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Archiv für den Monat Dezember 2021

Carne – Früher Kurzfilm von Gaspar Noé um einen Menschenfeind

Carne

Von Volker Schönenberger

Kurzfilmdrama // Erst wollte ich das Adjektiv „verstörend“ in der Überschrift dieses Textes unterbringen, doch dann fiel mir ein, dass es sich auf jeden Film von Gaspar Noé anwenden lässt – sei es sein erster Langfilm „Menschenfeind“ (1998), sein rückwärts erzähltes Vergewaltigungsdrama „Irreversibel“ (2002), das Liebesdrama „Love“ (2015) oder sein jüngster Film, das Demenzdrama „Vortex“ (2021). „Carne“ (zu deutsch: Fleisch) markierte 1991 Noés dritte Regiearbeit, seinen dritten Kurzfilm, und gab bereits einen Ausblick darauf, dass sich von dem 1963 in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires geborenen Filmemacher einiges erwarten lässt, nur kein Mainstreamkino.

Der Rossschlachter zieht seine Tochter …

Schon die ersten Bilder von „Carne“ sind angetan, ein ahnungsloses Publikum nachhaltig zu verstören – Vegetarier, Veganer und Pferdefreunde erst recht, denn wir bekommen in allen Einzelheiten die reale Schlachtung eines Pferdes zu sehen. Das Tier mag nicht eigens zum Zweck des Films getötet worden sein, sondern das Filmteam wird vermutlich einfach bei einer ohnehin geplanten Schlachtung mit der Kamera draufgehalten haben, gleichwohl wird das bei vielen Ablehnung und Abscheu hervorgerufen haben. Kurz darauf wird ein (menschliches) Baby entbunden, auch dies ist in aller Deutlichkeit zu sehen.

Von 1965 ins Jahr 1979

In 38 Minuten bekommen wir die Geschichte eines Pferdeschlachters und alleinerziehenden Vaters (Philippe Nahon) serviert. Die Handlung setzt überraschend exakt am Abend des 23. März 1965 ein, springt dann aber innerhalb von knapp fünf Minuten bis in den Januar 1979. Die Weihnachten 1965 geborene Schlachterstochter Cynthia (Blandine Lenoir) ist zur Teenagerin geworden, die kein Wort spricht und sich von ihrem Vater weiterhin duschen, waschen und abtrocknen lässt. Während ihr Vater seinem Handwerk nachgeht, sitzt sie meist vor dem Fernseher, während ein Kindermädchen auf sie aufpasst. Abends serviert er zum Essen vorzugsweise Pferdefleisch.

… recht freudlos auf

Der Fleischer bemerkt durchaus, dass seine Tochter langsam zumindest körperlich zur Frau wird. Ihn plagen Gelüste, doch er hält sich zurück. Eines Tages liefert ein Nachbar Cynthia mit einem Blutfleck auf dem Rock bei ihrem Vater ab, wohl von ihrer ersten Menstruation – sie hatte sich kurz zuvor in Krämpfen gewunden. Da der Nachbar berichtet, dass Cynthia von einem Arbeiter belästigt worden ist, rastet der Schlachter aus und lässt sich zu einem brutalen Akt der Gewalt hinreißen. Das besiegelt seinen mentalen und gesellschaftlichen Abstieg.

Vorläufer von „Menschenfeind“

Das Ende lässt uns unbefriedigt mit einem Aufbruch zurück (das gemeinhin positiv besetzte Wort Aufbruch mag hier nur unzulänglich passen). Aber das passt zu einem Kurzfilmdrama, das Gaspar Noé ohnehin nicht gedreht hat, um unseren Drang nach Unterhaltung zu befriedigen. Ob der Filmemacher von vornherein vorhatte, die Geschichte weiterzuerzählen? Er tat es jedenfalls acht Jahre später mit seinem Langfilmdebüt „Menschenfeind“, in welchem die drei zentralen Rollen des Metzgers, seiner Tochter und der späteren Freundin des Metzgers identisch besetzt wurden: mit Philippe Nahon, Horrorfreunden spätestens seit „High Tension“ (2003) ein Begriff, Blandine Lenoir und Frankie Pain.

