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A Hard Day’s Night – Vier schlaflose Jungs im swingenden London

09 Jul

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A Hard Day’s Night

Gastrezension von Dirk Ottelübbert

Musikkomödie // Zwei ganz normale Irrsinns-Tage im Leben der berühmtesten Band der Welt – das ist schon der ganze Plot von „A Hard Day’s Night“. Und die berühmteste Band der Welt spielt sich selbst. Der legendäre Anfangsakkord des Titelstücks, von George Harrison auf seiner 12-saitigen Rickenbacker intoniert, kickt uns hinein in diesen ersten und besten Kinofilm der Beatles: John, Paul, George und Ringo fliehen lachend vor hysterischen Fanhorden – tatsächlich Alltag in der Zeit der Beatlemania, die seit Ende 1963 in vollem Gange war. England lag den Fab Four zu Füßen, mit „I Want to Hold Your Hand“, TV-Auftritten und Konzerten hatten sie die USA erobert.

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Nur schnell …! Polizisten jagen arme Beatles

Die Flucht endet jedenfalls in einem Zug, der die vier Helden nach London bringt – im Gepäck ihr knurriger Manager Norm (Norman Rossington), Assistent Shake (John Junkin) und vor allem Pauls kauziger Großvater (Wilfrid Brambell), der sich die eine oder andere Eskapade leisten wird. In der Hauptstadt: weitere kreischende Fans, Fahrt zum Hotel, Pressekonferenz, Proben im TV-Studio, am Ende ein abendlicher Live-Auftritt.

Herumalbern und Mädchen den Kopf verdrehen – The Beatles

Regisseur Richard Lester („Der gewisse Kniff“), der ein Jahr später auch „Help!“ drehen wird, kleidet den Irrsinn in semi-dokumentarisch wirkende, dabei aber ungewöhnlich geschnittene und perfekt getimte Schwarz-weiß-Bilder. Er lichtet seine unfassbar gut aussehenden Stars in ikonografischen Posen ab, nur um alles im nächsten Moment ironisch zu brechen. Die Beatles haben breiten Raum zum Improvisieren, sie albern herum, klopfen Sprüche und ziehen einander auf. Der kluge und gewitzte Lester, damals 32, kennt die Images seiner Jungs natürlich genau. Er lässt Wortführer John Lennon und den enthusiastischen Mädchenmagneten Paul McCartney tatsächlich gern im Vordergrund agieren. Aber zwei grandiose „Soli“ gehören George und Ringo, den Beatles aus der zweiten Reihe (wenn man das überhaupt so sagen kann). George lässt cool einen zynischen Werbeagentur-Chef auflaufen. Der von Pauls Großvater zur Revolte animierte Ringo geht stiften und spaziert in der Nachmittagssonne die Themse entlang.

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Kurze Verschnaufpause für die Fab Four

In jeder Szene wirken die Pilzköpfe ganz bei sich, vor allem natürlich, wenn sie ihre Instrumente in den Händen halten: „I Should Have Known Better“ im Gepäckabteil, „If I Fell“, „And I Love Her“ und „I’m Happy Just to Dance with You“ im TV-Studio. Die schönste und witzigste Song-Sequenz ist ihr mit „Can’t Buy Me Love“ unterlegter Ausbüxer aus dem Studiogebäude. Im Zeitraffer, gefilmt aus der Luft, sehen wir sie auf freiem Feld herumtoben und herumkaspern. Ein kurzer Film im Film, ein hinreißender Musik-Clip aus Zeiten, als es noch keine Clips gab.

Und überhaupt – ausbüxen: Mit Wonne seilen sich die Jungs immer wieder ab. Sie verlassen das Hotelzimmer, um tanzen oder ins Casino zu gehen, schwänzen einen Teil der Pressekonferenz oder türmen aus dem Studio, was den steifen Aufnahmeleiter (Victor Spinetti) ein ums andere Mal zur Verzweiflung bringt. So erzählen Richard Lester und Drehbuchautor Alun Owen in ihrem so spritzigen wie hintersinnigen Film auch vom Aufbegehren gegen ein starres Establishment, sprich: gegen die Werte der 50er-Jahre.

