten Folgefilmen war er in Hollywood eine Unperson (siehe hierzu meinen Artikel in 70 Millimeter #2 – April 2022). Mit drei kostengünstigen und immens erfolgreichen Filmen um den schon 1963 aus der Taufe gehobenen trotteligen Inspektor Clouseau (Peter Sellers) meldete er sich aus England zurück und war auch nach dem gering budgetierten Hollywood-Erfolg „Zehn – Die Traumfrau“ (1979) dort wieder „bankable“. Es ist aber wichtig zu wissen, dass er seinen Zwist mit Hollywood nie vergessen hatte und noch in zwei Filmen gallig verarbeitete: Sowohl in „S.O.B. – Hollywoods letzter Heuler“ (1981) als auch in dem Film, um den es nun gehen wird, ist der Böseste stets der Studioboss, worauf auch Robert Lorenz in seinem wunderbaren Buch „Traumafabrik – Hollywood im Film“ (2021) hinweist.

Nun zu „Sunset“

Wir befinden uns im Jahre 1988. Bruce Willis hatte noch (schüttere) Haare, das unverschämteste Grinsen seit Clark Gable, und dass man durch seine Hand(feuerwaffen) eher schnell als langsam starb („Stirb langsam“ ist eine der größten deutschen Titelsünden), sollte erst wenig später sein Image prägen. Noch war er der Sonnyboy aus einem erneuten Blake-Edwards-Comeback, der Erfolgskomödie „Blind Date – Verabredung mit einer Unbekannten“ (1987). Mit dieser im Nacken erschließt sich die nachfolgende Zusammenarbeit „Sunset“ nicht leicht. Hollywood 1929 – der Film-Cowboy Tom Mix (Bruce Willis) soll den legendären Marshal Wyatt Earp verkörpern und bekommt den realen Earp (James Garner) als Berater verpasst. Die beiden Männer freunden sich an und geraten in eine mörderische Intrige hinter den Kulissen. Auf den ersten Blick nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein prächtiger Ausstattungsfilm, der sehr schön anzusehen ist und unter anderem Blake Edwards’ in vielen Filmen offenbare Leidenschaft für prächtige historische Automobile erkennen lässt.

Ein paar Merkwürdigkeiten fallen auf. Dass der Film die Historie höchst ungenau nimmt, weiß natürlich niemand besser als Edwards selbst. „Chaplin ist total für den Tonfilm“, so blöd kann man gar nicht sein, dass so ein Satz aus Versehen reinrutscht (exakt das Gegenteil ist wahr). Bei „Willkommen zur ersten Oscarverleihung“, als die Academy Awards diesen Spitznamen noch gar nicht hatten, vermute ich indes eine Blödheit der Synchronisation, dies nur am Rande. Aber vieles ist eben absichtliche Unbekümmertheit, so wie das offensichtliche Altersproblem. Der reale Wyatt Earp ist 1929 im Alter von 80 Jahren verstorben; der damals sechzigjährige James Garner spielt ihn wie einen noch sehr agilen Mann, der nicht älter wirkt als der Darsteller.

Letztlich steckt in allem aber ganz viel Hintersinn.

Oberflächenreize und Hintergedanken

Das geht schon bei den Credits los, zu denen wir scheinbar einen prächtigen Western sehen. Spätestens, wenn Tom Mix heroisch auf dem Pferd, aus Untersicht fotografiert, in die Szenerie einreitet, ist der Kitsch so überhöht, dass es ein parodistischer Fake sein muss, und das ist es dann ja auch – es wird ein Film gedreht. Interessanterweise heißt es gerade in dem Moment „Schnitt“, in dem der Held nicht nur die gerettete Schönheit umarmt, sondern die Hand auch beim Gesäß der Dame angekommen ist. Mehr ging nicht. Aber was hinter den Kulissen alles abgeht …

