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Zum 100. Geburtstag von Leo Penn: Columbo – Tödliche Tricks: Wiedersehen mit einem alten Freund

27 Aug

Columbo Goes to the Guillotine

Von Tonio Klein

Krimikomödie // Manchmal sind die Söhne berühmter als die Väter. Lloyd Bridges erreichte nicht die Höhen seines Sohnes Jeff, auch wenn er noch im höheren Alter einen Karriereschub durch Komödien aus dem Hause Zucker-Abrahams-Zucker bekam. Was bekanntlich auch bei Leslie Nielsen klappte, aber nun zu unserem Jubilar. Sean Penn ist ein Weltstar als Schauspieler und Regisseur, sein „kleiner Bruder“ Chris hatte auch noch ganz passabel zu tun, bevor er 2006 im Alter von nur 40 Jahren verstarb. Aber wer erinnert sich noch an ihren Vater Leo Penn, der am 27. August 2021 seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte?

Vom Kino zum Fernsehen …

Penn Senior, in Lawrence, Massachusettes, als Sohn russisch-litauischer Juden geboren, war vom Superstar weit entfernt. Er hatte (wie übrigens auch die spätere Regie-Größe Blake Edwards) eine Winzrolle in einem großen Film, William Wylers „Die besten Jahre unseres Lebens“ (1946). Und dann eine größere Rolle in einem kleinen, aber extrem feinen und mutigen B-Streifen: „Verführt“ (1949), den Ida Lupino entwickelte und bei dem sie nach dem Tod des Regisseurs die Aufgabe gleich selbst übernahm, erzählt von einer unverheirateten jungen Frau (Sally Forrest), die geschwängert und sitzengelassen wird – von Leo Penn, der den Schurken mit Verve gibt. Später war er als Darsteller und Regisseur für das Fernsehen sehr gefragt – kaum einer der Serienklassiker, in denen er nicht mal in einer oder beiden Funktionen vertreten war. Wobei er da eigentlich die Tugend aus der Not gemacht hatte, den er war im Zuge des McCarthyismus auf eine Schwarze Liste geraten, da er sich geweigert hatte, vermeintlich kommunistische Kollegen zu denunzieren.

… und zu „Columbo“

Eine für mich herausragende Serie ist „Columbo“, die mit Unterbrechungen von 1968 bis 2003 lief (wenn man den 1968er Fernsehfilm „Mord nach Rezept“ mitrechnet, der noch gar nicht als Pilot-Serienfolge geplant war). Hier war Penn dreimal als Regisseur tätig. Mit „Wein ist dicker als Blut“ (1973) betrat er Neuland, indem erstmals, aber nicht letztmals der Mörder weitgehend sympathische Züge haben durfte. Außerdem hatte dort das musikalische Leitmotiv „This Old Man“ Premiere. Ein noch interessanterer Fall ist „Tödliche Tricks“ (1989), denn es handelt sich um das lang ersehnte Relaunch, seit die Serie 1978 eigentlich eingestellt worden war. Daran hingen natürlich jede Menge Erwartungen. Hauptdarsteller (Peter Falk), der klapprige Peugeot, die Zigarre, der Trenchcoat und gewisse Elemente wie das, dass man den Mörder im Vorhinein kennt und dass der kauzige Lieutenant (im Deutschen meist fälschlich „Inspektor“) unterschätzt wird, waren wieder dabei, mussten es sein. Andererseits merkt man vielen der späteren Folgen an, dass sie neue Wege gehen wollen, ohne den Geist der Serie zu verraten. Eine Gratwanderung!

