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Archiv für den Monat Juni 2021

Fast & Furious 8 – Wenn es Autos regnet

The Fate of the Furious

Von Volker Schönenberger

Actionthriller // Erinnern wir uns: Am Ende von „Fast & Furious 7“ (2015) fuhren Dominic „Dom“ Toretto (Vin Diesel) und Brian O’Conner (Paul Walker) in ihren Autos nebeneinander her, bis sich ihre Wege an einer Gabelung trennten. Eine Schlussszene, die besonders den Fans des 2013 tödlich verunglückten Paul Walker sehr ans Herz ging, aber wohl niemanden kaltlassen konnte, der sich auf diese überdimensionale Actionreihe mit ihrem emotionalen Fokus auf die „Familie“ eingelassen hat. Glücklicherweise vermied es Drehbuchautor Chris Morgan, Brian synchron zu seinem Darsteller den Filmtod sterben zu lassen. Das wäre des Melodrams für Teil 8 wohl etwas zu viel des Guten gewesen. Kurz wird erwähnt, man wolle Brian mit seiner Frau Mia aus der Angelegenheit heraushalten, das war es dann – ein paar versteckte Tribute lassen sich noch entdecken. Angemessen.

Cipher plant Ungeheuerliches

Gleich zu Beginn von „Fast & Furious 8“ sprühen die Macker wieder vor Testosteron. Das Gedächtnis von Leticia „Letty“ Ortiz (Michell Rodriguez) ist wiederhergestellt, für sie und Dom ist endlich die Zeit für die Flitterwochen gekommen. Im kubanischen Havanna muss Dom seinem Cousin Fernando (Janmarco Santiago) aus der Patsche helfen – der hat Schulden beim lokalen Platzhirsch Raldo (Celestino Cornielle) und sein Auto verpfändet. Wir befänden uns nicht in der „The Fast and the Furious“-Reihe, wenn da nicht ein Rennen unter Kerlen eine Lösung bieten würde – ein illegales, ist ja klar. Kurz befreit Dom noch die Rostlaube seines Cousins von überflüssigem Ballast und motzt sie mit ein paar Boostern auf, dann kann es losgehen.

Deckard Shaw hat lange genug im Knast gesessen

Dieser so rasante wie explosive Start gibt die Turbo-Taktzahl vor, die der achte Teil des Franchises an den Tag legt. Er wurde tatsächlich in Kuba gedreht – als erster US-Film seit Beginn des amerikanischen Embargos gegen Kuba. Der sibirische Showdown des Films entstand in Island. Ich gebe gern zu, die Reihe jahrelang bewusst ignoriert zu haben, bis ich eines Tages zufällig dann doch mal in einen der Filme hineingeschaut habe – es mag Teil fünf gewesen sein. Kurz darauf hatte ich alle bis dato entstandenen Beiträge weggeatmet, hüstel. Es gibt eben eine Zeit für Over-the-Top-No-Brainer-Action wie diese. Obendrein birgt das Drumherum mit der aus im Lauf der Zeit zu einer echten Familie zusammengewachsenen Protagonistenschar dank der warmherzigen Werte Freundschaft, Liebe und Loyalität ein Identifikationspotenzial, das aus all der Coolness und – trotz starker Frauen – dem Machismo herausragt.

Dominic gegen die Familie

Kurz nach dem Rennen trifft Dom auf Cipher (Charlize Theron), die eine Mission für ihn und offenbar ein Faustpfand gegen ihn in der Hand hat. Luke Hobbs (Dwayne Johnson) lässt sich gleichzeitig von Mr. Nobody (Kurt Russell) für einen Auftrag anheuern, der die Mitwirkung der gesamten Familie erforderlich macht. Und so finden sich denn Hobbs, Dom und Letty, Tej Parker (Chris „Ludacris“ Bridges), Roman Pearce (Tyrese Gibson) und Ramsey (Nathalie Emmanuel, „Game of Thrones“) in Berlin ein und klauen ein EMP-Gerät. Dom jedoch linkt seine Lieben und befördert die Beute mit seinem Auto geradewegs ins Flugzeug von Cipher, die sich als Cyber-Terroristin mit gewaltigen Plänen entpuppt. Hobbs landet im Knast, wo er auf keinen Geringeren als Deckard Shaw (Jason Statham) trifft – die beiden haben noch die eine oder andere Rechnung miteinander offen.

