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Winnetou und das Halbblut Apanatschi – Die Uschi, der Götz, der Pierre und der Lex

29 Dez

Winnetou und das Halbblut Apanatschi

Von Volker Schönenberger

Western // Wie leichtsinnig! Da hangelt sich der Knirps Happy (Marinko Cosić) doch tatsächlich mit einer Strickleiter von einem Berggipfel zu einem Adlerhorst hinab, um für seine Schwester Apanatschi (Uschi Glas) eine Feder zu ergattern. Der Adler sieht seine Brut gefährdet und attackiert Happy – mit Müh und Not gelingt es dem Apachenhäuptling Winnetou (Pierre Brice), den Jungen zu retten.

Wohlwollend wacht Winnetou (M.) über Apanatschi und ihren Vater

Apanatschi und Happy sind die Kinder von Mac Haller (Walter Barnes) und der Apachin Mine-yota (Marija Crnobori). Der Farmer schenkt seiner Tochter zu ihrem 21. Geburtstag eine Goldmine, deren Existenz er im Einvernehmen mit Winnetou viele Jahre lang geheimgehalten hat. Apanatschi will das Gold nicht, weil sie ahnt, dass es den Menschen verdirbt. Die junge Frau freut sich viel mehr darüber, nun volljährig zu sein und endlich ihren Freund Jeff (Götz George) heiraten zu können.

Der Häuptling der Apachen kann eine Bluttat nicht verhindern

Zufällig erfahren die beiden Pelzjäger und vermeintlichen Freunde Hallers, Pinky (Vladimir Leib) und Sloan (Petar Dobric), von dem Gold. Und kurz darauf ist Mac Haller tot und Apanatschi und Happy fallen in die Hände der Bande des ruchlosen Curly-Bill (Ilija Dzuvalekovski) und seiner rechten Hand Judge (Miha Baloh). Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand (Lex Barker) schreiten zur Tat.

Originaldrehbuch ohne eine der Reiseerzählungen als Vorlage

„Der Schatz im Silbersee“ bildete 1962 den Auftakt der erfolgreichen Karl-May-Filme der Rialto Film, an denen sich bis zum letzten Beitrag „Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten“ (1968) das bundesdeutsche Kinopublikum erfreute. Nicht alle von ihnen beruhen tatsächlich auf einer der sogenannten Reiseerzählungen Karl Mays (1842–1912). Das gilt auch für „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“, in welchem sich Winnetou und Old Shatterhand durch die Handlung eines Originaldrehbuchs schlagen müssen. Ursprünglich sollte der Western die Handlung oder zumindest Motive von Karl Mays Erzählung „Halbblut“ („Der schwarze Mustang“, 1896) aufgreifen, das wurde aber beizeiten verworfen. Gedreht wurde ab April 1966 in Kroatien, Anfang Juni auch für drei Tage in den Berliner Studios der CCC-Filmkunst. Für Regisseur Harald Philipp (1921–1999) markierte der Film nach „Der Ölprinz“ (1965) übrigens seine zweite und letzte Karl-May-Adaption. Es sind seine mit Abstand bekanntesten Regiearbeiten.

Traum vom Glück: Apanatschi und ihr Verlobter Jeff

Es ist pure Nostalgie! Beim familiären Auftakt lernen wir die Haller-Eheleute und ihre beiden Kinder kennen; sie alle sind wie auch Winnetou herzensgute Menschen, sodass uns sogleich ein Gefühl der Behaglichkeit einfängt, bevor mit dem Tod Hallers die Dramatik einsetzt. Der immerwährende Kampf der Indianer gegen das Vordrängen der Weißen und den Untergang der indianischen Kultur kommt diesmal anders als oft in den Winnetou-Filmen nicht zum Tragen, aber natürlich muss Winnetou im Verbund mit Old Shatterhand einmal mehr weißen Schurken das Handwerk legen. Die bewährte Formel funktioniert auch hier, und die wunderbare kroatische Landschaft sorgt für ein pittoreskes Setting.

Winnetou kann auch mit Kindern umgehen

Pierre Brice und Lex Barker waren Mitte der 1960er-Jahre natürlich schon eine Bank, aber die kommenden Stars Uschi Glas und Götz George brachten ebenfalls einiges ein. Für die im Vorspann noch als Ursula geführte Uschi Glas markierte ihr Part als „Halbblut“ die erste große Rolle, zwei Jahre später startete sie mit „Zur Sache Schätzchen“ (1967) richtig durch, seitdem ist sie aus dem deutschen Fernsehen und Kino bis hin zur „Fack ju Göhte“-Reihe nicht mehr wegzudenken. Als Apanatschi wurde sie allerdings von der Synchronsprecherin Marion Hartmann nachsynchronisiert; ob aufgrund ihres bayrischen Akzents oder weil sich Rialto die Reisekosten für Glas ins Synchronstudio sparen wollte, sei dahingestellt und lässt sich heute wohl nicht mehr zweifelsfrei feststellen. Ein charmant-naiver Auftritt bleibt es so oder so.

