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Hope and Glory – Wenn Mad Max von Fans weitergedacht wird

Hope and Glory

Von Volker Schönenberger

SF-Endzeit-Action // Kriege um Land, Öl und Nahrungsvorräte, Umweltkatastrophen – die Erde, wie wir sie kennen, ist verwüstet. Die kläglichen Überreste der Menschheit führen ein kärgliches Dasein in den Wastelands. Auf der Suche nach Benzin für sein Auto durchquert der einsame Kämpfer Max Rockatansky (Daniel Grave) die Wüsteneien. Er schlachtet drei degenerierte Typen ab, befreit eher nebenbei Hope (Inken Paland), die ihm im Gegenzug Kraftstoff verspricht, wenn er sie zu ihren Leuten bringt.

The Road Warrior

Der dortige Commander (Alec Rosenthal) will von dem Deal aber nichts wissen, verlangt von Max, er möge den Anführer der Feinde töten, dann werde sein Tank aufgefüllt. Bevor er aufbricht, beschwört ihn Hope noch, er möge ihre gekidnappte Tochter Glory (Charlotte Eckle) finden und befreien. Max verspricht nichts …

Verrückte Hunde

Feines kleines Projekt zur Überbrückung der Wartezeit auf „Furiosa – A Mad Max Saga“, der am 23. Mai 2024 in unseren Kinos startet. Die Idee zu „Hope and Glory“ (2024) kam den Regisseuren Adrian Martin und Erik van Schoor vermutlich irgendwann, nachdem sie „Mad Max – Fury Road“ (2015) im Kino geschaut hatten.

Angriff

Für einen deutschen Low-Budget-Film sieht „Hope and Glory“ erstaunlich wertig aus. Aber vielleicht kostet es auch einfach nicht viel Geld, das Produktionsdesign einer zugrundegerichteten Welt zu erschaffen. Die richtigen Wüstendrehorte, in diesem Fall Spanien, Requisiten vom Schrottplatz und Flohmarkt – mit etwas Fantasie und geschultem Blick finden sich sicher die richtigen Ausstattungsutensilien und Kostüme (ich fabuliere natürlich nur vor mich hin, habe tatsächlich keine Ahnung, wie Low-Budget-Filmemacher ihre Produktionen ausstatten). Auch ein paar deutsche Drehorte stehen zu Buche, etwa Heidenheim.

Refugium?

Die Story ist nicht allzu komplex, das sollte sie bei einer Laufzeit von knapp unter einer Dreiviertelstunde auch nicht sein. Wir lernen unseren Protagonisten kennen, der sich für eine Mission anheuern lässt. Mit dem Ende der Mission ist „Hope and Glory“ allerdings noch nicht vorbei. Kann Max sein Dasein als einsamer „Road Warrior“ abschütteln und sich wieder auf andere Menschen einlassen? Oder ist er dazu verdammt, allein weiterzuziehen, bis ihn der Tod schließlich einholt? Die Suche nach der Antwort auf diese Fragen vermag zu fesseln und hält uns bei der Stange. Die Action ist aufgrund der begrenzten Mittel nicht überbordend inszeniert, funktioniert inklusive einer Schießerei und einer Verfolgungsjagd aber gut. Dafür lässt die Dialogregie etwas zu wünschen übrig. Bei Max und dem Commander ging es Adrian Martin und Erik van Schoor wohl darum, beiden ein unverwechselbares Timbre und eine gegensätzliche Artikulation zu verpassen. Das ist gelungen, führt aber zu zumindest mir etwas zu theatralischen Dialogen.

Deal?

