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Archiv der Kategorie: Rezensionen

Zum 60. Geburtstag von Quentin Tarantino: Pulp Fiction – Postdramatische Popsause

Pulp Fiction

Von Lars Johansen

Gangsterdrama // Ich denke, die allermeisten Menschen, die sich ein wenig für Film interessieren, werden „Pulp Fiction“ (1994) kennen. Von daher muss ich vielleicht nicht viel über den Inhalt der drei miteinander verwobenen und nichtchronologisch erzählten Episoden sagen. Und es ist auch schon so viel über das Werk geschrieben worden, dass ich mich beinahe dafür schäme, dem noch ein wenig hinzuzufügen. Aber zum einen wird das Gangsterdrama in diesem Jahr beinahe 30 Jahre alt und sein Schöpfer sogar schon 60. Und weil dieser das Filmen entweder nach insgesamt zehn Regiearbeiten oder nach diesem Geburtstag einstellen will, ist es an der Zeit, ein wenig zurückzuschauen. Denn das Ende ist nahe, die vielleicht letzte Arbeit schon in Vorbereitung und da macht man sich als Verehrer seines Werkes doch ein paar Gedanken.

Ja, ich verehre ihn tatsächlich. Nein, ich bin nicht mit jedem Ergebnis vollkommen zufrieden, aber ich finde immer wieder Gefallen an einzelnen Sequenzen, an der grundsätzlichen Herangehensweise und seiner Liebe zur Filmgeschichte. Denn hier arbeitet einer, der sich auskennt. Das kann man auch in seinem Buch „Cinema Speculation“ nachlesen, über das Professor Tonio Klein in diesem Blog eine äußerst lesenswerte Rezension geschrieben hat. Trotz seiner angeblichen Lese- und Rechtschreibschwäche handelt es sich bei Tarantino nämlich um einen exzellenten Autor. Denn er kennt sich natürlich auch in der Literatur aus und hat mehr als nur ein wenig Ahnung von der Geschichte der Popmusik.

Als intellektueller Filmemacher wird der am 27. März 1963 in Knoxville im US-Staat Tennessee geborene Quentin Tarantino sehr unterschätzt, weil er sich mit seiner kraftmeierischen Attitüde sehr gut zu tarnen weiß. Das hat er übrigens mit Rainer Werner Fassbinder (1945–1982) gemeinsam, der mit seinem Auftreten ebenfalls zu täuschen vermochte und mit seinen Auftritten in seinen Filmen auch immer einen Kommentar zu seiner Arbeit abzugeben wusste. Das eint ihn ebenfalls mit Tarantino. Diesen möchte ich sogar als Vertreter eines postdramatischen Kinos bezeichnen. Auch wenn der Begriff des Postdramatischen häufig missverstanden und auch falsch gebraucht wird, passt er, so scheint es mir, sehr gut. Denn natürlich ist es falsch, postdramatischen Arbeiten die Psychologisierung ihrer Figuren abzusprechen. Das ist zu kurz gedacht. Es ist so, wie wenn man Bertolt Brechts Stücke auf den Verfremdungseffekt zu reduzieren versucht. Tarantino kennt seinen Brecht, aber auch seinen Shakespeare, Andy Sidaris, Sergio Corbucci, Raymond Chandler, Franz Kafka und die Bibel. Mindestens.

Mia san Mia

Und obwohl es oberflächlich scheint, als seien seine Figuren nur Abziehbilder, reine Zitate und bestenfalls Schatten der Realität, so falsch ist auch diese Einschätzung. Sie leben auf der Leinwand für die Leinwand, denn natürlich handelt es sich bei ihnen um Filmfiguren, die aus dem Arsenal des Film noir, des Gangsterfilms, des Melodrams und den Untiefen des Bahnhofskinos stammen, sich dessen aber bewusst sind und gerade dadurch lebendiger als die überkonstruierten Figuren eines verkopften Kunstkinos erscheinen. Sie spielen nur, aber mit einer Ernsthaftigkeit, die berührt.

Ein Meister der Schauspielerführung

Dazu kommt, dass Tarantino nicht nur gut schreiben und konstruieren kann, sondern auch in der Schauspielerführung eine unauffällige Meisterschaft beweist. „Pulp Fiction“ rettete die Karriere von John Travolta vor der Bedeutungslosigkeit, denn als Gangster und Auftragsmörder kann er zeigen, wie gut er zu spielen vermag, wenn man ihm die Möglichkeit dazu bietet. Harvey Keitel macht aus seiner kleinen Rolle ein Meisterstück der Effizienz. Den Vorgänger, „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“ (1992) kann man durchaus als Prolog zu „Pulp Fiction“ lesen, Michael Madsen als Vic Vega soll sogar der Bruder von Travoltas Vincent Vega sein. Keitels Charakter heißt zwar anders, aber sein Mr. White aus „Reservoir Dogs“ könnte durchaus auch sein Cleaner aus „Pulp Fiction“ sein, der schnell den Tatort und die Täter nicht nur symbolisch reinigt und die Leiche verschwinden lässt. So routiniert dahingetupft spielt Keitel nur selten, aber es zeigt, dass Tarantino ihn so inszenieren kann, dass es ein Vergnügen ist, ihm dabei zuzusehen. Nicht umsonst hat Christoph Waltz seine beiden Oscars für die Rollen in „Inglourious Basterds“ (2009) und „Django Unchained“ (2012) bekommen, beides Filme, die das italienischen Genrekino sehr gründlich zitieren und neu definieren. Hier sieht man die exzellente Kenntnis des Regisseurs, der gerade Enzo G. Castellari sehr zu schätzen scheint, denn seine „Basterds“ erinnern an den englischen Verleihtitel von Castellaris „Ein Haufen verwegener Hunde“ („Quel maledetto treno blondato“, 1978), der wiederum die amerikanischen Kriegsfilme der 60er-Jahre durchdekliniert.

