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Archiv für den Monat Juli 2023

Tunnel der lebenden Leichen (um Neuveröffentlichung ergänzter Text)

 

Zum 75. Geburtstag von Jean Reno: Léon – Der Profi: Der Profikiller und das Waisenmädchen

Léon

Von Volker Schönenberger

Actionkrimi // Léon (Jean Reno) ist ein Profi. Mafioso Tony (Danny Aiello) von der Cosa Nostra New York Citys engagiert ihn gern, um rivalisierende Gangster aus dem Weg zu räumen. Das erledigt der wortkarge Auftragskiller mit stoischem Gleichmut und tödlicher Präzision (zu sehen in der überaus intensiven Actionsequenz zum Auftakt). Bei seinen Mordaufträgen verfährt er nach dem Prinzip „Keine Frauen, keine Kinder“ (wie wir etwas später erfahren). Ansonsten führt er ein einsames Leben, hat als Gesellschaft daheim lediglich eine Grünpflanze im Topf und trinkt vorzugsweise Milch. Schlafen tut er gern sitzend in seinem Sessel, mit Sonnenbrille für zusätzliche Dunkelheit.

In dem Appartementhaus, in welchem seine Wohnung liegt, lebt auf dem selben Stockwerk die zwölfjährige Mathilda Lando (Natalie Portman) mit ihrer dysfunktionalen Familie. Doch sie wird eines Tages unvermittelt zur Waise: Weil sich ihr nichtsnutziger Vater (Michael Badalucco) bei ihm anvertrautem Rauschgift bedient hat, um selbst etwas Geld zu machen, legt ihn der so korrupte wie psychopathische Drogenfahnder Norman Stansfield (Gary Oldman) um. Mit Mathildas Stiefmutter (Ellen Greene) und ihrer Halbschwester (Elizabeth Regen) kennen Stansfield und seine Spießgesellen keine Gnade, und selbst ihr heißgeliebter kleiner Bruder (Carl J. Matusovich) lässt im Kugelhagel sein Leben.

Killerausbildung gegen Leseunterricht

Mathilda rettet sich mit Müh und Not in Léons Wohnung. Weil sie zügig hinter seine Profession als gedungener Mörder kommt, treffen die beiden eine bizarre Vereinbarung: Mathilda bringt dem Analphabeten Léon Lesen und Schreiben bei und hilft im Haushalt, im Gegenzug vermittelt er ihr alle Kenntnisse, die man für ein Dasein als Profikillerin benötigt. Mathildas Ziel: die Mörder ihres kleinen Bruders zu töten.

Profikiller in New York City: Léon

In der Folge entwickeln die beiden eine überaus tiefgründige Beziehung zueinander (aufgrund einiger Szenen fast zu tiefgründig, wie ich weiter unten anhand der beiden Schnittfassungen andeute). Luc Besson inszeniert das sehr einfühlsam und er hat mit seiner Hauptdarstellerin und seinem Hauptdarsteller großes Glück. Natalie Portman beweist in ihrem Debüt bereits, wozu sie fähig ist. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war sie tatsächlich zwölf Jahre alt, und etliche Szenen scheinen für ein Kind an der Schwelle zum Teenagerdasein doch sehr heikel zu sein. Seien es Szenen, in denen Mathilda mit Waffen hantiert und Léon bei Mordaufträgen assistiert, seien es Momente, in denen sie ihn bewusst in Verlegenheit bringt, indem sie ihm ihre Liebe gesteht. Portmans Eltern wachten am Set mit Argusaugen über ihre Tochter, redeten auch beim Thema Zigaretten mit; Mathilda raucht zu Beginn des Films noch, gibt das aber im Verlauf auf, was dem Vernehmen nach Portmans Eltern ins Drehbuch schreiben ließen.

Plötzlich Waisenkind ebenda: Mathilda

Jean Reno wiederum gelingt das schwierige Unterfangen, in einem Film neben einem Kind zu bestehen (was die alte Regel widerlegt, Erwachsene dürften nicht neben Kindern oder Tieren schauspielern). Er gibt Léon als etwas schrulligen bis verschrobenen Eremiten, der zwar viel über das Töten weiß, ansonsten aber sogar einen Hauch einfältig wirkt, und das nicht wegen seines Analphabetismus. Deshalb gelingt es Mathilda wohl auch so problemlos, in der Beziehung des ungleichen Duos das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Allerdings sollte man über die beiden nicht ihren Antagonisten vergessen: Der spätere Oscar-Preisträger Gary Oldman („Die dunkelste Stunde“) ist einfach zum Fürchten! Wie eine Stange Dynamit mit extrem kurzer Lunte. Mit bösem Willen kann man das vielleicht sogar Overacting nennen, aber ich habe es ihm abgenommen.

