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Horror für Halloween (IV): Carriers – Flucht vor der tödlichen Seuche: Was würdest du tun?

25 Sept

Carriers

Von Volker Schönenberger

SF-Horrordrama // Vier junge Leute sind mit Surfboards auf dem Highway zur US-Westküste unterwegs – Brian (Chris Pine), seine Freundin Bobby (Piper Perabo), sein Bruder Danny (Lou Taylor Pucci) und dessen Schulfreundin Kate (Emily VanCamp). Was auf das Publikum ein paar Minuten lang wie ein unbeschwerter Urlaubstrip wirkt, bekommt eine völlig andere Dimension, als das Quartett von einem quer auf der Fahrbahn stehenden Auto aufgehalten wird. Frank (Christopher Meloni) erbittet etwas Kraftstoff für seinen Wagen, benimmt sich aber seltsam. Auf dem Rücksitz erblicken die jungen Frauen seine Tochter Jodie (Kiernan Shipka), die einen blutigen Mundschutz trägt. Sie ist infiziert! Brian am Lenkrad startet durch und lässt den Vater mit dessen kranker Tochter hinter ihnen, doch als die vier kurz darauf selbst eine Panne haben, kehren sie zu Frank zurück. Man setzt die Reise gemeinsam fort.

Gibt es in der Krankenstation ein Heilmittel?

Ein tödliches Virus dezimiert die Menschheit in Massen. Endzeitstimmung breitet sich aus, der dünne Firnis der Zivilisation bricht auf, Nächstenliebe weicht Gesetzlosigkeit. Das Quartett um Brian will eine abgelegene Strandresidenz aufsuchen, wo die beiden Brüder in Kindheit und Jugend unbeschwerte Stunden verbracht haben. Die vier hoffen, dort die Pandemie aussitzen zu können, und agieren nach drei einfachen Regeln:

1. Jeglichen Kontakt mit Infizierten vermeiden. Ihr Atem ist hoch ansteckend.
2. Alles desinfizieren, was sie in den letzten 24 Stunden berührt haben.
3. Die Kranken sind dem Tode geweiht. Sie können nicht mehr gerettet werden.

Wer gegen die Regeln verstößt, stirbt. Wer sie befolgt, überlebt. Vielleicht.

Frank hat von einem in einer Highschool eingerichteten Einrichtung für Erkrankte gehört, wo es ein Serum gegen die Pandemie geben soll. Die kleine Gruppe erreicht das Gebäude, doch die Hoffnung erweist sich als Illusion.

Die Hoffnung währt nur kurz

Wie so viele Filme entdeckte ich „Carriers – Flucht vor der tödlichen Seuche“ beim Fantasy Filmfest. Im Sommer 2009 war das, das Endzeit-Drama eröffnete das Festival und hatte diesen prominente Präsentation auch vollauf verdient. Trotz der schlanken Dauer von weniger als anderthalb Stunden entwirft der Film mit ökonomischen Mitteln und dem Fokus auf wenige Figuren ein Bild einer Gesellschaft im Zusammenbruch, die zwar nach Regeln lebt, diese aber von humanistischem Gedankengut befreit hat. Dem eigenen Überleben wird alles andere untergeordnet. Das lässt in etlichen Szenen frösteln, denn „Carriers“ verzichtet auf plakative Schurken, denen die Protagonisten über den Weg laufen. Die Menschen sind durchweg Normalos, keine Psychopathen. Der Horror kommt dann auch nicht in brutalen Exzessen daher, sondern entfaltet sich behutsam und geradezu lebensnah. Das wird manchen Fans großer Apokalypsen zu wenig sein, mir gefällt es gerade deswegen ausgesprochen gut. Aus mir unbekannten Gründen lag „Carriers“ drei Jahre lang fertig abgedreht herum, bevor der Film im Fahrwasser von Chris Pines erstem Auftritt als Captain Kirk in „Star Trek“ (2009) doch noch in die Kinos kam.

Das Ende der Menschheit?

