
Hoo-goong: Je-wang-eui cheob
Von Lucas Gröning
Drama // Cho Yeo-jeong kennt man hier im Westen wohl erst seit ihrem Auftritt in Bong Joon-hos Genremix „Parasite“ (2019). In ihrem Heimatland Südkorea ist die Schauspielerin dem Kinopublikum allerdings schon seit Längerem ein Begriff. Zunächst vor allem als Darstellerin im Fernsehen aktiv, feierte sie 2002 ihr Leinwand-Debüt in der Dating-Komödie „A Perfect Match“ und schaffte 2010 mit einer der Hauptrollen im Erotikfilm „The Servant“ ihren Durchbruch. Erotisch wurde es passenderweise auch in jenem Film, welcher sich direkt im Anschluss an „The Servant“ mit der Südkoreanerin schmücken durfte, nämlich „Die Konkubine“ (2012) von Kim Dae-seung, dem Regisseur von unter anderem „Bungee Jumping of Their Own“ (2001) und „Blood Rain“ (2005). „Die Konkubine“ ist ein, das kann man vorwegschicken, enorm interessanter Film, der eine vielfältige Themenpalette bearbeitet und deren Erläuterung ich mich im Folgenden mit kritischem Blick nähern möchte.

Hwa-yeon wollte eigentlich ein glückliches Leben mit Kwon-yoo führen …
Zunächst soll es kurz um die Geschichte gehen: Sie spielt in einem nicht genauer beschriebenen Dorf, welches sich um den Hof des Königs eines nicht weiter definierten Königreichs streckt. Im Mittelpunkt der Handlung steht die junge Hwa-yeon (Cho Yeo-jeong), Tochter eines wohlhabenden Mannes, welche zur Konkubine des gegenwärtigen Königs gemacht werden soll. Als sie davon erfährt, flieht sie jedoch mit ihrem Geliebten Kwon-yoo (Kim Min-joon) aus dem Ort, beide werden jedoch nach kurzer Zeit gestellt. Während Kwon-yoo getötet werden soll, wird Hwa-yeon vor die Wahl gestellt, sich als Konkubine in den Dienst des Königs zu stellen oder das Zeitliche zu segnen. Widerwillig wählt sie die erste Option und verbringt die nächsten Jahre am königlichen Hofe, wobei sie dem Herrscher ein Kind gebärt – den zukünftigen König. Doch nicht alle sind zufrieden mit dem Status Quo, denn die Mutter des Königs (Park Ji-young) verfolgt ganz eigene Pläne und würde lieber ihren anderen Sohn Sung-won (Kim Dong-wook) an der Spitze des Reiches sehen, gerade weil sich der junge Prinz als äußerst manipulierbar und passiv in seiner Regierungsarbeit erweisen könnte. Sung-won wiederum zeigt zunächst zwar keine eigenen Ambitionen, den Thron zu besteigen, jedoch hat er bereits seit Langem ein Auge auf Hwa-Yeon geworfen und könnte die Gelegenheit ergreifen wollen, seine sexuellen Fantasien mit der Konkubine des Königs auszuleben. Im Folgenden entfaltet sich ein Spiel aus Intrigen, Begehren, Sex und Macht und man darf gespannt sein, wer die komplizierte Auseinandersetzung zu seinen Gunsten entscheiden kann.
Ein neues Genre?
Betrachten wir im Folgenden im Rahmen einer Analyse die einzelnen Aspekte und ästhetischen Kniffe von Kim Dae-seungs Werk und jene Themen, mit denen der Film uns Rezipienten konfrontiert. Beginnen möchte ich mit einer Klassifizierung des Genres, denn hier wird es bereits ein wenig komplizierter. Traut man dem Booklet des Mediabooks von capelight pictures, handelt es sich hierbei um ein fiktional-historisches Drama und somit um ein komplett neues Genre, was innerhalb des Textes zum Genre des faktional-historischen Dramas abgegrenzt wird. Was ist also der Unterschied? Als faktional-historisches Drama wird im Text ein Werk bezeichnet, das erfundene, aber glaubwürdige Geschichten und Figuren mit geschichtlich belegten Ereignissen kombiniert. Ein fiktional-historisches Drama wie „Die Konkubine“ wiederum, erfinde sogar das historische Setting, wobei der Film in einer unbestimmten, vergangenen Zeit an einem ausgedachten Ort spielt, sodass eine metaphorische Überprüfung unserer gegenwärtigen Realität erfolgen soll. Ich muss an dieser Stelle anfügen, dass ich diese Unterscheidung etwas schwierig finde und es mir nicht anmaßen möchte, dem Film in diesem Zusammenhang die Erfindung eines neuen Genres zuzugestehen, wie das der Booklet-Text handhabt.

