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Der Prinz von Ägypten – Der Exodus als Zeichentrick-Abenteuer

28 Nov

The Prince of Egypt

Von Volker Schönenberger

Zeichentrick-Abenteuer // Das 2. Buch Mose erzählt als Teil des Alten Testaments der Christen und der Tora der Juden gleichermaßen vom Auszug (Exodus) der Israeliten aus Ägypten unter der Führung von Moses. Der Überlieferung zufolge lebten die Israeliten in Ägypten in Knechtschaft. Weil der Pharao die Tötung der männlichen Kinder der Israeliten angeordnet hatte, setzte Moses’ Mutter ihren Sohn im Säuglingsalter in einem Schilfkorb im Nil aus, woraufhin er von einer Tochter des Pharaos gefunden wurde und fortan am Hof des Herrschers aufwuchs.

Seine Mutter setzt Moses im Nil aus

Später erhielt Moses von Gott den Auftrag, sein Volk aus Ägypten ins Gelobte Land zu führen. Weil der Pharao dies verweigerte, ließ der gar nicht mal so liebe Gott zehn Plagen über die Ägypter kommen. Nun erst ließ der Herrscher die Israeliten ziehen, doch bald darauf besann er sich und verfolgte sie mit seinen Heerscharen. Mit göttlicher Fügung bewirkte Moses, dass sich das Meer teilte und die Israeliten über den nun trockenen Meeresboden gen Freiheit weiterziehen konnten. Als die ägyptische Kriegsschar ihnen folgte, ließ Gott die Fluten über die Verfolger hereinbrechen, woraufhin sie jämmerlich ertranken. Seltsam? Aber so steht’s geschrieben …

Die Frau des Pharaos findet den Schilfkorb

„Der Prinz von Ägypten“ erzählt die Geschichte des Exodus nach und markiert nach „Antz“ (1998) den zweiten Animationsfilm der seinerzeit noch jungen Produktionsfirma DreamWorks, die Steven Spielberg, Jeffrey Katzenberg und David Geffen 1994 gegründet hatten. Mit DreamWorks Animation ging das Studio in direkte Konkurrenz zum Zeichentrick-Platzhirsch Walt Disney und dem ebenfalls jungen Studio Pixar, das 1995 mit „Toy Story“ das Zeitalter der Computertrickfilme eingeläutet hatte. War „Antz“ bereits vollständig am Computer entstanden, wurde „Der Prinz von Ägypten“ noch als herkömmlicher Zeichentrickfilm produziert.

Der Exodus – historisches Ereignis oder Fantasie?

Das Bibel-Abenteuer hält sich im Großen und Ganzen an die Vorlage, nimmt sich aber viele Freiheiten und schmückt das Geschehen mit zahlreichen eigenen Einfällen aus. Das ist auch nicht weiter wild, denn wenn man den Erzählungen des Alten Testaments überhaupt Glauben schenken mag, dürfte doch unstrittig sein, dass viele darin geschilderte Ereignisse überhaupt nicht historisch belegt und in weiten Teilen und etlichen Details der Fantasie entsprungen sind – merkt’s euch, Kreationisten, immer zweimal mehr wie Ihr!

Moses (l.) und Ramses sind beste Freunde geworden …

Anders als in der Bibel beispielsweise entdeckt im Film nicht die Tochter des Pharaos den Schilfkorb im Nil, sondern dessen Ehefrau – historisch gesehen müsste es sich dabei um eine gewisse Tuja handeln. Die Freundschaft zwischen Moses und dem Königssohn und späteren Pharao Ramses findet sich in der Bibel nicht. Im Film sind die beiden anfangs zwei unbekümmerte junge Kerle mit zu viel Testosteron im Blut, die sich ein wildes Wagenrennen liefern, bei dem allerlei zu Bruch geht. Das bringt ihnen eine scharfe Rüge von Pharao Sethos ein. Bald darauf trifft Moses auf seine Schwester Miriam, die Jahre zuvor den Weg des Schilfkorbs auf dem Nil verfolgt hatte und seitdem aus der Ferne über ihren kleinen Bruder wacht. Sie weckt erste Zweifel an seiner Herkunft in ihm, und eine Weile und einige Ereignisse später findet sich Moses in der Wüste wieder.

… und müssen vom Pharao scharfe Kritik einstecken

Für den von Whitney Houston und Mariah Carey interpretierten Filmsong „When You Believe“ erhielt Stephen Schwartz den Oscar, er und Hans Zimmer wurden für den Score zudem Oscar-nominiert. Mein Fall ist die Musik nicht, das gilt für die eingestreuten Songs ebenso wie für den typischen Hans-Zimmer-Streicherteppich, der sich wie ein Mantel über den gesamten Film legt. Das gefällt aber offenbar vielen, und der Erfolg gibt Hans Zimmer recht, wer bin ich also, daran herumzumäkeln?

