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Der zermürbende Klaviertransport – Laurel & Hardy in Perfektion

18 Aug

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The Music Box

Kurzfilm-Komödie // Chronischer Geldmangel lässt Stan Laurel und Oliver Hardy ins Logistikgeschäft einsteigen: Sie verdingen sich als Transportunternehmer. Ihr erster Auftrag hat es sogleich in sich: Für ein Musikgeschäft sollen die beiden ein Klavier transportieren. Per Kutsche geht’s an den Zielort 1127 Walnut Avenue. Als sie dort einen Briefträger nach dem Haus fragen, zeigt der einen Hügel hinauf. Eine steile und schmale Treppe führt zum Gebäude.

Gegenverkehr auf der Treppe

Gleich zu Beginn wird Ollies Rücken in Mitleidenschaft gezogen, als beim Herunterhieven der Kiste von der Kutsche das Pferd einen Schritt macht. Als Nächstes kommen seine Finger dran, bevor es endlich daran geht, die Treppe zu erklimmen. Die ersten beiden Absätze sind schnell genommen, doch dann kommt ihnen eine junge Frau mit Kinderwagen entgegen. Beim Versuch, ihr am Klavier vorbei zu helfen, rutscht die Kiste die Treppe hinab. Es wird nicht das einzige Mal bleiben …

Es folgen unangenehme Begegnungen mit einem Ordnungshüter (Sam Lufkin, Now let that be a lesson to you! Now let that be another lesson to you!) und mit Professor Theodor von Schwarzenhoffen (Billy Gilbert), der aufgrund seiner vielen akademischen Titel keinesfalls bereit ist, auf der Treppe um die Kiste herumzugehen. Als die beiden Kurierfahrer endlich oben angekommen sind und auch das Klavier geneigt ist, dort oben zu bleiben, nimmt das Chaos erst recht seinen Lauf.

Vorbild Sisyphos

Als Vorbild für Stan Laurels und Oliver Hardys anstrengendes Tagwerk im knapp halbstündigen „Der zermürbende Klaviertransport“ ist die griechische Sagengestalt Sisyphos klar erkennbar. Einen Felsbrocken einen Berg emporzuwälzen und ein Klavier eine lange Treppe hinaufzuschleppen – das ist zweifellos vergleichbar. Immerhin gelingt Laurel und Hardy ihre Sisyphosarbeit zu guter Letzt. Oben angekommen erzählt ihnen der Briefträger allerdings, sie hätten auch die Straße nehmen können – was die beiden doch tatsächlich veranlasst, das Klavier hinunterzutragen und per Kutsche nach oben zu befördern.

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Gefahrensucher Ollie

„Der zermürbende Klaviertransport“ steht exemplarisch dafür, was die Filme von Laurel und Hardy auszeichnet. Er hat das grandiose Ungeschick der beiden, die Schmerzen, die meist Ollie etwas mehr abbekommt als Stan, die Zerstörungsorgie und mit dem im Deutschen Doktor Schwabendrescher genannten von Schwarzenhoffen einen starken Antagonisten. Dessen Darsteller Billy Gilbert kennen wir aus diversen Filmen mit dem Duo, darunter der Kurzfilm „Im Krankenhaus“ („County Hospital“, 1932) sowie die beiden Langfilme „Die Wüstensöhne“ („Sons of the Desert“, 1933) und „Die Klotzköpfe“ („Block-Heads“, 1938).

Das typische Gebaren von Laurel & Hardy

Und der Film hat all diese kleinen Gesten, die wir an den beiden Komikern so lieben: Ollies verlegenes Nesteln an der Krawatte, Stans ebenso verlegenes Grinsen in Verbindung mit dem Griff in die Haare, sein verdutzter Blick, nachdem er sich wieder mal an eine nicht vorhandene Wand anlehnen wollte, Ollies großspuriges Gehabe, das so gar nicht zu seiner chronischen Erfolglosigkeit und Trotteligkeit passt.

Klar, dass „Dick“ mehr abkriegt als Kompagnon „Doof“: Das Klavier fällt auf Ollie, zieht ihn gar die gesamte Treppe herunter. Er fällt ins Wasser, bekommt eine Leiterspitze ins Auge, kriegt einen schweren Flaschenzughaken auf den Kopf und tritt auf ein mit Nägeln gespicktes Brett – autsch! Stan bekommt lediglich vom Kindermädchen einen Nasenstüber verpasst und vom Polizisten einen Knüppel über den Kopf gezogen und in den Bauch gepiekst – und das beinahe sanft.