… doch sie zur Konkubine des Königs gemacht …
Die beschriebene Differenzierung ist in gewisser Weise problematisch, denn ich würde einen Film schlicht nicht als historischen Film oder historisches Drama bezeichnen, wenn keine direkten und konkreten Bezüge zu bestimmten geschichtlichen Ereignissen festgeschrieben sind. Beim Nachdenken über jene Genrekategorisierung bin ich mit meinen Gedanken vor allem bei chinesischen Wuxia-Filmen hängen geblieben, die zwar oftmals eine grobe historische Verortung vorgeben, beispielsweise bei „Tiger and Dragon“ (2000) und „Hero“ (2002), in deren Rahmen sich die historischen Tatsachen jedoch zu keiner Zeit in den Vordergrund drängen, sodass diese Filme eigentlich auch nicht als Historienfilme zu betrachten sind. Gleiches gilt beispielsweise auch für die Filme von King Hu, exemplarisch „Das Schwert der gelben Tigerin“ (1966) und „Ein Hauch von Zen“ (1969), die jene historische Verortung gleich komplett ausblenden, jedoch offensichtlich nicht im Hier und Jetzt spielen. Was macht man außerdem mit einem Film wie Ingmar Bergmans „Das siebente Siegel“ (1957), der sich zwar grob im europäischen Mittelalter Schwedens zur Zeit der Kreuzzüge und der Pest verorten lässt (also grob in der Mitte des 14. Jahrhunderts), mit seiner Thematisierung der prozessionsgetriebenen Hexenverbrennung allerdings eher einen Bezug zur Renaissance (grob 15. und 16. Jahrhundert) zieht und sich somit durch eine Kombination verschiedener Settings einer Historisierung entzieht? In keinem der genannten Beispiele reden wir von einem Historienfilm, und ich finde dass wir das im Falle von „Die Konkubine“ ebenfalls nicht tun sollten, sodass der Film vielleicht eher als reines Drama bezeichnet werden könnte, ohne dem Begriff ein weiteres Attribut anzuhängen – am ehesten vielleicht noch das Wort Erotik angesichts der sehr expliziten Sex-Szenen, die tatsächlich einen eklatanten Unterschied zu vergleichbaren Werken darstellen.
Die Inszenierung von Erotik
Kommen wir zur Ästhetik des Films. Diese stellt eine sichtbare Geplantheit und Künstlichkeit in den Vordergrund, indem die Aufnahmen von klar erkennbaren Bildstrukturen gekennzeichnet sind. Das bedeutet nicht zwangsläufig einen Fokus auf Symmetrie, aber in jedem Fall auf eine koordinierte Verteilung der im Bild gezeigten Objekte, sodass ein optisches Gleichgewicht hergestellt wird. Sinn und Zweck der dadurch erreichten formalen Harmonie ist ein Herstellen von Harmonie auf der Handlungsebene, einer Harmonie, die den Versuch kennzeichnet, eine Kontrollierbarkeit der dargestellten Welt durch alle Beteiligten zu initiieren. Dass jene Kontrollierbarkeit angesichts der zahlreichen Interessenskonflikte nur schwer zu erreichen ist, überträgt sich wiederum auf die Ebene der Bildordnung, denn gerade in brenzligen oder angespannten Situationen gerät diese in eine Schieflage, sodass sich die Mise en scène weit weniger kunstvoll und geordnet gestaltet, als dies zuvor der Fall war, einhergehend mit Kniffen wie beispielsweise einer etwas wackligeren Kamera zum Aufzeigen von Hektik. Bemerkenswert ist auch die Beleuchtung des Films, denn sie dient vor allem der Inszenierung seiner Hauptfigur und einer Übertragung der sexuellen Faszination, die Hwa-yeon bei anderen Figuren der Geschichte hervorruft.