Das ist allerdings Jammern auf hohem Niveau. Für einen Film von Fans für Fans macht „Hope and Glory“ einen überraschend professionellen Eindruck. Es ist eben dann doch kein Amateurfilm, sondern die Macherinnen und Macher verstehen etwas von Filmproduktionen. Ihr Projekt beschreiben sie: This is a fan film. No profit is made with this movie. Over 3 years in the making, more than 275 filmmakers from 5 continents joined forces on this non-commercial project. The release of “Hope and Glory” is meant as a cinematic “thank you” in honor of what Byron Kennedy, Doug Mitchell and George Miller created. Since we are really looking forward to „Furiosa“, we wanted to shorten the waiting time with our tribute and return to the Wasteland. – Dies ist ein Fanfilm, mit dem keine Profite erzielt werden. In den mehr als drei Jahren Produktionszeit vereinten sich die Kräfte von 275 Filmschaffenden von fünf Kontinenten für dieses nichtkommerzielle Projekt. Die Veröffentlichung von „Hope and Glory“ ist als cineastisches „Danke schön“ gedacht – es soll das ehren, was Byron Kennedy, Doug Mitchell und George Miller schufen. Weil wir uns sehr auf „Furiosa“ freuen, wollten wir die Wartezeit mit unserem Tribut und der Rückkehr ins Wasteland verkürzen. Löblich, und das Ergebnis ist aller Ehren wert. Ebenso die Tatsache, dass die Filmemacher ihr Werk kostenfrei auf YouTube zugänglich gemacht haben. Auf „Furiosa – A Mad Max Saga“ müssen wir nun nicht mehr lange warten. „Hope and Glory“ ist ein feiner Appetithappen dafür.

Vergeltung

Veröffentlichung: 5. Mai 2024 auf YouTube

Länge: 42:48 Min.
Altersfreigabe: FSK ungeprüft
Sprachfassungen: Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Polnisch, Japanisch, Finnisch
Originaltitel: Hope and Glory
D 2024
Regie: Adrian Martin, Erik van Schoor
Drehbuch: Adrian Martin, Erik van Schoor
Besetzung: Pascal Dorn, Charlotte Eckle, Daniel Grave, Inken Paland, Cyrus Rahbar, Alec Rosenthal
Label/Vertrieb/Verleih: Brightstone Pictures

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

Szenenfotos, Plakat & Film: © 2024 Brightstone Pictures

 

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Zum 80. Geburtstag von Danny Trejo: Predators – We’re Not in Kansas Anymore

Predators

Von Volker Schönenberger

SF-Horror-Action // Er ist ein Vielfilmer sondergleichen: Danny Trejos Filmografie in der Internet Movie Database weist mittlerweile satte 462 Einträge auf (Stand Mai 2024). Dabei hat er sich streng dem B- und Exploitationfilm verschrieben. Vor seiner Filmkarriere hatte der am 16. Mai 1944 in Los Angeles in ein Umfeld von Verbrechen und familiärer Gewalt Geborene eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen und diverse kalifornische Gefängnisse von innen kennengelernt. Immerhin verbrachte er schon die 1970er-Jahre weitgehend auf freiem Fuß.

Missmutig: Cuchillo

Zum Film kam Trejo als Statist für den Actionthriller „Runaway Train – Express in die Hölle“ (1985), für den er zusätzlich als Boxtrainer für Hauptdarsteller Eric Roberts engagiert wurde. Spielte er dort schon einen boxenden Knastinsassen, wurde er fortan vorerst hauptsächlich für Rollen hinter Gittern gebucht, etwa in „The Hidden – Das unsagbar Böse“ (1987), „Kinjite – Tödliches Tabu“ (1989), „Lock Up“ (1989) und „Wedlock“ (1991). Dafür prädestiniert ihn sein toughes Äußeres mit narbigem Gesicht und markanten Tattoos.

Auch nicht gerade gut gelaunt: Mombasa

Ein Cousin des Regisseurs Robert Rodriguez, besetzt der ihn gern in seinen Filmen, etwa „Desperado“ (1995), „From Dusk till Dawn“ (1996), der „Spy Kids“-Quadrilogie (2001–2011), „Machete“ (2010) und „Machete Kills“ (2013). In Antoine Fuquas „The Replacement Killers – Die Ersatzkiller“ (1998) spielt Trejo gemeinsam mit einem gewissen Til Schweiger die Titelfiguren, die vom von Chow Yun-fat verkörperten Protagonisten abgemurkst werden. Ob Horror-Action wie „Zombie Hunter“ (2013), Horror-Western wie „Dead in Tombstone“ (2013) und „Dead in Tombstone 2“ (2017) oder Haifisch-Trash wie „3-Headed Shark Attack – Mehr Köpfe, mehr Tote!“ (2015) – er spielt oft und gern überall mit. Masse geht dabei vor Klasse. Eigenen Angaben zufolge ist niemand in Filmen häufiger gestorben als er, meist natürlich gewaltsam. Seine Autobiografie „Mein Leben. Verbrechen, Erlösung und Hollywood“ erschien 2022. Am 16. Mai 2024 feiert Danny Trejo seinen 80. Geburtstag. Wir gratulieren!