Oscar als beste Kurzfilmkomödie

Bei all den großartigen Slapstick-Komödien – ob kurz oder lang –, die uns Laurel und Hardy beschert haben, verwundert es etwas, dass es nur einmal für einen Oscar gereicht hat: eben für „Der zermürbende Klaviertransport“, der 1932 als beste Kurzfilmkomödie ausgezeichnet worden ist.

Für den Film gibt es auch nach der Insolvenz des Rechteinhabers Kinowelt bei uns keine Lieferschwierigkeiten. Rechtsnachfolger Studiocanal hat sich der Veröffentlichungen angenommen. In der zehn DVDs umfassenden „Dick und Doof Collection 3“ ist „Der zermürbende Klaviertransport“ enthalten. Als Einzel-DVD erhält man den Film auf einer Disc mit „Das große Geschäft“ („Big Business“, 1929) und „Unter Null“ („Below Zero“, 1930). Nach meinem Kenntnisstand enthält sie die 1967 entstandene Synchronisation – die dritte nach 1952 und 1960.

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Die beiden haben ein paar Stufen zu viel genommen

Die 131 Stufen zählende Treppe existiert auch heute noch: im Stadtviertel Silver Lake von Los Angeles. Ein geschichtsträchtiger Ort, war sie doch Schauplatz eines der großartigsten Slapstick-Kurzfilme überhaupt. Ihr habt die Komödie noch nie gesehen? Sofort nachholen!

Abschließend erlaube ich mir einen Hinweis in eigener Sache: Ich bin Autor bei „35 Millimeter – Das Retro-Filmmagazin“, einer Zeitschrift, die sich dem Filmerbe bis 1965 widmet. Weshalb bis 1965? Das könnt Ihr hier nachlesen. In Ausgabe #10 des Magazins dreht sich die Titelgeschichte um US-Filmkomiker, und da dürfen Laurel und Hardy nicht fehlen. Der Beitrag über die beiden stammt dann auch von mir. Für alle, die sich näher mit dem dynamischen Duo und anderen Komikern wie Charlie Chaplin, Buster Keaton, Harold Lloyd, den Marx Brothers & Co. beschäftigen wollen: Die Ausgabe kann hier bestellt werden – unter dem Link findet Ihr auch den Inhalt.

Veröffentlichung: 17. Juni 2010 als DVD (inkl. „Das große Geschäft“ und „Unter Null“), 16. Oktober 2009 in der 10-DVD-Box „Dick & Doof Collection 3“

Länge: 29 Min.
Altersfreigabe Einzel-DVD: FSK freigegeben ohne Altersbeschränkung
Altersfreigabe Dick & Doof Collection 3: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: The Music Box
Alternativtitel: Dick und Doof und die Drahtkommode / Die Musikbox / Das verrückte Klavier
USA 1932
Regie: James Parrott
Drehbuch: H.M. Walker
Besetzung: Stan Laurel, Oliver Hardy, Billy Gilbert, Charlie Hall, Gladys Gale, Lilyan Irene, Sam Lufkin
Zusatzmaterial: Fotogalerie, Starinfos, Kurzfilme „Die Troubadoure“ und „Isn’t Life Terrible“, „Swiss Miss“, Wendecover
Vertrieb: Studiocanal Home Entertainment

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Copyright 2015 by Volker Schönenberger
Fotos & Packshots: © 2009/2010 Studiocanal Home Entertainment

 
 

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2 Antworten zu “Der zermürbende Klaviertransport – Laurel & Hardy in Perfektion

  1. Kay Sokolowsky

    2015/08/19 at 11:42

    Ich habe mich immer gewundert, warum bei den seltsamen Umfragen unter Filmkritikern nach den vermeintlich zehn besten Filme aller Zeiten dieses Kronjuwel nie auftaucht.
    Mal abgesehen von der unvergleichlichen Komik des „Klaviertransports“ – auch seine Gestaltung erreicht 11 von 10 möglichen Punkten. Danke also für diese schöne Besprechung eines absoluten Meisterwerks von einem absoluten Stan&Ollie-Fan!

     
  2. Liegeradler

    2015/08/19 at 10:26

    Einer der besten Filme des genialen Duos!
    Werde gleich mal wieder die DVD aus dem Regal kramen…

    Grüße vom Kinogucker (kinogucker.wordpress.com)

     

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