… während Kwon-yoo getötet werden soll
So haben wir in fast jeder Einstellung, in der die Protagonistin zu sehen ist, einen separaten Lichtspot, der dafür genutzt wird, sie oder zumindest ihr Gesicht von den übrigen Figuren und Objekten abzuheben – eine Strategie die in Bezug zu ihren anderen Körperteilen ebenfalls verfolgt wird, wenn die Szenen an Erotik gewinnen. Zum anderen dient auch der sichtlich höhere Schärfegrad einer Sexualisierung der Figur und dem Hervorrufen von erotischen Gefühlen für die Protagonistin auf Seite der Rezipienten. Dies merkt man gerade bei den im Schuss-Gegenschuss-Verfahren inszenierten Dialogen, wenn bei der Protagonistin fast jede Pore auf der Gesichtshaut zu erkennen ist, während die Einstellungen, welche ihre Gesprächspartner zeigen, zwar auch recht scharf gestellt sind, das Erkennen derartiger Details jedoch nicht zulassen. So inszeniert „Die Konkubine“ eine extreme Nähe zur Hauptfigur – eine Nähe, die andere Figuren des Films nur zu gern einnehmen würden, allen voran der junge Prinz Sung-won. So wird uns Zuschauerinnen und Zuschauern also eine besondere Intimität mit Hwa-yeon gewährt. Neben der hohen Schärfe und der separaten Beleuchtung wird sie außerdem im Rahmen der angesprochenen klaren Bildstruktur mit auffälliger Häufigkeit ins Zentrum der Einstellung gesetzt. All das sind ästhetische Kniffe, die in jenen Szenen, in denen die Protagonistin nicht anwesend ist, schlichtweg fehlen, sodass andere Figuren inszenatorisch zu keinem Zeitpunkt auf die Höhe der Konkubine gehoben werden.
Sex und Gewalt
Dafür ist ein anderer Aspekt dominierend, wenn die Hauptfigur abwesend ist: die Gewalt. Immer mal wieder kommt es zu Morden, physische Verletzungen bis hin zu Kastrationen und zu gewaltsamen verbalen Auseinandersetzungen in Form von zum Beispiel Drohungen. Die verbalen Scharmützel sind dabei gar nicht so explizit, die Gewaltdarstellungen sind es durchaus. Zwar werden sie selten im Bildmittelpunkt gezeigt, die Andeutungen teilweise enorm brutaler Handlungen sind aber durchaus schwer verdaulich und begünstigen eine psychisch-angelegte Inszenierung im Kopf des Zuschauers. Diese Gewaltversprechen bilden neben den Sexszenen die größte Form der Überschreitung von Sehgewohnheiten eines Mainstream-Zuschauers und sind ästhetisch enorm spannend inszeniert. Beide Formen haben innerhalb des Films jedoch wenig mit der grundsätzlichen Lebenswelt von Hwa-yeon zu tun, deren Charakter uns als äußerst unschuldig gezeigt wird und deren Körper nur durch Zwang oder im Rahmen von erotischen Fantasien in jene expliziten Sexszenen gepresst wird. Die sexuelle Konnotation, welche die Konkubine hervorruft, entsteht vielmehr durch die bereits skizzierte Art der Inszenierung und die dadurch beim Zuschauer hervorgerufenen Fantasien. Sie ist quasi Opfer, zum einen einer sowieso innerhalb der Filmlogik von Männern geschaffenen Dorfwelt, zum anderen ist sie Opfer der Machart des Films und fungiert somit für ein sexuell aufgeladenes Publikum und eine voyeuristisch-geprägte Inszenierung des Regisseurs als Objekt der Begierde zur Befriedigung der jedem von uns innewohnenden Schaulust.

