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Archiv für den Monat Januar 2018

Der seidene Faden – Ein garstiger Abschied

Phantom Thread

Kinostart: 1. Februar 2018

Von Matthias Holm

Drama // Vor dem Werk von Paul Thomas Anderson muss man Respekt haben. Mit lediglich acht Filmen hat es der Regisseur geschafft, sich als einer der Größten seiner Zunft zu etablieren. Sein „Magnolia“ ist ein traumhafter Episodenfilm, in „Punch-Drunk Love“ brachte er Adam Sandler dazu, vernünftig zu schauspielern, und „There Will Be Blood“ mit Daniel Day-Lewis wurde in einer Umfrage der BBC auf Platz drei der bedeutendsten Filme des 21. Jahrhunderts gewählt. Apropos Day-Lewis: Der 1957 im Londoner Stadtteil Greenwich geborene hat Mitte 2017 sein Karriereende verkünden lassen. Nicht nur dank seiner drei Oscars für „Mein linker Fuß“ (1989), „There Will Be Blood“ (2007) und „Lincoln“ (2012) gilt er als einer der größten Schauspieler unserer Zeit. Umso bedauerlicher sein überraschender Entschluss, für den er keine Begründung äußerte. Zuvor kommt mit „Der seidene Faden“ also sein letzter Aufrtitt in die Kinos – erneut von Paul Thomas Anderson inszeniert und zudem für sechs Oscars nominiert: als bester Film, für die Regie, Hauptdarsteller Day-Lewis, Nebendarstellerin Lesle Manville, den Original Score und das Kostümdesign.

Der Meister und die Muse

Reynolds Woodcock (Day-Lewis) ist der wohl bekannteste Schneider der Welt. Frauen reißen sich darum, ein Kleid zu tragen, das er entworfen hat. Doch das Genie ist nicht gerade umgänglich, lediglich seine Schwester Cyril (Lesley Manville), die für die Buchhaltung zuständig ist, weiß mit ihm umzugehen. Bei einem Besuch in seiner Heimat lernt Reynolds Alma (Vicky Krieps) kennen. Die beiden kommen einander näher, bald ist sie Reynolds neue Muse. Doch schnell wird diese Beziehung selbstzerstörerische Züge annehmen.

Der Meister und seine Muse

„Der seidene Faden“ ist ein Film mit zwei Seiten. Auf der einen gibt es die technischen Aspekte. Anderson, der auch die Kamera übernahm, schwebt förmlich mit dem Zuschauer durch die Räume und fängt jede kleinste Regung seiner Darsteller ein. Dabei sind die Bilder allesamt wunderschön, ob an Englands rauer Küste oder in dem stilvollen Haus, in dem die Woodcocks wohnen. Der verspielte Score von Johnny Greenwood unterstützt diese Schönheit, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu drängen.

Cholerisch, zickig, manipulativ

Auf der anderen Seite gibt es die eigentliche Geschichte und ihre Figuren. Im Grunde genommen haben wir es hier mit einem Beziehungsdrama zu tun, in dem es um Machtverhältnisse geht – Reynolds ist es als absoluter Perfektionist nicht gewohnt, dass eine Frau wie Alma ihm Kontra bietet. Doch diese durchaus interessante Idee wird so langweilig und langwierig vorgetragen, dass dem Zuschauer irgendwann nur noch die Bilder bleiben. Hinzu kommt, dass sämtliche Figuren in „Der seidene Faden“ gänzlich unsympathisch sind. Der cholerische Reynolds, die zickige Alma und die manipulative Cyril sind die drei zentralen Figuren – mit keiner davon will man unbedingt länger als nötig verbringen.