Begrüßung eines alten Freundes

Leo Penn ist in „Tödliche Tricks“ auf genau den richtigen Pfaden. Er mag eher ein verlässlicher Handwerker als ein eigenwilliger Künstler gewesen sein; ich könnte keine „Handschrift“ in Erzählweise, Bildgestaltung usw. benennen. Aber er hat geliefert und vor allem die Essenz der Serie genau verstanden. Eine augenzwinkernde Frischzellenkur, aber auch ein Festhalten an Bewährtem; so soll es sein. Ein wenig scheint diese Folge offen dem Zuschauer zu sagen, dass das ja nur Fiktion ist. Dieser „Columbo“ macht keinen Hehl daraus, zusammen mit den Zuschauern das lang ersehnte Wiedersehen zu feiern. Während ein erster Akt mit Mord und Vorgeschichte, aber ohne Columbo, Standard war und meist um die 15 Minuten dauerte, sind es hier gleich rund 30. Dann sehen wir den Mann in seiner Klapperkiste, und des neonbeleuchteten Nachts zeichnet sich sein Zigarrenrauch so deutlich ab wie nie. Dazu nostalgische 20er-Jahre-Musik. Der Film scheint ganz bewusst zu sagen: „Ihr habt jahrelang auf den Mann gewartet? Dann tut es noch ein paar Minuten länger (diese Formulierung habe ich „Columbo“-Buchautor Michael Striss abgeluchst), und wenn die um sind, begrüßt ihn wie einen älter gewordenen, aber noch hellwachen, lieben Freund aus vergangenen Tagen.“ Man möchte ihn in den Arm nehmen. Welcome back, Lieutenant!

Was war zuvor geschehen? Es geht um einen Mord im Milieu von Parapsychologen und Magiern, wobei wir recht früh ahnen und dann auch wissen, dass Erstgenannte mit faulen Tricks arbeiten. Elliot Blake (Anthony Andrews) legt seinen Mentor (Anthony Zerbe) um, der ihn mit drohender Enttarnung erpresst hatte. Selbst bei der Mordmethode gehen Wirklichkeit und Illusion Hand in Hand und ein Guillotinen-Zaubertrick kann eben auch mal absichtlich schiefgehen. Und dass sich das Militär für die Nutzung parapsychologischer Fähigkeiten interessiert, wurde also auch schon vor „Männer, die auf Ziegen starren“ (2009) thematisiert.

Kein „Whodunit“, sondern ein „Howcatchem“

Man hat die „Columbo“-Konstellation „Howcatchem“ genannt, von „how catch them?“. Im Gegensatz zum „Whodunit“ geht es für uns Zuschauer nicht darum, die Identität des Mörders herauszufinden, sondern mitzufiebern, wie der Held, hier also Columbo, ihm auf die Schliche kommt. Das ist häufig von großem Interesse und auch Vergnügen, weil Columbo es mit Gegnern zu tun hat, die sich ihm haushoch überlegen wähnen, bis die Stimmung peu à peu kippt. Duelle in Wort und Aktion (aber niemals „Action“) sind von höchster Kunst, und das ist auch hier der Fall. Wieder einmal muss sich Columbo in die „Fach“welt eines bestimmten Milieus hereinfriemeln und wird dies schließlich mit Erfolg tun. Die Folge ist dabei so konsequent wie süffisant. Am Ende hat Columbo einen Showman besiegt und tritt dabei selbst wie ein Showman auf.

Die Episode beäugt die Welt der Scharlatane und des Militärs mit amüsiertem und amüsantem Misstrauen, diejenige der Magier (die ihre Scharlatanerie zugeben, aber nicht das „Wie“) mit humorvoller Warmherzigkeit. Columbos Frage, ob ein Mann ihm zeigen könne, wie der Guillotinentrick funktioniert, nimmt der Angesprochene wörtlich und lädt zu einer langen Demonstration ein – aber dabei verrät er den Trick nicht, das verstoße gegen den Ehrenkodex. Das ist so herrlich wie „Kann mir einer sagen, wie spät es ist?“ – „Ich“ (Gebrüder Blattschuss, „Frühstück“). Und ein gewitzter, leicht neunmalkluger Junge (Michael Bacall), der Columbo hilft, ist eine schöne Reminiszenz an den hochbegabten Jungen aus der Folge „Teuflische Intelligenz“ (1974) mit dem dort nicht zufälligen Rollennamen „Steve Spielberg“ (Lee Montgomery). Schließlich sind die Verbindungen zu der Magier-Folge „Wenn der Schein trügt“ (1976) unübersehbar – von ihr klaut „Tödliche Tricks“ zum Glück nicht die Handlung, aber schafft eine schöne Reverenz an die schon damals herausgehobene Bedeutung von Showeffekten und Illusionen auf mehreren Ebenen.