Es regnet Autos

Eine Schande, wie in diesen Filmen mit tollen Autos umgegangen wird! Von leichten Dellen im Blech bis zum Totalschaden ist jede Stufe der Zerstörung vertreten – mit Tendenz zur Verschrottung. Wer beim Anblick von Luxus-Sportwagen nicht die kleinste Faszination verspürt, werfe den ersten Stein (auf eins der Autos). Von ihrem ersten Aufeinandertreffen im Knast an werden Hobbs und Deckard nicht müde zu betonen, wie sehr sie sich darauf freuen, einander beizeiten in einem kernigen 1:1-Zweikampf gegenüberzustehen. Wer da den Beginn einer wunderbaren Freundschaft vermutet, hat einiges verstanden, was die Reihe ausmacht (es führte 2019 zu „Fast & Furious – Hobbs & Shaw“). „Fast & Furious 8“ sprüht erwartungsgemäß vor knackigen Onelinern, die zwischen supercool und an der Grenze zur Selbstparodie lavieren.

Prominent besetzte Nebenfiguren

Mit Luke Evans als Deckard Shaws kleiner Bruder Owen konnte natürlich gerechnet werden. Die illustre Besetzung reichern auch Kristofer Hivju („Game of Thrones“) als Ciphers rechte Hand Rhodes und Scott Eastwood, Sohn von Clint, als Mr. Nobodys rechte Hand Little Nobody (sic!) an. Sogar Helen Mirren („Die Queen“) tritt in Erscheinung. Mittendrin gewann ich kurz den Eindruck, Éastwoods Little Nobody werde trotz anfänglicher Verspottung als festes Mitglied zur Familie stoßen, aber er taucht nicht in der Besetzungsliste von „Fast & Furious 9“ auf, also wird das wohl nichts. Teil 10 und 11 sind als vermeintlicher Abschluss übrigens auch schon angekündigt. Angesichts des weltweiten Riesenerfolgs von „Fast & Furious 8“ an den Kinokassen wundert das wohl niemanden. Der mit Corona-bedingt enormer Verspätung im Juli 2021 in den deutschen Kinos startende Teil 9 ist allerdings ohne Dwayne Johnson über die Bühne gegangen. Ob es daran liegt, dass er sich mit Hauptdarsteller und Produzent Vin Diesel in den nicht vorhandenen Haaren lag, weil dem während des Drehs von Teil 8 die Ankündigung des Spin-offs „Fast & Furious – Hobbs & Shaw“ sauer aufgestoßen war, bleibt spekulativ. So viel zum Thema Familie, aber was wäre ein Testosteron-geladenes Spektakel wie dieses ohne ein wenig Radau zweier Platzhirsche?

Die Familie rätselt: Weshalb hat Dom sie verraten?

Unverständlich: Universal Pictures hat den etwas mehr als zwölf Minuten längeren Extended Director’s Cut nicht auf Disc pressen lassen, sondern nur in Form eines digitalen Download-Codes zur Verfügung gestellt. Aber vielleicht bin ich dafür auch nur zu altmodisch. Um herauszufinden, ob sich die Langfassung lohnt, empfiehlt sich der Blick auf den Schnittbericht. Bei mir hat er dazu geführt, dass ich mich in Verzicht übe.

Glaubwürdig?

Kommen wir abschließend zum Aspekt der Glaubwürdigkeit. Kleiner Scherz, ein für die „Fast and Furious“-Reihe seit jeher irrelevantes Kriterium. „Fast & Furious 8“ wird dem Franchise vermutlich mit Ausnahme einiger frisch ins Filmalter hineingewachsener Jugendlicher kaum neue Fans bescheren, da es mittlerweile weltweit kaum noch Actionfreunde geben dürfte, denen die Sportwagen-Spektakel kein Begriff sind. Mir jedenfalls hat „Fast & Furious 8“ viel Spaß gemacht – ein „Guilty Pleasure“ sondergleichen, mit enorm hoher Starpower und ebenso hohen „Production Values“.

