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Theo gegen den Rest der Welt – Affentheater mit dem Alphatier

07 Jan

Theo gegen den Rest der Welt

Von Lars Johansen

Tragikomödie // Was viele vergessen: Marius Müller-Westernhagen konnte vor seiner Karriere als Deutschrock-Sänger bereits eine Laufbahn als Schauspieler vorweisen. Beim im September 1980 in den bundesdeutschen Kinos gestarteten „Theo gegen den Rest der Welt“ handelte es sich um die 50. Produktion, an der er als Darsteller beteiligt war – sein erster Schauspiel-Credit datiert von 1963. Als Musiker betätigte er sich zusätzlich seit Mitte der 60er-Jahre. Sein Album „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ von 1978 wurde erst im Zuge von „Theo …“ zu einem veritablen Erfolg und eröffnete ihm eine Karriere die aus dem spillerigen Marius die Marke Westernhagen (ohne Müller) machte. Doch der „Theo …“ beförderte auch die Karrieren seiner beiden Erfinder, nämlich die des Regisseurs Peter F. Bringmann und des Autoren Matthias Seelig. Die Produktion wurde mit drei Millionen Zuschauern zum erfolgreichsten bundesdeutschen Film des Jahres 1980 und einer der erfolgreichsten deutschen Filme überhaupt. Dabei hatten viele große Produktionsfirmen abgewinkt und trotz des winzigen (heute geradezu lächerlich wirkenden) Budgets von nur 1,9 Millionen Mark kein Interesse gezeigt. Und doch schaffte es dieser Film, wie aus dem Nichts, ein großer Hit zu werden. Das hat natürlich Gründe.

Auf Achse

Zum einen gab es einen Vorgängerfilm, der vom gleichen Team (Bringmann, Seelig, Müller-Westernhagen und Guido Gagliardi) erstellt wurde: „Aufforderung zum Tanz“ (1977) war der zweite (Fernseh-)Film von Bringmann, der hier zum ersten Mal auf den Drehbuchautoren Matthias Seelig traf. Dessen Drehbuch von 1975 wurde jetzt realisiert und Theo (Marius Müller-Westernhagen) versucht in diesem Film, zusammen mit seinem Kumpel Enno (Guido Gagliardi), seinen Traum vom eigenen Lkw zu erfüllen. Dabei eckt er überall an. Seelig hatte ihn im Skript als kräftigen Schlägertypen angelegt und Müller-Westernhagen schien damit eigentlich nicht die passende Besetzung zu sein, füllte die Rolle trotzdem grandios aus. „Aufforderung zum Tanz“ war im Fernsehen ein veritabler Erfolg und fand ein Publikum, das ihn einfach mochte. Vielleicht stellte der Film einen der ersten Versuche dar, eine eigenständige Ruhrpottkomödie als Genre zu etablieren. So hatte der Nachfolger einen guten Vorlauf.

Von „Convoy“ zu „Ruf Teddybär Eins-Vier“

Zum anderen war zu diesem Zeitpunkt der Truckerfilm weltweit ein beliebtes Genre. Filme wie „Convoy“ (1978) von Sam Peckinpah waren genauso erfolgreich wie italienische Polizeifilme, welche sich mit Überfällen auf Lkws beschäftigen, zum Beispiel „Convoy Busters“ („Un poliziotto scomodo“, 1978) und als komödiantische Variante „Das Schlitzohr von Highway 101“ („Delitto sull’autostrada“, 1982). Kein Wunder, dass auch „Theo gegen den Rest der Welt“ in Mailand und schließlich Neapel enden muss. Das hatte selbst das deutsche Fernsehen erkannt und mit „Auf Achse“ (1978–1996) eine deutsche Truckerserie etabliert, in deren ersten Folgen sogar ein Volvo, wie bei „Theo …“, gefahren wurde. Und auch der deutsche Schlager machte mit dem eher gesprochenen „Ruf Teddybär Eins-Vier“ (1978) von Johnny Hill gern mit. Sowohl dieser Titel als auch „Auf Achse“ hatten direkte US-Vorbilder. Und Seelig mischte das alles zu einem unterhaltsamen Konglomerat zusammen, welches 1979 verfilmt wurde. Aus den Schweinen bei „Convoy“ wurden hier Hühner, vom Ruhrpott ging es durch halb Europa und die lockeren Dialoge stellten eine angenehme Abwechslung zur bleiernen Zeit jener Tage im Neuen Deutschen Film dar.

