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Walhalla Rising – Elegischer Wikinger-Trip ins Ungewisse

01 Nov

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Valhalla Rising

Von Volker Schönenberger

Abenteuer // Am Anfang gab es nur den Menschen und die Natur. Männer kamen, trugen Kreuze und trieben die Heiden an den Rand der Welt. In einer Ödnis hoch im Norden Schottlands hält sich eine Schar Wikinger Gefangene, die sie zum Zeitvertreib gegeneinander kämpfen lässt. Echte Freude scheinen die Peiniger nicht zu empfinden, aber vielleicht ist es besser als gähnende Langeweile. Unter den Gladiatoren befindet sich ein stummer Einäugiger (Mads Mikkelsen), der sein Schicksal mit stoischem Gleichmut hinnimmt und sich auf seine Fähigkeiten als Kämpfer verlassen kann. Der Sklavenjunge Are (Maarten Stevenson) versorgt ihn mit Nahrung.

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Kampf auf Leben und Tod

Soweit das erste, mit „Zorn“ betitelte Kapitel von Nicolas Winding Refns rauem und schmutzigem Wikinger-Abenteuer, das nicht mit Blut, aber dafür mit Gnade spart. Nachdem sich der Einäugige die Freiheit erkämpft hat und ihm Are den Namen Einauge (One-Eye) gegeben hat, schließt er sich christlichen Kriegern an, die sich gen Jerusalem aufmachen, das Heilige Land zu befreien. Stattdessen landen die Kreuzzügler in der Neuen Welt.

Was will uns Nicolas Winding Refn sagen?

So wie Autorenfilmer Nicolas Winding Refn seine Krieger auf einen Trip ins Ungewisse schickt, schickt er mit „Walhalla Rising“ auch seine Zuschauer auf einen Trip ins Ungewisse. Und es ist kein leichter Trip, so viel ist klar und gehört bei Winding Refn zum Standard. In den Koordinaten eines Wikinger-Abenteuers verbergen sich ganz andere, schwer zu entschlüsselnde Motive – und sicher keine Stellungnahme über die Entdeckung Amerikas durch die Wikinger.

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Einauge wartet auf sein nächstes Duell

Schon eher ein Gleichnis über Gewalt. Kurz zuvor hatte Winding Refn mit „Bronson“ eine in der modernen Zeit platzierte Gewaltstudie vorgelegt, die im Gewand eines Biopics über Englands bekanntesten Strafgefangenen daherkam. Was genau der Regisseur aber ausdrücken will, liegt ebenso im Nebel wie die Wikinger auf dem Weg über den Atlantik. Für eine Aussage über die Sinnlosigkeit von Gewalt taugt „Walhalla Rising“ nicht – die Wikingerzeit bedingte nun mal eine gewisse Gewaltbereitschaft. Den Zuschauern den Spiegel vorhalten und die Faszination von Gewalt offenlegen, funktioniert aber ebenso wenig, dafür sind die Gewaltausbrüche zu kurz und schnell wieder vorüber. Einigen wir uns darauf, es mit einer Meditation über Gewalt zu tun zu haben. Über religiöse Gewalt womöglich, haben wir es doch mit Kreuzzüglern zu tun, die ausziehen, die Heiden mit dem Schwert zu richten. Dafür spricht auch die Benennung der Kapitel: Von Männern Gottes ist da die Rede, das vierte Kapitel trägt den Titel „Das Heilige Land“, das fünfte heißt schlicht „Hölle“. Im Kontrast zu diesen christlichen Motiven steht der Filmtitel: Im Walhalla der nordischen Mythologie ruhen die gefallenen Krieger. Ist mit „Walhalla Rising“ ihre Auferstehung gemeint? Wenn man dann noch weiß, dass ihr Hauptgott Odin nur ein Auge hatte … Ui, jetzt wird es kompliziert, also verlasse ich diese arg spekulativen Interpretationsansätze lieber, statt mich um Kopf und Kragen zu schreiben. Es ist ohnehin zu bezweifeln, dass sich der Film exakt deuten lässt, das war wohl kaum Nicolas Winding Refns Absicht. Weshalb zeigt „Walhalla Rising“ die Ureinwohner Amerikas erst ganz am Ende zum ersten Mal? Man darf auch als Filmkritiker mal einräumen, mit seinem Latein am Ende zu sein. Hat der Regisseur etwa Schein über Sein gestellt, wie es ihm bisweilen unterstellt wird?