Die beiden tun sich zusammen

Bemerkenswert, dass Luc Besson mit Ausnahme einiger Straßenschlucht-Motive zwar mit wenig New Yorker Lokalkolorit auskommt, der Actionkrimi dennoch ein ganz eigentümliches, schwer in Worte zu fassendes Big-Apple-Flair verströmt. Der Franzose Besson erweist sich hier als Regisseur, der es versteht, seine Drehorte stilsicher einzusetzen (Außenaufnahmen entstanden „on location“ in Manhattan). Der Mafioso Tony beispielsweise residiert in einem italienischen Restaurant, was Gedanken an den großen New-York-Regisseur Martin Scorsese weckt. Auch die virtuos fotografierte Action passt da gut ins Bild, auch wenn sie sich vornehmlich im Innern von Räumen abspielt (teils in Frankreich gedreht). Besson weiß diese Räume zu nutzen! Von Pulverdampf geschwängerte Hausflure, von Kugeln durchlöcherte Türen und Wände …

Psychopath vor dem Herrn: Norman Stansfield (l.)

Bei einem Produktionsbudget von umgerechnet 16 Millionen US-Dollar spielte „Léon – Der Profi“ an den weltweiten Kinokassen 46 Millionen Dollar ein, ein schöner Schnitt für einen französischen Film. Die gemeinhin – und so auch hier – Director’s Cut genannte, gegenüber der Kinofassung mehr als 22 Minuten längere Schnittfassung trägt diese Bezeichnung genau genommen zu Unrecht, da Luc Besson erklärt hat, keiner der beiden Versionen den Vorzug zu geben. Die längere Version ist gleichwohl vorzuziehen, da sie der Beziehung zwischen Léon und Mathilda deutlich mehr Tiefe gibt. Allerdings ist der „Director’s Cut“ auch angetan, die eine oder andere hochgezogene Augenbraue zu verursachen, da eben diese Tiefe der Beziehung zwischen der Zwölfjährigen und dem mehrere Jahrzehnte älteren Profikiller fast schon zu tief geht (siehe dazu den Schnittbericht). Einen ausgesprochen schalen Beigeschmack bekommt das, wenn man bedenkt, dass sich Luc Besson bei der Geschichte von seiner Beziehung zu seiner zweiten Frau Maïwenn Le Besco inspirieren ließ. Mit der in Frankreich recht populären Kinderdarstellerin kam er 1991 zusammen, als sie 15 und er 32 war, ein Jahr später heirateten die beiden. Aus der Ehe ging eine im Januar 1993 geborene Tochter hervor, 1997 ließ sich das Paar scheiden. Zu Beginn von „Léon – Der Profi“ hat sie einen kleinen Auftritt als „Blonde Babe“.

Léon hält sich fit

Der Director’s Cut wurde im Übrigen in Deutschland anfangs in einer aus unbekannten Gründen um 17 Sekunden gekürzten Fassung auf DVD veröffentlicht (siehe auch hierzu den Schnittbericht). Mittlerweile bestehen aber seit Jahren keine Probleme mehr, die Langfassung in vollständiger Form zu finden.

Ungleiches Duo mit Grünpflanze

Für Jean Reno entwickelte sich sein Léon recht zügig zu seiner ikonischsten Rolle. Wem kommt bei der Erwähnung des Schauspielers nicht als Erstes „Léon – Der Profi“ in den Sinn? Der Gute wurde am 30. Juli 1948 als Juan Moreno y Herrera Jiménez im marokkanischen Casablanca geboren. Seine spanischen Eltern waren vor der Franco-Diktatur nach Nordafrika geflüchtet. Weil die Familie nach dem Umzug nach Frankreich während seiner Teenagerzeit die französische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, musste er sogar den Wehrdienst seiner neuen Heimat absolvieren (er wurde in Rheinland-Pfalz stationiert). Seine Schauspielkarriere startete Reno mit Miniauftritten um 1980 herum. In „Die Spaziergängerin von Sans-Souci“ (1982) mit Romy Schneider und Michel Piccoli ist er als Nazi zu sehen. Seine Freundschaft mit Luc Besson bescherte ihm 1985 einen Part in „Subway“ an der Seite von Christopher Lambert und Isabelle Adjani, und drei Jahre später bekam er für seine Nebenrolle als Apnoetaucher in Bessons „Im Rausch der Tiefe“ (1988) erstmals internationale Aufmerksamkeit, dazu seine erste Nominierung für den französischen Filmpreis César, den er bei insgesamt drei Nominierungen aber bis heute nicht gewann.