Gesucht: ein Typ, der aussieht wie Danny Trejo

Wie er zu seiner Rolle in „Predators“ (2010) von Nimród Antal („Motel“, „Metallica – Through the Never“) kam, verrieten der Regisseur und der Produzent Robert Rodriguez im Audiokommentar: Das Drehbuch beschrieb die Figur als einen Typen, der aussehe wie Danny Trejo. Trejo erfuhr davon, rief Robert Rodriguez an und äußerte: I heard there’s a guy in the script for ‘Predators’ who looks just like Danny Trejo, and guess what, I look just like Danny Trejo! – Ich habe gehört, im Drehbuch von „Predators“ gibt es einen Typen, der aussieht wie Danny Trejo. Denk dir, rein zufällig sehe ich aus wie Danny Trejo!

Etwas lauert im Dschungel

Trejo spielt Cuchillo, seines Zeichens Auftragsmörder eines mexikanischen Drogenkartells. Der findet sich unvermittelt in einem Dschungel wieder, nachdem er offenbar bewusstlos aus einem Flugzeug geworfen wurde – immerhin mit einem sich automatisch öffnenden Fallschirm. Dasselbe wiederfuhr dem Söldner Royce (Adrien Brody), auf den Cuchillo am Boden trifft, dem russischen Elitesoldaten Nikolai (Oleg Taktarov), der die beiden erst einmal unter Beschuss nimmt, und der israelischen Scharfschützin Isabelle (Alice Braga, „Elysium“). Die vier tun sich zusammen, und der Rebellenführer Mombasa (Mahershala Ali) aus Sierra Leone, der zum Tode verurteilte Schwerverbrecher Stans (Walton Goggins, „The Hateful Eight“), der Yakuza Hanzo (Louis Ozawa Changchien) und der Mediziner Edwin (Topher Grace, „Interstellar“) komplettieren bald darauf die Gruppe.

Keineswegs wehrlos: Isabelle und Royce

In welchem Dschungel sie sich befinden und wer sie zu welchem Zweck dorthin verschleppt hat – keiner von ihnen hat auch nur die geringste Ahnung. Immerhin merken sie bald: Es lauern tödliche Gefahren.

Überraschende Erkenntnis

Survival-Abenteuer zeichnen sich oft durch eine simple Story aus, und der dem Science-Fiction-Horror zuzuordnende Genrebeitrag „Predators“ macht da keine Ausnahme. Ein paar Enthüllungen ändern daran nichts, etwa die, wohin es die achtköpfige Gruppe verschlagen hat. Wenig überraschend kommt die Erkenntnis, dass sich die Zahl recht zügig auf sieben verringern wird, dann sechs …

Grausiger Unterschlupf

Der Filmtitel gibt die Hauptbedrohung vor: Der kleine Trupp muss sich unter anderem mit einigen Predators herumschlagen, die die Menschen als Jagdbeute auserkoren haben. Einfach so, zum Zeitvertreib oder zur Übung. Das bringt reichlich Action mit sich, die nicht allzu viel Raum lässt für Charakterzeichnung – die sieben Elitekämpfer plus eine -kämpferin sind eher mit grobem Strich gezeichnet, aber das erfüllt seinen Zweck. Sie sind allesamt raubeinige Typen, für die Kampfszenen erhielten einige von ihnen immerhin gewisse Spezialfähigkeiten, die auch zum Einsatz kommen. Kräftig und gewandt genug sind sie allesamt, um nicht allzu schnelle Beute zu werden – sonst wäre der Spaß ja auch zu schnell vorbei. Es geht blutig zu, sowohl der rote Lebenssaft der Menschen als auch das neongrüne Blut der Predators fließen reichlich, das eine oder andere Körperteil wird abgetrennt. Über die FSK-18-Freigabe der ungeschnittenen Fassung durfte sich Twentieth Century Fox Home Entertainment nicht beschweren.