Hobbs fackelt nicht lange

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Nathalie Emmanuel, Helen Mirren, Michelle Rodriguez und Charlize Theron haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Vin Diesel, Scott Eastwood, Luke Evans, Tyrese Gibson, Dwayne Johnson, Kurt Russell und Jason Statham unter Schauspieler.

Dominic Toretto an seinem Lieblingsplatz: hinter dem Lenkrad

Veröffentlichung: 24. August 2017 als 4K Ultra HD Blu-ray, Blu-ray im Steelbook, Blu-ray, 2-Disc Special Edition DVD und DVD

Länge: 148 Min. (Digital Copy, Director’s Cut), 136 Min. (Blu-ray, Kinofassung), 131 Min. (DVD, Kinofassung)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: The Fate of the Furious
CHN/USA/JPN 2017
Regie: F. Gary Gray
Drehbuch: Chris Morgan
Besetzung: Vin Diesel, Jason Statham, Dwayne Johnson, Michelle Rodriguez, Tyrese Gibson, Chris „Ludacris“ Bridges, Charlize Theron, Kurt Russell, Nathalie Emmanuel, Luke Evans, Elsa Pataky, Kristofer Hivju, Scott Eastwood, Janmarco Santiago, Celestino Cornielle, Helen Mirren
Zusatzmaterial (z. T. nur Blu-ray): Audiokommentar von Regisseur F. Gary Gray, „Der kubanische Geist“, „In der Familie“, „Autokultur“, „Alles über die Stunts“, „Hinter den Kulissen – Die Familie“, erweiterte Kampfszenen, Trailershow, Kinofassung und Director’s Cut als Digital Copy, Wendecover
Label/Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 Universal Pictures Germany GmbH

 

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Songbird – Wenn der Corona-Lockdown vier Jahre dauert

Songbird

Von Volker Schönenberger

SF-Thriller // Wir befinden uns im Jahr 2024. In der 213. Woche des Lockdowns …

Dem COVID-Virus sind weltweit bereits 110 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Gerade mehren sich Anzeichen, dass COVID-23 mutiert ist. Über die Luft verbreitet es sich sowieso schon. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen, die Zivilisation nicht. Noch nicht. Wie so viele Regionen befindet sich auch Los Angeles im Ausnahmezustand inklusive Ausgangssperre. Wer die Erkrankung überwunden hat und als immun gilt, wird für verschiedene Aufgaben eingesetzt, bei denen man mit dem Virus in Berührung kommt. Nico Price (K. J. Apa) etwa arbeitet als Kurier für Lester (Craig Robinson) und liefert Pakete an vermögende Haushalte aus. So auch an die Familie Griffin – die Eheleute Piper und William (Demi Moore, Bradley Whitford) mit ihrer an einer Autoimmunerkrankung leidenden Tochter Emma (Lia McHugh). Das Paar handelt illegal mit den begehrten Immunitätspässen.

Los Angeles ist von der Pandemie gezeichnet

Ex-Plattenmanager William pflegt trotz des Risikos einer Ansteckung eine Affäre mit der jungen Sängerin May (Alexandra Daddario), die ihr Geld damit verdient, online Coversongs feilzubieten. Sie freundet sich mit ihrem Kunden Michael Dozer (Paul Walter Hauser) an, einem im Rollstuhl sitzenden Kriegsveteranen, der sich mit der Vermietung von Drohneneinsätzen – etwa an Nicos Boss Lester – ein karges Auskommen sichert. Nico wiederum liebt die junge Kunstmalerin Sara Garcia (Sofia Carson), die er aufgrund der Quarantäne und Ausgangssperre noch nie in die Arme schließen konnte. Sara lebt mit ihrer Großmutter Lita (Elpidia Carrillo) zusammen, die plötzlich zu husten beginnt und den morgendlichen Zwangsvirus-Check per Smartphone-App prompt nicht mehr besteht. Nun droht Lita und Sara das Schicksal, vom bösartigen Emmett Harland (Peter Stormare), Leiter des Gesundheitsamts, und seinen Einheiten in eine der Quarantänezonen deportiert zu werden. Dort vegetieren die Infizierten vor sich hin, die Todesrate ist enorm hoch.

