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Die Meute lauert überall – Im Land von Gut und Böse

02 Dez

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Raw Edge

Von Ansgar Skulme

Western // In Oregon im Jahre 1842 herrschen Zustände, an denen jeder Schutzgelderpresser seine helle Freude hätte. Der machtversessene Gerald Montgomery (Herbert Rudley) hat ein Rudel übler Gesellen um sich geschart (u. a. Neville Brand, Emile Meyer und Robert J. Wilke) – sie halten die Stadt mit harter Hand unter seiner Kontrolle. Als eines Tages die Frau des Despoten (Yvonne De Carlo) überfallen wird, gerät Dan Kirby (John Gavin) in Verdacht. Der ist zwar unschuldig, aber das interessiert kaum jemanden, sein selbsternannter Richter hängt ihn kurzerhand am nächsten Baum auf. Als sich die Gesetzlosen dann jedoch mit den Indianern im Umland anlegen, wird die Stimmung ungemütlich. Zu allem Überfluss taucht unverhofft der Bruder des Gehängten auf (Rory Calhoun), der zunächst gar nicht ahnt, was ihn in dem Moloch erwartet.

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Wer zuerst schießt, lebt am längsten

Rory Calhoun war in den 50er-Jahren neben James Stewart, Audie Murphy, Jock Mahoney und Jeff Chandler einer der wichtigsten Western-Stars bei Universal, wobei er seinerzeit zu den Schauspielern zählte, die sich dem Genre der Cowboys und Indianer über etliche Jahre beinahe exklusiv verschrieben hatten und auch für andere Studios im Genre aktiv war. Seine Heldenfiguren verlieren sich selten in oberflächlichen Liebeleien, wirken stets integer und aufs Wesentliche fokussiert. Nichtsdestotrotz überzeugte Calhoun auch als Schurke und war, inklusive seines ausgeprägten Dialekts, einer der glaubhaftesten Western-Hauptdarsteller des Jahrzehnts – nicht nur in B-Filmen, sondern auch darüber hinaus („Fluss ohne Wiederkehr“, 1954). Seine Western sind beinahe durchweg sehenswert, jedoch ist „Die Meute lauert überall“ leider eines der schwächsten Exemplare. Ein schlechter Calhoun-Film ist immer noch ein besserer B-Western als viele andere, aber mehr ist das Werk trotz vieler guter Ansätze leider nicht.

Gute Ideen in wirrem Konzept

Zunächst macht der Film eigentlich einen recht guten, souveränen Eindruck, startet mit einem starken Titelsong, der an die Western-Kompositionen von Dimitri Tiomkin erinnert, und führt etliche Figuren, einschließlich des weiblichen Hauptparts, in einer interessanten dialogfreien Sequenz ein, die vom Titelsong und ausdrucksstarken Bildern getragen wird: eine gekonnte Komposition von Blick- und Bewegungsrichtungen. Auch als Calhoun nach über einer Viertelstunde schließlich zum ersten Mal auftritt, wobei er mehr oder weniger plötzlich aus der Tiefe des Bildes in die Stadt geritten kommt, während das Augenmerk zunächst noch im Bildvordergrund liegt, zeugt das von einem klugen, unaufgeregten Regiestil. Doch anstatt sich in dieser coolen Gangart weiterzubewegen, wird der Film bald zu einem überzogenen Kammerspiel, mit recht wenigen Figuren, die allerdings zum Großteil verdammt eindimensional bösartig sind. Neville Brand und Robert J. Wilke, die in Western und Film noirs häufig üble, ehrlose Drecksäcke spielten, machen ihrem Ruf hier alle Ehre. Diverse Figuren des Films sind so von Gier zerfressen, dass selbst Freunde und Verwandte, ja sogar Vater und Sohn, allen Respekt voreinander verlieren. Das ist sicher heftig, schnörkellos, brutal und macht nachdenklich, aber leider ist das Ganze trotz der farbigen Bilder letztlich auch eine Lehrstunde in Schwarz-Weiß-Malerei. Selbst der von Rex Reason verkörperte Glücksspieler, der noch zu den friedlicheren Charakteren des Films gehört, ist eine enttäuschend stereotype Figur, die der gebürtige Berliner allerdings zumindest mit einem gewissen Charme spielt. Der bodenständige Calhoun verblasst neben den stark überzeichneten Nebenfiguren regelrecht – und das ist in dem Fall auch gut so.

