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Sieben Wege ins Verderben – Braver Held, schillernder Schurke

04 Jul

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Seven Ways from Sundown

Von Dirk Ottelübbert

Western // Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss: Der 1925 in ärmlichen Verhältnissen geborene Texaner Audie Murphy meldet sich im Kriegsjahr 1941 – die Japaner haben am 7. Dezember Pearl Harbor bombardiert – freiwillig zur Armee. Seines jungen Alters wegen lehnt man ihn ab. Entschlossen fälscht er daraufhin sein Geburtsdatum und darf eintreten. Er kämpft in Europa, bringt es vom einfachen Soldaten zum Lieutenant. Angeblich fallen durch seine Hand mehr als 200 Wehrmachtssoldaten.

Audie Murphy – vom Kriegshelden zum Filmstar

Murphy kehrt heim als Held und höchstdekorierter US-Soldat des Zweiten Weltkriegs. Seine schillernde Geschichte dringt zu Oscar-Preisträger und Superstar James Cagney durch, der den gerade 20-Jährigen nach Hollywood einlädt. Der Weg zur Filmkarriere verläuft für den Kriegshelden weniger gradlinig als die Armeelaufbahn: Trotz Schauspiel- und Tanzstunden zeigt sich, dass der äußerlich fragil wirkende, schüchterne junge Mann nicht unbedingt das Zeug zum Star hat, zumal die drei Frontjahre ihren Tribut fordern: Murphy leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Depressionen, Alpträumen, schläft später mit einer geladenen Waffe unter dem Kopfkissen. Neben der jungenhaften Erscheinung, die ihn noch als 40-Jährigen eher wie Mitte 20 wirken lässt, wird ein abwesender, mitunter eisiger Blick zu seinem Markenzeichen. Es sind alte Augen, die viel gesehen haben. Er könne sich nicht erinnern, jemals jung gewesen zu sein, hat Murphy einmal gesagt.

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Unter Beschuss: Texas Ranger Seven Jones

Er debütiert 1948 in der Komödie „Texas, Brooklyn & Heaven“, spielt ein Jahr später seine erste Hauptrolle in „Gefängnis ohne Gitter“. In „Verfemt“ (1950) verkörpert er Billy the Kid. Das Western-Genre wird seine Heimat. Murphys wohl beste und bekannteste Filme sind „Die Uhr ist abgelaufen“ (1957, an der Seite von James Stewart), das Bürgerkriegsdrama „Die rote Tapferkeitsmedaille“ (1951) und „Denen man nicht vergibt“ (1960), die beiden letztgenannten unter John Hustons Regie. Image-prägend für Murphy waren freilich seine „kleinen“ Western für die Universal-International, günstig produzierte Schnellschüsse in Sachen Pulver und Blei, Helden contra Schurken. Vier dieser B-Western sind nun digital restauriert in einer schönen DVD-Box erstmals in Deutschland erhältlich.

Barry Sullivan als Bösewicht

Audie Murphy wusste, dass seine mimischen Fähigkeiten begrenzt waren. Lakonisch und hart zu sich selbst stellte er einmal fest: „Ich arbeite unter einem großen Handicap: kein Talent“. Zugegebenermaßen ist der vielleicht beste Beitrag der Box, „Sieben Wege ins Verderben“ (1960), vor allem deshalb sehenswert, weil der adrett gescheitelte Ordnungshüter Murphy einen geradezu mephistophelischen Bösewicht als Gegenpart hat: Jim Flood (Barry Sullivan, „Vierzig Gewehre“) schießt sich nach einer aus dem Ruder gelaufenen Pokerpartie brutal den Weg aus der Stadt frei. Der unbedarfte Texas Ranger Seven Jones (Audie Murphy) macht sich mit dem alten Sergeant Hennessey (John McIntire) an die Verfolgung des landesweit gesuchten Mörders. Hennessey, der Flood von früher kennt, warnt Seven: Flood sei ein Meister der Manipulation. Kaum einer könne sich seiner einnehmenden, eloquenten Art entziehen, aber hinter der Maske des Gentlemans lauere blanke Skrupellosigkeit.