Hollywood klopft auch an

In Bessons „Nikita“ (1990) gibt er in einer Nebenrolle erstmals einen Profikiller, die Rolle kann als Grundstein für Léon gesehen werden. In Frankreich bereits ein großer Star, brachte ihm erst „Léon – Der Profi“ Rollenangebote aus Hollywood ein. Seitdem wird er gern für einprägsame Nebenrollen gebucht, etwa für Brian De Palmas „Mission: Impossible“ (1996) mit Tom Cruise, Roland Emmerichs „Godzilla“ (1998), Ron Howards „The Da Vinci Code – Sakrileg“ (2006) mit Tom Hanks und Spike Lees Netflix-Produktion „Da 5 Bloods“ (2020). Er ist eben ein Charakterkopf, der seine Rollen stets auf eine eigentümliche Art mit Leben erfüllt, gern auch mal etwas schrullig. Am 30. Juli 2023 feiert Jean Reno seinen 75. Geburtstag. „Léon – Der Profi“ gerät nicht zuletzt dank ihm zu einem unvergesslichen Klassiker, den man immer wieder gern hervorholt. Der Actionkrimi gilt bei vielen als Bessons beste Arbeit (ich mag „Das fünfte Element“ von 1997 noch etwas mehr).

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Luc Besson haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Natalie Portman unter Schauspielerinnen, Filme mit Gary Oldman und Jean Reno in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 24. Oktober 2019 als 2-Disc 25th Anniversary Edition Steelbook (UHD Blu-ray & Blu-ray, Director’s Cut, Blu-ray auch mit Kinofassung), 25th Anniversary Edition Blu-ray (Director’s Cut & Kinofassung, auch als Steelbook) und DVD (Director’s Cut), 21. April 2011 als Blu-ray im „Blu Cinemathek“-Digipack (Director’s Cut & Kinofassung), 29. Januar 2010 als Blu-ray (Director’s Cut & Kinofassung), 24. Oktober 2008 als Ultimate Edition Blu-ray im Steelbook (Director’s Cut & Kinofassung), 30. September 2006 als DVD (Kinofassung), 24. Mai 2005 als DVD im Steelbook (Director’s Cut), 1. Februar 2001 und 27. Juli 1998 als DVD (gekürzter Director’s Cut)

Länge: 133 Min. (Blu-ray, Director’s Cut), 110 Min. (Blu-ray, Kinofassung), 127 Min. (DVD, Director’s Cut), 106 Min. (DVD, Kinofassung)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Léon
F/USA 1994
Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson
Besetzung: Jean Reno, Natalie Portman, Gary Oldman, Danny Aiello, Peter Appel, Willi One Blood, Don Creech, Keith A. Glascoe, Randolph Scott, Ellen Greene, Michael Badalucco, Elizabeth Regen, Carl J. Matusovich, Frank Senger, Lucius Wyatt Cherokee
Zusatzmaterial (variiert je nach Veröffentlichung): „Leon – A Ten Year Retrospective“ (25:09 Min.), „Jean Reno – The Road to Leon“ (12:24 Min.), „Natalie Portman – Starting Young“ (13:49 Min.), isolierte Musiktonspur, Fact Track (als deutsche Untertitel anwählbar), Interview mit Jean Reno (6:44 Min.), Interview mit Eric Serra (10:03 Min.), Bildergalerie, Originaltrailer, Trailershow, Wendecover
Label/Vertrieb: Kinowelt / Studiocanal Home Entertainment

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & gruppierte Packshots: © Studiocanal Home Entertainment

 
 

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Dead for a Dollar – Walter Hill frönt wieder dem Westerngenre

Dead for a Dollar

Von Volker Schönenberger

Western // Dem Westerngenre hat sich Walter Hill (* 1942) stets verbunden gefühlt, auch wenn er in erster Linie als Actionregisseur gilt. Erstmals bereicherte er das Genre 1980 mit „Long Riders“, auch wenn ihm die Jesse-James-Geschichte etwas überladen geriet. Mit „Geronimo – Eine amerikanische Legende“ (1993) und „Wild Bill“ (1995) widmete sich Hill zwei mythischen Gestalten aus der reichhaltigen Geschichte des wilden Westens. Der TV-Zweiteiler „Broken Trail“ (2006) um einen Viehtrieb sei ebenfalls erwähnt. Und auch einige seiner im 20. Jahrhundert spielenden Actionfilme tragen deutliche Züge des Westerns, etwa „Ausgeloescht“ (1987). „Last Man Standing“ (1996) mit Bruce Willis kann sogar als Remake von Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) gesehen werden.

