Bad Boys
Von Volker Schönenberger
Gefängnisdrama // Im Chicago der 1980er-Jahre ist Jugendgewalt alltäglich. Während sich der 16-jährige Mick O’Brien (Sean Penn) als Straßenräuber betätigt, ist der kaum ältere Puertoricaner Paco Moreno (Esai Morales) bereits ins Drogengeschäft eingestiegen. An der Schule geraten sich die beiden über Micks Freundin J. C. Walenski (Ally Sheedy) in die Haare. Mit seinem Kumpel Carl Brennan (Alan Ruck) plant Mick einen Überfall auf Pacos Rauschgiftdepot. Der Raubzug geht auf blutige Weise schief, und der Teenager wird wegen Totschlags verurteilt.
Die Straßen von Chicago
Er landet in einem üblen Jugendknast, in welchem lauter schwere Jungs einsitzen. In Micks Block haben der Weiße „Viking“ Lofgren (Clancy Brown) und der Schwarze Warren „Tweety“ Jerome (Robert Lee Rush) das Sagen und den Neuankömmling sogleich auf dem Kieker. Der wiederum hält den Ball erst mal flach und beobachtet die Szenerie.
Von wegen klein und gefährlich
„Bad Boys“ (den überflüssigen deutschen Titelzusatz „Klein und gefährlich“ ignorieren wir fortan) ist hart. Der Knastthriller zeigt Gewalt innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern, schonungslos und wahrhaftig. Knastklischees bleiben nicht außen vor und Testosteron tränkt das Szenario – in der Hinsicht folgt „Bad Boys“ bekannten Pfaden des Gefängnisfilmgenres. Aber er tut das in einer Weise, die die Beziehungsgemengelage unter den Insassen authentisch wirken lässt (was nicht behaupten soll, sie sei tatsächlich authentisch).
Hat die Liebe von Mick und J. C. eine Zukunft?
Das liegt nicht zuletzt an den brillant aufspielenden Darstellern, allen voran Sean Penn. Für den während der Dreharbeiten 22 Jahre alt gewordenen Sohn des renommierten Regisseurs Leo Penn war es nach dem Militärdrama „Die Kadetten von Bunker Hill“ (1981) und der Teenagerkomödie „Ich glaub’ ich steh’ im Wald“ (1982) der dritte Kinofilm. Er spielt mit erfreulich sparsamen Mitteln, setzt Mimik und Gestik sehr nuanciert ein (mit Ausnahme der Actionszenen natürlich, die mehr erfordern). Sein Mick ist ein Missetäter, so viel wird von Anfang an deutlich. Das Totschlagsdelikt war zwar ein Unfall, der jedoch während einer Straftat nebst anschließender Flucht geschah, sodass an Micks Schuld kein Zweifel besteht. Wir spüren: Er trägt an dieser Last.
Viking Lofgren führt ein hartes Regiment
Andere ergänzen Sean Penn famos, etwa Clancy Brown, für den „Bad Boys“ sein Spielfilmdebüt markierte. Sein Part als Fiesling Viking Lofgren setzte einen Standard für seine weitere Karriere, in der er oft Rollen zwischen Unsympath und Superschurke spielte, etwa in Frank Darabonts „Die Verurteilten“ (1994) und Paul Verhoevens „Starship Troopers“ (1997), wo er jeweils als hammerharter Hund zu sehen ist. Unvergessen auch sein Auftritt in „Highlander – Es kann nur einen geben“ (1986), wo Brown als unsterblicher Fiesling in Erscheinung tritt. Auch Esai Morales („La Bamba“) als Haupt-Antagonist macht eine gute Figur. Ein finales Aufeinandertreffen von Mick O’Brien und Paco Moreno ist unausweichlich, auf diesen Showdown läuft „Bad Boys“ hinaus, so viel lässt sich zügig erkennen. Als bedeutsame Nebenfigur sei noch der vom weitgehend unbekannten und nur wenige Jahre schauspielerisch aktiven Eric Gurry verkörperte jüdische Insasse Horowitz genannt – Micks Zellengenosse hat sich einen gewissen Status verschafft, weil er technische Geräte reparieren kann. Vom Gefängnispersonal wird Ramon Herrera (Reni Santoni, „Dirty Harry“) wichtig, der hofft, wenigstens gelegentlich einen Häftling zu entdecken, der den echten Willen zur Rehabilitation mitbringt.
Der Showdown bahnt sich an
„Bad Boys“ lebt auch von diversen Spannungsbögen, die uns permanent am Ball halten. Beginnend mit dem komplett aus dem Ruder gelaufenen Raubzug von Mick und Carl, der Mick in den Knast bringt. Dort wird dann schnell deutlich, dass sich Mick mit den Platzhirschen Viking und Tweety auseinandersetzen muss – auch das ist inszenatorisch so clever aufgezogen, dass der Ausgang völlig offen ist. Last not least das Szenario um Mick und Paco, welches den großen Bogen bildet. All das bringt Hochspannung.