Metzger und Menschenfeind

Gedankenspiel: Wie würde das Ergebnis aussehen, würde jemand Gaspar Noé einen Blankoscheck in die Hand drücken und ihn auffordern, nach seinem Gusto einen Wohlfühlfilm zu inszenieren? Würde er scheitern? Oder würde er von vornherein ablehnen? Jedenfalls dreht der Argentinier ganz offenkundig gern Filme, die das Gegenteils eines Wohlfühlfilms darstellen. „Carne“ ist natürlich ein solches Exemplar („Menschenfeind“ ebenfalls). Es ist unangenehm anzuschauen, wie sich die Geschichte um den missmutigen Metzger entwickelt. Er ist einfach ein Unsympath, dem Zärtlichkeit, Lebensfreude und Optimismus gänzlich abgehen. Was ihm widerfahren ist, das ihn so werden ließ, erfahren wir nicht (in „Menschenfeind“ ein wenig). Seine Wohnung ist auch nicht gerade anheimelnd eingerichtet. Noé wählt ab und zu ungewöhnliche Kameraperspektiven, was den garstigen Charakter dieser Charakterstudie betont. So sieht man in ein paar Einstellungen die Köpfe der Figuren nicht, da sie oben aus dem Bild herausragen. Alles wirkt durchdacht, so auch das Fernsehprogramm, mit dem sich Cynthia und ihr Vater berieseln lassen. Irgendein Prediger haut über die Glotze seine dogmatischen Lehren raus, und ein Maskierter namens „Carne“ kämpft gegen miese Gesellen. Sicher ist es auch kein Zufall, dass Noé hier ein Leben in bedürftigen Verhältnissen skizziert, etwas, das wir heute Prekariat nennen. Selbiges ist Nährboden für Misanthropie und deshalb auch nach 30 Jahren brandaktuell.

Famos: Philippe Nahon

Philippe Nahon trägt „Carne“ (wie auch „Menschenfeind“) als zentrale Figur, und das macht er ganz vorzüglich. Der Regisseur kann das markante Antlitz seines Hauptdarstellers völlig unbesorgt wiederholt in Großaufnahme ins Bild bringen, denn Nahon verkörpert den Misanthropen mit jedem Gesichtsmuskel. Nach 38 Minuten war ich erleichtert, diese finstere Seele verlassen zu können. „Carne“ feierte im Mai 1991 beim Film Festival in Cannes Weltpremiere und gewann dort den SACD Award als bester Kurzfilm. Im selben Jahr erhielt Noé auch den Prix Tournage bei Avignon Film Festival, 1992 dem International Fantasy Film Award beim Fantasporto. Philippe Nahon wurde im selben Jahr beim Clermont-Ferrand International Short Film Festival mit dem Darstellerpreis prämiert.

In der Mediathek von arte

„Carne“ kann bis zum 27. April 2022 in der Mediathek des deutsch-französischen Kultursenders arte angeschaut werden. Ein unangenehmes filmisches Erlebnis, so niederdrückend wie pessimistisch. Wer Kino nur als Unterhaltung – neudeutsch: Entertainment – begreift, wird seine Probleme damit haben (zugegeben: Die hatte ich ebenfalls). Aber als nicht nur auf wohliges Zurücklehnen erpichter Filmgucker mit breitgefächerten Interessen und dem Wunsch, auch abseitiges Kino zu entdecken, kommt man an Gaspar Noé nicht vorbei.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Philippe Nahon haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung (Frankreich): 18. Februar 2003 als DVD (im Bonusmaterial der „Menschenfeind“-Disc der Doppel-DVD „Irrevérsible / „Seul contre nous“ [„Menschenfeind“])

Länge: 38 Min.
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen arte-Stream: Französisch
Untertitel arte-Stream: Deutsch
Originaltitel: Carne
F 1991
Regie: Gaspar Noé
Drehbuch: Gaspar Noé
Besetzung: Philippe Nahon, Blandine Lenoir, Frankie Pain, Marie Berto, Hélène Testud, Frédéric Bodson, Roland Guéridon, Roger Lerain
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb DVD: Studiocanal Home Entertainment

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Filmplakat: Fair Use

 

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Aus der Mitte entspringt ein Fluss – Der perfekte Rhythmus

