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Zwei ausgekochte Halunken – Paellawestern aus der Tüte

26 Feb

La caza del oro

Von Lars Johansen

Western // Es gibt einen Haufen Italowestern und darunter einige echte Klassiker, ein paar echte Stinker und sehr viel Mittelmaß. Dieser ist leider Mittelmaß. Denn es passiert zwar alles, was man sich von einem Italowestern vorstellt, es wird geschossen, aus dem Gefängnis ausgebrochen, ein Schatz gesucht, sich mit Gaunern auseinandergesetzt und die Helden betrügen sich auch gegenseitig. Aber die Probleme beginnen schon damit, dass wir es eigentlich nicht mit einem Italowestern zu tun haben. So gibt es zwar mit Marcello Giombini einen italienischen Komponisten, aber der hatte keine Lust und nur ein wenig Musik aus seinem Soundtrack zu Umberto Lenzis 1968 entstandenem Western „Copper Face“ („Tutto per tutto“) noch einmal verwertet. Diese klingt zwar nicht schlecht, doch wirkt sie eher wie ein leichter Fremdkörper. Auch der Co-Drehbuchautor Fabio Piccioni ist Italiener und der Produzent Alberto Grimaldi ebenfalls. Aber das war dann auch schon der italienische Anteil und der auf der deutschen DVD von Pidax Film vermerkte italienische Titel „Lo credevano uno stinco di santo“ ist tatsächlich nicht der Originaltitel.

Schießen und fliegen

Nun wurden ja eine Menge Italowestern in Spanien gedreht, das muss also nicht unbedingt ein schlechtes Omen sein, aber hier geschieht die Handlung nicht organisch, sondern so, als müsse man das Genre auf diese Weise bedienen, doch eigentlich weiß niemand genau, warum. Dazu kommt eine Synchronisation, welche in den 80er-Jahren für den Fernsehsender Tele 5 entstanden ist und genau so klingt. Man hat versucht, ein wenig lustig zu sein, wie bei den Spaßwestern der 70er-Jahre. Aber dann ist irgendjemandem aufgefallen, dass es eigentlich nicht so lustig ist, was da geschieht. Also hat man sich daran gemacht, ein paar lustige Sprüche auf den ganzen Film zu verteilen, in der Hoffnung, dass es irgendwie passt. Und das tut es nicht. Denn auch das wirkt gezwungen und so passt es irgendwie zum Rest.

Variation von „Zwei glorreiche Halunken“

Aber ich bin ein wenig ungerecht. Juan Bosch, der spanische Regisseur, ist ein Routinier, der meist ordentliches Handwerk abliefert. Man darf zwar nicht mehr erwarten, aber es gibt wirklich schlechtere Genrebeiträge als diesen. Der deutsche Titel deutet schon an, dass man es mit einer Variante von „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) zu tun hat. Trash Benson (Anthony Steffen) will Jonathan Carver (Manuel Guitián) aus dem Gefängnis befreien. Dieser teilt sich die Zelle mit Paco (Daniel Martín), der gerade selber dabei ist, auszubrechen. Auch der Gefängnisdirektor (Raf Baldassarre) ist hinter Carver her, der vor vielen Jahren 28 Säcke Gold von der Minengesellschaft erbeutet hat, für die er arbeitete.

Bewaffnet und gefährlich

Schließlich schaltet sich auch noch der Bandit Fermín Rojas (Fernado Sancho) ein, der ebenfalls scharf auf das Gold ist. Das Versteck kennt nur Carver, der kurz nach der Befreiung beim Sex mit einer Prostituierten ums Leben kommt. Vorher kann er Trash und Paco noch den Standort des Verstecks aufschreiben. Pech nur, dass die beiden „ausgekochten Halunken“ nicht lesen können. Das ist tatsächlich die einzig wirklich gelungene Pointe, wenn der sterbende Carver mit einer Feder, die von Trash in Pacos Blut getaucht wurde, mit letzter Kraft den Ort auf ein Stück Stoff schreibt. Beide werfen einen Blick darauf, scheinen sich das Geschriebene einzuprägen und dann verbrennt Paco auf Trashs Anweisung hin den Stoff. Kurz danach stellen sie fest, dass sie beide nicht lesen können, das aber vorher dem jeweils anderen nicht eingestehen wollten. Doch natürlich finden sie den Ort mit dem Schatz und nach vielen Kapriolen, in deren Verlauf sich die anderen Gauner gegenseitig kaltstellen, stellt sich heraus, dass sich dort, in einer Heilgenstatue, nur eine kleine Menge Gold befindet, welche in die örtliche Kirchengemeinde von Pater Javier (Gustafo Re) fließt. Oder sollte einer der beiden Halunken den anderen um das übrige Gold betrogen haben? Die obligatorische Frauenfigur Maria (Tania Alvarado) stirbt zwischendrin nach einem Überfall von Rojas.