Another saturday night

Das amerikanische Genrekino also durch die Brille eines Italieners, der auch eine kleine Rolle in Tarantinos Film hat, zu zeigen, das ist Verfremdung auf höchstem Niveau. Zuerst sollte überhaupt ein Western daraus werden, aber das änderte sich im Verlauf der Arbeit am Drehbuch. Viele Westernzitate durchziehen den Film trotzdem, was aber auch damit zu tun hatte, dass der Kriegs- und der Polizeifilm den Italowestern in den 70er-Jahren als vorherrschendes Genre abzulösen begannen. Auch das weiß natürlich ein Tarantino. So lange er diese Kenntnisse in den Dienst des Films stellt, macht es auch Spaß, ihm dabei zuzusehen. Aber in „Once Upon a Time in Hollywood“ (2019) beispielsweise wird die Kenntnis an einigen Stellen zu sehr in den Vordergrund gestellt und verweist nur auf sich selbst, was schade ist. In „Pulp Fiction“ dagegen liest man die Zitate am Rande mit und die mögliche Unkenntnis der Zuschauer ist gleichgültig. Als ich den Film damals im Kino sah, erkannte ich vieles nicht und habe erst im Lauf der Jahre verstanden, was da alles mit eingeflossen ist, ohne es je komplett dechiffrieren zu können. Aber bei „Once Upon a Time in Hollywood“ fühlte ich mich als Italowestern-Kenner ein wenig überfahren und unsicher, ob man ohne diese Kenntnisse alles verstehen kann. Diese Dynamik, welche mir schon bei „The Hateful Eight“ (2015) und auch bei „Django Unchained“ (2012) ein wenig unangenehm aufgefallen war, zerstört in den letzten Jahren ein wenig die Meisterschaft der Filme.

Oliver Stone und Tony Scott

Zurück zu „Pulp Fiction“, der die vergangenen dreißig Jahre gut überstanden hat. Wie gut, versteht man vielleicht ein wenig besser, wenn man ihn mit den Umsetzungen anderer Regisseure eines sehr langen Drehbuchs von Tarantino in jener Zeit vergleicht. Dieses Buch war so lang, dass er es letztlich auf zwei Filme verteilte. Es handelt sich dabei natürlich um „True Romance“ (1993) und „Natural Born Killers“ (1994). Den letztgenannten wollte Tarantino eigentlich selbst verfilmen, realisierte aber stattdessen „Reservoir Dogs“. Das Buch erwarb Oliver Stone, der es gründlich überarbeitete und zwar die Struktur Tarantinos erhielt, aber die Dialoge veränderte. Das führte zu einer starken Distanzierung des eigentlichen Urhebers. Und wenn man sich das Ergebnis ansieht, dann muss man konstatieren, dass zwar ein wichtiges Zitat aus einem von Tarantinos Lieblingsfilmen, Sergio Griecos „Der Tollwütige“ (1977), erhalten geblieben ist, Stone aber ansonsten Tarantinos Intention so gründlich wie komplett missverstanden hat.

Die Auferstehung des Fleisches

Stones Filme sind immer politisch und gern auch verschwörungstheoretisch, scheinbar auf der Höhe der Zeit, vor allem aber eher einfach gestrickt. Das mag nicht fair gegenüber einem verdienten Regisseur sein, aber wenn man sich seine Filme wieder einmal ansieht, dann bemerkt man, dass sie nicht gut gealtert sind, weil sie außer dem Zeitgeist jener Tage nicht viel transportieren. Der Regisseur von „True Romance“ dagegen, der notorisch unterschätzte Tony Scott, vertraute auf die Sprache Tarantinos. Er erzählte aber nicht die ebenfalls verschachtelte Geschichte, sondern drehte eine gradlinige Umsetzung, welche trotzdem bis heute zu bestehen vermag. Auch hier hat Christopher Walken einen grandiosen Auftritt in einem unvergesslichen Dialog mit Dennis Hopper, der so auch von Tarantino gefilmt sein könnte. Wie gut er schreiben kann, bemerkte ich, als ich neulich „Bullet Train“ (2022) ansah, wo versucht wurde, „Pulp Fiction“ in einem fahrenden Hochgeschwindigkeitszug nachzustellen. Ich weiß, dass es eigentlich eine Romanverfilmung sein soll, aber es erinnert zu sehr an eine hier gänzlich unerreichte Vorlage. Aus den beinahe beiläufigen Gesprächen über Burger oder Fußmassagen werden hier bedeutungsschwere Dialoge über die Kinderserie „Thomas, die kleine Lokomotive & seine Freunde“ (1984–2021), weil die Handlung ja in einem Zug spielt. Und während Tarantino etwas zu erzählen hat, entwickelte sich hier bei mir nur der Wunsch nach einer Handlung mit Hintergrund.