Verhebt sich der Ensemblefilm?

Recht viele Charaktere, die den ersten SF-Thriller um die COVID-19-Pandemie bevölkern. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, Ensemblefilme haben ihren Reiz. In diesem Fall zerfasert die Story aber etwas, und es mangelt an Identifikationspotenzial. Als Hauptfigur geht der vom aus der Serie „Riverdale“ bekannten K. J. Apa verkörperte Kurier Nico durch, ein sympathischer, aber ansonsten recht profilloser Kerl. Seine Herzensdame Sara hat mir besser gefallen, aber zu wenig Bildschirmzeit bekommen, was auch für die Sängerin May und den Veteranen Michael gilt. Der Handlungsstrang um die Familie Griffin wiederum hat mich kaltgelassen. Peter Stormare („Fargo – Blutiger Schnee“) kann ich immer schauen, hier gefällt er sich einmal mehr darin, seine Figur auch richtig schurkisch zu porträtieren.

Kurier Nico ist immun und kommt überall durch

Die Idee zu „Songbird“ entstand im März 2020, also noch in der Frühphase der Corona-Pandemie. Als Produzent fungierte unter anderen Michael Bay. Gedreht wurde im Juli, es war der erste Film, der in Los Angeles während der Corona-Maßnahmen entstand. In meinen Augen ist es eine faszinierende Idee, während der Pandemie einen Spielfilm über die Pandemie zu drehen. Da sowohl beim Dreh als auch in der Filmhandlung Infektionsgefahr herrschte, ist Abstandhalten oberstes Gebot (ob es konsequent in jeder Einstellung eingehalten wird, kann ich nicht beschwören, aber grundsätzlich erkennt man das). „Songbird“ überspitzt das Geschehen aus dramaturgischen Gründen, was völlig legitim ist. Es ist ja auch nicht völlig abwegig, dass sich so schnell kein Impfstoff findet und das Virus deutlich gefährlichere und infektiösere Mutanten entwickelt. Auch das Hinzufügen von Thriller-Elementen ist nicht zu beanstanden – völlig in Ordnung, die Story in die Richtung zu entwickeln.

Sind wir zu COVID-19-erfahren?

Gleichwohl fühlte ich mich nicht allzu sehr in die Story hineingezogen. Und das, obwohl viele Elemente dank unserer Corona-Erfahrung völlig nachvollziehbar waren. Vielleicht war das auch das Problem – mit vielen Aspekten habe ich mich bereits ausgiebig auseinandergesetzt. Seien es massive Grundrechtseinschränkungen mit nicht immer ausreichender Begründung (der Ausdruck Inzidenz kommt übrigens in „Songbird“ nicht vor), seien es Datenschutzfragen bezüglich der Nutzung von Corona-Apps, sei es die Angst um Mitmenschen aufgrund der nicht zu leugnenden Gefahr der Infektionskrankheit. Wir sind alle mittendrin in dieser Pandemie – vielleicht wissen wir zu viel über das Thema, als dass es uns in Spielfilmform vom Hocker zu reißen vermag. Klar, „Songbird“ ist dramaturgisch zugespitzt (kein Impfstoff, gefährlichere Mutanten, noch stärkere Grundrechtseinschränkungen, viel mehr Tote), aber das ist für uns keine Sensation mehr. Der Film ist mit knapp unter anderthalb Stunden auch nicht gerade lang geraten. Womöglich hätten ihm 20 Minuten mehr gutgetan, etwa um einigen Figuren mehr Profil zu geben und die Situation in den Quarantänezonen zu zeigen, denn wie es dort wirklich aussieht, bekommen wir nicht zu sehen, es wird lediglich kurz erwähnt.