Relaunch und Weiterentwicklung

Es gibt Fans, die nur die Folgen bis 1978 gelten lassen. Ich gehöre nicht dazu, kann aber schon verstehen, warum. Die Folgen ab 1989 standen unter dem beschriebenen Druck, neue Pfade zu betreten, ohne zu straucheln. Man merkt einigen von ihnen ein gewisses Mehr in Richtung Verspieltheit, aber auch Selbstreferenzialität an, sodass böse Zungen meinen, der Lieutenant sei seine eigene Parodie geworden. Ich sehe es, von eigentlich nur einer gründlich versemmelten Folge abgesehen („Bluthochzeit“, 1992), eher als einen positiven Schritt zum Meta-Columbo. Es wird durchdekliniert, was auf diese Figur alles für Bedrohungen einprasseln können, wenn Gegner de facto wissen, was er für einer ist (auch wenn das so in der Handlung nicht vorkommt). Da sollte es noch ganz andere neue Wege geben, die Columbo erhöhen statt verraten. Vor allem „Ruhe sanft, Mrs. Columbo“ und „Wer zuletzt lacht“ (beide 1990) sind dahingehend herausragend. Leo Penns „Tödliche Tricks“ rangieren aber höchstens knapp unter diesen Spitzentiteln. Der Mann weiß, was einen „Columbo“ ausmacht und legt die Folge bewusst als fröhliches Wiedersehen mit einem gewissen Mehrwert an – gut gemacht!

Just one more thing – about Leo Penn

Im Übrigen ist mir Penns Schaffen nur bruchstückhaft aus eigener Anschauung bekannt, zumal ich ältere TV-Serien doch recht selektiv schaue. Bei Steven Spielbergs „Unglaubliche Geschichten“ lief er mir als Darsteller der Folge „One for the Books“ (1986) über den Weg. Er stand noch bis 1995 vor und hinter der Kamera. Für die Inszenierung von „Old Hatreds Never Die“ (1983), einer Folge von „The Mississippi“, wurde er für den Emmy nominiert. Noch zum Teil miterleben konnte er die Karriere seiner Söhne Sean (zum Beispiel „Die Verdammten des Krieges“, 1989) und Chris (zum Beispiel „Short Cuts“, 1993). Michael, der dritte Sohn, den er gemeinsam mit seiner zweiten Frau Eileen Ryan hatte, ergriff als Sänger ebenfalls einen künstlerischen Beruf. Am 5. September 1998 starb Leo Penn an Lungenkrebs. Einer der vielen ohne Star-Status, ohne die die Traummaschinerie nicht laufen würde.

„Tödliche Tricks“ kann als Teil der achten Staffel erworben werden, und wer gleich sämtliche Folgen haben möchte, ist mit „Columbo – Die komplette Serie“ bestens bedient – hier ist in einer hübschen Idee die Box entsprechend dem Lieblingslaster des Ermittlers als Zigarrenkiste gestaltet. Die achte Staffel bietet sechs jeweils etwa anderthalbstündige Folgen, die komplette Serie 69 Folgen, wobei in der Zeit bis 1978 die Länge zwischen etwa 70 und 90 Minuten wechselte – dies waren feste Sendeformate, die 90 beziehungsweise 120 Minuten inklusive Werbung entsprachen.

Veröffentlichung: 16. Mai 2014 (komplette Serie) und 5. Juli 2012 (Staffel 8) als DVD

Länge: ca. 5.690 Min. (komplette Serie), ca. 540 Min. (Staffel 8), 89 Min. (rezensierte Folge)
Altersfreigabe: FSK 16 (komplette Serie), FSK 12 (Staffel 8)
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel der rezensierten Folge: Columbo Goes to the Guillotine
USA 1989 (Einzelfolge), 1989–1990 (Staffel 8), 1968–2003 (komplette Serie)
Regie (Einzelfolge): Leo Penn
Drehbuch (Einzelfolge): William Reed Woodfield, nach einer Figur von Richard Levinson und William Link
Besetzung (Einzelfolge): Peter Falk, Anthony Andrews, Karen Austin, Anthony Zerbe, Michael Bacall
Zusatzmaterial: keines
Label/Vertrieb: Universal

Copyright 2021 by Tonio Klein

Episodenplakate: Fair Use

 
 

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Eine Antwort zu “Zum 100. Geburtstag von Leo Penn: Columbo – Tödliche Tricks: Wiedersehen mit einem alten Freund

  1. steffelowski

    2021/09/04 at 12:51

    Ein recht guter Einstieg in die 2. Columbo Ära. Leider blieb es nich lang auf diesem Niveau 😊

     

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