A shot in the dark

Doch soll es nicht mein Ziel sein, andere anzugreifen. Stattdessen mag ich noch ein wenig bei der Meisterschaft Tarantinos verweilen. Denn wie sehr er Schauspieler auch aufgrund ihrer Filmgeschichte einzusetzen vermag, das kann man sehr gut bei „Jackie Brown“ (1997) sehen, welcher nicht umsonst so heißt, obwohl er eine Verfilmung des Romans „Rum Punch“ von Elmore Leonard ist, der diese übrigens für die beste eines seiner Romane hält. Denn „Foxy Brown“ (1974) war natürlich einer der Blaxploitation-Filme, die Tarantino als Kind im Kino gesehen hatte und der weibliche Star Pam Grier spielte nun, über 20 Jahre später, wieder eine Titelrolle, die einerseits das Genre reflektierte und zugleich doch eine eigenständige Figur war. Man hat Tarantino manchmal vorgeworfen, nur starke Männerrollen in seinen Filmen zu haben, was auch nicht ganz falsch ist, aber hier sehen wir eine starke Frau, die nicht mehr ganz jung ist, aber auch deshalb sehr genau weiß, was sie will und es sich auch offensiv nimmt.

Halbherzige Distanzierung von Harvey Weinstein

Natürlich muss klar sein, dass der Produzent der meisten Filme Tarantinos Harvey Weinstein ist, dessen Handlungen nicht beschönigt werden dürfen und dessen Verhältnis zum Regisseur natürlich ein Problem darstellt, das einen Schatten auf das gesamte Werk wirft. Die halbherzige und späte Distanzierung war da eher kontraproduktiv, die männerbündische Verbindung bleibt fragwürdig. Aber spätestens mit „Jackie Brown“ haben wir keinen Männerfilm, sondern ein beinahe feministisches Statement. Doch auch hier gelten natürlich die Regeln des Postdramatischen. Die Dinge sind nicht, was sie scheinen, und Blaxploitation wurde von Junius Griffin 1972 aus den englischen Worten für Schwarz und für Ausbeutung zu einem neuen Begriff verschmolzen, der vor allem die Arbeitsbedingungen von Schwarzen in der amerikanischen Filmindustrie scharf kritisierte. Auch das ist hier mitzudenken.

Zed is dead

Bei „Pulp Fiction“ gab es auch einiges mitzudenken,, vor allem die Verankerung im klassischen Gangsterfilm. Wenn der Boxer Butch Coolidge (Bruce Willis) seinen Kontrahenten, den Gangsterboss Marsellus Wallace (Ving Rhames), befreit, dann nimmt er die unterschiedlichsten Werkzeuge/Waffen von der Wand und spaziert damit zugleich durch die Filmgeschichte, um schließlich nach Hammer, Baseballschläger und der Kettensäge aus „Blutgericht in Texas“ („The Texas Chain Saw Massacre“, 1974) am Ende beim Katana aus den japanischen Schwertkampffilmen zu landen. Auch der Koffer, der eine wichtige Rolle spielt und dessen Inhalt am Ende geheimnisvoll leuchtet, ist ein typischer MacGuffin, der hier konkret ein Zitat aus Robert Aldrichs „Rattennest“ (1955) nach einem Roman von Mickey Spillane beinhaltet. Dann wäre es eine Atombombe und die ganzen Paranoiafilme der 50er-Jahre wären hier mitzudenken. Das berühmte Bibelzitat, welches Jules Winnfield (Samuel L. Jackson) benutzt, in dem er behauptet, aus dem Buch Hesekiel zu zitieren, setzt sich aus mindestens sieben Bibelstellen zusammen, von Psalmen über Sprüche, Genesis, Lukas und Matthäus, also gemischt aus Altem und Neuem Testament. Und genau so muss man Tarantinos Zitate verstehen, sie setzen sich aus sehr unterschiedlichen Quellen zusammen, die sie aber niemals komplett zitieren, sondern immer wieder verfremden bis sie einen neuen Sinnzusammenhang ergeben. Der Drehbuchautor weiß viel und redet über noch mehr, verfilmt es dann wieder mit seinem Bilderwissen, das erneut, diesmal visuell, zitiert und dann stellt er noch eine Musikauswahl zusammen, die eine neue Ebene dazu bringt. Das mag man als „nerdig“ missverstehen, stellt aber vor allem eine beeindruckende Gesamtleistung dar, die weit über die Menge ihrer Zitate hinausweist.