Im Kampf gegen das Böse vereint: Winnetou (l.) und Old Shatterhand

Und Götz George! Schon mit deutlich mehr Erfahrung als Glas und bereits in „Der Schatz im Silbersee“ und „Unter Geiern“ (1964) in Erscheinung getreten, wirft er als Jeff Brown seine ganze Virilität in die Waagschale. Wer vermag schon derart vom Pferd absteigen (oder abgleiten bis -springen) wie dieser Testosteronbolzen? Herrlich! Oder furchtbar, ganz wie man will, wenn er es noch einmal und noch einmal tut. Ich bleibe bei herrlich, auch wenn ich gewisse Zweifel hege, dass ich „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ nach der zwecks Erstellung dieses Textes erfolgten wiederholten Sichtung dereinst noch einmal schauen werde. Der Streifen hat sich eben nicht ganz so zum Klassiker entwickelt und kann mit „Silbersee“, den drei „Winnetou“-Filmen und ein paar anderen Beiträgen der Reihe nicht mithalten. Vielleicht fehlte der Story das gewisse Etwas, es ist letztlich eine kleine Raub- und Entführungsgeschichte, in der Winnetou und Old Shatterhand auch nicht so glänzen können, wie wir es von ihnen gewohnt sind. An einer übermäßigen Grausamkeit oder Brutalität, wie sie einige zeitgenössische Kritikerstimmen bemerkt haben wollen, kann es nicht gelegen haben, davon kann trotz explosiven Showdowns keine Rede sein. „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ hält das gediegen-harmlose Niveau der Rialto-Karl-May-Verfilmungen.

Das „Halbblut“

Bleiben die Frage nach einem fairen filmischen Umgang mit den indigenen Völkern Nordamerikas und die Frage, ob man „so etwas“ heute noch gut finden oder gar zeigen „dürfe“. „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“ ist für die erste Frage kein gutes Beispiel, da kaum Indianer vorkommen. Hier geht es nicht um verharmlosten Landraub oder einen weißen Pioniergeist, der völlig außer Acht lasse, dass dieser mit Vertreibung und Völkermord einherging (eine Ignoranz, die viele klassische Hollywood-Western praktizierten). Gleichwohl ist der Ausdruck „Halbblut“ angetan, dass sich einem heute ein wenig die Zehennägel kräuseln. Immerhin nur ein Detail, aber von Blut-Abstammungslinien sollten wir uns heute etwas freigemacht haben.

Attacke!

Die Karl-May-Filme der 1960er-Jahre sind Ausdruck eines unpolitischen Zeitgeists jener Ära, der sich auch in der populären Musik findet (siehe den deutschen Schlager). Aus heutiger Sicht lässt sich das gut nachvollziehen, wenn auch nicht gutheißen. So oder so verbinden viele – und auch ich – mit diesen Filmen wohlige Erinnerungen an viele TV-Ausstrahlungen in den 70er- und 80er-Jahren im Kreise der Familie. Und zu ihrer Ehrenrettung sei angeführt, dass sie damals durchaus Deutsche dazu gebracht haben, etwas über den Tellerrand zu schauen und sich jenseits von Karl May und auch verharmlosenden Hollywood-Western mit der Geschichte und Kultur der indigenen Völker Nordamerikas zu beschäftigen. Ob man diese märchenhaft-naive Stimmung und Romantisierung kolonialistischer Geschehnisse heute noch filmisch fortsetzen sollte, wie es 2022 beispielsweise mit „Der junge Häuptling Winnetou“ geschehen ist, dazu ist anderweitig bereits viel gesagt und geschrieben worden. Hier nur noch so viel: Ja, ich halte meine Erinnerung an „Winnetou“-Filmabende in Ehren und verdamme diese Filme keineswegs, auch und insbesondere nicht „Winnetou und das Halbblut Apanatschi“, der einfach keinen besonderen Platz in dieser Filmreihe einnimmt. Man darf das gut finden und zeigen, ohne verdammt zu werden (und ich entsinne mich auch gar nicht, dass irgendjemand verdammt wurde, der sich als Winnetou-Fan outete). Schon gar nicht soll das literarische Werk Karl Mays in irgendeinem Giftschrank landen, umgeschrieben oder gar verboten werden. Eine kritische Auseinandersetzung damit ist allerdings angebracht, und an dem Willen dazu lassen es viele leider fehlen, die den Guten weiterhin kritiklos lesen wollen (so sie denn überhaupt Bücher lesen).

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Uschi Glas haben wir in unserer Rubrik Schauspielerinnen aufgelistet, Filme mit Lex Barker und Pierre Brice unter Schauspieler.

Veröffentlichung: 9. Dezember 2016 als Blu-ray in der Winnetou Deluxe Edition (9 Blu-rays & Bonus-DVD), 7. November 2014 als DVD in der Karl May Klassikeredition (16 DVDs), 30. November 2012 als Blu-ray in der Karl May Collection I (3 Blu-rays, mit „Der Schatz im Silbersee“ & „Winnetou und sein Freund Old Firehand“) 2. Mai 2005 als DVD in der Karl May DVD Collection I (3 DVDs, mit „Der Schatz im Silbersee“ & „Winnetou und sein Freund Old Firehand“)

Länge: 91 Min. (Blu-ray), 86 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch
Originaltitel: Winnetou und das Halbblut Apanatschi
BRD/IT/JUG 1966
Regie: Harald Philipp
Drehbuch: Fred Denger, nach Motiven der Reiseerzählungen von Karl May
Besetzung: Pierre Brice, Uschi Glas, Lex Barker, Götz George, Walter Barnes, Ralf Wolter, Miha Baloh, Marija Crnobori, Ilija Dzuvalekovski, Marinko Cosić, Petar Dobric, Vladimir Leib, Abdurrahman Shala, Nada Kasapic
Zusatzmaterial: Exklusiv-Interview-Dokumentation mit Götz George, Pierre Brice, Martin Böttcher u. a., vier Originalausschnitte aus der Wochenschau, Filmfehler-Quiz, Fotogalerie mit seltenen Setfotos, Kinotrailer, 20-seitiges Booklet
Label/Vertrieb: Leonine

Copyright 2023 by Volker Schönenberger

Szenenfotos & unterer Packshot: © Leonine, Filmplakat: © Constantin Film

 

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