A River Runs Through It

Von Andreas Eckenfels

Am Ende fließen alle Dinge ineinander – und aus der Mitte entspringt ein Fluss…

Familiendrama // Manche Filme sind immer an mir vorbeigegangen. Auch wenn ich in der Jugendzeit schon Vielgucker war und alles verschlang, was gerade frisch in die Videothekenregale eingeräumt wurde. Lag es vielleicht an Brad Pitts perlweißem Lächeln, dass mich „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (1992) von Robert Redford als Teenager nicht interessierte? Denn mir fällt bei diesen Zeilen ein, dass ich „Legenden der Leidenschaft“ (1994) – ebenfalls mit Pitt – tatsächlich auch noch nicht gesehen habe, der ja eine ähnliche Geschichte über ungleiche Brüder im US-Bundesstaat Montana Anfang des 20. Jahrhunderts erzählt. Bei diesem Drama hatte mich auf jeden Fall immer diese perfekte Löwenmähne des ehemaligen Levi’s-Jeansmodels auf dem Kinoplakat beziehungsweise der VHS-Hülle vor einer Sichtung abgeschreckt, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt.

Schon als Kinder lernen Norman und Paul das Fliegenfischen

Glücklicherweise legte Brad Pitt sein Saubermann-Image kurz darauf mit „True Romance“ (1993), „Kalifornia“ (1993), „Sieben“ (1995) und „12 Monkeys“ (1995) zügig ab und stieg durch diese Rollen schnell in meiner Gunst. Für letztgenannten erhielt er seine erste Oscar-Nominierung, 2014 gewann er die Trophäe in seiner Funktion als Produzent von „12 Years a Slave“ (2013). 2020 nahm er dann den Goldbuben für seine Rolle als Stuntman Cliff Booth in Quentin Tarantinos „Once Upon a Time in Hollywood“ (2019) mit nach Hause.

Die Geschichte eines Lebens

Offenbar hatte Robert Redford das Starpotenzial von Brad Pitt schon frühzeitig erkannt, sonst hätte er ihn wohl kaum für seine dritte Regiearbeit engagiert. Er habe ihn ausgewählt, „weil er den Prototyp des idealen jungen Amerikaners verkörpern konnte, mit einer unterschwelligen dunklen Seite in der Art, wie die Figur die Welt wahrnimmt.“

Vater John ist streng, aber auch gütig

Bereits für sein Debüt „Eine ganz normale Familie“ (1980) gewann Robert Redford den Regie-Oscar – für seine schauspielerischen Leistungen sollte er diese Auszeichnung nie erhalten. Allerdings durfte der „Die drei Tage des Condor“-Star 2002 den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk in Empfang nehmen.

Vier Jahre nach „Milagro – Krieg im Bohnenfeld“ (1988) inszenierte Redford dann „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“, der bis heute als sein persönlichster Film gilt. Die Buchvorlage habe ihn „wie ein Pfeil getroffen“ als er sie 1980 erstmals las.

Redford bemühte sich frühzeitig um die Rechte des gleichnamigen autobiografischen Romans von US-Autor Norman Maclean, der 1976 zum Bestseller avancierte. Maclean war Professor für Englische Literatur an der Universität von Chicago, den Roman schrieb er im Ruhestand. Es benötigte große Überredungskunst, bis Maclean Redford schließlich die Zusage gab, seine Autobiografie adaptieren zu dürfen. Der Regisseur erklärte schon zum Kinostart: There are actually a lot of similarities between how I was raised and how Maclean was raised – especially involving the idea of reaching a state of grace through doing something perfectly. (Es gibt tatsächlich viele Gemeinsamkeiten in der Art und Weise wie ich aufgewachsen bin und wie Maclean aufgewachsen ist – besonders rund um den Gedanken, dass man einen Zustand der Gnade erreicht, wenn man etwas perfekt macht.) Die Verfilmung seines Lebens konnte Maclean allerdings nicht mehr sehen: Er starb 1990 im Alter von 87 Jahren, zwei Jahre bevor „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ in die Kinos kam.

In jeder freien Minute sind Norman (l.) und Paul am Blackfoot River

Eine ausführliche Auseinandersetzung rund um die Entstehungsgeschichte des Films findet sich im Booklet der Mediabook-Veröffentlichung von capelight pictures. Der Text stammt von dem französischen Filmjournalisten Marc Toullec und wurde von Fabian Stumm übersetzt, überarbeitet und ergänzt. Dazu gibt es einige stimmungsvolle Filmstills und Behind-the-Scenes-Fotos.

