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Der Exterminator – Ein Normalo rastet aus

01 Jan

The Exterminator

Von Volker Schönenberger

Action // In Vietnam hat Michael Jefferson (Steve James) seinem GI-Kameraden John Eastland (Robert Ginty) aus brenzliger Situation befreit, als die beiden in die Fänge des Vietcong geraten waren. Zurück in der Heimat arbeiten die beiden als Packer in einem Lagerhaus in New York City. Als sie eine Bande Krimineller dabei erwischen, wie sie palettenweise Bier aus dem Lagerhaus klauen, gelingt es Michael und John, diese gewaltsam zu vertreiben. Doch sie kehren zurück, fangen Michael ab und malträtieren ihn aufs Übelste. Er überlebt, wird aber gelähmt bleiben.

Die Täter sind als „Ghetto Ghouls“ bestens bekannt. John nimmt einen von ihnen gefangen, lässt sich von ihm den Stützpunkt der Bande verraten und mischt sie auf. Hungrige Ratten spielen dabei eine Rolle. Nun ist der Vietnamveteran auf den Geschmack gekommen und er nimmt den Mafiaboss Gino Pontivini (Dick Boccelli) ins Visier, an den der Geschäftsführer des Lagerhauses seit langer Zeit Schutzgeld zahlen muss. Derweil ist allerdings bereits Detective James Dalton (Christopher George) auf der Fährte des Mannes, der die schmutzigen Ecken New York Citys von kriminellen Subjekten säubert.

Im Fahrwasser von „Ein Mann sieht Rot“

Man kann im realen Leben ein Gegner von Selbstjustiz sein und dennoch an Selbstjustizfilmen Freude haben. Es funktioniert! „Der Exterminator“ (1980) ist sicher kein großer Film, sondern eher so etwas wie der räudige kleine Bruder von Michael Winners sechs Jahre zuvor entstandenem „Ein Mann sieht Rot“ (1974) mit Charles Bronson. Dem kann Robert Ginty („The Last Warrior – Der Kämpfer einer verlorenen Welt“) in Sachen Charisma sicher nicht das Wasser reichen. Aber er schlägt sich wacker und verleiht seinem Vietnamveteranen das glaubwürdige Profil eines desillusionierten Mannes, bei dem das Fass übergelaufen ist.

In Vietnam traumatisiert?

Freude an filmischer Selbstjustiz ist das eine, diese kritisch zu hinterfragen ist das andere: John Eastland murkst üble Gesellen ab, bei denen das Publikum nur zu gern denkt: Die hatten es nicht besser verdient. Da bleibt kein Raum für Zweifel und Zwischentöne, um sich differenziert mit ethisch-moralischen Fragen des tödlichen Tuns zu befassen. Dafür macht es uns „Der Exterminator“ schwer, einen Zugang zu Eastland zu finden. Ist er so schockiert vom Schicksal seines Army-Kumpels und Lebensretters Jefferson, weshalb er dermaßen zügig zum Rächer mutiert? Oder hat dieses Ereignis letztlich nur etwas in ihm geweckt, das bereits vorhanden war? Hat ihn die rohe Gewalt Vietnams traumatisiert? Die Brutalität des in Vietnam spielenden Prologs des Films mag kein Zufall sein, denn Eastlands Rachefeldzug zum Trotz wird „Der Exterminator“ so brutal in der Folge nicht mehr. Vielleicht ein Hinweis, dass Eastland die Zeit in Fernost nicht ohne Schäden an der Seele überstanden hat, zumal seine soziale und berufliche Situation zu wünschen übrig lässt, er nur noch einen Hilfsjob für Angelernte ergattern konnte. Allerdings wird das Los des Vietnamveterans nicht weiter ausbuchstabiert. Schon gar nicht so sehr, wie es Ted Kotcheff 1982 in „Rambo“ mit Sylvester Stallone getan hat (der Klassiker belegt, dass auch das Actiongenre eine Haltung vermitteln kann).

Schwierig zu deuten ist das Geschehen auch, weil sich Regisseur James Glickenhaus („Der Söldner“) auf Nebenschauplätze einlässt, welche die Entwicklung des Plots ins Stocken bringen. Etwa die sich anbahnende Beziehung zwischen dem Cop James Dalton zu der Ärztin Dr. Megan Stewart (Samantha Eggar). Das bringt Emotionen ins Spiel, fast sogar mehr als im Kontext von Jeffersons elendem Dasein als Gelähmter im Krankenhausbett. Auch die moralische Debatte über Selbstjustiz findet vornehmlich rund um Detective Dalton statt, wenn sie denn stattfindet. Vielleicht der Sinn dieses Nebenstrangs, aber für die Handlung von untergeordneter Bedeutung.

