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October Sky – König der Raketenmänner

20 Mär

October Sky

Von Lars Johansen

Drama // Joe Johnston ist ein Raketenliebhaber. Der Regisseur und Szenenbildner begann seine Karriere mit 27 Jahren als Mitarbeiter von George Lucas bei dessen „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“ (1977). Er entwickelte dabei wohl unter anderem Bobba Fett und – für „Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück“ (1980) – Yoda mit. Natürlich gab es in diesem Film nur Raumschiffe, aber das sind ohnehin eigentlich weiterentwickelte Raketen. Außerdem drehte Johnston 1991 als zweiten eigenen Spielfilm „Rocketeer“. Dieser entstand in Anlehnung an das Serial „König der Raketenmänner“ (1949), in dem es um Männer ging, die wie Superhelden fliegen konnten, dafür aber einen Raketenrucksack benötigten. Bei Johnston wurde daraus eine wirklich gelungene und witzige Hommage an die Zeit jener Serials, komplett mit einer wunderschönen Frau (Jennifer Connelly), bösen Nazis und einem furchtlosen jungen Raketenflieger. Ein schwungvoller Spaß, der die Freude des Regisseurs an eben diesen Raketen deutlich manifestierte.

„Stand by Me“

Acht Jahre später fiel ihm das Buch „Rocket Boys“ in die Hände, ein autobiografischer Roman des NASA-Ingenieurs Homer Hickam. Der poetische Titel des Films ist übrigens ein Anagramm von „Rocket Boys“. Und so geht es nicht um Raketenmänner, sondern um Raketenjungen. Und diese fliegen auch nicht selbst, sondern lassen Raketen steigen. Den Impuls dafür gibt 1957 der Start des russischen Satelliten Sputnik. Homer Hickam (Jake Gyllenhaal) lebt in einer kleinen Bergarbeiterstadt, sein Vater John (Chris Cooper) ist Bergarbeiter und wünscht sich das auch für seine Söhne. Ein Football-Stipendium scheint die einzige und auch vom Vater akzeptierte Möglichkeit zu sein, an die Universität zu kommen. Das gelingt Homers großem Bruder Jim (Scott Thomas), Homer dagegen ist weder sportlich noch ein guter Schüler. Aber nachdem er den russischen Satelliten am Nachthimmel über der Stadt gesehen hat, tut er sich mit seinen Freunden Roy und O’Dell (William Lee Scott, Chad Lindberg) sowie dem Streber Quentin (Chris Owen) zusammen, um eine Rakete zu konstruieren. Ermuntert und unterstützt wird er dabei von seiner jungen Lehrerin Miss Riley (Laura Dern).

„Rocketeer“

Anfangs klappt nichts und als es endlich funktioniert, findet sich eine große Zahl von Zuschauern aus dem kleinen Ort ein. Sogar die Zeitung berichtet. Dadurch wird die Polizei alarmiert, weil durch eine kleine Rakete ein Waldbrand ausgelöst worden war. Die Jungen werden verhaftet und Homers Vater verbietet ihm, weiter zu forschen. Auch Schuldirektor Turner (Chris Ellis) ist alles andere als hilfreich. Bei einem Unfall in der Kohlenmine wird Homers Vater schwer verletzt. Damit sein großer Bruder nicht das Stipendium verliert, bricht Homer die Schule ab und beginnt, im Bergwerk zu arbeiten. Nachdem der Vater wieder gesundet ist, findet Homer heraus, dass nicht ihre Rakete den Waldbrand ausgelöst hat, sondern ein fremdes Flugobjekt des Militärs. Er rechnet seinem Direktor an der Schultafel vor, warum es nicht sein Werk gewesen sein kann, beginnt wieder zur Schule zur gehen und mit Raketen zu experimentieren. Schließlich steht ein großer Schulwettbewerb an, dessen Gewinn zu einem Stipendium führen könnte.

Working Class Hero

Die Handlung zeigt es schon deutlich: Es geht um den alten amerikanischen Traum, in dem man alles erreichen kann, wenn man nur will und bereit ist, hart dafür zu arbeiten. Das ist natürlich erst einmal ein furchtbar abgegriffenes Klischee, aber Johnston gelingt es sehr gut, mit dieser Prämisse umzugehen. Denn bei allem Pathos, welches einem solchen Projekt innewohnt, beruht die Story zum einen auf realen Ereignissen, und Johnston schafft es, ein Bild der 50er-Jahre zu vermitteln, welches einigermaßen authentisch wirkt; zum anderen sind exzellente Darsteller am Start. Dass die Jugendlichen mit Schauspielern besetzt sind, die etwa dem Alter ihrer dargestellten Figuren entsprechen, ist dabei sehr hilfreich. Gerade Jake Gyllenhaal zeigt in seiner ersten Hauptrolle, was für ein großartiger Schauspieler er schon als Jugendlicher war. Er porträtiert diesen anfangs unsicheren Teenager aus einer Kleinbürgerfamilie so präzise, dass Homer unbedingt glaubhaft erscheint.