Zwei unterschiedliche Brüder

Norman Maclean wurde 1902 in Clarinda, Iowa geboren. 1909 zog die Familie nach Missoula, Montana. Die Filmhandlung setzt nicht viel später an diesem malerischen Ort am Blackfoot River ein. Die Brüder Norman, – als Kind gespielt von Joseph Gordon-Levitt („Snowden“) in seiner ersten Rolle, später von Craig Sheffer („Cabal – Die Brut der Nacht“, „Code of Honor – Rache ist sein Gesetz“) – und der jüngere Paul – zunächst Vann Gravage, dann Brad Pitt – werden von Vater John Maclean (Tom Skerritt), einem presbyterianischen Pastor, Zuhause unterrichtet. Dabei stehen nicht nur das Lesen und Schreiben auf dem Lehrplan, sondern der Vater gibt auch seine größte Leidenschaft an seine Söhne weiter: das Fliegenfischen.

Dass die Brüder ungleicher nicht sein könnten, wird schnell klar. Norman ist introvertiert, Paul der Wilde. Dennoch verstehen sie sich bestens. Im Herbst 1919 trennen sich ihre Wege. Während Norman am Darthmouth College in New Hampshire studiert, bleibt Paul in der Heimat und wird Lokalreporter. Sechs Jahre später kehrt Norman mit dem Abschluss in der Tasche zurück – seit seiner Abreise sieht er seinen Vater, seine Mutter (Brenda Blethyn) und Paul erstmals wieder. Die drei Männer verbringen weiter jede freie Minute am Blackfoot River. Norman hat das Angeln allerdings inzwischen verlernt, Paul hingegen seine Technik nahezu perfektioniert. Bei einer Feierlichkeit erweckt die attraktive Jessie (Emily Lloyd) Normans Interesse. Paul trifft Mabel (Nicole Burdette), Angehörige eines indigenen Volkes, was im Ort nicht sonderlich wohlwollend gesehen wird. Norman macht sich zunehmend Sorgen um seinen jüngeren Bruder. Auch wenn Paul nach außen hin seine Fröhlichkeit bewahrt, greift er immer häufiger zum Alkohol und hat mit Spielschulden zu kämpfen.

Glänzendes Lächeln

Von Filmbeginn an ist es klar, dass die Geschehnisse in der Vergangenheit liegen. Der alte Norman erzählt dem Publikum seine Familiengeschichte. In der Originalfassung ist es Robert Redford höchstpersönlich, der Norman als Off-Stimme spricht. Er verleiht der Erzählung eine gewisse beruhigende Aura, aus der sich ein bewegendes Familiendrama entwickelt, dass ohne große dramatische Überhöhung auskommt. Viele tragische Momente gibt es nicht, fast kann man sagen, die Handlung plätschert vor sich hin, wie der titelgebende Fluss dahinfließt. Was in diesem Fall aber nicht negativ gemeint ist.

Trotz vieler Probleme erhält Paul den Schein aufrecht

Denn „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ fesselt dennoch ungemein. Mit Redfords ersten Zeilen macht sich ein melancholisches Gefühl breit, als ob man auf ein weites Meer hinausblickt, die Gedanken schweifen lässt und nebenbei Normans Lebensgeschichte lauscht. Gespickt mit kleinen Lebensweisheiten, die nie belehrend wirken, benötigt Redford keine ausufernde Melodramatik, um große Gefühle zu erzeugen. Wenige Worte und das zurückhaltende Spiel der Darsteller genügen, um dem Zuschauer und der Zuschauerin zu vermitteln, wie es sein musste, Anfang des 20. Jahrhunderts am Blackfoot River zu stehen. Dazu die brillanten Naturbilder von Wald, Wasser und Wiesen für die der französische Kameramann Philippe Rousselot 1993 verdientermaßen den Oscar gewann.

„Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ entwickelt seinen eigenen Rhythmus, so wie Paul seinen eigenen perfekten Rhythmus beim Fliegenfischen findet und dadurch für einen kurzen Augenblick im Einklang mit „der Melodie der Natur“ steht. Er erlebt den Zustand der Gnade, dem nach Norman Maclean und Robert Redford jeder Mensch hinterherstreben sollte, damit er seine Erfüllung findet. Sei es als Fliegenfischer, Universitätsprofessor, Filmemacher oder einer anderen Berufung.