Warum ist er ein Gefangener?

Über ein paar Lücken und logische Fragwürdigkeiten wollen wiederum wir uns nicht beschweren, sondern nehmen sie als gegeben hin. Sicher die richtige Entscheidung, dass wir keine Detail der Entführungen der Menschen erfahren, beginnend mit der Frage, wie denn wohl die Auswahl vonstatten gegangen sein mag. Die „Predator“-Reihe hat bekanntermaßen auch Aspekte interstellarer Reisen nicht vertieft; in der Hinsicht tun sich ebenfalls Ungereimtheiten auf, mit denen sich das Filmpublikum nicht unbedingt befassen sollte. Also tun wir das auch nicht. Zumal sie beim Filmgucken in geselliger Runde ein launiges Trinkspiel hergeben: Wann immer jemand ein Logikloch erkennt und benennt, wird ein Schnaps gekippt.

Zwei Oscar-Preisträger im Cast

Der in den US-Staaten Hawaii und Texas gedrehte „Predators“ wartet mit vorzüglicher Besetzung auf, hat mit Adrien Brody immerhin einen Oscar-Preisträger („Der Pianist“) und mit Mahershala Ali einen späteren zweifachen Oscar-Preisträger („Moonlight“, „Green Book – Eine besondere Freundschaft“) zu bieten, mit Laurence Fishburne zudem einen Oscar-Nominierten („What’s Love Got to Do with It“). Der Gute hat einen kurzen Gastauftritt, insbesondere sein Auftauchen erfolgt mit schönem Wow-Effekt. Aber ich verrate wohl nicht zu viel: Schauspielkunst gehört nicht zu den primären Erfordernissen von Filmen wie diesem. Dennoch hat ein B-Movie mit A-Movie-Besetzung seinen Reiz. Obwohl wir es mit einem Ensemblefilm zu tun haben, kristallisiert sich Royce grob als Hauptfigur heraus, was den schlanken Adrien Brody zum Hauptdarsteller macht. Optisch ein deutlicher Gegensatz zum bulligen Arnold Schwarzenegger in John McTiernans „Predator“ (1987), wohl eine bewusste Besetzungsentscheidung.

„Du bist so abgrundtief hässlich!“ Aber wer?

Seit dem 1987er-Auftakt haben wir die brutalen außerirdischen Jäger mit ihren Tarnkappenfähigkeiten und dem wunderbaren Kreaturendesign ins Herz geschlossen, sie haben bis zum herausragenden Comanchen-Prequel „Prey“ (2022) nichts von ihrer Faszination eingebüßt, selbst wenn mal ein Vertreter der Reihe – oder der „Alien vs. Predator“-Crossover-Ableger – nicht das Niveau hält. „Predators“ hält gepflegtes Mittelmaß, hat gleichwohl hohen Unterhaltungswert, wenn man Survival-Horror mag, ohne den Klassikerstatus des ersten Films der Reihe zu erreichen.

Predator vs. Predator

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Alice Braga haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Mahershala Ali, Adrien Brody, Laurence Fishburne, Walton Goggins, Topher Grace und Danny Trejo unter Schauspieler.

Hanzo weiß mit dem Katana umzugehen

Veröffentlichung: 29. November 2018 als 2-Disc Edition Mediabook (UHD Blu-ray & Blu-ray), 6. September 2018 als UHD Blu-ray (inkl. Blu-ray), 7. Dezember 2012 als Blu-ray im Steelbook, 10. Juni 2011 als Blu-ray und DVD (Hollywood Collection), 5. November 2010 als Blu-ray, 2-Disc Cinedition (Blu-ray & DVD) und DVD