Emmett Harland (l.) macht nicht viel Federlesen

Wolfgang Petersens „Outbreak – Lautlose Killer“ (1995), „Carriers – Flucht vor der tödlichen Seuche“ (2009) und Steven Soderberghs „Contagion“ (2011) haben jedenfalls bei mir eine größere Sogwirkung ausgelöst, auch der südkoreanische „Pandemie“ (2013) hat mich mehr mitgerissen. So reiht sich die Regiearbeit von Adam Mason („Junkie“) hinter diesen vier Filmen ein. Insgesamt bietet „Songbird“ soliden Seuchen-Thrill mit einigen Makeln. Zu wenig, um herauszuragen, aber weit davon entfernt, ein Ärgernis zu sein.

May blickt in eine sorgenvolle Zukunft

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Alexandra Daddario und Demi Moore haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Peter Stormare und Bradley Whitford unter Schauspieler.

Werden Sara und Nico je vereint sein?

Veröffentlichung: 25. Juni 2021 als Blu-ray und DVD

Länge: 85 Min. (Blu-ray), 82 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Songbird
USA 2020
Regie: Adam Mason
Drehbuch: Adam Mason, Simon Boyes
Besetzung: K. J. Apa, Sofia Carson, Alexandra Daddario, Craig Robinson, Bradley Whitford, Peter Stormare, Elpidia Carrillo, Lia McHugh, Paul Waler Hauser, Demi Moore, Paul Sloan, Andrew Howar
Zusatzmaterial: Featurette „The Story of Songbird“ (44 Min.), entfernte Szenen (mit Audiokommentar von Regisseur Adam Mason, 44 Min.), Musikvideo „Kingdom“ (3:18 Min.), Featurette „The Making of KINGDOM“ (4 Min.), Trailer, Trailershow
Label/Vertrieb: Leonine

Copyright 2021 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & Packshot: © 2021 Leonine

 

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Conjuring 3 – Im Bann des Teufels: Der Fall des Arne Cheyenne Johnson

The Conjuring: The Devil Made Me Do It

Kinostart: 1. Juli 2021

Von Andreas Eckenfels

Horror // Am 18. April 2019 starb Lorraine Warren im Alter von 92 Jahren. Seit den 1950er-Jahren war sie mit ihrem Mann Ed Warren (1926–2006) parapsychologischen Phänomenen auf die Spur gegangen. Das Paar gehörte über drei Jahrzehnte lang zu den bekanntesten Spukforschern der USA. Nach zahlreichen Einzelverfilmungen ihrer Fälle nahm 2013 mit „Conjuring – Die Heimsuchung“ ein großes filmisches Universum um die übernatürlichen Erlebnisse der Dämonologen seinen Anfang, bei der Lorraine Warren der Produktion als Beraterin zur Seite stand.

Lorraine und Ed Warren bekommen einen neuen Fall

Neben der 2016 entstandenen Fortsetzung, drei Teilen rund um die Grusel-Puppe „Annabelle“ (2014–2019) und einem weiteren Spin-off „The Nun“ (2018) wurde nun der Fall von Arne Cheyenne Johnson als Grundlage für „Conjuring 3“ ausgewählt, der in der US-Justizgeschichte für Aufsehen sorgte: Erstmals plädierte ein Angeklagter mit einem außergewöhnlichen Grund auf „Nicht schuldig“. The Devil Made Me Do It soll Arne Cheyenne Johnson gesagt haben – eine dämonische Macht habe ihn zum Mord an seinem Vermieter gezwungen.

