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Clint Eastwood (I): Gran Torino – So altersmilde wie altersweise

16 Dez

Gran_Torino-Cover

Mit diesem Beitrag beginnt bei „Die Nacht der lebenden Texte“ eine Rezensionsreihe über Clint Eastwood. Ohne Anspruch auf ein vollständiges Abdecken seiner Filmografie und in loser zeitlicher Abfolge werden verschiedene Autoren Eastwoods Regie- und Schauspielarbeiten begutachten, darunter – ach was, lasst euch überraschen, es werden einige Rezensionen werden.

Gran Torino

Von Simon Kyprianou

Drama // Sie ist altbekannt im Kino, die Figur des verbitterten alten Mannes, der unter seiner harten Fassade ein großes Herz versteckt, eigentlich so altbekannt, dass sie kaum mehr erzählenswert ist – und doch gelingt das Clint Eastwood. Der Regisseur persönlich spielt den Rentner Walt Kowalski. Der ist Amerikaner durch und durch und dazu ein reinrassiger Rassist. Dennoch freundet sich Walt mit dem Jungen Tao (Bee Vang) an, Sprössling seiner vietnamesischen Nachbarsfamilie, und wandelt sich schließlich, legt seinen Rassismus ab, schafft es mit sich selbst ins Reine zu kommen. Er hilft seinen Nachbarn sogar beim Kampf gegen eine Straßengang.

Märchen und Utopie zugleich

Clint Eastwood verhunzt „Gran Torino“ nicht zu einem verlogenen Feel-Good-Film, er inszeniert ihn als Märchen. Ähnlich wie Aki Kaurismäkis Filme ist „Gran Torino“ eindeutig ein Märchen, eine wunderschöne Utopie, gleichzeitig auch Eastwoods Reflexion des eigenen Werks. Es ist eine Utopie, die nie vorgibt, „wahr“ zu sein, die sich nie in biederem Kitsch verliert und schon gar nicht in Wohlfühlatmosphäre. Genau wie bei Kaurismäki wissen wir, dass das Happy End eine Lüge ist, und Eastwood versucht gar nicht, uns darüber hinwegzutäuschen.

Kommentar zur US-Gesellschaft

Dennoch verliert man sich gern in seiner märchenhaften Geschichte, nähert sich den Charakteren an und lässt sich vom Sog Eastwoods bedächtiger, wundervoll klassischer Erzählung treiben. Aber trotz all der Märchenhaftigkeit bleibt „Gran Torino“ auch stets ein ernsthafter Kommentar zur gesellschaftspolitischen Lage in den USA, stellt dringliche Fragen und lässt keine Zweifel daran, dass das Happy End des Films niemals als reale Lösung funktionieren kann – im Gegenteil.

Reflexion über die alten Rollen

Eastwoods typischer Minimalismus beherrscht den Film voll und ganz, die Bilder sind teilweise bis zur Unkenntlichkeit in Schatten gehüllt, alles völlig befreit von visuellen Spielereien, unterfüttert von behutsam unaufdringlichem Einsatz der Musik von Eastwoods Sohn Kyle. In „Gran Torino“ scheint der Regisseur über die eigene Karriere, die früheren Rollen und sein Selbstbild nachzudenken, man kann es vielleicht als altersmilde und vor allem kluge Absage an radikale und reaktionäre ehemalige Figuren wie Dirty Harry und etliche seiner Western-Figuren lesen.

Der Glaube an den Menschen

„Gran Torino“ ist Ode an Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe, ein Film, der schier unumstößlich an den Menschen glaubt, ein Film, in dem alles was gut gehen kann, auch gut geht. Diese bittersüße Utopie lässt den Zuschauer unentschlossen zurück, einerseits in Hochstimmung, andererseits auch in Ernüchterung, wenn man sich nach Ausschalten des Fernsehers wieder in die kalte Realität zurückbegeben muss, wenn Eastwoods Märchen zu Ende ist. All seine bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme haben wir in unserer Rubrik Regisseure aufgelistet.

Veröffentlichung: 10. Juli 2009 als Blu-ray und DVD

Länge: 116 Min. (Blu-ray), 111 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch, Spanisch, nur Blu-ray: Italienisch, Französisch
Untertitel: Deutsch, Dänisch, Finnisch, Norwegisch, Portugiesisch, Spanisch, Schwedisch, nur Blu-ray: Französisch, Italienisch, Koreanisch, Niederländisch, Schwedisch
Originaltitel: Gran Torino
USA/D 2008
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Nick Schenk, Dave Johannson
Besetzung: Clint Eastwood, Bee Vang, Christopher Carley, Ahney Her, Brian Haley, Geraldine Hughes, Michael E. Kurowski, Dreama Walker, Brian Howe, Scott Eastwood (als Scott Reeves)
Zusatzmaterial: Die Bemannung des Rades: Die Bedeutung der Männlichkeit und wie sie in der amerikanischen Auto-Kultur dargestellt wird, Gran Torino – Mehr als nur ein Auto: Besucht Detroit und das alljährliche Oldtimertreffen Woodward Dream Cruise, bei dem Fans die einzigartige Verbindung zwischen Mann und Auto beschreiben, nur Blu-ray: The Eastwood Way – Erlebt den Entstehungsprozess des Films hautnah aus der Sicht des Hauptdarstellers/Regisseurs
Vertrieb: Warner Home Video

Copyright 2014 by Simon Kyprianou
Packshot: © 2014 Warner Home Video

 

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