Reynolds unter Stress

Das schlägt sich auch in den Dialogen nieder. Manchmal gibt es ziemlich witzige Szenen, der Humor geht allerdings meistens aus der Boshaftigkeit der Figuren hervor. So fällt es schwer, all dem Hin und Her über die gesamte Laufzeit zu folgen, vor allem, da sich bestimmte Motive im späteren Verlauf wiederholen. Die deutsche Synchronisation hilft da leider auch nicht, gerade Vicky Krieps, die sich selbst nachgesprochen hat, wirkt als Sprecherin vollkommen deplatziert. Vielleicht reißt Daniel Day-Lewis in der Originalversion mehr raus – aber so ist sein Reynolds Woodcock nur ein weiteres, exzentrisches Genie, das nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.

„Der seidene Faden“ ist also ein wunderschöner Film, der inhaltlich allerdings zu viele Federn lässt. Mit all seinen Unsympathen ist es ein garstiger Abschied eines großen Mannes aus der Filmbranche. Mach’s gut, Daniel Day-Lewis!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Paul Thomas Anderson haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgeführt, Filme mit Daniel Day-Lewis unter Schauspieler.

Cyril scheint nicht begeistert zu sein

Länge: 130 Min.
Altersfreigabe: FSK 6
Originaltitel: Phantom Thread
GB 2017
Regie: Paul Thomas Anderson
Drehbuch: Paul Thomas Anderson
Besetzung: Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Lesley Manville, Sue Clark, Joan Brown, Harriet Leitch, Dinah Nicholson, Julie Duck
Verleih: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2018 by Matthias Holm

Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2018 Universal Pictures Germany GmbH

 

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The Disaster Artist – So famos spielt man einen miesen Schauspieler

The Disaster Artist

Kinostart: 1. Februar 2018

Von Matthias Holm

Komödie // „The Room“ gilt als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten. Dennoch hat sich der Streifen über die Jahre eine treue Anhängerschaft erarbeitet, die den Film trotz oder genau wegen seiner Mängel immer wieder guckt. Die Person, die „The Room“ 2003 inszeniert hat, gibt immer noch Rätsel auf. Denn Tommy Wiseau hat zum Beispiel bis heute nicht verraten, aus welchem Land er eigentlich stammt. So ein Mensch ist natürlich ein gefundenes Fressen für ein Biopic. Insofern passt es gut, dass Greg Sestero, der andere männliche Hauptdarsteller in „The Room“, über die Entstehungsgeschichte des Films das Buch „The Disaster Artist“ geschrieben hat, dessen Verfilmung nun ins Kino kommt.

Einfach einen eigenen Film machen

Gespielt wird Greg Sestero von Dave Franco. Dieser nimmt 1998 Schauspielunterricht, doch so ganz will er nicht aus sich herausgehen. Ganz anders hingegen Tommy Wiseau (James Franco). Der ist in der gleichen Klasse, neigt aber zum gnadenlosen Overacting. Sestro fasziniert das, die beiden freunden sich an und beschließen, gemeinsam nach Los Angeles zu ziehen, um in Hollywood Karriere zu machen. Und auch wenn Greg die eine oder andere kleine Rolle ergattert, auf Tommy scheint man nicht gewartet zu haben. Die Lösung des Problems liegt aber auf der Hand: Dann schreibt man eben einfach seinen eigenen Film. Zwar gelingt es Tommy Wiseau, sämtliches Equipment und eine komplette Crew zu finanzieren, ein Drehbuchautor ist an ihm allerdings nicht verloren gegangen. Hinzu kommen Eifersucht und einige wirklich unangenehme Marotten, schon ist Chaos am Set programmiert.

Tommy hält sich für ein Genie, allerdings …

So einfach es gewesen wäre, hier Figuren bloßzustellen – „The Disaster Artist“ zelebriert seine Protagonisten zu jeder Zeit. Auch wenn es in erster Linie eine Komödie ist, gehen die Witze nie auf Kosten anderer, sondern man lacht immer mit ihnen. Das liegt vor allem daran, dass die Drehbuchautoren Scott Neustadter und Michael H. Weber es schaffen, sämtliche Perspektiven abzudecken. So verbringt der Zuschauer einen großen Teil des Films nur mit Greg und Tommy, wodurch man diese beiden Figuren deutlich besser versteht – gerade der Beginn ist ein intimes Porträt einer ungewöhnlichen Freundschaft. So kommen einem manche Eskapaden – und davon gibt es einige – immer noch seltsam vor, aber man ist nicht ganz so verständnislos wie alle umstehenden Menschen.

