The Fate of the Furious
Actionthriller // Erinnern wir uns: Am Ende von „Fast & Furious 7“ (2015) fuhren Dominic „Dom“ Toretto (Vin Diesel) und Brian O’Conner (Paul Walker) in ihren Autos nebeneinander her, bis sich ihre Wege an einer Gabelung trennten. Eine Schlussszene, die besonders den Fans des 2013 tödlich verunglückten Paul Walker sehr ans Herz ging, aber wohl niemanden kaltlassen konnte, der sich auf diese überdimensionale Actionreihe mit ihrem emotionalen Fokus auf die „Familie“ eingelassen hat. Glücklicherweise vermied es Drehbuchautor Chris Morgan, Brian synchron zu seinem Darsteller den Filmtod sterben zu lassen. Das wäre des Melodrams für Teil 8 wohl etwas zu viel des Guten gewesen. Kurz wird erwähnt, man wolle Brian mit seiner Frau Mia aus der Angelegenheit heraushalten, das war es dann – ein paar versteckte Tribute lassen sich noch entdecken. Angemessen.
Gleich zu Beginn von „Fast & Furious 8“ sprühen die Macker wieder vor Testosteron. Das Gedächtnis von Leticia „Letty“ Ortiz (Michell Rodriguez) ist wiederhergestellt, für sie und Dom ist endlich die Zeit für die Flitterwochen gekommen. Im kubanischen Havanna muss Dom seinem Cousin Fernando (Janmarco Santiago) aus der Patsche helfen – der hat Schulden beim lokalen Platzhirsch Raldo (Celestino Cornielle) und sein Auto verpfändet. Wir befänden uns nicht in der „The Fast and the Furious“-Reihe, wenn da nicht ein Rennen unter Kerlen eine Lösung bieten würde – ein illegales, ist ja klar. Kurz befreit Dom noch die Rostlaube seines Cousins von überflüssigem Ballast und motzt sie mit ein paar Boostern auf, dann kann es losgehen.
Dieser so rasante wie explosive Start gibt die Turbo-Taktzahl vor, die der achte Teil des Franchises an den Tag legt. Er wurde tatsächlich in Kuba gedreht – als erster US-Film seit Beginn des amerikanischen Embargos gegen Kuba. Der sibirische Showdown des Films entstand in Island. Ich gebe gern zu, die Reihe jahrelang bewusst ignoriert zu haben, bis ich eines Tages zufällig dann doch mal in einen der Filme hineingeschaut habe – es mag Teil fünf gewesen sein. Kurz darauf hatte ich alle bis dato entstandenen Beiträge weggeatmet, hüstel. Es gibt eben eine Zeit für Over-the-Top-No-Brainer-Action wie diese. Obendrein birgt das Drumherum mit der aus im Lauf der Zeit zu einer echten Familie zusammengewachsenen Protagonistenschar dank der warmherzigen Werte Freundschaft, Liebe und Loyalität ein Identifikationspotenzial, das aus all der Coolness und – trotz starker Frauen – dem Machismo herausragt.
Dominic gegen die Familie
Kurz nach dem Rennen trifft Dom auf Cipher (Charlize Theron), die eine Mission für ihn und offenbar ein Faustpfand gegen ihn in der Hand hat. Luke Hobbs (Dwayne Johnson) lässt sich gleichzeitig von Mr. Nobody (Kurt Russell) für einen Auftrag anheuern, der die Mitwirkung der gesamten Familie erforderlich macht. Und so finden sich denn Hobbs, Dom und Letty, Tej Parker (Chris „Ludacris“ Bridges), Roman Pearce (Tyrese Gibson) und Ramsey (Nathalie Emmanuel, „Game of Thrones“) in Berlin ein und klauen ein EMP-Gerät. Dom jedoch linkt seine Lieben und befördert die Beute mit seinem Auto geradewegs ins Flugzeug von Cipher, die sich als Cyber-Terroristin mit gewaltigen Plänen entpuppt. Hobbs landet im Knast, wo er auf keinen Geringeren als Deckard Shaw (Jason Statham) trifft – die beiden haben noch die eine oder andere Rechnung miteinander offen.
Eine Schande, wie in diesen Filmen mit tollen Autos umgegangen wird! Von leichten Dellen im Blech bis zum Totalschaden ist jede Stufe der Zerstörung vertreten – mit Tendenz zur Verschrottung. Wer beim Anblick von Luxus-Sportwagen nicht die kleinste Faszination verspürt, werfe den ersten Stein (auf eins der Autos). Von ihrem ersten Aufeinandertreffen im Knast an werden Hobbs und Deckard nicht müde zu betonen, wie sehr sie sich darauf freuen, einander beizeiten in einem kernigen 1:1-Zweikampf gegenüberzustehen. Wer da den Beginn einer wunderbaren Freundschaft vermutet, hat einiges verstanden, was die Reihe ausmacht (es führte 2019 zu „Fast & Furious – Hobbs & Shaw“). „Fast & Furious 8“ sprüht erwartungsgemäß vor knackigen Onelinern, die zwischen supercool und an der Grenze zur Selbstparodie lavieren.