Blutsbrüder

Und nun wird Quentin Tarantino 60. Filmpreise hat er reichlich bekommen, allen voran die beiden Drehbuch-Oscars für „Pulp Fiction“ und „Django Unchained“ und die drei Golden Globes für die Drehbücher ebendieser plus „Once Upon a Time in Hollywood“. Die Goldene Palme in Cannes für „Pulp Fiction“ gehört natürlich ebenfalls genannt, 1994 war übrigens kein Geringerer als Clint Eastwood Jurypräsident an der Croisette. Möge sich Tarantino in irgendeinem Kino die „Street Fighter“-Trilogie ansehen, Esmeralda neben ihm sitzend, die sich in Santánico Pandemonium verwandelt und ihn aus ihrem Schuh Tequila trinken lässt, während die Hölle losbricht. Aber die kann ihm nichts anhaben, denn wer Hitler und Charles Manson von ihren Taten abhalten kann, der hat auch sonst nichts zu fürchten. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Quentin Tarantino haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Rosanna Arquette, Amanda Plummer und Uma Thurman unter Schauspielerinnen, Filme mit Steve Buscemi, Samuel L. Jackson, Harvey Keitel, Ving Rhames, Tim Roth, Eric Stoltz, John Travolta, Christopher Walken und Bruce Willis in der Rubrik Schauspieler.

Das Ende ist der Anfang

Veröffentlichung: 9. März 2023 als UHD Blu-ray (plus Blu-ray), 6. Dezember 2022 als UHD Blu-ray im Steelbook (plus Blu-ray), 7. Oktober 2021 als Blu-ray, 10. Dezember 2020 und 30. September 2019 als 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD, diverse Covermotive), 7. Dezember 2017 als Jack Rabbit Slim’s Edition Blu-ray, 19. Februar 2015 als Award Winning Collection Blu-ray, 2. Mai 2013 und 20. Dezember 2012 als Blu-ray im Steelbook, 2. Februar 2012 als Special Edition Blu-ray, 8. Dezember 2011 als DVD, 22. Januar 2009 als DVD Art Collection, 16. November 2006 als Collector’s Edition DVD, 17. Juli 2000 als DVD

Länge: 154 Min. (Blu-ray), 148 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Spanisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Englisch für Hörgeschädigte, Isländisch, Spanisch
Originaltitel: Pulp Fiction
USA 1994
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch: Quentin Tarantino, Roger Avery
Besetzung: Tim Roth, Amanda Plummer, John Travolta, Samuel L. Jackson, Uma Thurman, Bruce Willis, Ving Rhames, Christopher Walken, Harvey Keitel, Rosanna Arquette, Eric Stoltz, Steve Buscemi, Laura Lovelace, Burr Steers, Phil LaMarr, Don Blakely, Maria de Medeiros, Peter Greene, Alexis Arquette, Quentin Tarantino
Zusatzmaterial (variiert je nach Veröffentlichung): Nicht das übliche langweilige Lernen-wir-uns-kennen-Gesülze (43:01 Min.), Hier sind ein paar Fakten über die Fiktion (20:37 Min.), „Pulp Fiction – The Facts“ (30:35 Min.), zusätzliche Szenen (24:19 Min.), Hinter den Kulissen: Jack Rabbit Slim’s (4:45 Min.) & Butchs Volltreffer (6:03 Min.), Making-of (5:15 Min.), Das Produktionsdesign von Pulp Fiction (6:22 Min.), Interview: Quentin Tarantino in der Charlie-Rose-Show (55:30 Min.), Siskel & Ebert „At the Movies – Die Tarantino-Generation“ (16:03 Min.), Interviews bei den Independent Spirit Awards (11:30 Min.), Dankesrede Cannes Filmfestival (5:20 Min.), deutscher Kinotrailer, US-Kinotrailer, weitere Trailer, TV-Spots (5:17 Min.), Bildergalerien, Filmkritiken und -artikel (englische Texttafeln), Cast und Crew (Texttafel-Informationen), Statements der Crew (4:50 Min.), Inside „Pulp Fiction“ (Texttafeln plus Szenen), Trailershow
Label/Vertriebe: BMG Video / Miramax / Buena Vista / Universum Film / Studiocanal Home Entertainment, ’84 Entertainment / Paramount Pictures / Universal Pictures

Copyright 2023 by Lars Johansen

Szenenfotos & Doppel-Packshot: © Paramount Pictures

 
 

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Jean-Claude Van Damme (XXII): Universal Soldier – Day of Reckoning: Reiht sich Scott Adkins ein?