Ungleiche Partner: Sergeant Poe (l.) und Kopfgeldjäger Max Borlund

Nun hat er wieder einen lupenreinen Western inszeniert, gedreht im Spätsommer 2021 in New Mexico. „Dead for a Dollar“ feierte seine Weltpremiere am 6. September 2022 beim Internationalen Filmfestival von Venedig, blieb weltweit aber weitgehend ohne flächendeckende Kinoauswertung. Nach der US-Premiere am 28. September in Los Angeles gelangte das Werk nur in einige wenige Kinos der Vereinigten Staaten und erschien bereits am 4. Oktober dort auf Blu-ray und DVD.

Christoph Waltz erneut als Kopfgeldjäger

Für seinen Part als Kopfgeldjäger in Quentin Tarantinos „Django Unchained“ erhielt Christoph Waltz 2013 seinen zweiten Nebenrollen-Oscar (nach dem 2010 für „Inglourious Basterds“ erhaltenen), für Walter Hill kehrte er zu diesem Berufsstand zurück: Er spielt den Kopfgeldjäger Max Borlund, der sich 1897 in New Mexico vom begüterten Martin Kidd (Hamish Linklater) beauftragen lässt, dessen entführte Ehefrau zurückzubringen. Der schwarze Soldat Private Elijah Jones (Brandon Scott) habe Rachel Kidd (Rachel Brosnahan) über die Grenze nach Mexiko verschleppt und fordere 10.000 Dollar Lösegeld. Weil der Kidnapper mit seiner Flucht zum Deserteur wurde, ist die Angelegenheit auch eine der Armee, weshalb Borlund den schwarzen Sergeant Alonzo Poe (Warren Burke) als Eskorte an die Seite gestellt bekommt. Jones und Poe sind beide Buffalo Soldiers, Angehörige einer afroamerikanischen Einheit der US Army.

Will nicht nur Objekt der Begierde sein: Rachel Kidd

Im mexikanischen Grenzgebiet haben Borlund und Poe alsbald eine Begegnung mit Tiberio Vargas (Benjamin Bratt), der die Gegend kontrolliert und danach trachtet, sich seinen Anteil an allen lukrativen Geschäften zu sichern. Und dann ist da noch der nach fünf Jahren frisch aus dem Knast entlassene Joe Cribbens (Willem Dafoe), der seinen Gefängnisaufenthalt Borlund zu verdanken hatte und sich zufällig auch entschlossen hat, nach Mexiko zu reisen.

Brauntöne dominieren

Ein paar Rückblenden zu Beginn sind in Schwarz-Weiß gehalten, die Haupthandlung allerdings strotzt auch nicht gerade vor Farbenfreude: Tatsächlich sind die Bilder weitgehend in Brauntönen gehalten, sodass „Dead for a Dollar“ fast schon als Braun-Weiß-Film bezeichnet werden kann. Das verleiht dem Western eine staubtrockene Stimmung, die recht gut zu der weitgehend ruhigen Inszenierung passt, die stark auf Dialoge und die Entwicklung der diversen Beziehungen setzt.

Machtmensch: Tiberio Vargas (M.) gibt den Ton an

Vielen wird das zu stark auf Dialoge gesetzt sein, erst recht angesichts des Rufs von Walter Hill als Action-Regisseur. Das Hauptproblem des Geschehens liegt daran, dass die eine oder andere Enthüllung recht vorhersehbar gerät – vielleicht wollte Walter Hill sogar, dass wir sie von Anfang an erahnen. Das lässt ein paar Szenen fast schon überflüssig erscheinen. Immerhin wird deutlich, dass das Szenario auf einen Showdown hinausläuft, den wir uns bei einem solchen Western auch wünschen. Und es ist ein Showdown, bei dem lange offen bleibt, wer ihn gegen wen austragen wird. Klar ist aber, dass der örtliche Machthaber Tiberio Vargas eine Schlüsselposition inne hat und diese auch ausfüllt. Darsteller Benjamin Bratt („Doctor Strange“, „Traffic – Macht des Kartells“) hat ohnehin einige schöne Szenen, insbesondere mit seinem Übersetzer Esteban Romero (Luis Chávez, „Die Wahlkämpferin“), der das Anliegen seines Bosses stets mit ausgesuchter Höflichkeit überbringt und geradezu zum Sympathieträger wird, dem man wünscht, er möge die abschließende Schießerei überleben.