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„Kolonne Süd“: Soldat Jed deckt eine Verschwörung auf

Flood lauert seinen Verfolgern auf und tötet Hennessey. Seven verfolgt den Schützen, er verwundet und stellt ihn. „Drücken Sie doch ab, wenn Sie mich erschießen wollen, diese Warterei ist ekelhaft“, blafft der hagere, schwarz gekleidete Hüne. Den Gefallen tut Seven ihm nicht. Er fesselt Flood und will ihn auftragsgemäß dem Galgen zuführen. Erst einmal aber holt er in einer Blockhütte die Kugel aus Floods Schulter. Der revanchiert sich mit einem „zum Spaß“ geworfenen Schürhaken, dann aber auch mit Steak und Bohnen. Anderntags brechen der Texas Ranger und sein Gefangener auf. Der Ritt von New Mexico nach Texas ist weit und gefährlich. Die Männer schießen sich mit Indianern und allerlei Gesindel, das das auf Flood ausgesetzte Kopfgeld kassieren will. Das schweißt zusammen, auch wenn die seltsame Beziehung der so ungleichen Männer immer ein Katz-und-Maus-Spiel unter Floods Regie zu bleiben scheint. Am Ende werden sie nicht als Freunde auseinandergehen …

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„Die letzte Kugel trifft“: Im Nest der Bankräuber

Die Inszenierung von Harry Keller bleibt trotz einiger schöner Landschafts-Panoramen eher nüchtern und glanzlos. Audie Murphy müht sich ab, seinen Part mit Leben zu erfüllen, Barry Sullivan spielt einfach und ist großartig. In seinem „Western-Lexikon“ unkte Joe Hembus, bei allen Filmen, in denen der „rührende Audie Murphy einen souveränen Bad Man (hier Barry Sullivan) der Gerechtigkeit zuzuführen hat“, wirke der Held eher „wie ein zurückgebliebener Schurke“. Diesem polemischen Urteil schließen wir uns nicht an.

Audie Murphy Western-Box mit vier Filmen

Gleichwohl darf man sich fragen, ob Murphy nicht tolle Psychopathen hätte verkörpern können. In den weiteren Filmen der DVD-Kollektion spielt er, wenn nicht Männer des Gesetzes, so doch immer Jungs mit einem guten Kern: Im kurz vor dem Beginn des Bürgerkriegs angesiedelten „Kolonne Süd“ (1953) deckt er als Soldat Jed Sayre eine böse Intrige gegen die Navajo-Indianer auf. In „Mündungsfeuer“ (1953) will ein zu Geld gekommener Revolverheld ehrbar werden. Und „Die letzte Kugel trifft“ (1964) zeigt Murphy als geläuterten Outlaw Logan, der einen Bankräuber und früheren Kumpan jagen muss.

Tod statt Dirty Harry

Es war der Fuchs Don Siegel, der Murphy als reinen Bösewicht besetzen wollte – gejagt von Clint Eastwood, im ersten „Dirty Harry“. Das wäre was gewesen. Das Schicksal wollte es anders: Im Mai 1971 flog Audie Murphy per Privatflugzeug zu einem geschäftlichen Treffen. Über Virginia geriet die Maschine in eine Nebelbank und zerschellte an einer Bergwand. Der 45-jährige Murphy und die fünf anderen Insassen kamen ums Leben. Er wurde auf dem Nationalfriedhof von Arlington beigesetzt. Es heißt, sein Grab sei nach dem von John F. Kennedy das meistbesuchte des Friedhofs.

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Audie Murphy und Barry Sullivan haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgelistet.

Veröffentlichung: 12. Juni 2014 als DVD in der „Audie Murphy Western-Box“

Länge: 83 Min.
Altersfreigabe: FSK 16
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: keine
Originaltitel: Seven Ways from Sundown
USA 1960
Regie: Harry Keller
Drehbuch: Clair Huffaker, nach seinem eigenen Roman
Besetzung: Audie Murphy, Barry Sullivan, Venetia Stevenson, John McIntire, Kenneth Tobey, Ken Lynch, Jack Kruschen
Zusatzmaterial: Bildergalerie mit seltenem Werbematerial, Originaltrailer
Vertrieb: Koch Media

Copyright 2014 by Dirk Ottelübbert
Fotos & Packshot: © 2014 Koch Media

 

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