Georg Seeßlen kritisiert in einem ansonsten brillanten Edwards-Essay milde, der Regisseur löse Reibungen in Wohlgefallen auf, weil Earp und Mix sich sehr gut verstehen, gar einander sehr ähnlich sind. Das ist meines Erachtens aber keine Verwässerung. Realität und Legende verschwimmen, so wie schon zu Earps Glanzzeiten die Legende die Wirklichkeit überlagert hatte. Der berühmte Gunfight at the O. K. Corral hatte nur 30 Sekunden gedauert und klebte dem Marshal lebenslang an der Backe. In „Sunset“ erinnert sich Earp in Zeitlupe daran, dass die Aktion gewalttätiger war als die Platzpatronen-Nachstellung, wohingegen eine echte westernartige Schießerei später erstaunlich schnell vorbei ist. Earp behauptet, schon im realen wilden Westen getrickst zu haben, gibt dann auch in der 1929er-Handlung vor, eine Waffe zu haben, wenn er sie nicht hat. Und Tom Mix kann mit dem Stiel eines Wischmopps suggerieren, eine Schrotflinte zu tragen. Die angebliche Lesbierin Cheryl (Mariel Hemingway, Enkelin des großen Schriftstellers) ist in Wahrheit keine, der Studioboss Alperin (Malcolm McDowell) mit Chaplin-artiger Komikervergangenheit ist ein monströs sadistisches Schwein, die Bullen sind korrupt (was Edwards noch nicht wissen konnte: M. Emmett Walsh in der Rolle des Studio-Polizeichefs sieht wie Harvey Weinstein aus). Und so weiter. Realität und Fiktion werden brutalstmöglich vermengt, und „Filmfehler“ zu suchen, bringt gar nichts. Wir können diesem Film schlicht nicht trauen und sehen gerade dadurch umso genauer. Das ist schon eine große Leistung.

Gesprengte Genregrenzen

Am Film mag zunächst verstören, dass er sich jeder Einordnung verweigert. Edwards trug das Komödienetikett, die vormalige Willis-Zusammenarbeit war eine Komödie, auch „Sunset“ ist nicht gagfrei und zudem ein Buddy Movie. Aber die – auch durch die Vermarktung geschürte – Erwartung einer reinen Komödie wird nicht erfüllt. Eddie Murphy hatte über Walter Hills „Nur 48 Stunden“ (1982) einmal sinngemäß gesagt: Wer eine Komödie erwartete, fand ihn viel zu blutig, und wer einen Thriller erwartete, habe sich halbtot gelacht. „Sunset“ hat ein paar unerwartet blutige Gewaltspitzen und in der Figur Alperins eine sagenhaft sadistische Gemeinheit. An der Kasse und bei der Kritik klappte das, vorsichtig gesagt, lange nicht so gut wie bei Walter Hill. Der Film wurde ein Megaflop und vor allem in den USA überwiegend verrissen. Miss Hemingway wurde sogar für die Goldene Himbeere nominiert. Warum nur so viel Häme? „Sunset“ ist auf den zweiten Blick gar nicht so untypisch für Edwards.