Golden Globe? Zu Recht

Einen Bärenanteil an dieser differenzierten Darstellung trägt vor allem James Franco, der im Übrigen auch auf dem Regiestuhl saß. Ein Schauspieler, der perfekt einen schlechten Schauspieler spielt – das klingt auf mehreren Ebenen verwirrend, ist aber die unterhaltsamste Performance des noch jungen Jahres. Gerade wenn am Ende Szenen aus „The Disaster Artist“ neben das Pendant aus „The Room“ geschnitten werden, merkt man, wie nah Franco am Original ist. Die Belohnung war dafür ein Golden Globe. Schade nur, dass sein Name jüngst in Verbindung mit den Missbrauchs-Skandalin Hollywood auftauchte. Das mag ihn die Oscar-Nominierung gekostet haben.

… sieht seine Crew das anders

Doch „The Disaster Artist“ ist nicht nur eine One-Man-Show. Auch alle anderen Darsteller sind voll dabei. Dave Franco als gutmütiger Greg Sestero bildet das Bindeglied zwischen dem Zuschauer und Tommy Wiseau, Seth Rogen versucht als Sandy, den Wahnsinn beim Dreh wenigstens einigermaßen einzudämmen und es gibt eine ganze Menge Gastauftritte und Cameos. Am Anfang kommen noch einige prominente Fans zu Wort, darunter die Regisseure J. J. Abrams und Kevin Smith, im Film selbst geben sich Melanie Griffith, Sharon Stone, Bob Odenkrik, Zach Braff und andere die Klinke in die Hand.

Am Ende kann man als Zuschauer nur zufrieden sein. „The Disaster Artist“ ist ein enorm unterhaltsames Biopic mit fantastischen Schauspielleistungen und so vielen Gags, dass man ihm die eine oder andere kleine Länge gerne verzeiht. Vor allem aber macht der Film auf eine Sache Lust: eine weitere Sichtung von „The Room“.

Die große Premiere

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Alison Brie, Melanie Griffith und Sharon Stone haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit James Franco und Josh Hutcherson unter Schauspieler.

Länge: 104 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Originaltitel: The Disaster Artist
USA 2017
Regie: James Franco
Drehbuch: Scott Neustadter, Michael H. Weber, nach einem Buch von Greg Sestero und Tom Bissell
Besetzung: Dave Franco, James Franco, Seth Rogen, Melanie Griffith, Sharon Stone, Ari Graynor, Alison Brie, Jacki Weaver, Paul Scheer, Josh Hutcherson
Verleih: Warner Bros. Entertainment GmbH

Copyright 2018 by Matthias Holm

Filmplakat, Fotos & Trailer: © 2018 A24 / New Line Cinema

 

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The Room – „Oh, hi Mark!“

The Room

Von Matthias Holm

Drama // Wenn Filme besonders verehrt werden, bekommen sie schnell den Stempel „Kultfilm“. Das trifft auch auf Streifen zu, die an den Kinokassen vorerst nicht erfolgreich waren – ein Beispiel dafür ist die „Rocky Horror Picture Show“, die durch zahllose Wiederaufführungen ihren heutigen Status erreichte. Doch um als Kult zu gelten, muss ein Film nicht immer gut sein, wie man bestens an „The Room“ erkennen kann – für manche der schlechteste Film aller Zeiten.

Die Handlung dreht sich grob um Johnny (Tommy Wiseau). Der ist unsterblich in seine Verlobte Lisa (Juliette Danielle) verliebt. Diese hat jedoch die Faxen dicke und flüchtet sich in die Arme von Mark (Greg Sestero), Johnnys besten Freund. Und dann ist da eine ganze Reihe an Nebenfiguren, die auch hin und wieder durch das Bild laufen und unsinnige Dialoge führen.

