Kinostart: 3. April 2014
Von Matthias Holm
Fantasy-Abenteuer // Darren Aronofsky hat in den 16 Jahren seit seinem Debütfilm „Pi“ schon einiges durchgemacht. Nach dem überwältigenden „Requiem for a Dream“ (2000) enttäuschte er Kritiker und Fans sechs Jahre später mit „The Fountain“, nur um sich 2008 mit „The Wrestler“ beim Festivalpublikum zu rehabilitieren. Mit „Black Swan“ schaffte er 2010 den endgültigen Durchbruch an den Kinokassen. Also bekam Aronofsky grünes Licht für eine Herzensangelegenheit: Er wollte die Geschichte von Noah aus dem Alten Testament verfilmen.
Nachdem die Söhne des Kain die Erde verwüstet haben, ist Gott mehr als nur ein bisschen wütend auf seine Schöpfung. Durch einen Traum gibt er Noah (Russell Crowe) zu verstehen, dass er die Menschheit durch eine Sintflut ausrotten will. Noah, letzter Nachfahre von Seth, dem dritten Sohn des Adam, und seiner Familie kommt die Aufgabe zuteil, eine riesige Arche zu bauen, um von jedem Tier ein Männchen und ein Weibchen vor der Flut zu retten. Bald bekommen andere Menschen unter der Führung von Tubal-Cain (Ray Winstone) Wind von dem rettenden Schiff …
Gleich zu Beginn macht Aronofsky mit den „Watchern“, zu Steinmonstern erstarrte gefallene Engel, klar, dass er keine 1:1-Umsetzung der Bibelgeschichte beabsichtigt hat. Wer einen bibeltreuen Film erwartet, muss vielleicht auf Ridley Scotts „Exodus – Götter und Könige“ mit Christain Bale warten. Die Änderungen führten bereits im Vorfeld zu großen Protesten christlicher Vereinigungen. In vielen arabischen Ländern wird der Film gar nicht erst gezeigt.
Doch der Vorwurf, Aronofsky würde aus „Noah“ einen puren Blockbuster machen, tut dem Film unrecht. Vielmehr nutzt der Regisseur die Noah-Geschichte, um einige aktuelle Probleme anzusprechen. Auffällig ist hierbei der Umgang mit Tieren: Noah und seine Familie leben komplett vegan, mit der Arche werden sie ja sogar zu Heilsbringern der Tierwelt. Der Rest der Menschheit aber tötet Tiere und isst sie, da sie ihres Glaubens nach dadurch stärker werden. Der aktive PETA-Unterstützer Aronofsky inszeniert das Essen der Tiere so ekelhaft und widerwärtig, dass sich einem dabei der Magen umdreht.
Vor allem aber werden zwei religiöse Ansichten bloßgestellt. Auch wenn Noah der Beauftragte von Gott ist, bleibt Gott immer stumm. Es liegt also an Noah selbst, seine Träume zu interpretieren. Doch gegen Ende hin versteift er sich ganz und gar auf die Vorstellung, die gesamte Menschheit – und damit auch seine Familie – müsse ausgerottet werden. Dabei hat der „Creator“, wie Gott immer nur genannt wird, Noah nie eine solche Aufgabe gegeben. In diesen Momenten wird Noah zu einem monumentalen Arschloch. Oscar-Preisträger Russell Crowe („Gladiator“) schafft die Wandlung vom Helden zum Unsympathen innerhalb kürzester Zeit mit Bravour.
Auf der anderen Seite steht Ray Winstone als größenwahnsinniger Herrscher. Er ist der Meinung, er dürfe über alles bestimmen – schließlich hat Gott die Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen. Dieses angebliche Geburtsrecht fordert er mit allen Mitteln ein, notfalls mit Gewalt. Dass die Menschen dabei immer mehr der Sünde verfallen, interessiert ihn nicht die Bohne. Mit seinem Charisma schafft er es sogar, Noahs Sohn Ham (Logan Lerman) einzuspannen. Als Noahs Ehefrau Naameh überzeugt Oscar-Preisträgerin Jennifer Connelly („A Beautiful Mind“).
Die oben bereits erwähnte vegane Botschaft kommt auch in der Produktion des Filmes zu tragen. Sämtliche Tiere sind computeranimiert. Auf tierische Komparsen wurde verzichtet, da Tiere im Filmgeschäft generell nicht artgerecht gehalten würden. Dass bei einem Film mit 130 Millionen Dollar Budget die Effekte gut aussehen, ist selbstverständlich. Aber dass ich im Internet nachschauen musste, ob auch wirklich alles am Computer entstanden ist, zeugt von der Qualität dieser Effekte.
Aronofsky hatte schon immer ein Gespür für fantastische Bilder und ungewöhnliche Schnitte. Auch bei „Noah“ kommt dieses Talent perfekt zum Einsatz: Neben den bereits angesprochenen Tier-Schlachtereien bleibt vor allem das Bild der sterbenden Menschen im Kopf, die sich, auf der Suche nach Hilfe vor der Flut, wie ein Berg türmen und im Todeskampf qualvolle Schreie hören lassen. Es gibt auch viele blutige Szenen, sodass die FSK-Freigabe ab 12 ziemlich verwundert.
Ein großer, weil für Aronofsky ungewöhnlicher, Kritikpunkt ist der Score seines Haus-und-Hof-Komponisten Clint Mansell. Das gesamte Geschehen wird permanent von einem dröhnenden Bass unterlegt. Die Musik ist so omnipräsent, dass die wenigen Stellen, in denen mal keine Musik gespielt wird, wie eine Oase der Ruhe wirken.
Ich war nach dem Film hin und her gerissen. Als großer Aronofsky-Fan war ich ein bisschen enttäuscht, dass im Grunde nur die Actionsequenzen im Kopf hängen geblieben sind. Aber „Noah“ ist einer dieser Filme, bei denen man sich nach dem Schauen in Ruhe hinsetzen und das Gesehene Revue passieren lassen muss. Ansonsten tut man ihn schnell als zu langen Blockbuster mit zu wenig Action ab. Doch das möchte der Film gar nicht sein. Gegen alle Erwartungen hat Darren Aronofsky mich mal wieder überrascht. Chapeau!
Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Darren Aronofsky haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgeführt, Filme mit Jennifer Connelly und Emma Watson unter Schauspielerinnen, Filme mit Russell Crowe, Kevin Durand, Anthony Hopkins, Frank Langella, Nick Nolte und Ray Winstone in der Rubrik Schauspieler.
Länge: 138 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
USA 2014
Regie: Darren Aronofsky
Drehbuch: Darren Aronofsky, Ari Handel
Besetzung: Russell Crowe, Jennifer Connelly, Ray Winstone, Emma Watson, Anthony Hopkins, Logan Lerman, Douglas Booth, Nick Nolte (nur Stimme), Kevin Durand, Frank Langella (nur Stimme)
Verleih: Paramount Pictures Germany
Copyright 2014 by Matthias Holm
Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2014 Paramount Pictures Germany