Selbst seine lustigsten Filme haben einen brutalen und bösen Witz, mit dem der Mann kein gutes Haar an der (meist kalifornischen) Spaßgesellschaft lässt, deren Oberflächlichkeiten und Partys er zwar scheinbar zelebriert, dabei aber gnadenlos zerlegt. Inspector Clouseau (Peter Sellers) bemüht sich allzu erfolglos, im Jet-Set und bei den schönen Damen zu reüssieren, am deutlichsten wohl in Teil 1 („Der rosarote Panther“, 1963), wenn er bei Claudia Cardinale nicht landen kann und von der schönen Filmgattin (Capucine) gnadenlos betrogen und hereingelegt wird. Aber auch „Der rosarote Panther kehrt zurück“ (1975) lässt ihn bei einer Schönheit abblitzen, und der Witz ist auch körperlich so brutal wie im Slapstick-Stummfilm, dem Edwards immer verbunden war. Im genannten Panther-Sequel findet sich ein Running Gag, dass einem schmierigen Kleinganoven nach und nach alle Finger gebrochen werden. In dem schönen, auch kindertauglichen „Das große Rennen rund um die Welt“ (1965) ziehen sich Professor Fate (Jack Lemmon) und ein Zeitungsredakteur immer absurdere Verletzungen zu. In „Skin Deep – Männer haben’s auch nicht leicht“ (1989) stolpert John Ritter von einer Katastrophe in die nächste, wobei nicht nur sein Haus abgefackelt, sondern auch sein Körper in Mitleidenschaft gezogen wird. Und der indische Kleindarsteller (Peter Sellers) in „Der Partyschreck“ (1968), einem wirklich saukomischen Film, ist im Grunde ein armer Tropf, der nur dazugehören will – vergeblich. Da passt es, wenngleich ohne Komik gezeigt, dass sich ein korrupter Bulle in „Sunset“ eine blutige Nase holt (und auch am Ende blutüberströmt abtritt). Und dass ein als fieser Gangsterboss angekündigter Mann sicherlich kein Lämmchen ist, aber auch nicht so ein Schwein, wie man es erwarten könnte. Diese Rolle ist eben für Studioboss Alperin reserviert, den der als Sadist Alex in Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“ (1972) berühmt gewordene Malcolm McDowell natürlich perfekt verkörpert.

Hätte „Sunset“ Raymond Chandler gefallen?

Edwards zeigt, was deutlich, aber für sich genommen noch nicht künstlerisch herausragend ist, Hollywood als verlogenen Luxuspuff – aber er zeigt eben auch, dass wenig so ist, wie es scheint. Und dieses Diffuse überträgt er auf die Gestaltung. Ist in den Film zu viel hereingepackt? Das Disparate ergibt schon Sinn. Der Film ließe sich als Komödie, Thriller und Drama mit Westernelementen bezeichnen – und zudem als extrem verworrene Detektivgeschichte à la Raymond Chandler. Ein Schriftsteller, der übrigens auch sein Hühnchen mit Hollywood zu rupfen und seine gemischten Erfahrungen als Co-Autor von Billy Wilders „Frau ohne Gewissen“ (1944) im Marlowe-Roman „Die kleine Schwester“ (1949) verarbeitet hatte. In bester Chandler-Manier wird an Earp eine Bitte à la „Finden Sie diese Person, sie hat nämlich – oder auch nicht …“ herangetragen, und dann geht’s wie beim Schriftsteller vom Höcksken aufs Stöcksken, bis man die Puzzleteile kaum noch ordnen kann. Das ist ein Film der Unordnung! Wer der Detektivhandlung in allen Einzelheiten folgen will, hat ganz schön was vor. Aber das „Wer will was von wem warum woraus?“ ist tausendmal interessanter als ein Zivilrechtsgutachten, welches auch immer von dieser Frage ausgeht, indes nicht auf eine dahinterliegende Ebene blickt.

Kann man gleichzeitig zelebrieren und kritisieren? Ja!