Länge: 107 Min. (Blu-ray), 103 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: Predators
USA 2010
Regie: Nimród Antal
Drehbuch: Alex Litvak, Michael Finch
Besetzung: Adrien Brody, Topher Grace, Alice Braga, Walton Goggins, Oleg Taktarov, Laurence Fishburne, Danny Trejo, Louis Ozawa Changchien, Mahershala Ali, Carey Jones, Brian Steele, Derek Mears, Aaron Richardson
Zusatzmaterial (variiert je nach Veröffentlichung): Audiokommentar von Robert Rodriguez und Nimrod Antal, Prequel-Comics – Die Vorgeschichte der Charaktere: Isabelle (2:21 Min.), Cuchillo (1:59 Min.), Hano (1:38 Min.), Mombasa (2:13 Min.), Gekreuzigter Predator (2:11 Min.), Die Rückkehr der Predadoren: Blutlinie (3:34 Min.), Unbekanntes Terrain (10:41 Min.), Predator-Camp (5:45 Min.), Predatoren als Beute (9:33 Min.), Yautja, der Yakuza (6:20 Min.), Der Initiationsritus (4:41 Min.), Die Auserwählten (4:52 Min.), Entstehung einer Szene (7:06 Min.), entfallene und erweiterte Szenen: Fallschirm des Toten (0:59 Min.), Cuchillo und Isabelle (1:03 Min.), Zweckgemeinschaft (1:26 Min.), Nummer Drei (1:46 Min.), Cuchillos Ausdrucksweise (0:44 Min.), „Warum seid ihr hier?“ (2:58 Min.), „Sie sind schlauer als du denkst“ (0:53 Min.), „Wollen wir uns ausziehen?“ (1:37 Min.), „Sie verfolgen uns immer noch“ (0:39 Min.), Trailershow, 20-seitiges Booklet mit einem Text von Wolfgang Brunner
Label/Vertrieb: Twentieth Century Fox Home Entertainment

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & gruppierter Packshot: © Twentieth Century Fox Home Entertainment

 

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The Raid – Der Action-Meilenstein aus Indonesien

Serbuan maut

Von Volker Schönenberger

Action // Ein regnerischer Morgen in Indonesiens Hauptstadt Jakarta. Unter der Führung von Sergeant Jaka (Joe Taslim) und Lieutenant Wahyu (Pierre Gruno) bereitet sich eine 20-köpfige Polizeieinheit darauf vor, ein Hochhaus zu stürmen. Ziel: den berüchtigten Drogenbaron Tama Riyadi (Ray Sahetapy) festzunehmen. Der Gangsterboss residiert dort mit seinen Bodyguards Mad Dog (Yahan Ruhian) und Andi (Donny Alamsyah) und hat in den Appartements andere Schwerverbrecher und Drogenlabore untergebracht.

Unter den Polizisten befinden sich auch einige Anfänger ohne jede Erfahrung mit derartigen Razzien, darunter Rama (Iko Uwais), der sich in aller Früh noch von seiner schwangeren Frau (Fikha Effendi) verabschiedet hat. Beim Vordringen ins Gebäude gelingt es den Einsatzkräften, ein paar Kriminelle festzusetzen, bevor sie Alarm schlagen können. Doch dann geht schief, was schiefgehen kann, und Tama Riyadi bekommt Wind von den Polizisten im Haus. Viele von ihnen werden den Tag nicht überleben. Der Gangsterboss macht den Mietern seines Hochhauses über die Lautsprecheranlage ein unwiderstehliches Angebot voller Hohn auf die Einsatzkräfte: Im Interesse der öffentlichen Gesundheit appelliere ich an euch, mitzuhelfen, unser schönes Gebäude von dem entsetzlichen Kakerlakenbefall zu befreien. Sollte euch das gelingen, könnt ihr dauerhaft mietfrei in diesem Gebäude weiterleben.

Weltpremiere in Toronto

Als 2011 die ersten Berichte und Trailer des indonesischen Actionspektakels „The Raid“ im Westen die Runde machten, frohlockten Actionfans allerorten. Und mit der Weltpremiere des Films beim Internationalen Filmfestival von Toronto (TIFF) im September jenes Jahres trat der gar nicht mal so häufige Fall ein, dass sich alle Vorschusslorbeeren und freudigen Erwartungen als absolut berechtigt erwiesen. „The Raid“ eroberte die Welt der cineastischen Action im Sturm und legte die Messlatte des Genres um einige Stufen höher an. Seitdem müssen sich neue Actionfilme an dieser Referenz messen lassen – und scheitern in der Regel. Beim TIFF gewann der Film den Publikumspreis „People’s Choice Award“ in der Sektion „Midnight Madness“.