Norman will das Herz von Jessie erobern

Es ist schon fast tragisch, dass Redford nicht am echten Blackfoot River drehen konnte. Dafür war das Gebiet rund um den Fluss Anfang der 1990er-Jahre schon viel zu dicht besiedelt. Als Ersatzkulisse dienten der Gallatin River und die Stadt Livingston in Montana.

Dank der Neuveröffentlichung von capelight pictures konnte ich meine Filmlücke endlich schließen – und das sogar mit einer UHD-Scheibe mit hervorragender Bildqualität, welche neben der Blu-ray dem Mediabook von „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ beiliegt. Dadurch erstrahlt nicht nur der Fluss, sondern auch Brad Pitts Lächeln in vollem Glanz, was für mich nach diesem Filmgenuss gar nicht mehr so störend wirkt wie noch vor knapp 30 Jahren.

Alle als „Limited Collector’s Edition” von capelight pictures veröffentlichten Filme haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgelistet. Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Joseph Gordon-Levitt, Brad Pitt und von oder mit Robert Redford sind unter Schauspieler zu finden.

Veröffentlichung: 3. Dezember 2021 als limitiertes 2-Disc Mediabook (4K UHD Blu-ray & Blu-ray) und DVD, 19. September 2011 als Blu-ray, 21. Juni 2004 als DVD, 7. März 2000 als DVD

Länge: 124 Min. (Blu-ray), 119 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch
Originaltitel: A River Runs Through It
USA 1992
Regie: Robert Redford
Drehbuch: Richard Friedenberg, nach dem gleichnamigen Roman von Norman Maclean
Besetzung: Tom Skerritt, Brad Pitt, Craig Sheffer, Brenda Blethyn, Emily Lloyd, Edie McClurg, Joseph Gordon-Levitt, Stephen Shellen, Susan Traylor, Michael Cudlitz, Rob Cox
Zusatzmaterial 2021: Interviews mit Kameramann Philippe Rousselot und den Darstellern Tom Skerritt und Brenda Blethyn, Kinotrailer, entfallene Szenen; nur Mediabook: 24-seitiges Booklet mit einem Text von Marc Toullec
Label 2021: capelight pictures
Vertrieb 2021: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2004/2011: Universum Film
Label/Vertrieb 2000: MAWA/VCL

Copyright 2021 by Andreas Eckenfels

Szenenfotos, Trailer & unterer Packshot: © 2021 capelight pictures

 

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Die letzten Tage der Menschheit – Betörende Endzeitwirren

Les derniers jours du monde

Von Volker Schönenberger

SF-Endzeitdrama // Robinson (Mathieu Amalric) erwacht in Biarritz im Äußersten Südwesten Frankreichs an der Atlantikküste. Er schnallt sich eine Prothese um seinen rechten Armstumpf und verlässt das Gebäude (es ist das Haus seiner verstorbenen Eltern, wie wir bald darauf erfahren). Eine Katastrophe hat die Menschheit heimgesucht, wie aus bruchstückhaften Informationen deutlich wird. Bei der Buchhändlerin Ombeline (Catherine Frot) kauft Robinson ein Rezeptbüchlein, das viel Raum für Notizen bietet, den er nutzt, um seine Erinnerungen niederzuschreiben. Papier ist rar geworden.

Ein Jahr zuvor verbringt Robinson mit seiner Ehefrau Chloé (Karin Viard) und der gemeinsamen Tochter Mélanie (Manon Beaudoin) den Sommer in Biarritz. Er trifft auf Laetitia (Omahyra Mota), mit der er von jetzt auf gleich eine leidenschaftliche Affäre beginnt. Sie fordert ihn auf, sie Lae zu nennen. Für sie verlässt er seine Familie.

Romanverfilmung zweier Brüder

Die Brüder Arnaud und Jean-Marie Larrieu („21 Nächte mit Pattie“) haben mit „Les derniers jours du monde“ einen sonderbaren Genre-Hybrid inszeniert – nach ihrem eigenen Drehbuch, mit dem sie den gleichnamigen Roman von Dominique Noguez adaptierten. Anfangs wechselt die Handlung recht häufig zwischen der Gegenwart und der ein Jahr zurückliegenden Vergangenheit, was etwas Aufmerksamkeit abverlangt, auch wenn Robinsons rechte Hand und ihr Fehlen in der Hinsicht Orientierung bieten.