Lindenstraße und Landstraße

Außerdem hatte sich hier eine junge Crew zusammengefunden, deren Mitglieder alle am Anfang ihrer Karrieren standen. Müller-Westernhagen stellte da fast schon die Ausnahme dar, hatte aber zuvor nur Nebenrollen gespielt, außer in dem grandiosen „Supermarkt“ (1974) von Roland Klick, wo er lediglich einen Song singen und den Hauptdarsteller synchronisieren durfte. Bringmann und Seelig würden noch einige Filme zusammen drehen, die aber nie mehr an den Erfolg von „Theo gegen den Rest der Welt“ anzuknüpfen vermochten. Mit Westernhagen drehten sie zusammen noch einmal „Der Schneemann“ (1984) nach einem Roman von Jörg Fauser, einem der großen, unterschätzten deutschen Autoren, der stilistisch an Chandler und Hammett anknüpfte und vielleicht am ehesten an James Ellroy erinnert. Dem Film ging es wie Fauser, er ging leider unter. Müller-Westernhagen würde sich nach zwei weiteren Filmen nur mehr auf seine Musikerkarriere konzentrieren. Aber damals war alles noch jung, unverbraucht und einfach gut. Der Hauptdarsteller bekam für seine Leistung in der Titelrolle des Theo zu Recht den Ernst-Lubitsch-Preis und den Jupiter als bester Darsteller. Aber auch der Italiener Guido Gagliardi, der später in der „Lindenstraße“ versauern würde, und die Schweizerin Claudia Demarmels machten ihre Sache sehr gut.

Die Jagd nach dem geklauten Lkw

Kann man die Handlung von einem bekannten und erfolgreichen Film wie „Theo gegen den Rest der Welt“ als bekannt voraussetzen? Kann man das überhaupt bei irgendeinem Film, der 40 Jahre alt ist? Vermutlich nicht. Also: Theo (Marius Müller Westernhagen) ist mit dem Lkw Richtung Herne unterwegs. Als er kurz anhält, um auf die Toilette zu gehen, wird ihm der Laster geklaut. Mit dem Fahrzeug der jungen Schweizer Medizinstudentin Ines Röggeli (Claudia Demarmels) nimmt er umgehend die Verfolgung auf, was für ihr Auto nicht gut ausgeht. Also ruft er seinen Kumpel und Lkw-Mitbesitzer Enno Goldini (Guido Gagliardi) an und verfolgt mit ihm und seinem Wagen den Truck weiter. Die Polizei kann Theo nicht einschalten, weil er eine illegale Ladung Bürobedarf im Laderaum transportiert, um Schulden zu begleichen. Die Diebe stoßen ihn auf einem Parkplatz beim Wegfahren auf die Straße, nur das Toupet kann er einem von ihnen entreißen. Enno will nach Herne, Ines nach Hause, aber Theo fährt mit ihnen Richtung Marseille, wo er den gestohlenen Wagen vermutet. Verfolgt wird er dabei von einem Geldeintreiber (Carlheinz Heitmann) in einem roten Sportwagen, der ihm im Laufe des Films immer wieder begegnen wird. Nach einem nächtlichen Unfall fahren sie erst einmal in die Schweiz, um Ines zu Hause abzuliefern. Dort erfahren sie auf einer Party, dass der Lkw in Mailand sein könnte. Ines schließt sich Enno an, der dorthin fährt. Theo dagegen fährt lieber in einem Wohnwagen nach Marseille mit, landet aber ungewollt ebenfalls in Mailand, wo sich alle wieder treffen, den Wagen knapp verfehlen, nach Neapel fliegen, nur um dort festzustellen, dass der vermutete Lkw gar nicht ihnen gehört. Der Film endet damit, dass sie in einem Motorboot nach Marseille weiterfahren. Die Suche wird nie enden.

Schweizer Küsse

Was die Inhaltsangabe verschweigt, sind die wirklich komischen Szenen, von denen es im Film nur so wimmelt. Der Humor ist nicht von der herangeschafften peinlichen Sorte, sondern wirklich witzig und mit einer angenehmen Fallhöhe ausgestattet. Der Geldeintreiber zum Beispiel weiß auf geheimnisvolle Weise immer, was gerade geschehen ist und wo sich Theo gerade befindet. Trotzdem scheitert er immer wieder an dessen Schliche. Und dann bricht er Theo auf einmal geradezu unerwartet und sichtbar sehr schmerzhaft den Finger, der wenig später von Ines amputiert werden muss, weil die Verletzung Theo sonst getötet hätte. Als dieser am nächsten Tag realisiert, was geschehen ist, reagiert er natürlich sehr aufgebracht, weil er sich sein Geld oft mit geschickten Fingern beim Kartenspiel verdient. Das ist dann wirklich tragikomisch und dadurch sehr gut.