Hwa-yeon verrichtet also am Hofe ihren Dienst …
Doch diese Schaulust wird gebrochen und in dieser Hinsicht kann man „Die Konkubine“ als durchaus feministischen Film verstehen, der sich in der Tradition der britischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey und somit auch von Siegmund Freud lesen lässt. Generell ist vor allem der Psychoanalytiker hilfreich beim Lesen von „Die Konkubine“, denn das dominierende Thema des Films sind Fragen rund um Macht und wer diese ausübt. Wer hat überhaupt Macht über wen? Wie kommt man an die Macht? Braucht man für die Macht ein spezielles Amt? Führt ein Machtwechsel auch zu einer Umkehr von Täter und Opfer? Muss man die Macht für den Frieden vielleicht aufteilen? Mit all jenen Aspekten der Macht und Gewalt beschäftigt sich der Film und lädt diese Fragestellungen symbolisch teils sehr stark auf. So haben wir es natürlich mit einer ganzen Reihe von Phallussymbolen zu tun und passenderweise auch mit den bereits erwähnten Kastrationen sowie ausgerechnet mit Eunuchen, welche die Dienerschaft der Königsfamilie darstellen. Diese breite und recht eindeutige Symbolpalette führt schlussendlich zu einer recht klaren Lesart des Films und lässt tatsächlich nur wenige andere zu. „Die Konkubine“ forciert mit allen Aspekten eine Eindeutigkeit, die nur sehr schwer in eine andere Richtung zu kippen ist und seinem Publikum eine eindeutige Botschaft vermitteln soll, die dazu noch sehr demokratisch daherkommt.
Es geht immer um Macht
Das sind mit Sicherheit die positiven Seiten von „Die Konkubine“. Der Film ist inszenatorisch nicht brilliant, aber sehr gut, er vermittelt eine klare und ideologisch (zumindest aus meiner Perspektive) positive Botschaft und ist mit seiner Thematisierung von Machtverhältnissen in einer Gesellschaft auch aktuell noch voll im Trend – gerade wenn es um die Berücksichtigung feministischer Theorie und der Psychoanalyse geht. Es gibt jedoch auch ein bisschen was zu meckern. Zwar vermittelt das Drama eine sehr klare Botschaft und hat mit den Machtfragen ein klares übergeordnetes Thema, jedoch werden diese Aspekte dem Zuschauer quasi ins Gesicht gedrückt und im Film sogar im Rahmen von Monologen und Dialogen erwähnt. So gibt es einen Dialog zwischen zwei langjährigen Eunuchen, an dessen Ende einer der beiden mehrfach sagt: „Immer geht es um die Macht.“ Das ist eine Zeile (und es gibt noch mehrere dieser Art), die sich indirekt an den Zuschauer richtet, wobei dieser das Thema bis dahin eigentlich bereits verstanden haben sollte. Kim Dae-seung vertraut hier seinem Publikum leider zu wenig und lässt auch nicht den Raum, tatsächlich noch eine andere Lesart in „Die Konkubine“ zu finden als die von ihm anvisierte. Vor diesem Hintergrund haben wir es vielleicht mit einer demokratischen Botschaft zu tun, aber nicht unbedingt mit einem demokratischen Film, da ein solcher zwingend den Glauben an einen mündigen und selbstständig denkenden Zuschauer in sich tragen sollte.

… zu dem auch das Zeugen eines Kindes für den König gehört
Der zweite größere Kritikpunkt hat indirekt mit dem ersten zu tun, denn die Klarheit, mit welcher der Film seinen Punkt transportiert, führt dazu, dass die Rezipienten jene interessanten Aspekte der vorgetragenen Themen recht schnell kognitiv herausarbeiten können. Das Problem ist, dass ab diesem Zeitpunkt gerade einmal die Hälfte von „Die Konkubine“ abgelaufen ist. Der Rest des Films besteht lediglich aus einer Aneinanderreihung von Szenen, welche die aufgeworfenen Themen zwar vertiefen, besonders nennenswerte neue Aspekte, die man sich nicht selbst denken kann, bleiben jedoch aus. So entsteht schnell eine Langeweile, welche der Film durch die angesprochenen Gewalt- und Sexszenen zu unterbrechen versucht, was aber nur mit Mühe gelingt. Dennoch ist „Die Konkubine“ mehr als sehenswert, denn man bekommt ein spannendes Drama, welches durchaus intelligent durch seine Handlung führt und die angesprochenen Themen in famoser Weise bearbeitet. Im Booklet des Mediabooks finden sich außer dem angesprochenen Genrediskurs auch kurze Porträts von Regisseur Kim Dae-seung sowie den Darstellern Cho Yeo-jeong und Kim Dong-wook. DVD, Blu-ray und Mediabook von „Die Konkubine“ können im Onlineshop von capelight pictures geordert werden.
Alle als „Limited Collector’s Edition” von capelight pictures veröffentlichten Filme haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgelistet.

Sung-won hat ein Auge auf die Konkubine geworfen
Veröffentlichung: 30. Juli 2021 als 2-Disc Limited Collector’s Edition Mediabook (Blu-ray & DVD), Blu-ray und DVD
Länge: 122 Min. (Blu-ray), 117 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Koreanisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Hoo-goong: Je-wang-eui cheob
KOR 2012
Regie: Kim Dae-seung
Drehbuch: Hwang Yoon-jung, Kim Dae-seung, Kim Mi-jung
Besetzung: Cho Yeo-jeong, Kim Dong-wook, Kim Min-joon, Park Ji-young, Jo Eun-ji, Park Cheol-min
Zusatzmaterial: Trailer, 24-seitiges Booklet
Label: capelight pictures
Vertrieb: Al!ve AG
Copyright 2021 by Lucas Gröning

Szenenfotos & 3er-Packshot: © 2021 capelight pictures
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