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Der Knabe Are versorgt den Kämpfer

Auch formal macht es uns Nicolas Winding Refn schwer. Dialoge sind Mangelware – Einauge spricht als Stummer überhaupt nicht, die Wikinger reden nur das Nötigste. Musik wird erfreulich sparsam eingesetzt, den ruhigen Landschaftsbildern entsprechend gibt es viele Sequenzen, die völlig ohne Score auskommen, ansonsten erklingen melodielose Tonfolgen, die das Bedächtige trefflich untermalen. Die Bilder immerhin sind zwar schmutzig, aber wunderschön. Ob das den Fans actionreicher Historien-Abenteuer ausreicht? Tiberius Film veröffentlicht „Walhalla Rising“ in Blu-ray-Neuauflage als schmuckes Mediabook, dessen an sich lesenswerter Booklet-Text ein etwas sorgfältigeres Lektorat verdient hätte. Die Disc ist mit der Erstauflage identisch, auf einer Bonus-Blu-ray gibt’s immerhin eine einstündige Doku über Nicolas Winding Refn.

Einauge auf Sinnsuche?

Ist Einauge auf Sinnsuche? Mag sein, immerhin findet er im Finale einen Sinn. In „Walhalla Rising“ bleibt er damit der Einzige. Manchmal offenbart in Filmen mit einem Kind dieses die Lösung, aber der Knabe Are hat mir leider keinen Hinweis geliefert. Somit endet meine Sinnsuche für „Walhalla Rising“ mit dem Fazit, dass wir es mit einem ungemein sehenswerten Arthaus-Kunstwerk zu tun haben, das sich jedem Interpretationsansatz handelsüblicher Wikinger-Abenteuer entzieht und viele Mainstream-Zuschauer überfordern wird – erst recht solche, die alles erklärt bekommen wollen. Welcher Film von Nicolas Winding Refn ist euer Favorit?

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Die beiden entkommen ihren Herren

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme von Nicolas Winding Refn sind in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet, Filme mit Mads Mikkelsen in der Rubrik Schauspieler.

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Mit Gott hat Einauge wenig am Hut

Veröffentlichung: 3. November 2016 als Limited 2-Blu-ray Edition Mediabook (inkl. Bonusfilm ) 6. August 2015 als Double Edition (mit „Only God Forgives“) Blu-ray und DVD, 11. August 2011 als Blu-ray 3D (inkl. 2D-Version), 5. November 2010 als Blu-ray und DVD

Länge: 93 Min. (Blu-ray), 90 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Valhalla Rising
DK/GB 2009
Regie: Nicolas Winding Refn
Drehbuch: Nicolas Winding Refn, Roy Jacobsen,
Besetzung: Mads Mikkelsen, Maarten Stevenson, Alexander Morton, Stewart Porter, Matthew Zajac, Gordon Brown, Gary McCormack, Andrew Flanagan, Gary Lewis, Jamie Sives
Zusatzmaterial: Exklusive Interviews mit Regisseur Nicolas Winding Refn und Hauptdarsteller Mads Mikkelsen, Audiokommentar von Regisseur Nicolas Winding Refn und Alan Jones, deutscher und englischer Trailer, Trailershow, Wendecover, nur Mediabook: Doku „NWR – Nicolas Winding Refn“, (2012, Buch & Regie: Laurent Duroche,) 24-seitiges Booklet
Vertrieb: Tiberius Film

Copyright 2016 by Volker Schönenberger

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In der Neuen Welt

Fotos & Packshots: © 2016 Tiberius Film

 
 

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59 Antworten zu “Walhalla Rising – Elegischer Wikinger-Trip ins Ungewisse

  1. Mike Hennig

    2016/11/13 at 19:56

    Drive ist mein persönlicher Favorit.

     
  2. Christoph Jäger

    2016/11/13 at 17:16

    Neben The Neon Demon war Bleeder für mich sein bester.

     
  3. Philip Kiel

    2016/11/13 at 16:54

    Definitiv „Drive“, bin aber genauso auf „Neon Demon“ gespannt.

     
  4. Markus Staudt

    2016/11/13 at 16:33

    Drive

     
  5. Markus Mars

    2016/11/13 at 16:22

    Drive fand ich am besten 😃

     

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