Gaspar Noés Stamm-Kameramann Benoît Debie taucht den Roadtrip in sonnendurchleuchtete Bilder, die einen ungewöhnlichen Kontrast zur düsteren Stimmung der Menschheit am Abgrund bilden. Über die Herkunft des Virus erfahren wir nichts, die Hoffnung auf Heilung bekommt früh im Film einen deutlichen Dämpfer, um im weiteren Verlauf gar nicht mehr thematisiert zu werden. Steht die Menschheit vor dem vollständigen Aus? Oder werden versprengte Gruppen wie das Quartett der Hauptfiguren überleben, um eine neue Zivilisation aufzubauen? Wir wissen es nicht und erfahren es auch nicht, das lenkt den Fokus auf das Verhalten der vier. Wären sie überhaupt in der Lage, eine neue Gesellschaft zu errichten? Auf welchen Werten soll das beruhen? Es bleibt offen.

Sicherheitsvorkehrungen sind lebensnotwendig

Endzeit haben die spanischen Brüder David Pastor und Àlex Pastor drauf: Vier Jahre nach „Carriers“ drehte das Regisseursduo „The Last Days – Tage der Panik“, in welchem die Menschen im Freien an unerklärlichen Angstzuständen sterben. Wer den Film noch nicht kennt und apokalyptischen Szenarien etwas abgewinnen kann: Anschauen! Leider sind das die beiden bislang einzigen abendfüllenden Spielfilme der Pastors. Immerhin haben sie gerade das Drama „Hogar“ um einen Stalker abgedreht.

Mediabook oder Blechdose?

„Carriers“ ist auf DVD und Blu-ray von splendid film aktuell gut lieferbar. Wer Hingucker im Regal mag, kann auf die limitierte „Survival Box“ zugreifen, eine Blechdose, welche die Special Edition DVD plus eine Doppel-DVD mit einer Doku-Reihe „Seuchen des 21. Jahrhunderts“ des Discovery Channels sowie als Gimmick ein Seuchen-Survival-Kit enthält. Etwas raumsparender fällt natürlich das Mediabook aus, das den Film auf Blu-ray und DVD enthält und im Gegensatz zu vielen anderen Mediabooks preislich im Rahmen bleibt, bei den großen stationären Ketten oft sogar für fünf Euro zu finden ist. Es enthält einen gewohnt lesenswerten Text von Nando Rohner, der allerdings ein etwas sorgfältigeres Lektorat verdient gehabt hätte.

Ich mag Endzeitfilme, seien sie komplett fantastisch und unrealistisch wie beispielsweise Zombieschocker oder um ein realistisches Szenario bemüht. Nach aktuellem Stand erscheinen Auswirkungen des Klimawandels als wahrscheinlichste Ursache, Millionen oder gar Milliarden Menschen das Zeitliche segnen zu lassen, ob direkt oder indirekt, indem politische Querelen einen Atomkrieg auslösen. Wird unsere Zivilisation dann auch zusammenbrechen? Werden wir unsere Menschlichkeit über Bord werfen? Falsche Frage, das geschieht ja bereits permanent im Mittelmeer und anderswo. Wie würden wir als einzelne Individuen überleben wollen? Was wären wir bereit, dafür zu tun oder zu lassen? Bleibt unser Humanismus dabei auf der Strecke? Wer kann das schon für sich selbst beantworten.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Chris Pine sind in unserer Rubrik Schauspieler aufgeführt.

Veröffentlichung: 18. März 2016 als limitiertes 2-Disc Edition Mediabook (Blu-ray & DVD), 26. Februar 2010 als Blu-ray, 3-DVD Limited Edition Survival Box und Special Edition DVD

Länge: 85 Min. (Blu-ray), 82 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Niederländisch
Originaltitel: Carriers
USA 2009
Regie: David Pastor, Àlex Pastor
Drehbuch: Àlex Pastor, David Pastor
Besetzung: Chris Pine, Piper Perabo, Lou Taylor Pucci, Emily VanCamp, Christopher Meloni, Kiernan Shipka, Mark Moses
Zusatzmaterial: B-Roll, Interview, Film-Clips, Trailershow, nur Limited Edition: Doppel-DVD „Seuchen des 21. Jahrhunderts – Die große Dokumentation des Discovery Channels“ (200 Min., Episode 1: „Unsichtbare Feinde“, Episode 2: „Die neue Bedrohung“, Episode 3: „Bio-Terror, Bonus-Programm: „Bakterien“), Seuchen-Survival-Kit („Carriers“-Aufkleber, Einweg-Handschuhe, Virenschutzmaske, medizinisches Desinfektionstuch, antiseptisches Handgel
Label: splendid film
Vertrieb: WVG Medien GmbH

Copyright 2019 by Volker Schönenberger

Szenenfotos: © splendid film

 

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