Willem Dafoe!

An der Riege der Darstellerinnen und Darsteller gibt es nichts zu mäkeln. Die für ihre Amazon-Prime-Serie „The Marvelous Mrs. Maisel“ zweifach Golden-Globe-prämierte Rachel Brosnahan („Boston“) überzeugt ebenso wie Christoph Waltz, der einen ähnlichen Typus spielt wie seinerzeit als Tarantinos Kopfgeldjäger. Willem Dafoe adelt sowieso jeden Film, von ihm hätte ich gern mehr gesehen. Letztlich fungiert sein Part eher als Klammer des Films, im Mittelteil hat er wenig Bedeutung. Auch die beiden Afroamerikaner Brandon Scott („Blair Witch“) und Warren Burke („Addicted to You“) tragen zum Funktionieren des Ensembles bei.

Joe Cribbens hat noch eine Rechnung offen

Das Label splendid film hat „Dead for a Dollar“ nicht nur zum Streamen und als Blu-ray und DVD im herkömmlichen Softcase veröffentlicht, sondern dem Western auch zwei Mediabooks spendiert. Eines enthält den Film als UHD Blu-ray und Blu-ray, das andere als Blu-ray und DVD. Eine Kombination, die Schule machen könnte, kommen viele Mediabooks doch mit mehreren Covermotiven in den Handel, wobei die Disc-Formate in der Regel identisch sind. Die Discs enthalten allerdings mit Ausnahme der obligatorischen Trailershow keinerlei Zusatzmaterial, etwas wenig für ein Mediabook. Ein solches lag mir zum Rezensieren zwar nicht vor, stattdessen hat mir der Bookletautor Martin Beck seinen Text zur Verfügung gestellt, sodass ich immerhin anmerken kann, dass dieser einen guten Mehrwert des Mediabooks darstellt, zumal er schon rein handwerklich etwas vom Schreiben versteht. Beck analysiert den Film, ohne ihn zu sehr über den grünen Klee zu loben (was erwähnt sei, weil ein Booklettext keine Rezension ist), und lässt Hills Karriere Revue passieren. Hill-Kenner werden nicht allzu viel Neues erfahren, ihr Wissen aber bestätigt bekommen. Für Hill-Neulinge bietet der Text einen sehr guten Einstieg.

Western-Regielegende Budd Boetticher gewidmet

In Memory of Budd Boetticher (Im Gedenken an Budd Boetticher) – diese schöne Widmung an den Schöpfer so feiner Western wie „Fluch der Verlorenen“ (1952), „Um Kopf und Kragen“ (1957) und „Auf eigene Faust“ (1959) leitet den Abspann ein. Auch ohne diese Geste wüssten wir natürlich, dass Walter Hill seine Western-Hausaufgaben gemacht hat. Hills Western-Regiearbeiten verraten allesamt profunde Genrekenntnis, ohne dass sie je einen Klassikerstatus erlangt hätten, den im Actionsegment beispielsweise seine Filme „The Warriors“ (1979), „Die letzten Amerikaner“ (1981) und „Red Heat“ (1988) haben. Insofern reiht sich auch „Dead for a Dollar“ auf etwa dem Niveau von Hills vorherigen Western ein, was nicht das Schlechteste ist. Sehenswertes Oldschool-Kino, wenn auch etwas zu routiniert vorgetragen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Walter Hill haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Rachel Brosnahan unter Schauspielerinnen, Filme mit Willem Dafoe und Christoph Waltz in der Rubrik Schauspieler.

Veröffentlichung: 24. Februar 2023 als 2-Disc Edition Mediabook (UHD Blu-ray & Blu-ray), 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD), Blu-ray und DVD, 13. Februar 2023 als Video on Demand

Länge: 107 Min. (Blu-ray), 103 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Dead for a Dollar
KAN/USA 2022
Regie: Walter Hill
Drehbuch: Walter Hill
Besetzung: Christoph Waltz, Willem Dafoe, Rachel Brosnahan, Warren Burke, Brandon Scott, Benjamin Bratt, Luis Chávez, Hamish Linklater, Fidel Gomez, Guy Burnet, Alfredo Quiroz, Scott Peat, Diane Villegas, J. D. Garfield, Jackamoe Buzzell
Zusatzmaterial: Trailershow, nur Mediabooks: 24-seitiges Booklet mit einem Text von Martin Beck, Deckblatt, nur Blu-ray und DVD: Wendecover
Label: splendid film
Vertrieb: WVG Medien GmbH

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & gruppierte Packshots: © 2023 splendid film

 

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