Universal Soldier – Day of Reckoning

Von Volker Schönenberger

SF-Action // Ein überaus fesselnder und am Ende äußerst brutaler Home-Invasion-Prolog eröffnet „Universal Soldier – Day of Reckoning“. Neun Monate später erwacht John (Scott Adkins) aus dem Koma. Seine Frau Kathryn (Michelle Jones) und seine Tochter Emma (Audrey P. Scott) wurden von einem abtrünnigen Soldaten namens Luc Devereaux (Jean-Claude Van Damme) ermordet. Deveraux und sein Kompagnon Sergeant Andrew Scott (Dolph Lundgren) scharen sogenannte „Universal Soldiers“ um sich, Produkte eines geheimen Regierungsprogramms zur Erschaffung von Supersoldaten mittels Gen- und Klontechnik. Mit dieser kleinen, aber enorm schlagkräftigen Truppe verfolgen die beiden ihre ganz eigenen Pläne. John versucht derweil, herauszufinden, weshalb Deveraux seine Familie ausgelöscht hat. Unterstützung erhält er von der Stripperin Sarah (Mariah Bonner), zu der ihn eine Spur geführt hat.

Sergeant Andrew Scott hat die Universal Soldiers im Griff

Puh, die Gewalt ist nicht von schlechten Eltern. Insbesondere Schusswunden werden in aller Deutlichkeit präsentiert und zeigen, weshalb Schusswaffen zu Wirkungstreffern führen. Sie schmerzen. Sie töten. Apropos töten – zurück zum Anfang: Der Prolog macht sofort klar, dass „Universal Soldier – Day of Reckoning“ (2012) keine Gefangenen macht. Angesichts der Gnadenlosigkeit, mit der Johns Familie ausgelöscht wird, dürfte manchen Zuschauerinnen und Zuschauern die Spucke wegbleiben, und sie gibt eine Tonlage vor, die fortan nicht mehr verlassen wird. Hier bekommen wir es nicht einfach mit einem x-ten Sequel zu tun (es ist der sechste Film des „Universal Soldier“-Franchises), sondern mit einem Ausbund an Gewalt, das den Gedanken der „Universal Soldiers“ konsequent auf die Spitze treibt. Der in diversen Martial-Arts-Techniken bewanderte Scott Adkins darf dabei auch reichlich Körpereinsatz betreiben. Nachhaltig im Gedächtnis bleibt beispielsweise eine fulminante Kampfsequenz in einem Sportartikelgeschäft. Auch kurz vor dem Showdown geht es heftig zu, wenn sich John durch einige dunkle Gänge kämpfen muss (gleichwohl der Plot auf dieser Zielgeraden nicht ganz stimmig wirkt).

Von „Apocalypse Now“ inspiriert?

Gespickt wird das Ganze mit einigen geradezu psychedelisch albtraumhaften Sequenzen, einem Fiebertraum ähnlich, wozu insbesondere Jean-Claude Van Dammes geradezu wächsernes Antlitz beiträgt. Die einige Male eingesetzte subjektive Kamera lässt uns zudem Johns Erlebnisse und insbesondere sein Leid aus seinen Augen miterleben. Regisseur John Hyams ließ sich zu den fiebrigen Szenen eigenen Angaben zufolge von Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ (1979) inspirieren. Hyams hatte im Übrigen auch den Vorgänger „Universal Soldier – Regeneration“ (2009) inszeniert.

Hat Johns Leid bald ein Ende?

Die Story ist kein Ausbund an Komplexität, wartet aber mit ein paar unerwarteten Wendungen und Pointen auf, bei denen auch der Science-Fiction-Anteil zu seinem Recht kommt. Eine Weile tappt das Filmpublikum ganz schön im Dunkeln, bis sich die Fäden entwirren. Johns Suche nach Antworten gerät so auch zu einer Sinnsuche, die sogar philosophische Daseinsfragen aufwirft. Würde man sich schmerzvolle Erinnerungen löschen, wenn synchron dazu auch Liebevolles aus dem Gedächtnis schwindet? Und was ist damit, wenn uns jemand erzählt, beides sei sowieso nur eine Illusion? Aber keine Sorge: Der Streifen bleibt der Action verhaftet.

Meilenstein für Scott Adkins

In der Summe ergibt all das einen würdigen Vertreter der 1992 von Roland Emmerich mit „Universal Soldier“ begonnenen Reihe. Trotz der großen Namen Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren ist Scott Adkins eindeutig der Hauptdarsteller, John die Hauptfigur. Während er in den meisten Szenen zu sehen ist, treten die beiden alten Recken Van Damme und Lundgren eher punktuell in Erscheinung. Insofern markiert der Film für Adkins zweifellos einen wichtigen Meilenstein in seiner Vita als Actionstar, ebnete ihm den Weg zu weiteren bedeutsamen Rollen, etwa in „Savage Dog“ (2017), „Triple Threat“ (2019) und „Avengement – Blutiger Freigang“ (2019).