Raketen bauen

Dazu kommt Chris Cooper als strenger Vater, der sich mit Gyllenhaal unbedingt sehenswerte schauspielerische Duelle liefert. Hier muss nicht laut gepoltert werden, es sind oft leise Töne und kleine Gesten, die mehr andeuten, als dass sie ausgespielt werden. So ist der Vater nie nur dummer Patriarch, er ist eben auch gerecht und immer wieder versöhnlich, gleichzeitig fühlt er sich überfordert und vermag seine Zuneigung nur schwer zu zeigen. So schenkt er seiner Frau Elsie (Natalie Canerday) Kohlen statt der Diamanten, von denen er annimmt, dass sie sie gern hätte. Und wenn er ganz am Ende sehr vorsichtig den Arm um seinen Sohn legt, dann ist diese Geste klein und zugleich groß. Da nähern sich zwei einander an, die sich viel ähnlicher sind, als es der erste Anschein hergibt. Das macht tatsächlich auch die Klischees des Drehbuchs einigermaßen erträglich. Denn natürlich muss die Lehrerin an Lymphdrüsenkrebs erkranken, der Vater beinahe das Augenlicht verlieren und am Ende stehlen neidische Konkurrenten auch noch das Modell für den Wettbewerb. Doch, das Leben ist schön, die gesamte Kleinstadt hält hier zusammen und über Nacht gelingt es, die fehlenden Teile zu ersetzen. Und alles wird gut.

Raketen schauen

Im Amerika der späten 90er den Geist der 50er zu beschwören, etwas Vergleichbares war ja Johnstons Mentor George Lucas schon gelungen, der rund 25 Jahre zuvor in „American Graffiti“ (1973) die frühen 60er aufleben ließ. Und ein wenig erinnert die Geschichte auch an die Stephen-King-Verfilmung „Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“ (1986). Auch da sind es vier männliche Jugendliche, die zwar keine Raketen konstruieren, aber auch an den Schienen, die in „October Sky“ ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, entlang gehen, um am Ende ein wenig erwachsener geworden zu sein. Das spielt 1959 und man hat immer das Gefühl, die Jungen hätten sich begegnen können, so ähnlich sind sich die Wege. In beiden Filmen fällt die wirklich gute Schauspielführung der jugendlichen Darsteller auf. Chris Owen zum Beispiel spielte im gleichen Jahr in „American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen“ mit. Da ist er der, wenn man den Humor mag, überaus komische „Sherminator“, in „October Sky“ spielt er, angenehm zurückgenommen, den aus einer sehr armen Familie stammenden Quentin. Sein breites Grinsen ist beinahe schon anrührend still.

Raketenliteratur

Die Ausstattung ist stimmig, was bei einem gelernten Szenenbildner wie Johnston nicht weiter überraschen mag, aber angenehm auffällt. Die gedeckten herbstlichen Farben erlauben atmosphärische Bilder, welche die inneren Befindlichkeiten der Akteure sehr gut unterstreichen. Hier geht etwas zu Ende, die Jugend, die Gesundheit (des Vaters und der Lehrerin), aber auch die Mine, welche nahezu erschöpft ist, doch eigentlich die Stadt am Leben erhält. Gleichzeitig beginnt etwas Neues, Aufbruch liegt in der herbstlichen Luft.

Rededuelle: leise …

Was „October Sky“ nicht ganz so gut bekommt, ist der Soundtrack von Mark Isham. Der überzieht alles mit einer süßlichen Klangsauce, die nie zu schweigen vermag und alle Emotionen noch einmal musikalisch doppelt. Auch die Songs aus den 50ern sind, mit Verlaub, ein wenig abgegriffen und dadurch nur bedingt wirkungsvoll. Doch auch der Soundteppich schadet dem Gesamteindruck nur marginal. Letztendlich ist dieser kleine, eher ruhige Film eine angenehme Erfahrung.

… und laut

Das Mediabook von capelight pictures ist, keine Überraschung bei dem Label, wieder einmal exzellent geworden. Bild und Ton sind sehr gut, die Extras ordentlich und das Booklet informativ. Ein Audiokommentar wäre schön gewesen, denn ich hätte gern mehr von Johnston und seiner Arbeitsweise erfahren, aber wenn er nicht im Angebot ist, dann kann man das nicht dem deutschen Label anlasten. Die Veröffentlichung lohnt sich für alle, die mit ihren Kindern zusammen Homeschooling erlebt haben und nun Naturwissenschaftler oder sogar Raketenkonstrukteure aus ihrem Nachwuchs machen wollen. Denn es wird ein durchaus unterhaltsames und überaus positives Bild von Mathematik und Physik vermittelt. Das vermag zu motivieren.

Skeptisch, aber glücklich

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Laura Dern haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet. Filme mit Chris Cooper und Jake Gyllenhaal unter Schauspieler.

Und am Ende Applaus

Veröffentlichung: 20. September 2019 als 2-Disc Limited Collector’s Edition Mediabook (Blu-ray & DVD) und DVD, 14. August 2003 als DVD

Länge: 107 Min. (Blu-ray), 103 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 6
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: Deutsch
Originaltitel: October Sky
USA 1999
Regie: Joe Johnston
Drehbuch: Lewis Colick
Besetzung: Jake Gyllenhaal, Chris Cooper, Chris Owen, Laura Dern, William Lee Scott, Chad Lindberg, Scott Thomas, Elya Baskin, Chris Ellis, Courtney Cole-Fendley, Natalie Canerday
Zusatzmaterial: Featurettes (ca.40 Min.), Trailer, 20-seitiges Booklet von Patrick Reinbott
Label/Vertrieb 2019: capelight pictures
Vertrieb 2019: Al!ve AG
Label/Vertrieb 2003: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2019 by Lars Johansen

Szenenfotos & unterer Packshot: © 2019 capelight pictures

 

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