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Wolf – Er wird dich holen: Da fehlt jeder Biss

01 Aug

Wolf

Von Volker Schönenberger

Horror-Abenteuer // History is the truth they want you to remember. Legends are the truth they pushed too far. Myths are the truth they want you to forget. There is truth in all things. – Geschichte ist die Wahrheit, von der sie (die Mächtigen) wollen, dass du dich an sie erinnerst. Legenden sind die Wahrheit, die sie zu weit getrieben haben. Mythen sind die Wahrheit, von der sie wollen, dass du sie vergisst. In allem steckt Wahrheit. Im Anschluss an diesen philosophischen Texttafel-Einstieg sehen wir einen Jungen, der in der Wildnis mit seinem Hund spielt. Etwas weckt die Aufmerksamkeit des Vierbeiners, der in den Büschen verschwindet. Sein Herrchen folgt ihm kurz darauf. Keine gute Idee, denn etwas fällt über den Knaben her …

Was hat Liviana in Kaledonien verloren?

Wir befinden uns in der Antike. Rom vermisst vier Boten, die ins ferne Kaledonien (Schottland) entsandt wurden. Sind sie der Pest zum Opfer gefallen? Oder von den Pikten verschleppt oder gar gemeuchelt worden? Zehn Legionäre unter der Führung von Domitius (Drehbuchautor George McCluskey) und Grackus (Regisseur und Drehbuchautor Stuart Brennan) begeben sich auf die so beschwerliche wie gefahrvolle Jagd in das Gebiet jenseits des Hadrianswalls. Ein erstes Scharmützel mit den Pikten lässt nicht lange auf sich warten. Doch bald wird dem kleinen Trupp fern der Heimat klar, dass eine viel größere Bedrohung auf sie lauert.

Mehr Gelaber als Werwölfe

Einem neuen Film mit Werwölfen gebe ich gern eine Chance – die haarigen Biester sind im Horrorgenre für mein Empfinden etwas unterrepräsentiert. Dass dann sogar römische Legionäre gegen die Lykanthropen antreten, gibt „Wolf – Er wird dich holen“ einen Schuss Originalität, der Vorfreude weckt. Leider lässt der britische Vertreter die Vorfreude zügig zerplatzen. Ein Horror-Action-Kostümfilm lebt sicher nicht von Dialogen, doch hier gibt es sie im Übermaß. Sie dienen dazu, uns von der Bedrohung zu verkünden, da wir diese über weite Strecken überhaupt nicht zu Gesicht bekommen und auch nicht erahnen können. So muss denn Grackus seinen Mitstreitern und damit auch dem Filmpublikum mitteilen, dass anscheinend eine Kreatur lauert, die Spuren eines Wolfs hinterlässt, aber nur auf zwei Hinterpfoten durch den Wald stapft. Sogar den Vollmond erwähnt er, weil wir ihn nicht zu Gesicht bekommen. Ein paar stimmungsvolle Bilder gibt es immerhin, bisweilen wird ihre Atmosphäre aber von etwas zu künstlich wirkender Ausleuchtung gestört. Gedreht wurde „on location“ im schottischen Hochland, auch ein paar Kamera-Drohnen kamen offenbar zum Einsatz.

Grackus kämpft ums Überleben

Wenn viel geredet wird, passiert dafür umso weniger. Damit es nicht ganz blutarm zugeht, zeigt eine kurze Rückblende immerhin eine Schlachtenszene; sie fällt harmlos genug aus, da Wirkungstreffer von Schwertern, Speeren und Äxten nie im Bild gezeigt werden. Angst vor einer zu hohen Altersfreigabe oder mangelndes Vertrauen in Make-up und praktische Effekte? Lediglich ein paar CGI-Blutspritzer sind zu bemerken.

Gender schön und gut …

Mit Liviana (Adanna Oji), Ima (Victoria Morrison) und Salvius (Jennifer Jones) befinden sich drei Frauen unter den Legionären. Ob Regisseur Stuart Brennan und sein Ko-Drehbuchautor George McCluskey damit Gender-Gerechtigkeit in ihren Film bringen wollten? Sonderlich sinnhaft erscheint das nicht, auch wenn den Figuren jeweils eine minimale Hintergrundgeschichte hinzugedichtet wurde. Plötzlich gesellt sich sogar noch die Pikten-Kriegerin Ethnie (Sarina Taylor) zu ihnen. Authentisch wirkt das nicht gerade, aber vielleicht sollte ich bei diesem mit schmalem Geldbeutel gedrehten Streifen nicht ganz so päpstlich sein. Es war nicht zwangsläufig nur Geltungsdrang, der Brennan und McCluskey motivierte, auch als Darsteller mitzuwirken. Auch der neben Brennan zweite Produzent Mark Paul Wake übernahm eine tragende Rolle als Römer Nerva. Ein wenig augenzwinkernder Humor hätte das Gesamtpaket vielleicht positiv abgefedert, leider nimmt sich „Wolf – Er wird dich holen“ viel zu ernst.

Ist Nerva dem Tode geweiht?

Dog Soldiers“ trifft „Gladiator“ stand im Newsletter von Koch Films mit den Juli-Ankündigungen des Labels – der Satz findet sich auch auf dem Backcover des Films. Nun sind Werbe-Slogans ohnehin mit Vorsicht zu genießen, und dass „Wolf – Er wird dich holen“ das Niveau der beiden genannten Filme in einem schönen Hybrid vereint, hatte ich gar nicht erwartet. Etwas mehr hatte ich mir aber schon erhofft. Ebenfalls auf dem Backcover findet sich das Logo „New KSM“. Es handelt sich also um einen Film, den Koch mit dem 2019er-Kauf des Labels KSM hinzugewonnen hat. Das erklärt einiges, und an einer Portfolio-Erweiterung ist überhaupt nichts auszusetzen. Im Einzelfall ist dann eben mal ein Rohrkrepierer dabei.

Ein klitzekleiner Spoiler am Ende

Wenn den Kreaturen gegen Ende schließlich etwas Bildschirmzeit zugebilligt wird, bleibt zu konstatieren, dass es vielleicht besser war, sie nicht länger sehen zu müssen. Ich spoilere ihre Optik gleich etwas, wer das nicht lesen will, möge die Lektüre hier beenden – viel mehr habe ich ohnehin nicht zu sagen. Jedenfalls sind ein paar Nackedeis mit vorstehenden Zähnen nicht angetan, zu den legendären Kreaturen der Werwolf-Geschichte aufzuschließen.

Veröffentlichung: 16. Juli 2020 als Blu-ray und DVD

Länge: 85 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: Wolf
GB 2019
Regie: Stuart Brennan
Drehbuch: Stuart Brennan, George McCluskey
Besetzung: Stuart Brennan, Mark Paul Wake, George McCluskey, Victoria Morrison, Ross Anderson, Jennifer Jones (als Jennifer Chippindale), Adanna Oji, Austin Caley, Nick Sheard, Sarina Taylor, Connor McKinley, Cole Leman
Zusatzmaterial: Bildergalerie, Trailer, Wendecover
Label/Vertrieb: Koch Films (New KSM)

Copyright 2020 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2020 Koch Films

 

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