Wenn Edwards Hollywood den Stinkefinger zeigt, aber auch in frecher Sorglosigkeit unterhalten will, wandelt er stets auf schmalem Grat, auch in „Sunset“. In dem Film finden sich aber genug Perlen, um ihm das nicht nur durchgehen zu lassen, sondern den Regisseur wieder einmal zu lieben, auch wenn (oder sogar: weil) man den Film uneinheitlich, inakkurat, überladen findet. Dass Edwards weiß, was er da tut, wird jedenfalls klar. Er erweist nicht nur in diesem Film dem Stumm- und frühen Tonfilm seine Reverenz; man kennt beispielsweise auch seine Liebe zu Laurel und Hardy, denen „Das große Rennen rund um die Welt“ sogar gewidmet ist (was man am Verhalten der beiden Protagonisten zudem bemerkt). Auch in „Sunset“ finden sich noch jenseits des Offensichtlichen Anspielungen und Reverenzen. Der Abspann nennt als vorkommende Rollen „Roscoe Arbuckle“ und „Douglas Fairbanks“ – zwei Stummfilmstars, von denen der erste einen Skandal heraufbeschworen hatte, bei dem er zwar vom Vergewaltigungsvorwurf freigesprochen worden war (manche meinen, zu Unrecht), aber deutlich wurde, was die Filmleute für ein Lotterleben führten. Über ein paar Gliederketten hatte die Affäre zu den harten Zensurbestimmungen („Production Code“) geführt, die 1930 erlassen und ab Mitte 1934 durchgesetzt wurden. Es findet selbstredend jenseits des damals wirklich berühmten Tom Mix jede Menge Namedropping statt. So wird einmal Janet Gaynor genannt, nicht einfach nur ein Stummfilmstar, sondern eine, die später in „Ein Stern geht auf“ (1937) in einem für seine Zeit sehr hellsichtigen und gnadenlosen Film über Aufstieg, Fall und Drogen (dort Alkohol, etwas anderes durfte nicht thematisiert werden) in Hollywood zu sehen war. Und – da mag man auch an den späteren „L.A. Confidential“ (1997) denken – in einem Club verkleiden sich die „Bedienungen“ (die wohl nicht nur Drinks anbieten) als Filmstars. Wir bekommen „Greta Garbo“ zu sehen, eindeutig als Garbo-Imitat erkennbar, aber unter der Schminke zu schrill und zu abgetakelt. „Sunset – Dämmerung in Hollywood“, oftmals in prächtigen Farben und Kostümen daherkommend, zeigt alles von der schillernden Welt – Westernlandschaften, Clubs, die ihren Bordellcharakter kaum tarnen –, dekonstruiert sie aber auch. Wie gesagt, Edwards hatte Hintersinn, ließ aber nicht von den Oberflächenreizen ab, das mag nicht überall gut ankommen. Aber es überzeugt; jedenfalls mich.

Eher mehr als weniger gelungen

Warum manche meinen, James Garner sei schauspielerisch der einzige Lichtblick, vermag ich nicht recht nachzuvollziehen. So gibt es auch diverse interessante Frauenrollen mit Tragik unter dem Schönen, Schrillen oder auch Maskenhaften wie bei Alperins leidgeplagter Frau Christina (Patricia Hodge). Und Bruce Willis am Anfang seiner Karriere – man kann ihn als Actionhelden lieben oder auch bedauern, dass er wenig später hauptsächlich in diesem Fach zu sehen war. In der Rolle des Tom Mix passt das Spitzbübisch-Machohafte mit Augenzwinkern einfach perfekt, statt aufgesetzt und stereotyp zu sein. Und so darf der Held am Ende in den Sonnenuntergang reiten, in dem das Bild einfriert und die Farben – was bei diesem Film schon ein Kunststück ist – noch satter und überzeichneter sind als zuvor. „Ist das eigentlich alles wirklich so gewesen?“ – „Ja – mehr oder weniger“ (engl. „Give or take a lie or two“). Ein Running Gag, im Dialog zwischen Tom und Wyatt. Auch der Film sagt am Ende, so habe sich das alles wirklich ereignet – mehr oder weniger. Und so ist eben die Hollywood-Welt – mehr oder weniger. Ein unterschätzter Film, keine Zumutung, sondern einer, der uns etwas zumutet und dabei auch noch unterhält. Was will man mehr?