Teuflische Verrenkungen

Während Patrick Wilson und Vera Farmiga zum vierten Mal in die Rollen des Ehepaares Ed und Lorraine Warren schlüpfen, – auch in „Annabelle 3“ (2019) waren sie dabei –, gab James Wan nach den ersten beiden „Conjuring“-Teilen nun die Regie an Michael Chaves ab, der mit seinem Langfilmdebüt „Lloronas Fluch“ (2019) bereits einen recht zahmen Horrortrip ablieferte, der trotz einiger Anspielungen nicht offiziell zur „Conjuring“-Reihe gehört. Dennoch ließ es sich James Wan schon im Vorfeld nicht nehmen, die zweite Fortsetzung gemeinsam mit Drehbuchautor David Leslie Johnson-McGoldrick („Conjuring 2“, „Orphan – Das Waisenkind“) in eine etwas andere Richtung zu lenken. So hätte man die fulminante Eröffnungssequenz, in der die Warrens einen Exorzismus am achtjährigen David Glatzel (Julian Hilliard) praktizieren, normalerweise erst im großen Finale des Films erwartet.

Mit dem Jungen stimmt was nicht!

Dass die Inszenierung der filmischen Teufelsaustreibung seit „Der Exorzist“ (1973) nicht mehr zu toppen ist, wissen auch die Macher und zollen dem Klassiker mit einer überdeutlichen Reminiszenz ihren Tribut. Einige Finessen lassen sich in den chaotischen Szenen, die sich im Haus der Familie Glatzel ereignen, aber doch finden: Der besessene David hinterlässt riesige Kratzspuren an den Wänden und vollführt außerdem eine außergewöhnlich anzusehende Alternative zum „Spider-Walk“, welchen auch die kleine Regan aus dem Director’s Cut von „Der Exorzist“ vor Neid erblassen lassen würde.

Arne Cheyenne Johnson erlebt Höllenqualen

Erstaunlich daran: Die extremen Verrenkungen, die der Junge ausführt, entstanden nicht am Computer. Wie Michael Chaves in einem Interview verriet, wurde für die Szene die Kontorsionistin Emerald Wulf verpflichtet, die zum Drehzeitpunkt gerade mal zwölf Jahre alt war. Nur das Gesicht des David-Darstellers Julian Hilliard („Spuk in Hill House“) wurde auf ihres digital einkopiert. Mit ihren Schlangenmensch-Fähigkeiten begeisterte Teenagerin Emerald auch Heidi Klum, Sofia Vergara und das Publikum der US-Show „America’s Got Talent“.

Bedingt schuldfähig

Der Exorzismus geht jedoch schief. Ed Warren erleidet durch den Dämon einen Herzinfarkt und am Ende sieht Arne Cheyenne Johnson (Ruairi O’Connor), der Freund von Davids älterer Schwester Debbie (Sarah Catherine Hook), nur einen möglichen Ausweg: Er bittet das Wesen, Davids Körper zu verlassen und stattdessen seinen eigenen zu nehmen. Das lässt sich der Dämon nicht zweimal sagen. David ist gerettet und Arne ahnt noch nicht, welche Macht nun in seinem Inneren schlummert. Während Lorraine Warren am Krankenbett ihres Mannes wacht, ersticht der eigentlich friedfertige Arne zu den Klängen von Blondies „Call Me“ seinen Vermieter. Auf frischer Tat ertappt, droht dem jungen Mann vor Gericht die Todesstrafe. Fieberhaft sucht das Ehepaar Warren nach Beweisen, dass Arne bei dem Mord nur bedingt schuldfähig gewesen ist, weil er im Bann des Dämons gestanden habe.

Geisterjäger als Detektive

Einige weitere bewusste Änderungen wurden in „Conjuring 3“ vorgenommen, um der bekannten Formel ein paar neue Facetten abzugewinnen: Im Gegensatz zu den beiden Vorgängern müssen die Geisterjäger diesmal kein Spukhaus von einem Fluch befreien. Vielmehr steht die Zusammenarbeit der Warrens mit der Polizei in einem stärkeren Fokus. Die Dämonologen werden zu Detektiven, befragen Zeugen, gehen Hinweisen nach, und auch Leichen müssen untersucht werden. Parallel erfahren die Zuschauer und Zuschauerinnen, wie Arne in seiner Zelle immer häufiger durch den Dämon Höllenquallen erleidet.