Die Ruhe …

Das liegt nicht zuletzt daran, dass es nach einem kurzen ruhigen Auftakt sogleich in die Vollen geht: Erst bereitet sich Rama daheim auf seinen Einsatz vor, dann kündigt Sergeant Jaka seinen Leuten im Mannschaftswagen an, worum es geht und was sie erwartet, bevor sich die Polizisten im Anschluss ins Gebäude schleichen. Und mit dem Schleichen ist es zügig vorbei, bald wird fast nur noch gekämpft. Und wie! Die famose Kombination aus Schießereien, Auseinandersetzungen mit Hieb- und Stichwaffen sowie Martial Arts sucht ihresgleichen. Konkret kämpfen die Darsteller virtuos in Pencak Silat, einer in Indonesien und anderen Ländern der Region verbreiteten Form der Kampfkunst. Auch andere Techniken kommen zum Einsatz. Wer Schauspieler und wer Stuntman ist, lässt sich nicht immer klar benennen. Ihre Körperbeherrschung ist so oder so herausragend, und Blessuren dürften viele von ihnen davongetragen haben.

… vor dem Sturm

Auf welche Weise gekämpft wird, scheint sogar einer durchdachten Dramaturgie zu folgen. Der Action-Auftakt erfolgt mittels Schusswaffen, und so geht es eine ganze Weile weiter. Doch nicht alle Bewohner des Hochhauses sind im Besitz von Pistolen oder halbautomatischen Schnellfeuerwaffen, obendrein sind Munitionsvorräte ja auch endlich, sodass im Mittelteil ausgiebig zugestochen, geschnitten und geschnetzelt wird. Erst recht, wenn eine mehrköpfige Machetenbande auf den Plan tritt. Nach und nach gewinnt verstärkt Martial Arts die Oberhand, was insbesondere an Mad Dog liegt, der seinen Namen zu Recht trägt und es vorzieht, seine Pistole beiseite zu legen und seine Gegner mit vollem Körpereinsatz zu bezwingen. Darsteller Yayan Ruhian beherrscht sein Metier, es kommt nicht von ungefähr, dass er anschließend auch international reüssierte, etwa in Takashi Miikes „Yakuza Apocalypse“ (2015), „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ (2015) und „John Wick – Kapitel 3“ (2019).

Die Verbrecher machen keine Gefangenen

Nicht zu vergessen Hauptdarsteller Iko Uwais, der im Anschluss an „The Raid“ und dessen Fortsetzung „The Raid 2“ (2014) als Actionstar eine Bank war – siehe etwa „Headshot“ (2016), „The Night Comes for Us“ (2018) und „Triple Threat“ (2019). Auch er wirkte in „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ mit, ebenso in Peter Bergs Actionthriller „Mile 22“ (2018) mit Mark Wahlberg. In „The Expendables 4“ (2023) bot er als Antagonist Jason Statham, Sylvester Stallone und Dolph Lundgren die Stirn.

Voller Körpereinsatz: Rama

So überrascht es nicht, dass Iko Uwais und Yayan Ruhian irgendwann aufeinandertreffen und sich einen Kampf liefern, der sich gewaschen hat – die beiden zeichnen im Verbund mit Regisseur Gareth Evans auch für die Action-Choreografien von „The Raid“ verantwortlich. Als Zuschauerin oder Zuschauer kann man sich angesichts der Härte nur zurücklehnen und staunen. Der finale Fight zwischen Rama und Mad Dog (und nicht nur ihnen) hat zweifellos dazu beigetragen, dass „The Raid“ so schnell Klassikerstatus erhalten konnte, denn er toppt locker die vorherigen Martial-Arts-Einlagen, die schon nicht von schlechten Eltern waren. Überhaupt gibt es hier keine durchästhetisierte Kampfkunst, sondern sie dient einzig dem Zweck, das jeweilige Gegenüber auszuschalten, am besten final. Das ist so rau wie brutal und wirkt nachhaltig.