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Kirby (l.) fällt beinah vom Glauben ab

Aber auch wenn man sich mit dieser Form extrovertierten Filmtheaters noch irgendwie anfreunden kann, enttäuscht dieser Western aufgrund von oberflächlich oder einfach nicht zu Ende erzählten Nebenhandlungen. Selbst der anfangs als Oberschurke eingeführte Montgomery kommt im weiteren Verlauf der Handlung kaum zur Geltung und steuert auf ein Ende zu, das ziemlich an den Haaren herbeigezogen daherkommt. Der Film würfelt orientierungslos böswillige Schurken und Indianer-Klischees durcheinander, wobei die Indianer stets wie ein nicht in die Handlung passendes Mittel zum Zweck wirken, als hätte sie der Drehbuchautor mangels besserer Einfälle zwischengeschoben, frei nach dem Motto „Indianer gehen immer!“. Die beiden Handlungsstränge um das gesetzlose Vater/Sohn-Gespann einerseits und die Indianer andererseits wollen einfach nicht so recht zusammenpassen. Das einzig Positive daran ist, dass man dem Film nicht vorwerfen kann, vorhersehbar zu sein. Zu absurd und plötzlich kommt die eine oder andere Wendung und mehr als einmal überrascht es schon ein wenig, wer hier am Ende auf welche Art zu Tode kommt. Die Problematik scheint vor allem dem Drehbuch geschuldet zu sein, das sich so gut wie gar nicht um eine Entwicklung seiner Figuren kümmert – die meisten haben den Zenit ihrer Bösartigkeit oder Selbstgefälligkeit ohnehin bereits erreicht – und stattdessen reißerische Situationen aneinanderreiht, die die Unmenschlichkeit der Schurken zur Schau stellen. Das wäre vielleicht sogar noch unterhaltsam, wäre „reißerisch“ mit „Action“ gleichzusetzen, aber inmitten der oft kammerspielartigen Inszenierung ist davon nicht zu sprechen. Gerade, was die Schurken anbelangt, wird einfach mal hier, mal da ein bisschen erzählt und eigentlich nur die Geschichte der beiden von Neville Brand und Emile Meyer verkörperten Männer richtig zu Ende gebracht. Alles in allem wirkt der Film, als sei das Skript bei Drehbeginn noch nicht fertig gewesen. Solche Fälle gab es auch im gut organisierten Studiosystem des klassischen Hollywoods, aber ob „Die Meute lauert überall“ dazu zählte, muss an dieser Stelle offen gelassen werden.

DVD auf gutem Koch-Niveau

Die DVD bewegt sich auf demselben Niveau wie andere gute Vertreter der „Edition Western Legenden“. Bild und Ton sind in einem sehr guten Zustand, als Bonus gibt es das obligatorische Booklet zum Film zuzüglich des Originaltrailers und einer Bildergalerie. Ebenso wie der Film mit vielen bekannten Gesichtern des Genres punktet, punktet die zeitgenössische Synchronfassung mit bekannten Stimmen. Sehenswert ist das Werk vor allem, weil es gerade zu Anfang in einigen Ansätzen das Potenzial des Regisseurs John Sherwood zur Geltung bringt, der bei „Die Meute lauert überall“ mit über 50 Jahren zum ersten Mal hauptverantwortlich Regie bei einem Spielfilm führte. Zuvor hatte er oftmals in der zweiten Reihe hinter anderen Regisseuren – mit der sogenannten „Second Unit“ – an Filmen gearbeitet. Sherwood drehte danach allerdings nur noch zwei Filme und zwei weitere als Second-Unit-Regisseur, da er bereits 1959 starb. So führte er auch Regie bei der zweiten Fortsetzung des Universal-Horror-Erfolgs „Der Schrecken vom Amazonas“ (1954), mit dem Titel „Das Ungeheuer ist unter uns“ (1956), sowie beim SF-Klassiker „Das Geheimnis des steinernen Monsters“ (1957).

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Hannah verdreht allen den Kopf

Da Koch Films in der „ Edition Western Legenden“ zuvor mit Rory Calhoun lediglich „Mit roher Gewalt“ (1955) veröffentlicht hat, wo allerdings nicht Calhoun, sondern Jeff Chandler den Helden spielt, wird es nun aber Zeit, weitere seiner Western aus dem Universal-Fundus folgen zu lassen. „Die Meute lauert überall“ ist ein annehmbarer, ambitionierter Film, gereicht dem Protagonisten aber wahrlich nicht zur Ehre. Und auch Yvonne De Carlo hätte bei ihrem Comeback für Universal, dem Studio, dank dem sie einst berühmt geworden war, einen besseren Stoff verdient gehabt.

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Schwere Zeiten für ruhige Zeitgenossen

Die „Edition Western Legenden“ haben wir in unserer Rubrik Filmreihen aufgeführt.

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Was plant der Pokerspieler Randolph (M.) wirklich?

Veröffentlichung: 1. Dezember 2016 als Blu-ray und DVD

Länge: 76 Min (Blu-ray), 74 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Raw Edge
USA 1956
Regie: John Sherwood
Drehbuch: Harry Essex, Robert Hill
Besetzung: Rory Calhoun, Yvonne De Carlo, Mara Corday, Neville Brand, Rex Reason, Emile Meyer, Herbert Rudley, Robert J. Wilke, John Gavin, Gregg Barton
Zusatzmaterial: Booklet, Originaltrailer, Bildergalerie
Vertrieb: Koch Films

Copyright 2016 by Ansgar Skulme
Fotos & Packshot: © 2016 Koch Films

 

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