Vor Giulianis Nulltoleranzstrategie

Deutlich wird, dass das New York City jener Zeit ein krimineller Moloch war, aber einer politischen Aussage verweigert sich der Film. Bis zur Ära von Rudolph Giuliani war es noch lange hin. Giuliani war von 1994 bis 2001 Bürgermeister des Big Apple und setzte in seiner Amtszeit eine Nulltoleranzstrategie („Zero tolerance“) durch. Derlei Recht-und-Ordnung-Denke (Law and order) ist durchaus umstritten, aber es lässt sich nicht leugnen, dass New York City dadurch sicherer wurde. Weitaus sicherer als in der Zeit, in welcher „Der Exterminator“ spielt.

Geschnitten und retuschiert

Der Actioner erschien 1999 sowohl in einer ungekürzten FSK-18- als auch in einer stark gekürzten FSK-16-Fassung auf DVD. Da die ungeschnittene Fassung bereits in der VHS-Variante indiziert worden war, ereilte dieses Schicksal auch die FSK-18-DVD. 2017 erfolgte die Listenstreichung. Gleichwohl sind Blu-ray und DVD von 2019 sogar noch minimal zensiert, wenn auch nicht per Schnitt, sondern Retusche: In einer kurzen Szene (bei 1:04:30) ist an einer roten Wand ein Bild zu sehen, das womöglich einen erigierten Penis zeigt, und dieses Motiv ist unkenntlich gemacht worden. Wer sich daran stört, greife auf die 2022er-Blu-ray zurück. Zur Unterscheidung: Beim Cover der 2019er-Veröffentlichung dominiert die Farbe Blau, bei dem von 2022 ist es Rot. Bei den von NSM Records über Österreich in den Handel gebrachten Mediabooks ist darauf zu achten, dass die beiden 2013 erschienenen Covervarianten die Fassung mit dem retuschierten Bild enthalten. Erst bei den später veröffentlichten Mediabooks griff das Label auf die unzensierte Version zurück. Selbst meine Blu-ray des englischen Labels Arrow Video (siehe Abbildungen) enthalten die Szene retuschiert und damit zensiert.

Um der Chronistenpflicht Genüge zu tun, sei das 1984er-Sequel „Der Exterminator – 2.Teil“ mit Mario Van Peebles erwähnt, in welchem Robert Ginty erneut als John Eastland in Erscheinung tritt. Für Mark Buntzman blieb es die einzige Regiearbeit – er war im Vorgänger als Mitglied der „Ghetto Ghouls“ und auch im Sequel als Bandenmitglied zu sehen gewesen und produzierte beide Filme.

Roger Ebert war empört

Die zeitgenössische Kritik war von „Der Exterminator“ nicht angetan. Exemplarisch erwähnt sei Roger Ebert, bekannter Kritiker der Chicago Sun Times. Der schrieb im März 1980, „The Exterminator“ sei ein krankes Beispiel des fast unglaublichen Abstiegs des US-Kinos in grauenvolle Verwilderung. Es sei eine sadistische Übung in schwachsinniger Gewalt. Davon abgesehen, dass manch ein Fan gewalthaltiger Filme einen derartigen Verriss als Empfehlung werten könnte, tat Ebert dem Streifen damit auch Unrecht. „Der Exterminator“ ist sicher kein großer Film und schwankt in seiner Aussage zwischen inkonsistent und fragwürdig. Nimmt man ihn aber als reinen Actioner hin, lässt er sich mit Genuss und ohne schlechtes Gewissen schauen. Mehr will er auch gar nicht sein.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Steve James haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 26. August 2022 als Blu-ray, 25. Januar 2019 als Blu-ray und DVD, 1. August 1999 als DVD

Länge: 102 Min. (Blu-ray), 98 Min. (DVD), 83 Min. (DVD, gekürzt)
Altersfreigabe: FSK 18 / FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Exterminator
USA 1980
Regie: James Glickenhaus
Drehbuch: James Glickenhaus
Besetzung: Robert Ginty, Samantha Eggar, Christopher George, Steve James, Tony DiBenedetto, Dick Boccelli, Patrick Farrelly, Michele Harrell, David Lipman, Cindy Wilks, Dennis Boutsikaris, Roger Grimsby, Judy Licht, Stan Getz
Zusatzmaterial 2022/2019: von Calum Waddell moderierter Audiokommentar mit Produzent Mark Buntzman, Einleitung von Regisseur James Glickenhaus (0:18 Min.), „Fire & Slice“ – Making-of (18:36 Min.), „42nd Street Then & Now“ – Eine Tour durch New Yorks ehemaligen Schmuddelbezirk mit Regisseur Frank Henenlotter (15:07 Min.), Originaltrailer, TV-Spots, Aushangfotos, Wendecover, nur 2019: Filmografien (Steve James, Christopher George, Robert Ginty, Samantha Eggar, James Glickenhaus), Trailershow
Zusatzmaterial 1999 (nur FSK-18-DVD): Texttafel-Starporträts Robert Ginty, Samantha Eggar, Christopher George, Action-Specials mit 4 Filmszenen (14:06 Min.)
Label 2022/2019: NSM Records
Vertrieb 2022/2019: Al!ve AG
Label/Vertrieb 1999: Madison Home Video

Copyright 2024 by Volker Schönenberger

FSK-18-Packshots: © 2019/2022 NSM Records

 

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