Der Kämpfer macht reinen Tisch

Die überbordende Gewalt war der FSK erwartungsgemäß etwas zu viel des Guten (oder Unguten, wenn man so will), weshalb „Universal Soldier – Day of Reckoning“ seine Freigabe ab 18 Jahren nur unter Schnittauflagen erhielt. Die Uncut-Fassung gelangte mit SPIO/JK-Siegel „strafrechtlich unbedenklich“ in den Handel. Die Unterschiede bestehen dann auch vornehmlich in Gewaltspitzen, nachzulesen im Schnittbericht. Vor der Heimkinoauswertung hatte der Film im August 2012 einen Abstecher zum Fantasy Filmfest in diversen deutschen Städten gemacht.

Showdown

Für Fans von wahlweise Scott Adkins, Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren oder auch allen dreien ist „Universal Soldier – Day of Reckoning“ ein Fest. Bleibt die Frage: Kommt das „Universal Soldier“-Reboot noch?

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Scott Adkins, Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 24. Januar 2013 als Blu-ray 3D (inkl. 2D-Fassung), Blu-ray und DVD

Länge: 114 Min. (Blu-ray, SPIO/JK-Fassung), 109 Min. (Blu-ray, FSK-18-Fassung), 109 Min. (DVD, SPIO/JK-Fassung), 104 Min. (DVD, FSK-18-Fassung)
Altersfreigabe: SPIO/JK strafrechtlich unbedenklich / FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Universal Soldier – Day of Reckoning
Alternativtitel: Universal Soldier – Tag der Abrechnung
USA 2012
Regie: John Hyams
Drehbuch: Victor Ostrovsky
Besetzung: Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren, Scott Adkins, Andrei Arlovski, Mike Pyle, Corey Johnson, Garry Cooper, Emily Joyce, Zachary Baharov, Aki Avni, Kerry Shale, Kris Van Damme, Michelle Jones, Audrey P. Scott
Zusatzmaterial: Interviews mit Regisseur John Hyams (11:54 Min.) sowie den Darstellern Jean-Claude Van Damme (3:28 Min.), Dolph Lundgren (2:16 Min.) und Scott Adkins (2:24 Min.), Bilder vom Set, Bildergalerie, deutscher Trailer, Originaltrailer, Trailershow, Wendecover
Label/Vertrieb SPIO-JK-Fassung: Studiocanal Home Entertainment
Label/Vertrieb FSK 18-Fassung: EuroVideo Medien GmbH

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Doppel-Packshot: © 2013 EuroVideo Medien GmbH,
SPIO-DVD-Packshot: © 2013 Studiocanal Home Entertainment

 

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Sidney Lumet (IX): Der Anderson-Clan – Brandaktuell bis auf das Ende

The Anderson Tapes

Von Tonio Klein

Thriller // „Der Anderson-Clan“ steht in der Tradition der „Heist Movies“, bei denen die Planung und Ausführung eines Raubzuges im Vordergrund steht. Die eigenwillige Gruppendynamik. Die Zugeständnisse, welche die Hauptfigur notgedrungen machen muss und die sie in Schwierigkeiten bringen werden. Das Katz-und-Maus-Spiel mit Polizei, „Kollegen“, Konkurrenten. Das alles enthält der Film. Und viel mehr.

Safeknacker und Knacki „Duke“ Anderson (Sean Connery) kommt nach zehn Jahren raus und will gleich wieder ein Ding drehen, selbstredend das letzte. Seine Welt hat sich aber verändert, abgesehen davon, dass er als Brite in New York zusätzlich entwurzelt ist: Das Safeknacken gelingt ihm nicht mehr mit leichter Hand; er überlässt dies seinem Kumpel „Kid“ (frühe Rolle für Christopher Walken), der aber auch kaum versierter ist.

Panzerknacker haben’s schwer

Und die Menschen schützen sich besser gegen Einbrüche und Überfälle; Audio- und Videoüberwachung sind allgegenwärtig – nicht nur zu diesem Zweck. Wer hier wen wie warum überwacht, ist ein kaum zu durchschauender Wahnsinn. Regisseur Sidney Lumet hat noch vor dem Watergate-Skandal die Überwachung zum Thema seines Filmes gemacht und dies mit dem klassischen Heist Movie verknüpft. Kann das gutgehen?

Paranoia Heist

Zunächst stößt einen die Kombination aus Paranoiathriller und Heist Movie ein wenig vor den Kopf. Rührend altmodisch sehen all diese Kameras und besonders Röhrenmonitore und Tonbänder aus. Man fragt sich, ob Lumet da rückschauend nicht offene Türen einrennt. Und ob er des Kritischen nicht entschieden zu viel präsentiert. Irgendwann steigt man durch diese multiplen Überwachungsaktionen kaum noch durch, aber der Krimi geht unverdrossen weiter, scheinbar unbeeindruckt davon, nach Schema F, bisweilen sogar regelrecht klischeehaft, etwa mit der Figur eines homosexuellen Antiquitätenhändlers (Martin Balsam).