Prominent besetzte Nebenfiguren
Mit Luke Evans als Deckard Shaws kleiner Bruder Owen konnte natürlich gerechnet werden. Die illustre Besetzung reichern auch Kristofer Hivju („Game of Thrones“) als Ciphers rechte Hand Rhodes und Scott Eastwood, Sohn von Clint, als Mr. Nobodys rechte Hand Little Nobody (sic!) an. Sogar Helen Mirren („Die Queen“) tritt in Erscheinung. Mittendrin gewann ich kurz den Eindruck, Éastwoods Little Nobody werde trotz anfänglicher Verspottung als festes Mitglied zur Familie stoßen, aber er taucht nicht in der Besetzungsliste von „Fast & Furious 9“ auf, also wird das wohl nichts. Teil 10 und 11 sind als vermeintlicher Abschluss übrigens auch schon angekündigt. Angesichts des weltweiten Riesenerfolgs von „Fast & Furious 8“ an den Kinokassen wundert das wohl niemanden. Der mit Corona-bedingt enormer Verspätung im Juli 2021 in den deutschen Kinos startende Teil 9 ist allerdings ohne Dwayne Johnson über die Bühne gegangen. Ob es daran liegt, dass er sich mit Hauptdarsteller und Produzent Vin Diesel in den nicht vorhandenen Haaren lag, weil dem während des Drehs von Teil 8 die Ankündigung des Spin-offs „Fast & Furious – Hobbs & Shaw“ sauer aufgestoßen war, bleibt spekulativ. So viel zum Thema Familie, aber was wäre ein Testosteron-geladenes Spektakel wie dieses ohne ein wenig Radau zweier Platzhirsche?
Unverständlich: Universal Pictures hat den etwas mehr als zwölf Minuten längeren Extended Director’s Cut nicht auf Disc pressen lassen, sondern nur in Form eines digitalen Download-Codes zur Verfügung gestellt. Aber vielleicht bin ich dafür auch nur zu altmodisch. Um herauszufinden, ob sich die Langfassung lohnt, empfiehlt sich der Blick auf den Schnittbericht. Bei mir hat er dazu geführt, dass ich mich in Verzicht übe.
Glaubwürdig?
Kommen wir abschließend zum Aspekt der Glaubwürdigkeit. Kleiner Scherz, ein für die „Fast and Furious“-Reihe seit jeher irrelevantes Kriterium. „Fast & Furious 8“ wird dem Franchise vermutlich mit Ausnahme einiger frisch ins Filmalter hineingewachsener Jugendlicher kaum neue Fans bescheren, da es mittlerweile weltweit kaum noch Actionfreunde geben dürfte, denen die Sportwagen-Spektakel kein Begriff sind. Mir jedenfalls hat „Fast & Furious 8“ viel Spaß gemacht – ein „Guilty Pleasure“ sondergleichen, mit enorm hoher Starpower und ebenso hohen „Production Values“.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Nathalie Emmanuel, Helen Mirren, Michelle Rodriguez und Charlize Theron haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Vin Diesel, Scott Eastwood, Luke Evans, Tyrese Gibson, Dwayne Johnson, Kurt Russell und Jason Statham unter Schauspieler.
Veröffentlichung: 24. August 2017 als 4K Ultra HD Blu-ray, Blu-ray im Steelbook, Blu-ray, 2-Disc Special Edition DVD und DVD
Länge: 148 Min. (Digital Copy, Director’s Cut), 136 Min. (Blu-ray, Kinofassung), 131 Min. (DVD, Kinofassung)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: The Fate of the Furious
CHN/USA/JPN 2017
Regie: F. Gary Gray
Drehbuch: Chris Morgan
Besetzung: Vin Diesel, Jason Statham, Dwayne Johnson, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Chris „Ludacris“ Bridges, Charlize Theron, Kurt Russell, Nathalie Emmanuel, Luke Evans, Elsa Pataky, Kristofer Hivju, Scott Eastwood, Janmarco Santiago, Celestino Cornielle, Helen Mirren
Zusatzmaterial (z. T. nur Blu-ray): Audiokommentar von Regisseur F. Gary Gray, „Der kubanische Geist“, „In der Familie“, „Autokultur“, „Alles über die Stunts“, „Hinter den Kulissen – Die Familie“, erweiterte Kampfszenen, Trailershow, Kinofassung und Director’s Cut als Digital Copy, Wendecover
Label/Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH
Copyright 2021 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 Universal Pictures Germany GmbH