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Northern Soul – Turning My Heartbeat Up

12 Feb

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Northern Soul

Das ist das Tolle an Soulmusik, du hörst dir die Texte auf der Platte an und sie sprechen zu dir. Matt (Josh Whitehouse)

Gastrezension von Miriam Dames

Drama // John Clarke (Elliot James Langridge) lebt mit seinen Eltern in der tristen Vorstadthölle von Burnsworth – dem „Drecksloch“ – in der Grafschaft Lancashire im Norden Englands. Es ist das Jahr 1974 und schlimmer könnte es im Leben eines Teenagers nicht sein. In der Schule als Sonderling von den Mitschülern verprügelt, von seinem Lehrer, Mr. Banks (Steve Coogan), als Dummling beschimpft und zu Hause ist es nur sein Großvater, mit dem John reden kann. Der einzige Lichtblick ist die unbekannte schwarze Krankenschwester Angela (Antonia Thomas), die John jeden Morgen im Bus trifft.

Ein Tape verändert das Leben

Bei einem Ausflug in das auch eher ungeliebte Jugendheim lernt er Matt (Josh Whitehouse) kennen. Dieser tanzt nicht nur in einem sehr eigenwilligen Bruce-Lee-Tanzstil und trägt auch irgendwie andere Klamotten, er gibt John auch ein Tape, das dessen Leben von Grund auf verändert. Darauf ist ein Mitschnitt aus dem Nachtclub „Wigan Casino“ – Northern Soul, eine ganz unglaubliche Musik.

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Englische Workingclass-Tristesse: Burnsworth, das „Drecksloch“

Schnell wird die eh nicht sehr zukunftsträchtige Schule gegen einen allerdings ebenso frustrierenden Fabrikjob getauscht und das so verdiente Geld in Platten investiert, die Nächte tanzt man im Wigan oder im Blackpool Mecca durch. Dort kommen John und Matt dann auch in Kontakt mit Amphetaminen und Speed, aber John bleibt das große Ziel USA vor Augen. In den Vereinigten Staaten wollen er und Matt die unbekannten Platten finden, mit denen sie in England selbst zu gefeierten Northern-Soul-DJs werden.

Irgendwie läuft für John erst mal alles gut. Seine Platten verschaffen ihm einen kurzen Gastauftritt im Wigan, und auch Angela fängt an, sich für ihn zu interessieren. Wäre da nur nicht Matt, der sich mehr und mehr den Drogen zuwendet und so den Traum von Amerika und damit die Freundschaft der beiden auf eine harte Probe stellt.

Freundschaft, Leidenschaft und diese besondere Musik

„Northern Soul“ handelt vor allem von Freundschaft, von Verlust und von der Passion zu dieser ganz bestimmten Art von Musik. Einer Musik die auch Freiheit bedeutet, die in den frühen 70ern für die Jugend im Norden Englands nicht bloß Ablassventil, sondern ein „Way of Life“ ist.

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Nicht auf den Mund gefallen – Angela (l.) und ihre Freundinnen

Der Begriff Northern Soul taucht erstmals im Jahr 1970 im englischen Magazin „Blues & Soul“ auf und bezeichnet eine zu dieser Zeit zunächst rein britische Musikkultur, in der es um das Hören und Sammeln von möglichst unbekannten amerikanischen Soulplatten geht. Daraus entwickelt sich in den 70ern eine weitgehend auf den Norden Englands beschränkte, aber dennoch verhältnismäßig große Subkultur. Bei regelmäßigen Allnightern in Nachtclubs wie dem Wigan Casino (Greater Manchester), dem Blackpool Mecca (Blackpool) oder dem Golden Torch (Stoke-on-Trent) trifft man sich, um zu tanzen und mit Platten zu handeln.

Etwas schade ist, dass die Handlung des Films teilweise etwas episodenhaft wirkt und sich die Ereignisse im weiteren Verlauf zu überschlagen scheinen, was einzelnen Sequenzen etwas die Tiefe raubt. Auf der anderen Seite sind da charmante Szenen, wie die etwas linkisch-schüchterne Annäherung von John und Angela während einer Hausparty in der heruntergekommenen Küche von John und Matt, welche einem ein Schmunzeln ins Gesicht zeichnet.

Northern-Soul-Szene wirkt authentisch porträtiert

Überhaupt ist die Besetzung mit den eher unbekannten jungen Schauspielern sehr gut gelungen. Sie überzeugen mit authentischem Spiel und einer sympathischen Interpretation der Rollen. Auch die Ausstattung des Films wirkt auf mich authentisch, die Tanzszenen wurden aufwendig mit den Komparsen geprobt und auch der Kleidungsstil der frühen Northern-Soul-Szene ist recht gut getroffen. Das kommt sicher daher, das sich die Regisseurin Elaine Constantine schon länger mit dem Thema Northern Soul beschäftigt; so führte sie 2003 auch bei dem Musikvideo zu Molokos „Familiar Feeling“ Regie, das ebenfalls einen Soul Allnighter porträtiert.

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Schuften in der Fabrik für den Traum vom eigenen Northern-Soul-Club

Wer bislang noch keine Berührung mit Northern Soul hatte, wird einige Abschnitte des Films gewiss nicht so leicht verstehen. Kennern der Northern-Soul-Szene hingegen wird das Thema Drogen zu zu großen Raum einnehmen, ihnen werden obendrein die Tanzszenen und die Darstellung der typischen Wigan-Atmosphäre sicher etwas zu kurz kommen. Alles in allem ist „Northern Soul“ aber als einer der wenigen Nicht-Dokumentar-Filme zu würdigen, der sich mit dieser Subkultur beschäftigt − sicher was die Story betrifft nicht sonderlich außergewöhnlich, aber es ist doch ein charmanter und recht authentischer Film mit definitiv guter Musik geworden.

Mir zumindest, bekennenderweise selbst seit vielen Jahren Northern-Soul-Enthusiastin und DJ, hat es gehörig in den Füßen gezuckt. Nur gut, dass in Hamburg der nächste Soul Allnighter meist nicht allzu lange auf sich warten lässt.

Keep the faith!

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Wigan Casino – tanzen bis die „3 before 8“ erklingen

Alle bei „Die Nacht der lebenden Texte“ berücksichtigten Filme mit Steve Coogan haben wir in unserer Rubrik Schauspieler aufgeführt.

Veröffentlichung: 12. Februar 2015 als Blu-ray und DVD

Länge: 101 Min. (Blu-ray), 97 Min. (DVD)
Altersfreigabe: FSK 12
Sprachfassungen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Finnisch
Originaltitel: Northern Soul
GB 2014
Regie: Elaine Constantine
Drehbuch: Elaine Constantine
Besetzung: Elliot James Langridge, Josh Whitehouse, Antonia Thomas, Jack Gordon, James Lance, Steve Coogan
Zusatzmaterial (nur Blu-ray): Making-of (45 Min.)
Vertrieb: Universal Pictures Germany GmbH

Copyright 2015 by Miriam Dames

Fotos, Packshot & Trailer: © 2015 Universal Pictures Germany GmbH

 

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