Eine verrohte James-Bond-Variante

Aber dann geht es doch noch gut, und wie! „Der Anderson-Clan“ gewinnt in der Schlussphase ungemein und fügt sich dadurch auch insgesamt zu einer nicht nur sinnvollen, sondern ätzenden, galligen, bisweilen misanthropischen Satire zusammen, bei der man mal lachen kann, aber einem das Lachen zumeist im Halse steckenbleibt. Genau betrachtet hat er kaum sympathische Menschen. Duke ist die verrohte Version von Connerys Bond; Connery sieht noch so ähnlich aus (etwa in derselben Zeit entstand „Diamantenfieber“), aber härter, ohne Toupet, mit einzelnen grauen Härchen. Viril wie Clark Gable, aber nicht so charmant. Eher schon ein Hedonist, auch wenn er noch Rest-Anstand hat und einmal einen besonders brutalen Gangster mühsam zurückhalten muss. Duke schwingt linke Reden und vergleicht sein Handeln mit Auswüchsen des Kapitalismus, aber er entlarvt das zugleich als Farce. Gegenüber der Jagd aller nach dem Mammon übt er keine Kritik, solange er nur das größte Stück vom Kuchen abbekommt. Ein bisschen sexuelle Erregung spielt auch noch eine Rolle; das Knacken eines Safes wird deutlich mit dem „Öffnen“ von (…) gleichgesetzt. Interessanterweise ist Letzteres das Einzige, was Duke im Laufe des Filmes gelingen wird – er schafft es, dass seine ansonsten eiskalte Freundin Ingrid (Dyan Cannon) erstmals Lust empfindet. Doch dies hilft nicht: Sie hat sogleich Angst vor ihrer eigenen Verletzlichkeit, und er muss sich mit Tonbändern von diesem Liebesakt erpressen lassen.

Wer zuerst lacht, lacht am schlechtesten

Spätestens bei der Ausführung des Raubes merken wir an einer Vielzahl von auf einmal wichtigen Nebenfiguren, für wie verkommen der Thriller die meisten Menschen hält. Wie auch in seinem letzten Film „Tödliche Entscheidung“ (2007) erzählt Lumet nicht chronologisch, sodass wir relativ früh wissen: Die Räuber werden geschnappt werden. Zeitsprünge zwischen den späteren Aussagen der Opfer und dem Fortgang des Raubes geben sich die Klinke in die Hand und werfen durch ihre ständige Gegenüberstellung ein zusätzliches Schlaglicht auf menschliche Niedertrachten (beispielsweise Suggestivfragen der Polizei und unaufrichtige Schilderungen der Opfer von einem Geschehen, das wir sogleich im Zeitsprung zurück ganz anders sehen). Dazu muss man wissen, dass Anderson und seine Bande ein ganzes Nobel-Appartementhaus in Manhattan ausrauben, was entsprechend viele Bewohner und ihr Verhalten zeigt. Manchmal sollen sich in Extremsituationen ja die Zungen lösen und soll der wahre Charakter eines Menschen zutage treten (zu sehen zum Beispiel in „Der versteinerte Wald“, 1936). So ist das hier. Lustig ist noch, dass eine gefühlt Neunzigjährige das alles eher interessant findet und über ihre Mitbewohnerin lästert („Sie müssen mal gucken, was die liest. Nur Pornos. Die hat nur Sex im Kopf und ist schon 72.“). Wenig lustig sind andere Miniaturen; einige seien genannt: Da gibt es den Mann, der lieber seine Frau foltern lässt als die Safe-Kombination zu verraten. Und den selbstherrlich-herablassenden Polizeichef, der einem Sergeant befiehlt, mit seinem Team in einer halsbrecherischen Kletter-Aktion von oben in das Gebäude einzudringen, obwohl das angesichts des Riesen-Polizeiaufgebotes wohl kaum nötig wäre. Gerade die verachtende Art und Weise, in der er den Auftrag erteilt, hinterließ bei mir den Eindruck: Dass der Befehlsempfänger schwarz ist, dürfte kein Zufall sein. Herrlich indirekte Kritik durch bloßes Zeigen statt durch Dozieren.

Die Kletterei als Farce

In Richtung absurde Farce geht zudem, dass sich all diese Abhöraktionen als gänzlich ineffektiv erweisen. Kein Lauscher weiß von dem anderen, der Raub findet ungehindert statt; stattdessen achten die Überwacher auf nebensächlichen Kram. Dies mag auch den (noch am sympathischsten) Klischee-Homosexuellen erklären und rechtfertigen. „Ein Homosexueller, etwa 40, betritt das Haus“, sagt ein Überwacher einmal ins Mikro – kann man das bereits SEHEN? Und wofür ist das wichtig? Wir wissen es nicht! Wir können aber fassungslos den Kopf schütteln angesichts des extrem verschlungenen Pfades, auf dem die Polizei dann doch noch informiert wird. Das muss man einfach selbst gesehen und die entsprechenden Dialoge („Übernehmen Sie die Kosten für das Gespräch?“) selbst gehört haben. Nur soviel: Mit der ganzen Überwacherei hat es nun wirklich nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Guter Stil ist Stil, den man nicht sieht