Robinson ist viel unterwegs, was dem Drama Züge eines Roadmovies verleiht. Er nimmt Lae nach Taiwan mit, wo er sie verliert und zurücklässt. Später verschlägt es ihn in den endzeitlichen Wirren nach Pamplona, wo er zufällig auf Ombeline trifft (nicht die einzige wenig glaubwürdige Begegnung). Die beiden erleben den Stierlauf der Sanfermines der Stadt und ziehen eine Weile gemeinsam weiter. Ein weiterer Rückblick zeigt Robinson und Lae in Kanada.

Viren, Terror, Atombomben

Die die Menschheit bedrohende Katastrophe und der Science-Fiction-Aspekt bilden einen flirrenden Hintergrund der Handlung. Bisweilen fällt Asche vom Himmel, das Grundwasser ist verseucht, Viren fordern zahllose Todesopfer, Terroranschläge geschehen, und in Moskau detoniert eine Atombombe. Dies erfahren wir en passant, ohne dass es spektakuläre Bilder von den Ereignissen zu sehen gibt. Der Fokus der Story bleibt letztlich stets bei Robinson und dem Beziehungsgeflecht, in das er sich begibt. Hier liegt leider auch der größte Schwachpunkt: Was Robinson an Laetitia und sie an ihm findet, erfahren wir nicht. Sie ist zwar reizvoll und sinnlich, aber die Anziehungskraft bleibt behauptet. Das ist zu wenig, denn sie treibt ihn immerhin voran. Das erschwert es, auf Robinsons Weg mit ihm mitzufiebern, zumal vage bleibt, weshalb er wohin fährt oder geht.

Sex im Zeichen der Apokalypse

Zumindest in Spanien und Frankreich ergeben sich die Menschen keineswegs in Panik der Apokalypse. Für einen Drink, ein gutes Essen und sogar einen Opernbesuch findet sich immer noch Zeit. Dekadent? Vielleicht. Auch sinnliches Begehren und Sex finden ihren Raum. Es sind attraktive Menschen, die Kameramann Thierry Arbogast („Léon – Der Profi“, „Das fünfte Element“) in betörenden Bildern einfängt. So entsteht ein unwirklicher Sog, der das Manko von Robinsons beliebig wirkenden Beziehungen locker wettmacht. Einiges bleibt rätselhaft, aber das erhöht den Reiz des Gesehenen.

Weltpremiere 2009 in Locarno

Das außergewöhnliche SF-Endzeitdrama wurde nach der Weltpremiere 2009 beim Locarno Film Festival im selben Jahr auch bei den Filmfestivals von Toronto, Sitges und Stockholm gezeigt, bekam in Deutschland aber offenbar keinen regulären Kinostart spendiert. Der deutsch-französische Kultursender Arte hat „Die letzten Tage der Menschheit“ im Sommer 2021 ausgestrahlt, motiviert vermutlich nicht zuletzt von der Corona-Pandemie. Eine deutsche Heimkino-Auswertung auf Blu-ray und DVD steht noch aus.

Veröffentlichung (Frankreich): 1. Januar 2012 und 25. Mai 2010 als DVD

Länge: 130 Min.
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Französisch
Untertitel: keine Angabe
Originaltitel: Les derniers jours du monde
Internationaler Titel: Happy End
F/SP 2009
Regie: Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu
Drehbuch: Arnaud Larrieu, Jean-Marie Larrieu, nach dem Roman von Dominique Noguez
Besetzung: Mathieu Amalric, Catherine Frot, Karin Viard, Sergi López, Clotilde Hesme, Omahyra Mota, Sabine Azéma, Pierre Pellet, Manon Beaudoin, Serge Bozon, Jacques Nolot, Baya Belal, Carl von Malaisé, Frédéric Vallet, Christophe Paou
Zusatzmaterial: keine Angabe
Label/Vertrieb: Wild Side Video

Copyright 2021 by Volker Schönenberger
Packshot: © Wild Side Video

 

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