Lorraine hat dunkle Visionen

Da Ed während des gesamten Films gesundheitlich angeschlagen ist, übernimmt Lorraine seine handfesten Aufgaben gleich mit, krabbelt etwa unter das Haus der Glatzels, wo sie einen okkulten Gegenstand entdeckt. Wie beide bei der Befragung des Experten Kastner (John Noble, „Fringe – Grenzfälle des FBI“) erfahren, muss das Totem menschlichen Ursprungs sein. Somit bekommt es das Ehepaar offenbar nicht nur mit einem übernatürlichen Gegner zu tun – was ebenfalls ein Novum für die Reihe darstellt. Auch Lorraines Visionen, die sie an Tatorten in Vergangenheit und Zukunft blicken lässt, erhalten mehr Raum als zuvor.

Emotionaler Fixpunkt: die Eheleute Warren

Allerdings fällt der dritte Teil der „Conjuring“-Reihe im Vergleich zu den beiden äußerst gelungenen Vorgängern etwas ab. Fans bekommen natürlich erneut eine wilde Achterbahnfahrt geboten, in dem es besonders im Finale ordentlich kracht. Aber ein beklemmendes Gruselgefühl wie in den vorigen Teilen stellt sich nur selten ein. Trotz der angesprochenen erzählerischen Neuerungen sind die Muster inzwischen zu bekannt, um noch immer bis ins Mark zu erschüttern. Auch fehlt Regisseur Michael Chaves der gewisse geniale inszenatorische Kniff, der im Gedächtnis bleibt, den ein James Wan immer wieder in seine Werke einbaut, sei es in „Saw“ (2004), seinen zwei „Insidious“-Teilen (2010/2013) bis hin zu „Fast and Furious 7“ (2015) und „Aquaman“ (2018).

Kampf gegen das Böse

Dass wir dennoch weiterhin mitfiebern, wenn auch im geringeren Maße als zuvor, liegt an der Leistung von Patrick Wilson und Vera Farmiga die als Ehepaar Warren erneut den emotionalen Fixpunkt innerhalb des „Conjuring“-Universums bilden. Diesmal erfahren wir auch in einem kurzen Rückblick, wie sich Ed und Lorraine kennengelernt haben. Ihr selbstloser Kampf gegen das Böse versprüht immer wieder die nötige Herzenswärme in der sonst so düster-kühlen Dämonenwelt.

Unterstützt eure Kinos!

Aufgrund der Veröffentlichungspolitik, die Warner Bros. für seine Filme im Jahr 2021 fährt, hatte das US-Publikum die Wahl, ob es „Conjuring 3 – Im Bann des Teufels“ auf dem Streamingdienst HBO Max oder im Kino anschaut. Hierzulande dürfen wir uns zum Glück endlich – und bis zum Erscheinen der Blu-ray ausschließlich – wieder in den Lichtspielhäusern gruseln. Als Eröffnungsfilm der diesjährigen Fantasy Filmfest Nights durfte ich das massive Sounddesign vorab im dunklen Kinosaal erleben. Ein Genuss, welchen ich lange vermisst habe und den eben nur wenige heimische Audiosysteme in voller Lautstärke leisten können – geschweige denn ein Streamingdienst. Also unterstützt wieder eure lokalen Kinos, wenn ihr euch dort sicher fühlt!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Vera Farmiga haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Patrick Wilson unter Schauspieler.

Länge: 112 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Originaltitel: The Conjuring: The Devil Made Me Do It
USA/GB 2021
Regie: Michael Chaves
Drehbuch: David Leslie Johnson-McGoldrick, James Wan, Chad Hayes
Besetzung: Patrick Wilson, Vera Farmiga, Ruairi O’Connor, Sarah Catherine Hook, Julian Hilliard, John Noble, Eugenie Bondurant, Keith Arthur Bolden
Verleih: Warner Bros. Entertainment Inc.

Copyright 2021 by Andreas Eckenfels
Filmplakat & Szenenbilder: © 2021 Warner Bros. Entertainment Inc.

 

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