Zugleich Huldigung und Verulkung der Beatlemania

„A Hard Day’s Night“ gelingt ein wunderbarer Spagat: Er ist selbst ein hundertprozentiges Produkt der Beatlemania, eine Feier der Fab Four und ihrer Musik – und zugleich die parodistische Veräppelung des ganzen Wahns um sie herum. Zu Recht gilt er überdies als einer der einflussreichsten Musikfilme überhaupt, lieferte die Blaupause für Videoclips folgender Jahrzehnte, für die Inszenierung von Konzertfilmen und für das Musikfernsehen.

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Zu Hause auf der Bühne: „She Loves You – Yeah, Yeah, Yeah!“

Wie heißt es im Titelsong? „…and I’ve been working like a dog.“ Ja, alle arbeiteten sie hart. Für den Dreh stand Richard Lester ein Budget von 200.000 Pfund zur Verfügung sowie dreieinhalb Wochen Zeit für den Schnitt. Die Beatles mussten ihr Album zum Film unter großem Zeitdruck fertigstellen. Das Ergebnis indes war ein Markstein ihrer Karriere, in jeder Hinsicht famos, die Musik schwelgerisch, romantisch und im besten Sinne unschuldig. Zum ersten Mal enthielt eine Beatles-LP nur Eigenkompositionen. Allein die Vorbestellungen für das Album spielten die Kosten des Films wieder ein. Der wiederum machte, nebenbei gesagt, einen Gewinn von zwölf Millionen Pfund. Auch Hollywood merkte auf: Es gab Oscar-Nominierungen für das beste Drehbuch und für Beatles-Produzent George Martin, der den Instrumental-Score verantwortete.

Die Swinging Sixties – auch heute ein großes Vergnügen

Am 6. Juli 1964 enterte „A Hard Day’s Night“ die britischen Kinos. 50 Jahre ist das her. Ist er gealtert? Keinen Tag! Ein smartes, stilsicheres und selbstironisches Zeitbild, das in die Swinging Sixties eintaucht, so einzigartig wie seine Stars – aber bestimmt nicht nur für Beatles-Fans ein Riesenvergnügen.

Veröffentlichung: 10. Juli 2014 als Blu-ray und DVD sowie Special Edition (Blu-ray, DVD + 2 Bonus-DVDs)

Länge: 88 Min. (Blu-ray), 84 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: A Hard Day’s Night
GB 1964
Regie: Richard Lester
Drehbuch: Alun Owen
Besetzung: John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr, Wilfrid Brambell, Norman Rossington, John Junkin, Victor Spinetti
Zusatzmaterial: Deutscher und englischer Kinotrailer, Bildergalerie, Audiokommentar mit Cast & Crew, nur Special Edition: Booklet mit Erinnerungen von Produzent George Martin und anderen, Dokumentation „You Can’t Do That“ (von Phil Collins moderiertes Making-of, 60 Min.), Dokumentation „Things They Said Today“ mit Interviews der Beteiligten (38 Min.), Featurette „In Their Own Voices“ – Die Beatles über „A Hard Day’s Night“ (18 Min.), Featurette „The Beatles: The Road to A Hard Day’s Night“ mit Beatles-Biograph Mark Lewisohn (28 Min.), Featurette „Anatomy of a Style“ über Regisseur Richard Lester (17 Min.), Featurette „Picturewise“ mit Regisseur Richard Lester (28 Min.), Kurzfilm „The Running, Jumping & Standing Still“ von Regisseur Richard Lester (11 Min.), diverse Interviews (150 Min.)
Vertrieb: Koch Media

Copyright 2014 by Dirk Ottelübbert
Fotos & Packshot: © 2014 Koch Media

 

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