Abspann – Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Blake Edwards drehte hiernach noch drei Kinofilme und führte Regie bei einer Broadway-Aufzeichnung für das Fernsehen. Nach Sam Wassons hervorragender Edwards-Monografie „A Splurch in the Kisser – The Movies of Blake Edwards“ (2009) zeigen „Skin Deep – Männer haben’s auch nicht leicht“ (1989) und „Switch – Die Frau im Manne“ (1991) des Regisseurs Rückkehr zu seiner ganzen Größe. Auch in diesen Filmen um Krisen mit der geschlechtlichen Identität (ein zwang- und krisenhafter Frauen„held“ in „Skin Deep“, ein als Frau wiedergeborener Macho in „Switch“) mischt Edwards die Genres. Während „Skin Deep“ die gewohnte Boshaftigkeit über seine Gags träufelt, ist „Switch“ am Ende von einer tragikomischen Warmherzigkeit, die man vom Meister eher selten sah. Ob nicht nur seine Hauptfigur, sondern auch er endlich eine Erlösung gefunden hatte? Es folgte noch ein Clouseau ohne Peter Sellers („Der Sohn des rosaroten Panthers“, 1993), was nie so ganz gelingen kann. Und eine Arbeit mit seiner langjährigen Ehefrau Julie Andrews, die er seit dem Kennenlern-Film „Darling Lili“ häufig mitspielen ließ. Als Andrews in der Broadway-Version des vormaligen gemeinsamen Musicalfilms „Victor/Victoria“ (1982) auftrat, ließ sich der Gatte nicht nehmen, 1995 die Regie der Aufzeichnung zu führen. Damit enden die Eintragungen seines Schaffens, aber er lebte noch viele Jahre. Der Mann, der auch in seinen lustigsten Filmen nahezu immer das Thema Tod behandelte, starb am 15. Dezember 2010 an den Komplikationen einer Lungenentzündung im Saint John’s Health Center in Santa Monica, Kalifornien. Wobei es auch schön und vor allem zu seinem Leben und Werk passen würde, wenn es ihm wie einem Mann in einem seiner Frühwerke gegangen wäre. Dieser hatte sich nämlich totgelacht. Zum Totlachen, aber noch zu viel mehr gereicht das Werk Blake Edwards’. Damaliger Filmtitel übrigens: „He Laughed Last“ (dt.: „Big Dans Vermächtnis“, 1956). Es sei auch dem Regisseur gewünscht.

Die deutsche DVD von „Sunset – Dämmerung in Hollywood“ ist längst vergriffen, dafür sind die Streaming-Angebote zahlreich. Meine Version stammt von Amazon Prime, bei der man indes auf Extras, Untertitel und den englischen Originalton verzichten muss. Wer zur Investition von ca. 25 Euro (Amazon, 19. Juli 2022) bereit ist, bekommt zwar ebenfalls keine Extras, aber zahlreiche Sprachfassungen und Untertitel. Wer ohne den deutschen Ton auskommt und über einen Codefree-Player verfügt, kann auf dem US-Markt die „Bruce Willis Collection – 8 Movie Set“ erwerben, auf der sich neben „Sunset“ die folgenden Filme finden: „Hudson Hawk – Der Meisterdieb“ (1991), „Keine halben Sachen“ (2000), „Tödliche Gedanken“ (1991), „Verführung einer Fremden“ (2007), „Der Schakal“ (1997), „Das Mercury-Puzzle“ (1998) und „Alpha Dog – Tödliche Freundschaften“ (2006). Eine würdige Blu-ray-Veröffentlichung von „Sunset“ existiert weder in Deutschland noch in den USA.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Blake Edwards haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit James Garner, Malcolm McDowell und Bruce Willis unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 5. November 2002 als DVD

Länge: 103 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch, Portugiesisch, Spanisch, Italienisch
Originaltitel: Sunset
USA 1988
Regie: Blake Edwards
Drehbuch: Blake Edwards, nach einer Story von Rod Amateau
Besetzung: Bruce Willis, James Garner, Malcolm McDowell, Mariel Hemingway, Kathleen Quinlan, Patricia Hodge, Jennifer Edwards
Zusatzmaterial: Trailershow, 4-seitiges Booklet
Label/Vertrieb: Columbia Tristar Home Entertainment

Copyright 2022 by Tonio Klein
Packshot: © 2002 Columbia Tristar Home Entertainment, Filmplakat: Fair Use

 

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