Der junge Mann trifft seine Schwester Miriam …

Die Besetzung der Originalsprecher liest sich erlesen: Val Kilmer spricht Moses, als Ramses hören wir Ralph Fiennes. Sandra Bullock leiht Moses’ Schwester Miriam die Stimme, Jeff Goldblum seinem Bruder Aaron. Michelle Pfeiffer spricht Zippora, in die sich Moses verliebt. In weiteren Rollen sind Patrick Stewart, Helen Mirren, Steve Martin, Danny Glover und Martin Short sowie die Sängerin Ofra Haza zu hören. Diese Stimmen sind als großer Pluspunkt zu werten.

… und entdeckt das Geheimnis seiner Herkunft

Obwohl ambitioniert, wandelt „Der Prinz von Ägypten“ als Zeichentrickfilm auf bekannten Pfaden, fügt der Technik auch keine neuen Impulse hinzu – seinerzeit ohnehin schwierig angesichts des mächtig aufkommenden Computertrickfilms. Aber es muss auch nicht immer die größte Innovationskraft sein, wenn die Unterhaltung stimmt – und das kann man dem alttestamentarischen Abenteuer nicht absprechen. Die Bibel ist eben ein Füllhorn actionreicher Geschichten, das zeigt sich besonders beim Exodus.

Die zehn Gebote

Wenn am Ende Moses vom Berg Sinai hinabsteigt und die zehn Gebote mitbringt, bietet das natürlich eine prima Gelegenheit, in eine kritische Debatte zum Christentum einzusteigen. „Du sollst nicht töten.“ So lautet das nach katholischer und evangelischer Zählung fünfte Gebot – bei den Juden und diversen christlichen Abspaltungen zählt es als das sechste. Hm – hat Gott nicht erst kurz zuvor das ägyptische Heer ertränkt? Hat er nicht als zehnte Plage die erstgeborenen Söhne der Ägypter ermordet? Nun ja, womöglich galten die zehn Gebote damals nur unter den Israeliten und für Gott selbst schon mal gar nicht. In dem Fall dürfte der Allmächtige sogar nach Herzenslust Ehebruch betreiben, der alte Schlawiner. Böse Zungen könnten gar behaupten, dass der liebe Gott des Alten Testaments ein rassistischer Massenmörder war, für diese These lassen sich etliche Bibelstellen finden. Aber beenden wir das, an der trotz einiger sekundärer Kritikpunkte großen Qualität von „Der Prinz von Ägypten“ als toll gezeichnetes Epos ändert das nichts.

Aus Freunden sind Feinde geworden

Wer von der Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten nicht genug bekommen kann und über ausreichend Sitzfleisch verfügt, mag an einem mit „Der Prinz von Ägypten“ beginnenden Triple Feature Gefallen finden – mit Cecil B. DeMilles monumentalem „Die zehn Gebote“ (1956) mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als Ramses als zweitem Beitrag, gefolgt von Ridley Scotts „Exodus – Götter und Könige“ (2014), in dem Christian Bale Moses und Joel Edgerton Ramses verkörpern. Ein dreifacher Exodus in epischer Überlänge, das wäre doch was, nicht wahr? Eine qualitative Rangfolge dieser drei Bibel-Adaptionen will ich hier nicht liefern, zu sehr unterscheiden sich die Filme. „Die zehn Gebote“ mag die spektakulärste Umsetzung des Stoffs darstellen. Als Zeichentrick-Abenteuer funktioniert „Der Prinz von Ägypten“ aber sehr gut. Das DreamWorks-Epos bietet gute Gelegenheit, dem Nachwuchs im Kreis der Familie die Geschichte des Exodus zu vermitteln. Auch ein Atheist wie ich kann das für seine Kinder als sinnvoll erachten.

Moses bringt den Ägyptern die Plagen

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Sandra Bullock, Helen Mirren und Michelle Pfeiffer haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgeführt, Filme mit Ralph Fiennes, Danny Glover, Jeff Goldblum, Steve Martin und Patrick Stewart unter Schauspieler.

Exodus

Veröffentlichung: 4. Oktober 2018 als Blu-ray, 6. September 2018, 1. März 2018, 26. Februar 2015, 4. Juli 2006 und 8. März 2001 als DVD

Länge: 99 Min. (Blu-ray), 95 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch u. a.
Untertitel: Deutsch, Englisch u. a.
Originaltitel: The Prince of Egypt
USA 1998
Regie: Brenda Chapman, Steve Hickner, Simon Wells
Drehbuch: Philip LaZebnik, Nicholas Meyer
Originalsprecher: Val Kilmer, Ralph Fiennes, Michelle Pfeiffer, Sandra Bullock, Jeff Goldblum, Danny Glover, Patrick Stewart, Helen Mirren, Steve Martin, Martin Short, Ofra Haza, James Avery
Zusatzmaterial: Audiokommentar der Filmemacher, Making-of, mehrsprachige Präsentation von „When You Believe“, Wissenswertes über die Animation des Wagenrennens, „Die technischen Effekte im Film“, Bildergalerie, Original Kinotrailer, Wendecover
Label/Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2018 by Volker Schönenberger

Szenenbilder: © 2018 Universal Pictures Germany GmbH & DreamWorks Animation,
Trailer: © DreamWorks Animation

 

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