Sancho und Pansa

Das klingt alles so unspektakulär wie es auch ist, und es gibt eine Menge Gründe, warum der Film nie in den deutschen Kinos gelaufen ist. Dabei waren Steffen und Martín schon in der deutschen Verfilmung „Der letzte Mohikaner“ (1965) von Harald Reinl ein gutes Team als Unkas (Martín) und Falkenauge (Steffen) gewesen. Daniel Martín hatte seine wohl bekannteste Rolle in Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) als Julio, den Ehemann von Marisol (Marianne Koch), gespielt. Steffen hatte in einer Handvoll Django-Filmen einen sehr guten Django mit einer echten Leidensmiene gespielt. „Django und die Bande der Bluthunde“ (1969), an dessen Drehbuch er mitgeschrieben hatte, ist sogar ein ausgezeichneter Film geworden, der weit über den Durchschnitt hinausragt und es schafft, eine wirklich unheimliche Stimmung zu etablieren. Trotzdem wirken beide Schauspieler hier eher unterfordert und die Chemie zwischen ihnen stimmt nur bedingt.

Komödie oder nicht?

Das Hauptproblem aber scheint mir zu sein, dass sich „Zwei ausgekochte Halunken“ tatsächlich nicht so recht entscheiden mag, ob er eine Komödie sein möchte oder eher doch nicht. So mäandert er unentschlossen hin und her, Handlungsstränge werden angerissen und dann doch zu keinem befriedigenden Ende geführt. Auch wo die ganzen immerhin 28 Säcke Gold gelandet sind, erfahren wir letztendlich nicht. Denn der klägliche Rest, welcher am Ende auftaucht, kann es wohl nicht sein. Dazu kommen kleine Anschlussfehler und ein paar Längen. Es sind zwar alle Zutaten für einen guten Western vorhanden, aber die Mischung wollte mir nicht so recht munden.

Bewaffnet und überrascht

Die deutsche DVD-Veröffentlichung ist zu loben, weil es sie überhaupt gibt. Denn es handelt sich dabei um die erste. Zwar gab es wohl eine Videokassette, aber diese ist auf dem Markt praktisch nicht mehr zu bekommen. Und obwohl auch RTL den Film gezeigt haben soll, ist die letzte Ausstrahlung schon sehr lange her. Doch ein großes Manko stört tatsächlich und das formuliert Pidax folgendermaßen: „Aufgrund des Zustands des einzig verfügbaren Ausgangsmaterials ist die Tonqualität trotz bestmöglicher Restauration leider eingeschränkt.“ Es scheint so zu sein, dass der Ton von einer Videokassette abgenommen worden ist, welche unsachgemäß gelagert worden war. Diesen Sachverhalt kann man Pidax natürlich nicht anlasten, mutig ist es, trotzdem zu veröffentlichen. Es klingt nämlich die ganze Zeit als würde in ein Rohr hineingesprochen, in dem sich auch ein leichtes Echo bildet. Kurz, es ist nur mühsam anhörbar. Die italienische Tonspur klingt einwandfrei, verfügt aber nicht über Untertitel. Dazu kommen Kürzungen in einer Länge von fast zehn Minuten, bei denen es sich um Gewaltspitzen handeln soll. Das kann ich nicht beurteilen, die Kürzungen fallen tatsächlich nicht auf. Zusammenfassend würde ich sagen, dass es eine Fassung für Komplettisten ist. Wer sich also sehr für Italowestern interessiert, sollte zugreifen.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Anthony Steffen haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Im Zeichen des Kreuzes

Veröffentlichung: 18. August 2023 als DVD

Länge: 86 Min.
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Italienisch
Untertitel: keine
Originaltitel: La caza del oro
SP/IT 1972
Regie: Juan Bosch
Drehbuch: Juan Bosch, Fabio Piccioni
Besetzung: Anthony Steffen, Daniel Martín, Tania Alvarado, Manuel Guitián, Raf Baldassarre, Gustavo Re, Fernando Sancho
Zusatzmaterial: Bildergalerie, Trailershow, Wendecover
Label: Pidax Film
Vertrieb: Al!ve AG

Copyright 2024 by Lars Johansen

Szenenfotos & Packshot: © 2023 Pidax Film

 

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