Theo und die Motoren

Den ganzen Film hindurch wird auch Theos Verständnis für Motoren thematisiert. Immer wieder repariert oder verbessert er Motoren – und es geht geht regelmäßig schief. Mal ist es Absicht, wenn er den Motor des Wagens des Geldverleihers manipuliert, manchmal einfach dumm, wenn er den kleinen Fiat von Ines in Rauch aufgehen lässt, und schließlich sogar lebensgefährlich, wenn er einen Flugzeugmotor komplett auseinandernimmt und nach dem Zusammensetzen noch eine Schraubenmutter übrig hat. Das ganze Ensemble agiert bis in die Nebenrollen großartig, das Timing stimmt (was bei einer guten Komödie unbedingt notwendig ist) und die wechselnden Schauplätze werden nicht selbstzweckhaft ausgestellt, sondern der Handlung geschickt untergeordnet. „Theo gegen den Rest der Welt“ ist auf eine gute Weise gealtert, die heute noch viel Vergnügen bereitet.

Das kann man auch von der Pidax-Veröffentlichung sagen, die solides Bild und ordentlichen Ton bietet, den Vorgängerfilm auf separater Disc mit an Bord hat und somit als „Theo Komplettbox“ in den Handel gekommen ist. Dazu kommt ein Interview mit dem Regisseur aus dem Jahr 2004, welches ein paar gute Einblicke in die Produktion bietet.

Veröffentlichung: 29. November 2019 als DVD in der „Theo Komplettbox“ (mit „Theo, der Zocker“ alias „Aufforderung zum Tanz“), 5. Oktober 2018 als Blu-ray und DVD, 20. April 2017 als Blu-ray, 24. August 2004 als DVD

Länge: 106 Min. (Blu-ray), 101 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch
Untertitel: keine
Originaltitel: Theo gegen den Rest der Welt
BRD 1980
Regie: Peter F. Bringmann
Drehbuch: Matthias Seelig
Besetzung: Marius Müller-Westernhagen, Guido Gagliardi, Claudia Demarmels, Carlheinz Heitmann, Peter Berling, Udo Weinberger, Axel Schiessler, Horst Bergmann, Ursula Strätz, Anette Woll,
Zusatzmaterial: Interview mit dem Regisseur (2004), Trailer, Wendecover
Label 2019: Pidax Film
Vertrieb 2019: Studio Hamburg Enterprises
Label 2018: Weltkino Filmverleih GmbH
Vertrieb 2018: Universum Film (Leonine)
Label/Vertrieb 2017: Arthaus/Studiocanal
Label/Vertrieb 2004: Kinowelt

Copyright 2020 by Lars Johansen

Szenenfotos & oberer Packshot: © 2019 Pidax Film, mittlerer Packshot: © 2004 Kinowelt,
unterer Packshot: © 2018 Weltkino Filmverleih GmbH

 
 

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Eine Antwort zu “Theo gegen den Rest der Welt – Affentheater mit dem Alphatier

  1. SmileySmile77

    2021/01/11 at 22:12

    Da kann ich nur sagen: Danke für den (Kauf)-Tip. Ich weiß.,dass ich den Film irgendwann mal im TV gesehen hatte und dass er mir gefiel. Das wäre dann aber auch alles. Da habe ich sogar noch mehr Erinnerungen an „Der Schneemann“. Den Film habe ich auch erst spät nach dem Kinostart um TV gesehen, aber das Motiv von Westernhagen und seiner Partnerin wie sie in den Schienen liegen hatte sich mir als Jugendlicher irgendwie eingeprägt. Den Roman von Fauser hatte ich dann dank der örtlichen Stadtbücherei lesen können, bevor ich den Film zu sehen bekam. Charles Bukowski war über Bande durch seinen Übersetzer auch mit ihm befreundet. Das gibt ihm auf jeden Fall extra Bonus. Das alles hat natürlich nur noch wenig mit „Theo gegen den Rest der Welt“ zu tun, aber nun ist es zu spät daran etwas zu ändern.

     

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