Mad Dog macht seinem Namen alle Ehre

An der Darstellerriege und ihrer Körperbeherrschung gibt es somit nichts auszusetzen. Aber vielleicht an der simplen Story? Mitnichten! Sie erfüllt perfekt ihren Zweck, die Polizisten ins Gebäude und in die Schusslinien der Verbrecher zu verfrachten. Mehr braucht es nicht. Zwischendurch und gegen Ende gibt es die eine oder andere Überraschung, das geht in Ordnung und stört nicht weiter. Bleibt die visuelle Umsetzung, und die gehört wiederum zu den großen Pluspunkten von „The Raid“. Regisseur Gareth Evans aus Wales und seine Kameramänner Matt Flannery und Dimas Imam Subhono finden im Treppenhaus des Gebäudes und den Appartements immer wieder originelle Perspektiven und Winkel. Auch die Ausleuchtung des Szenenbilds sei als positives Element genannt, wenn beispielsweise in einer Sequenz das Treppenhaus in gnädiges Dunkel gehüllt wird, bis das Mündungsfeuer einer Schusswaffe einen Lichtfunken setzt, der ein Inferno auslöst. Und wenn unaufhörlich Horden von Angreifern auf die bedauernswerten Polizisten zujagen, hat das sogar Horrorqualitäten, speziell auch mit dem einen oder anderen statischen Momentum.

Kampf auf Leben und Tod

Was die Altersfreigabe angeht, ließ die gnadenlose Härte in Verbindung mit dem hohen Body Count einiges befürchten. Umso erfreulicher kam 2012 die überraschende Nachricht, dass es Koch Media (heute Plaion Pictures) gelang, für die internationale Fassung von „The Raid“ bei der FSK eine Freigabe ab 18 Jahren ohne Schnittauflagen zu erreichen, und das nicht nur fürs Kino, sondern auch für die Heimkino-Auswertung, an die üblicherweise strengere Maßstäbe angewandt werden. Die in nur zwei Szenen minimal härtere indonesische Fassung legte das Label seinerzeit lediglich der Ultimate Edition des Films bei, und das ungeprüft. Mittlerweile hat sich Plaion Pictures aber getraut, auch die indonesische Fassung der FSK vorzulegen, und siehe da: Das Gremium erteilte auch dieser die Freigabe ab 18 Jahren. Über die Unterschiede beider Fassungen gibt einmal mehr der Schnittbericht Aufschluss.

Ultimate 4K Edition von Plaion Pictures

Für die Neuauflage der indonesischen Fassung wurden Bild und Ton von „The Raid“ einer 4K-Frischzellenkur unterworfen, damit das Werk auch auf UHD Blu-ray eine gute Figur abgibt. Und das tut es! Zu einem detaillierten Vergleich mit der alten Fassung sehe ich mich allerdings nicht in der Lage. Da die Ultimate Edition von 2013 längst vergriffen und gesucht ist, ergibt die Ultimate 4K Edition auch Sinn, und das nicht nur für Fans des Films, die gern von Blu-ray auf UHD Blu-ray wechseln möchten. Plaion Pictures hat dafür auf die internationale Fassung verzichtet. Zweifellos die richtige Entscheidung, denn letztlich sind die Unterschiede so gering, dass eine der beiden Versionen völlig ausreicht, und das sollte natürlich die komplett unzensierte sein. Auf Blu-ray enthält die Ultimate 4K Edition den Film im Übrigen zweimal, wobei mir die Unterschiede nicht klargeworden sind – sie betragen lediglich zwei Sekunden. Eine Fassung ist dabei mit „Neufassung“ bezeichnet. Um die internationale Fassung kann es sich bei keiner der zwei Versionen handeln, da diese auf Blu-ray 100 Minuten und 52 Sekunden lang ist.