Also sprach Lumet, der Stilist, der den Stil aber nie zum Selbstzweck werden lässt. So hält er sich mit Mätzchen zurück, aber das eine oder andere fällt gleichwohl auf. Das eher verwaschene New York kontrastiert mit teils schreienden Farben, zum Beispiel bei Ingrid, die dadurch gleichsam fassadenhaft wie unsicher wirkt; dito der oben erwähnte Mann mit dem Safe, der seinen Reichtum genießt und im Moment der Bedrohung seine hässliche Fratze offenbart. Neben Farbe ist die Gestaltung des filmischen Raumes wichtig. Lumet liebt tiefenscharfe Fluchtperspektiven, Weitwinkel, ungewöhnliche Kameraperspektiven. Mit Letzterem unterstreicht er Absurdität wie Gefährlichkeit der erwähnten Fassadenkletterei. Mit Ersterem zeigt er am Ende, wie minutiös der Polizeieinsatz geplant ist (die ganze Straße ist leer, aber am Ende wartet das Polizeiaufgebot), lässt dies aber immer mit der beschränkten Sicht der Räuber kontrastieren, die tatsächlich nicht sehen können, was sich über ihnen zusammenbraut. Sehr spannungssteigernd und durch die Totale dem Zuschauer den berühmten Informationsvorsprung gegenüber den Protagonisten gebend. Hingegen können all diese Überwachungskamerabilder, genau wie der Blick der Gangster aus dem Fenster, immer nur eine begrenzte Sicht gewähren, was das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag des Observierungswahns noch stärker herausstreicht.

Als die Abhörer noch vom Unrecht wussten

Es wäre interessant gewesen, was Lumet zu späteren Abhörskandalen gesagt hätte, wie beispielsweise zur Globalen Überwachungs- und Spionageaffäre, in die der US-Auslandsgeheimdienst National Security Agency (NSA) maßgeblich verwickelt war. Diese hatte 2013 Edward Snowden aufgedeckt, und wir haben uns mittlerweile bedauerlicherweise daran gewöhnt. „Natürlich hören wir euch ab“, so ein CIA-Agent in Brian De Palmas „Domino – A Story of Revenge “ (2019). Solchem Gebaren scheint Lumet schon vorzugreifen, doch eines hat er sich nicht in seinen kühnsten Albträumen ausgemalt: dass den Verantwortlichen fürs illegale Überwachen einmal jegliches Unrechtsbewusstsein fehlen würde. In der letzten Szene sieht man, wie alle Organisationen unabhängig voneinander ihre Bänder löschen, damit ja nicht herauskomme, dass sie selbige illegal bespielt hatten. Was – auch durch den ungewöhnlichen Einsatz elektronischer Toneffekte und einer giftgrünen, computertechnisch anmutenden Schrift – wohl bedrohlich wirken soll, wäre heutzutage fast schon ein Aufatmen wert, nach dem Motto: Hurra, die haben noch Angst, erwischt und bestraft zu werden.

So viel muss gelöscht werden – und passt heute millionenfach auf einen Chip

Heute gilt eher, dass alle Dienstvorgesetzten bis hin zum US-Präsidenten dafür sorgen, dass die Schlapphüte sich sicher fühlen können. Merkels Handy wurde abgehört? Okay, dann hören wir von nun an damit auf (womit Obama seinerzeit zugab, dass es stimmte und er es nicht für sonderlich aufregenswert hielt). Gerade deswegen ist extrem schade, dass der bis ins hohe Alter aktive Lumet nun doch nicht mehr lebt und dazu weder etwas sagen noch einen Nachfolgefilm machen kann. Aber wir haben ja „The Anderson Tapes“, wenn auch hierzulande nur als Streaming-Angebot diverser Anbieter. Die 2003 veröffentlichte DVD ist vergriffen.

Das Bild trügt: Duke Anderson hat mit James Bond wenig gemein

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Sidney Lumet haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Martin Balsam, Sean Connery und Christopher Walken unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 2. November 2010 als 2 Movie Collector’s Pack DVD „Best of Hollywood“ (mit „Der Wind und der Löwe“), 28. Januar 2003 als DVD

Länge: 95 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: The Anderson Tapes
USA 1971
Regie: Sidney Lumet
Drehbuch: Frank Pierson, nach dem Roman von Lawrence Sanders
Besetzung: Sean Connery, Dyan Cannon, Martin Balsam, Christopher Walken, Ralph Meeker, Alan King, Val Avery, Dick Anthony Williams, Garrett Morris, Stan Gottlieb, Paul Benjamin, Anthonly Holland, Richard B. Shull, Judith Lowry, Margaret Hamilton, Conrad Bain, Sam Coppola
Zusatzmaterial: Originaltrailer, Trailershow
Label/Vertrieb: Columbia TriStar

Copyright 2023 by Tonio Klein

Szenenfotos & Packshot: © 2003 Columbia TriStar

 

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