Ungleiche Zellengenossen: Mick (l.) und Horowitz
Regisseur Rick Rosenthal hat in seiner von 1981 bis 2018 währenden Karriere hauptsächlich fürs Fernsehen gearbeitet, dabei zahlreiche Serienepisoden inszeniert. Meist vereinzelte Folgen, selten mal mehrere wie die sieben für „Smallville“, die sechs für „Providence“ oder die zehn für „Alles Okay, Corky?“. Sein bekanntester Film dürfte neben „Bad Boys“ das Horror-Sequel „Halloween 2 – Das Grauen kehrt zurück“ (1981) mit Jamie Lee Curtis und Donald Pleasence sein. Diese beiden Regiearbeiten stellen zweifellos auch seine besten Filme dar, schaut man sich beispielsweise auch die anderen von ihm gedrehten Horrorfortsetzungen „Die Vögel II – Die Rückkehr“ (1994) und „Halloween – Resurrection“ (2002) an.
Mediabook mit vier Schnittfassungen von „Bad Boys“
Nachdem „Bad Boys“ 2004 mittels eher lieblos aufgemachten DVDs in den deutschen Handel gelangt ist, geriet das Gefängnisdrama hierzulande anscheinend etwas in Vergessenheit. Umso besser, dass Turbine Medien es eben dieser Vergessenheit mit einer vorbildlichen Veröffentlichung entrissen hat. Das Mediabook kommt in vier Covervarianten daher, von denen zwei eine Auflage von je 500 Exemplaren spendiert bekommen haben, die beiden anderen von je 222 Exemplaren. Auf jeweils zwei Blu-rays finden sich vier Schnittfassungen des Film, von denen die US-Kinofassung mit 124 Minuten die längste ist. Sie enthält seinerzeit nicht deutsch synchronisierte Szenen im englischsprachigen Original mit deutschen Untertiteln. Hinzu kommen die 109 Minuten lange deutsche Kinofassung und eine erweiterte deutsche Fassung von 112 Minuten, ergänzt von einer Retroversion in Open Matte 4:3 in 109 Minuten Länge, die allerdings nur in SD verfügbar ist. Für Fassungssammler ein Fest, mir reichte zum Sichten aber die US-Kinofassung. Der Audiokommentar von Regisseur Rick Rosenthal rundet das Material auf den Blu-rays ab.
Im Knast geht es …
Als zusätzliches Goodie hat Turbine den Mediabooks eine CD mit dem Soundtrack von Bill Conti („Rocky“, „Karate Kid“) beigelegt. Erwähnt sei auch der gewohnt fachkundige Booklettext von Tobias Hohmann über die Produktion und einige der daran Beteiligten. „Bad Boys“ gehört nicht zu den bekanntesten Knastfilmen, hat sich aber dennoch Klassikerstatus redlich verdient. Mit der vorbildlichen Turbine-Edition kommen wir an ihm nicht mehr vorbei. Gut so.
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Clancy Brown und Sean Penn haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.
… hoch her
Veröffentlichung: 31. März 2023 als 3-Disc 40th Anniversary Edition Mediabook (2 Blu-rays & Soundtrack-CD, 2 deutsche Covermotive à 500 Exemplare, je ein französisches und italienisches Motiv à 222 Exemplare) als Blu-ray und DVD, 23. März 2004 und 1. Januar 2004 als DVD
Länge: 124 Min. (US-Kinofassung), 112 Min. (längstmögliche deutsche Fassung), 109 Min. (deutsche Kinofassung / US-Videofassung / Retroversion), 118 Min. (DVD), 105 Min. (gekürzte MCP-DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Bad Boys
USA 1983
Regie: Rick Rosenthal
Drehbuch: Richard Di Lello
Besetzung: Sean Penn, Esai Morales, Ally Sheedy, Clancy Brown, Reni Santoni, Jim Moody, Eric Gurry, Robert Lee Rush, John Zenda, Alan Ruck, Dean Fortunato, Rick Rosenthal
Zusatzmaterial (nur Mediabooks): Audiokommentar von Regisseur Rick Rosenthal, US-Trailer, Soundtrack-CD, 12-seitiges Booklet mit einem Text von Tobias Hohmann
Label/Vertrieb 2023: Turbine Medien
Label/Vertrieb 2004: Kinowelt (März), MCP (Januar)
Copyright 2023 by Volker Schönenberger
Szenenfotos & gruppierter Packshot: © 2023 Turbine Medien
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