Sowohl das Zusatzmaterial auf den Scheiben als auch die physischen Boni entsprechen in etwa dem, was 2013 die Ultimate Edition enthielt (vollständige Auflistung des 2024er-Zusatzmaterials siehe unten). Es gibt reichlich zu schauen, wenn man den Film beendet hat! Auch beim Ton lässt sich Plaion Pictures nicht lumpen, fügt sowohl die deutsche als auch die indonesische Tonspur in zwei Varianten bei: zum einen mit dem originalen Soundtrack, zum anderen mit dem internationalen, den kein Geringerer als Mike Shinoda von Linkin Park beisteuerte. Geschmackssache, welche musikalische Untermalung man bevorzugt, ich mag beide. Neu gegenüber der alten Ultimate Edition ist das Booklet mit einem Text von Martin Beck. Es liegt mir bedauerlicherweise nicht vor. Das Tüpfelchen auf dem i wäre es noch gewesen, wenn Plaion Pictures der Ultimate 4K Edition auch Gareth Evans’ Vorgänger „Merantau – Meister des Silat“ von 2009 beigelegt hätte.

Die altehrwürdige Filmzeitschrift „Cinema“ zog seinerzeit ein zwiespältiges Fazit: Für Normalsterbliche ist dieses ultrabrutale Gemetzel nur schwer zu ertragen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Zartbesaitete mögen um „The Raid“ einen Bogen machen. Actionfans in aller Welt allerdings hat Gareth Evans’ Regiearbeit in Verzückung versetzt, und das völlig zu Recht. Ein bahnbrechendes Werk, das heute schon die Bezeichnung Klassiker verdient hat. Und Action!

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Gareth Evans haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Yayan Ruhian, Joe Taslim und Iko Uwais unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 23. Mai 2024 als 5-Disc Ultimate 4K Edition (UHD Blu-ray, 3 Blu-rays & Soundtrack-CD), 14. März 2019 als Blu-ray und DVD in der „Iko Uwais Triple Action Collection“ (mit „The Raid 2“ und „Headshot“), 13. August 2015 als 3-Disc „The Raid – Evolution“-Edition (mit „Merantau – Meister des Silat“ und „The Raid 2“), 27. November 2014 als 4-Disc Steelbook Edition (mit „The Raid 2“, 2 Blu-rays & 2 Bonus-DVDs), 25. Januar 2013 als 6-Disc Ultimate Edition (2 Blu-rays, 3 DVDs & Soundtrack-CD, auf 5.000 Exemplare limitiert), 2-Disc Special Edition Blu-ray im Steelbook, Blu-ray, 2-Disc Special Edition DVD im Steelbook und DVD

Länge: 101:04 Min. (Blu-ray, indonesische Fassung), 96:53 Min. (DVD, indonesische Fassung), 100:52 Min. (Blu-ray, internationale Fassung), 96:43 Min. (DVD, internationale Fassung)
Altersfreigabe: FSK 18
Sprachfassungen: Deutsch, Indonesisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Serbuan maut
INDO/F/USA 2011
Regie: Gareth Evans
Drehbuch: Gareth Evans
Besetzung: Iko Uwais, Joe Taslim, Donny Alamsyah, Yayan Ruhian, Pierre Gruno, Ray Sahetapy, Tegar Satrya, Iyang Darmawan, Eka „Piranha“ Rahmadia, Verdi Solaiman, Alfridus Godfred, Rully Santoso, Melkias Ronald Torobi, Johanes Tuname, Sofyan Alop, R. Iman Aji, Ananda George, Yusuf Opilus, Fikha Effendi
Zusatzmaterial Ultimate 4K Edition: „Ein Abend mit Mike Shinoda & Gareth Evans“ (40 Min.), „Weltpremiere – Roter Teppich“ (7 Min.), Weltpremiere in Toronto (30 Min.), Making-of (39 Minuten), „Im Gespräch mit Mike Shinoda & Gareth Evans“ (11 Min.), „Anatomie einer Szene“ (2 Min.), „Inside the Score“ (1 Min.), „Musik“ (11 Min.), „Claycats The Raid“ (3 Min.), Trailer & Teaser,
Bildergalerie mit seltenem Werbematerial und Fotos vom Set, Soundtrack-CD von Mike Shinoda (Linkin Park), 124-seitiger Comic zum Film (deutsche Fassung), 20-seitiges Booklet mit einem Text von Martin Beck, 6 Sammler-Artcards, doppelseitig bedrucktes Kinoposter
Label/Vertrieb: Plaion Pictures

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

Szenenfotos, obere zwei Packshots & gruppierter Packshot: © Plaion Pictures

 

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