Krebs? Halb so wild

Genau hier liegt die Faszination für „The Room“ – es stimmt einfach absolut nichts. Das fängt bei den Figuren und ihren Geschichten an. In einer der unfassbar repetitiven Unterhaltungen zwischen Lisa und ihrer Mutter Claudette (Carolyn Minnot) erzählt Letztgenannte, sie habe Krebs. Diese schockierende Nachricht wird von Lisa nur mit einem saloppen „Es wird schon alles gut“ quittiert – und spielt im weiteren Verlauf keine Rolle.

Immerhin hat Claudette auch eine der besten Zeilen im Film: Als Lisa und sie nach einer Shopping-Tour nach Hause kommen und dort Mike (Mike Scott) und Michelle (Robyn Paris), Freunde von Tommy und Lisa, wild knutschend auf dem Sofa vorfinden, fragt sie „What are these characters doing here?“ Eine absolut berechtigte Frage, denn so viele Figuren in dem Film sind schlichtweg überflüssig – sie tauchen einmal auf und verschwinden danach sofort für immer, ohne auch nur irgendetwas Relevantes beigesteuert zu haben.

Schauspielgott Tommy Wiseau

Das absolute Highlight des Films ist aber Tommy Wiseau. Dieser Mann, dessen Herkunft bis heute weitgehend ungeklärt ist und der wie auch immer ein Vermögen verdient hat und so einen eigenen Film auf die Beine stellen konnte, liefert die wohl schönste schlechte Performance, die je auf Film gebannt wurde. In den besten Fällen ist sein Text durch seinen merkwürdigen Akzent unverständlich, ansonsten sitzt nicht eine Intonation richtig – und zwischenmenschliche Interaktion scheint sein Johnny auch nicht zu verstehen, da wird auf die Geschichte einer verprügelten Frau mit einem schallenden Lachen reagiert.

Wo bleibt die deutsche DVD oder Blu-ray?

Das alles – und noch viel mehr – ergibt zusammen ein unvergleichliches Filmerlebnis. Ja, dieser Film ist, wenn er ernst genommen wird, absolut furchtbar. Aber genau das macht ihn so unfassbar faszinierend. Und mit dieser Meinung stehe ich nicht allein da, denn ähnlich wie die eingangs erwähnte „Rocky Horror Picture Show“ gibt es bei Special Screenings von „The Room“ spezielle Regeln, die das Publikum involvieren. Also bitte nicht wundern, wenn bei der Sichtung plötzlich die Plastiklöffel tief fliegen. Es wird allmählich Zeit, dass der Film auch in Deutschland ohne Probleme erhältlich ist, zumal gerade dessen Entstehungsgeschichte unter dem Titel „The Disaster Artist“ in die Kinos kommt.

Natürlich ist „Die Nacht der lebenden Texte“ nicht die erste Seite, die sich mit „The Room“ auseinandersetzt. Eine große Empfehlung geht hier an die entsprechende Episode des Nostalgia Critic, der den Film komplett auseinandernimmt. Oder aber, wer es lieber musikalisch mag, sollte sich diesen Song vom YouTube-Kanal schmoyoho zu Gemüte führen, der die berühmtesten Sätze des Films aufgreift.

Veröffentlichung (USA): 28. Dezember 2012 als Blu-ray, 17. Dezember 2005 als DVD

Länge: 99 Min.
Originaltitel: The Room
USA 2003
Regie: Tommy Wiseau
Drehbuch: Tommy Wiseau
Besetzung: Tommy Wiseau, Greg Sestero, Juliette Danielle, Phillip Haldiman, Carolyn Minnot, Robyn Paris, Mike Scott, Dan Janjigian

Copyright 2018 by Matthias Holm
Filmplakat: Fair Use

 

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